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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020930022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902093002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902093002
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-09
- Tag 1902-09-30
-
Monat
1902-09
-
Jahr
1902
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Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile LS Reklamen unter demNedactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richteu (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsah entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Osfertenanaahme 25 (excl. Porto). Ertra-Beilage« (gefalzt), «nr mit der Mvrqen-Ausgabe, ohne Postbefärderung 00.—, mit Postbefärderuag 70.—» Ännahmeschluß fiir Anzeigen: Abend-AuSgabe: vormittag- 10 Uhr. Morge«-Aa-gab«: Nachmittag- S Uhr. Anzeige« sind stets aa dre Gxpedktioa zu richte«. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet vo« früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Druck »ud Verlag vo« L. Polz i« Leipzig. Sk. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. September. Wie dem »Hann. Cour/ au- Berlin gemeldet wird, bestätigt eS sich, daß der Kaiser die drei Boerengenerale Botha, Delarey und De Wet in Audienz empfangen wird. Nach der .Köln. Ztg." sind zwar endgiltige Beschlüsse in dieser Richtung noch nickt gefaßt, aber auch der Gewährs mann de- rheinischen Blatte» nimmt an, daß die von den Generalen nachgesuchte Audienz werde bewilligt werden. Die „Köln. Ztg.- selbst knüpft an ihre Meldung folgende Aus lassung: „Es versteht sich von selbst, daß, wen« di« früher verbreiteten Nachrichten, wonach die Boereageaeralr ihren Besuch in Deutschland zu einer Massenagitation gegen England benutzen wollten, auf Wahrheit beruht hätten, von einem solchen Empfange niemals hätte die Rede fein können. Sobald diese Absicht indessen weg fiel, konnte naturgemäß auch die Stellung, die man in Deutsch land den Boerengeneralen gegenüber einnahm, eine ganz andere werden, und wir haben schon früher daraus hingewieien, daß in diesem Fall« nicht- im Wege stände, sie mit freundlichem Wohl wollen und sogar „mit Auszeichnung" zu empfangen. Dir jüngsten Aeußernnge« der Boeren lassen nun keinen Zweifel darüber, daß sie mit Kundgebungen, wie sie ihnen von übereifrigen Freunden nahe gelegt wurden, selbst nicht» zu thun haben wollen, sondern daß sie sich, wenn auch nicht alle Wünsche, die sie Herrn Chamberlain vorgetragen haben, die Zustimmung der englischen Regierung fanden, nichtsdestoweniger auf Grund deS abgeschlossenen Friedensvertrages als Unterthanen der englischen Kron« betrachten und die Absicht haben, in diesem neuen Berhältniß mit England in Frieden und Eintracht zu leben. Durch diese Erklärungen ist der politischen Seite de» Gesuche» der Boerengenerale die Spitze abgebrochen worden, und wir haben »S mit ihnen nur noch zu thun al» den Führern eines tapfer« Volle», da» zwar nach jahrelangem Kamps niedrrgerungrn wurde, da- aber während diese- Kampfes sogar die Achtung der Engländer sich zu erwerben „«rstaad.. .. Man wird es verstehen, daß der Kaiser bei feiner regen Theilnohme an militärischen Vorgängen sich wohl dafür interessiren kann, die Männer persönlich kennen zu lernen, die unter schwierigen Verhältnissen und ohne eigentliche Berufssoldaten zu sein, Jahre hindurch die wohlorganisirte englische Heermacht in Schach zu halten vermochten. Es ist bekannt, wie sehr es der