Verzugsgesetze. Verziehen langstapeliger Fasermassen. 29 ein dickes Tau, Seil u. s. w. viel weniger Anstrengung verlangt zurückgehalten zu werden, als es Kraft bedarf, um durch einen dünnen Bindfaden, an den das Tau z. B. angebunden ist und der von den Fingern erfasst wird, ohne um die Hand geschlungen zu sein, dieses Tau der rückhaltenden Hand zu entreissen. Aus diesen Betrachtungen leiten wir die Grundsätze ab: a) Die Auszugsvorrichtung muss immer stärker als die Rückhaltevorrichtung sein, was auf die einfachen Streckcylinder angewendet heisst: Die Belastung der Auszugs - (Liefer-) Cylinder muss immer stärker als die der Rückhalte-(Einführ-) Cylinder sein. b) Die für die fortschreitende Bearbeitung zu verwendenden Streckvorrichtungen müssen immer mächtiger werden, so dass also die Belastung pro Faser zunimmt. Wenn wir die voraufgehenden Betrachtungen übersehen, so ergeben sich also die folgenden, für das Verziehen grundlegenden Sätze: 1. Die zum Verziehen verwendeten Kräfte beruhen alle auf der Reibung. 2. Praktischer Klemmpunkt und theoretischer Klemmpunkt liegen um den Vorschub auseinander und nähern sich mit fortschreitender Bearbeitung einander immer mehr. 3. Die kleinste Cylinderentfernung soll gleich grösster Faserlänge plus Vor schub sein. 4. Die Cylinderabstände nehmen mit zunehmender Bearbeitung ab. Je weiter vorgeschritten die Bearbeitung ist, desto kleiner werden die Abstände. 5. Der Verzug soll mit zunehmender Bearbeitung zunehmen. Je weiter also das Arbeitsstadium vorgeschritten ist, desto grösser darf der Verzug werden. 6. Verzug und Dicke der zu bearbeitenden Fasermasse stehen in inniger Wechsel beziehung. Jeder Dicke entspricht ein bestimmter Verzug, bei dem das Gut am gleichmässigsten ausfällt. 7. Die Auszugsvorrichtung muss immer stärker als die Rückhaltevorrichtung sein. 8. Mit fortschreitender Bearbeitung müssen auch Rückhalte- und Auszugsvor richtung an Stärke zunehmen, d. h. die Belastung pro Faser muss grösser werden. III. Ueber das Verziehen langstapeliger Fasermassen. Als wir von den Eigenschaften, die ein guter Faden haben muss, sprachen, führten wir unter anderem die Glätte an, die besonders für feine Gespinste unbedingt notwendig ist. Bei der Ermittelung der verschiedenen Bearbeitungen, denen man die Fasermasse zur Erzeugung der Gespinste unterwerfen muss, haben wir dann ermittelt, dass es für die feineren Gespinste unbedingt notwendig ist, die Fasermasse nach dem Reinigen und Zerlegen einem Klassieren zu unterwerfen, welches alle kürzeren Fasern bis zu einer gewissen Höchstlänge aus der Masse ausscheidet. Dieses Klassieren muss vor dem Verziehen geschehen, damit die auf die Höchstlänge der Fasern eingestellten Cylinder die Masse richtig verziehen können und kürzere Fasern nicht etwa frei in der Masse liegen. Hierdurch würde das Vliess struppig aussehen, und beim Spinnen würden eine Menge Faserenden aus dem Fadenkerne herausstehen, wodurch der Faden flaumig erscheint.