Kaiser liebt, sich durch persönliche Aussprache mit Männern jeder Richtung und jedes Standes über ihre Anschauungen zu unterrichten und dadurch ein lebendigeres Bild von politischen Vorgängen zu gewinnen, als es auf Grund geschriebener Berichte gewonnen werden kann." Von anderer Seite wird erklärt, man halte eS in Berlin sür ausgeschlossen, daß die Audienz in England verstimmen werde, da eS ja britische Unterthanen seien, denen die kaiser liche Auszeichnung zu Theil werden solle. Ob diese Annahme zutrifft, wird vorläufig dahingestellt bleiben müssen. Jeden falls macht schon die bevorstehende Reise der Boerengenerale nach Deutschland die Londoner Blätter nervös. Da- beweist besonder- der Abdruck eine» Artikel-, den der .South African Export", ein neu gegründete- Blatt für den englisch-afrika nischen Handel, über die Frage: .Warum Kaiser Wilhelm nach England kommt?" veröffentlicht und in dem eS heißt: „Es ist ganz sicher, daß die in Aussicht genommene Tour der Boerengenerale durch Deutschland von den großen Fabrik- und Handelsfirmen Deutschland» sehr übel ausgenommen wird und daß sie Alles ausbitten werden, um deren Auftreten zu verhüten und AlleS zu verhindern, was die augenblickliche anti deutsche Stimmung in England und in den britischen Colonien steigern könnte. In den Colonien ist diese deutschfeindliche Stimmung noch stärker als hier und deutsche Fabrikanten aller Branchen klagen darüber, daß eS ganz unmöglich sei, unter den augeablicklichen Verhältnissen Exporthandel zu treiben. In Süd afrika ist die Klage allgemein (?), daß die Vertreter deutscher Firmen nicht die mindeste Chance hätten, irgend ein Geschäft ab- zuschließen, angesichts der entschiedenen Neigung (?), englische Maaren zu bevorzugen. Die Situation, welche sich schon seit einiger Zeit vorbereitet hat, ist nun so acut geworden, daß der Kaiser infolge der Vorstellungen, welche persönlich oder Lurch Graf Bülow vorgetragen wurden, sich entschlossen hat, im nächsten Monat nach England zu reise«. Er wirch wahrscheinlich nach London kommen, was die deutschen Fabritanten be stimmt erwarten, da sie mit Zuversicht darauf rechnen, daß es den Bemühungen des Kaisers gelingen werde, die Feindseligkeit gegen Deutschland, welche überall m britischen Reiche herrscht, wesentlichzu besänftigen." Wenn schon die Reise der Boerengenerale nach Deutsch land in der Londoner Presse die Erwartung weckt, Kaiser Wilhelm werde als commis vo^ageur für die deutschen Export geschäfte nach England kommen und dort für diese wie für da- ganze Reich um gutes Wetter bitten, so ka- n man sich allenfalls denken, was diese Presse nach .iner ^..udjenz der Boerengenerale beim Kaiser sagen und fordern wird. Um so mehr würde man es in Deutschland beklagen müssen, wenn von der Gewährung der Audienz Abstand ge nommen oder gar auf sie verzichtet und dagegen die Reise nack England, die unseres Wissens bis jetzt noch nicht be schlossen ist, unternommen würde. Gerade durch die Audienz würde der englischen Presse bewiesen, daß der deutsche Kaiser nicht daran denkt, jenseilS des Canals als Agent und Bitt steller zu erscheinen. Und erschiene dann Kaiser Wilhelm in England, so würde auch die britische Regierung wissen, daß er nickt käme, um sich zu entschuldigen, sondern um auch dort seine Ausfassung bezüglich der Rücksichten zu vertreten, auf die die tapferen, im Interesse ihrer zu englischen Untertbanen gewordenen Landsleute reisenden Männer überall An spruch haben. Das Organ des Bu«des -er Lan-wirthe, die „Deutsche Tagestztg.", entwickelt über die bei den nächsten Reichs- tagswahlea von der „deutschen Landwirthschaft" zu befol gende Taktik Anschauungen, die der Socialdemokratie abgelauscht sind. Bon der Voraussetzung ausgehend, daß „man" geneigt sein werde, die nächsten Wahlen als Ple bt s c i t zu beurtheilen, gelangt nämlich das bündlerische Organ zu der Folgerung, die deutsche Landwirthschaft müsse dafür sorgen, „daß nicht nur möglichst viele Candi- daten gewählt werden, die entschlossen sind, die agrarischen Forderungen rückhaltlos und unbeugsam zu vertreten, sondern auch, daß möglich st viele Stimmen, ganz unbekümmert um einen etwaigen Erfolg, für die Forde rungen der Landwirthschaft gezählt werden können". — Also ganz nach socialdemokratischem Muster wird hier der Nachdruck auf die agitatorische Wirkung gelegt, un bekümmert um die praktischen Erfolge, auf die allein es doch für die deutsche Landwirthschaft ankommt. Einen Sinn würde die Aufstellung möglichst vieler rein agrari scher Reichstagscandidaturen nur dann haben, wenn in Deutschland die Proportivnalwahl bestünde. Da letzteres bekanntlich nicht der Fall ist, läuft das Verlangen der „Deutschen Tagesztg." praktisch auf eine Schädigung der deutschen Landwirthschaft hinaus. Denn die Auf stellung rein agrarischer Reichstagscandidaturen lediglich zu dem Zwecke, Stimmen zu zählen, muß der Durch dringung landwirthschaftsfreundlicher Candidaten in Folge der Stimmenzersplitterung in vielen Fällen die größten Schwierigkeiten bereiten. Das wird in um so weiterem Umfange der Fall sein, als die „Deutsche Tages zeitung" ferner die Forderung erhebt: „Nur diejenigen Candidaten werden der Unterstützung theilhaftig werden können, die sich verpflichten, der Landwirthschaft unbe dingt zu ihrem Rechte zu verhelfen. Findet sich . . . unter den von den politischen Parteien ausgestellten Candidaten Keiner, der diese Vorbedingung erfüllt, so wird ernstlich zu erwägen sein, ob nicht ein besonderer Kandidat der Landwirthschaft ausgestellt werden soll." — Daß solche bündlerische Reichstagscandidaturen den Gegnern der Landwirthschaft insofern doppelt nützen, als sie einerseits den Freunden der Landwirthschaft eine Stimmenabsplit- tcrung znfügcn, andererseits den Gegnern der Landwirth- schaft die Agitation unter den Massen erleichtern, diese Er fahrung ist oft genug gemacht worden. Und wiederholt haben die bündlerischeu Wahltaktiker, erst jüngst z. V. in Wiesbaden, es erlebt, daß ihre Sondercandidatur ledig lich der Wahl eines landwirthschaftsfcindlichen Candidaten die Wege bereiteten. Offenbar auf Grund solcher Er fahrungen ertheilt die „Deutsche Tagesztg." heute noch keinen „bestimmten Rath", sondern giebt ihren Gedanken „nur zur Erwägung" anheim. Auch unter dieser Ein schränkung ist das Vorgehen der „Deutschen Tagesztg." schlimm genug, weil es nur zu geeignet ist, Verwir rung und Verblendung hervorzurufen oder zu verstärken. Im Jahre 1890 beschloß die auS drei Gruppen be stehende äußerste Linke in Italien, sich zu gemein samer Bekämpfung des Ministeriums Pelloux zu einer taktischen Eircheit zusammenzuschneßen. So entstanden aus Socialisten, Republikanern und Radi kalen die vereinigten B v l k S p a r t c i e u lpartiti pvpulari). Sie verwischten in einer Art Ver- brüdcrungstamnel geflissentlich die Unterschiede, die sie bis her getrennt hatten, sie saßen auf denselben Bänken und kämpften und agitirten -usarnmcn. Dennoch mar es, so wird der „Münchner AUg. Ztg." aus Rom geschrieben, dem sorgfältigen Beobachter von Anfang an klar, daß der Socialdemokratic der Löwenantheil zufallcn werde, denn sie hatte nicht nur die wirksamsten Redner und die beste Organisation, sondern auch das positivste, zukunftsreichste Progrannn. Die Folgen zeigten sich bald, um so mehr, als die Führer der Socialdemokraten, kühne Husarenritte ins Nachbarland unternehmend, offen eingestarrden, daß sie direct Absorbirungsbestrebungen hatten. Das Resultat wurde zum ersten Male klar bei den Kammerwahlen von 1900. Während anscheinend Alles in Eintracht und Friede vor sich ging, die Vvlköparteien nur gemeinsame Can didaten aufstellten, und, dem Wahlaufruf zufolge, allen drei Parteien gleiche Chancen sichern wollten, stiegen die Mandate der Republikaner und Radikalen von 59 auf 61, hingegen die der Socialisten von 16 auf 32. In den zwei Jahren, die seitdem verflossen sind, bemühte sich die Social demokratie in immer steigendem Maße, gerade unter den ihr nahestehenden Parteigruppen Proselyten zu machen. Der Erste, -er daraus praktische Konsequenzen zog, war der Abgeordnete Sacchi, der Führer des gemäßigten Flügels der Radikalen. Um nicht vom „rothen Meer" ver schlungen zu werden, löste er für sich und zwölf Andere die Verbindung und erklärte trotz seiner radikalen Grund sätze, dem König und der Verfassung treu bleiben zu wollen ,' er sei es müde, sich von der Socialdemokratie ins Schlepptau nehmen zu lassen. Der antimonarchische Flügel der Radikalen unter dem Abgeordneten Marcora wollte an diese Gefahr nicht glauben und die Republikaner ebenso wenig. Da kamen zunächst die Ersatzwahlen des letzten Sommers. Die rcpublikarrischen Mandate von Niassa und Corato waren zu vergeben, aber die Republi kaner wurden verdrängt, und zwar von ihren Freunden, den Socialisten: de Felice und Barbato erhielten die vacanten Sitze. Damit aber noch nicht genug, halten sich die Socialdcmokraten jetzt schon für stark genug, den Republikanern den Krieg <nrf ihren eigenen Parteitagen zu erklären. In Albano Lazialc hat am 22. September der Parteitag der mittelitalienischen Republikaner statt gefunden. Es prüsidirte der Abgeordnete Rispoli, der kürzlich bei einer Ersatzwahl für Castellamare ins Parla ment gelangte. Dieser schlug die übliche Resolution vor, mit der die italienischen Republikaner seit den Zeiten Mazzini's ihr Leben fristen; sind sie doch bis jetzt wohl die zumeist versteinerte Partei Europas gewesen. Zu Aller Uebcrraschung wurde aber diesmal von einem jungen Arbeiterführer, Vrignardelli, der sich als Mitglied der Arbeiterkammcr in Nom seine politischen Sporen ver dient hat, eine Gcgcnresolution eingebracht. Sie betont, Ferrilletsn. Das Testament. Eine overösterreichische Erzählung v. Fanny Kaltenhanscr. (Nachdruck ohne Honorirunq auch in Amerika verboten.) (Schluß.) Mit schier blödem Blick starrte erst der Mann sein Kind an. „G'stvrben — der Lenzl? G'storben?" grölte er. Dann gellten iviedcr die häßlichen Lachlmrle durch den Raum. „Mag's frei nct glauben — na, frei nct! — AUweil — allweil hat s' g'sagt, d' Seph' — in zwei Wochen lebt er ch' nimmer, der Lcnzl — und so viel zwei Wochen sind dahin — und — und jetzt — jetzt glaub' ich's net! — Selber sehen — muß ich's!" Torkelnd kam er zum Bett — aber nicht dicht heran; denn die Fran hob sich und wies ihn zurück. „Komm' ihm net zu nah — Du! — Hast Dich lebendig nie 'kümmert, jetzt — todte — g'hört er mein allein! Geh hin, wo D' alleweil g'wesen bist, wenn der nach Brod g'schrien hat — dort ist Dein Platzl, da net!" Sie sprach ganz ruhig nnd mit starker Stimme, die Sephi, und mit gleicher Ruhe fügte sic hinzu: „Und nimmer, — verstehst mich? — nimmer ist Dein Platzl da! Dcrfst net meinen, weil i Dir gestern freiwillig Geld 'geben hab', es ging' weiter so! Na, net einen lucketen Kreuzer kriegst mehr von mir — net im Guten, nct im Schlechten! I wehr' mich von heut' an. Such' Dir ein' andern Ort, wo Du sein kannst, und vcrlump' Dein Geld — wenn eins hast! Und jetzt weißt g'nug — jetzt geh'!" Der Grieslingcr lachte. „Da find wir auf'm Gleichmaß, Du! Bin ch' nctta anfa zu Dir, daß i Dir sag': -'erst bist mir Du davong'rennt, jetzt thu's i! So lang's mich g'sreut, hast das! Ja. — Sichst cs, hast alleweil so g'schimpft, weil t spiel' — und g'winn nichts — und's erst' Geld, was freiwillig ist von Dir, — hat mir a Glück 'bracht, ein narrisch'S! Alleweil g'wonnen und g'wonnen hab' i — heut' Nacht! Wie der Tag in's Fenster g'schcint hat — hab' i d' Taschen voll Geld g'habt! Stlbergeld, schau her — der alt' Watscherbancr spielt net mit lumpige Kreuzer — dem find die -'schlecht — -'schlecht!" Er suchte in den Hosentaschen und zerrte mit seinen zitterigen Händen Geld hervor, eine ganze Handvoll Guldcnstücke, von denen in der Hast einige zu Boden fielen. „Aber mit einem Lumpen, da mag er spielen! Der ist ihm net zu schlecht!" sagte die Sephi in schneidendem Tone. Er überhörte die Worte, der Halbtrunkene; denn er hatte sich eilig zu Boden gebückt und mühte sich nnn, das Entfallene wieder in Sicherheit zu bringen. Unsicher sah er sein Weib an, da er sich wieder aufrichtete. ,Hast 'was g'sagt, ha?" murrte er. „Ist mir netta grab' so!" „Gehen sollst", versetzte sie harten Tones und kehrte sich von ihm. „Ist mir ja ch' recht!" kicherte er heiser. „Geld hab' 1 — Geld — mehr brauch' i net! Dich net — Dich nct! I geh' in's nächste Dorf hinüber und bleib', so lang's mich freut! Dort sind ein paar, die gern spielen — dumme Narren, die s net können — da g'winn' i brav — hihi — g'winn' i! Und sauf' mir alle Tag' ein Räuschl an. Sollt' i Dich 'leicht fragen — ha, ob i trinken derf? I — bin ein Mann — Du! Der -erf fein' Rausch haben! — Weil i ein Mann bin — derf i!" Er grölte noch eine Weile fort, höhnte nnd prahlte; — die Krau aber saß schon wieder still und rührte sich nicht; und ihr Blick hing an dem todtcn Angesicht, gierig, un verwandt, als wolle sich derselbe festsaugcn an diesen Zügen, um sic nie, nie zu vergessen, wenn sic verschwunden waren aus dem Leben. Da ging endlich der Mann. Die Hausthür schmetterte er hinter sich zu, als wolle er, daß sie jäh in Stücke gehe. Und einmal scheltend, dann wieder heiser lachend, taumelte und torkelte er seinen Weg dahin. Dreizehntes Capitel. Beim Begräbniß des Lorenz Grieslingcr fehlte der Vater. Und beinahe eine Woche lang hörten sie nichts von ihm, die Sephi und ihr Kind. Dann kam eines Abends der Gemeindebote noch eilends ins NiedergstetmerhäuSl und thetlte der Sephi mit, daß ihr Mann auf dein Wege, der ins nächste Dorf führe, erfroren aufgefundeu worden sei; man wisse auch schon, daß er ein paar Tage hindurch nichts wie gespielt und Schnaps getrunken, in ver schiedenen Wirthshäusern hernmzottelnd; am vorgestrigen Abend aber habe er sich mit einem tüchtigen Rausch auf den Heimweg gemacht — ein Kumpan von ihm habe das er zählt. Er war nicht mehr heimgckommen, in der eisigen Kälte, mit seinen umnebelten Sinnen. Die Sephi hörte es schweigend an. Als der Gemeinde bote gegangen, nickte sie Jula zu und stieß zwischen den Zähnen hervor: „'s erste Gute, was er 'than hat, derweil i mit ihm leb', — daß er uns allein «'lassen hat, uns Zwei!" „Uns Zwei", diese zwei Worte, die die Sephi selber aus gesprochen, griffen ihr ins Gemüth. Sie sah plötzlich ein bleiches, abgezehrtes Gesicht vor sich auftanchcn; zwei liebe Augen schauten ihr entgegen. « Der Lcnzl!" flüsterten ihre Lippen. „Wie schön könnt' er's haben, jetzt, wenn er noch leben thät'l Besser wär's, i wär' gleich mit ihm g'stvrben!" Da fuhr drüben die Jula, die so still gesessen, seit der Bote dagewesen, von ihrem Sitz auf. „Mnatter, Muatter". schrie sie, „ist Dir denn der Lcnzl All s g'wesen, daß D net bei mir bleiben willst? Bin doch auch Dein Kind — schau! Und hab' Niemand und hab' nichts ans der Welt — weil i den Einen net haben kann — und nie nehmen derf — den, der so viel gut g'wesen ist zu mir, nach dem mein Herz schreit, -er mtr'S Leben so schön machen könnt', wie's mir bisher schiech g'wesen ist. Wo i hinsthau, ist b' Nacht, und Tu bist das einzig Lichtl, was i siech und Du willst ins Grab hineinleuchten, Deinem todtcn Kind nach, das nichts mehr spürt; — und Dein lebendig's Kind, was noch ein Herzl hat, das schlagt — und es schlagt so weh, mei' Muatter! — Dein lebendiges Kind laßt in der Fin- sterniß, — nimmst mir den letzten Schein sort, der auf mein' Weg fallt! Muatter, das kann net sein, nnd das soll net sein! Mußt doch auch ein bißl auf mich denken, und net alleweil an den Lenzl — mußt!" Wie verloren starrte die Frau ihr Kind an. „Ein bißl auf Dich denken!" sprach sie langsam nach nnd verstummte dann wieder. An die Jula denken? Ja, that sie denn das nicht? That sie denn darnach, als wäre ihr ihr ein ziges lebendes Kind gleichgiltig? Als möchte sie, da ihr das Eine gestorben war, das andere nicht mehr recht leiden? So that sie? Da sie nicht sprach, meinte die Jula, sie wolle es nicht tbun, und hastig redete sie selber weiter: „Schau, dem lebenden Bruder hab' ich's vergönnt, Deine übergroße Lieb', und hab' mich b'schieden, wenn Dich weniger 'kümmert hast run mich, wie um ihn; er war ja krank und hat's 'braucht, daß Du so 'than hast mit ihm. Aber jetzt — jetzt, wo es ihm nichts mehr nutzt, jetzt möcht' i nimmer z'ruckstehen, jetzt net — na!" In beißcm Schluchzen erstarb die Stimme. Da hob cs die Sephi jäh von ihrem Sitz. Und sie hielt auch schon das Dirndl in ihren Armen und drückte den schmächtigen Leib an sich und streichelte zärtlich das rott-braune Haar, das nasse Gesicht. „Geh, geh, — Dirndl, dumm's!" stieß sie hervor, selber schluchzend. „Bild' Dir nichts ein! Wie könnt'st mir denn net in meinem Herzen stehen, wo mein Einzig's bist, was ich noch auf derer Welt hab'?! Und schau, der Lenzl hat mein Mitleid g'habt, mein ganz's, schmerzlich's Muatter- Herz, Du aber bist meine stolze Freud' g'wesen von jeher — so sauber und so lieb! — und für Dich hat sich's auf- 'bäumt, mein Herz, nnd hat um Hilf' g'schrien, daß Du erlöst werden sollst aus der Verachtung, in der leben mußt mit mir!" „Und jetzt wär' der da, der mich zu sich htnaufg'hoben hätt'r und da muß's grab' der sein, der mich net nehmen kann — weil —" die Jula endete ihre schluchzende Rede nicht. „Weil i dawider steh'! Ja", fügte die Mutter hinzu. Das Dirndl aber schauerte in den Armxn der Mutter zusammen; — eS hatte den Kopf gehoben und flüchtig in das Antlitz der Mutter gesehen, und das war so fahl und trug einen so steinernen Ausdruck, als wäre mit einem Mal das Gemüth dieser Fran ganz hart geworden. Aber während die Mutter hinwcgsah über ihr Kind, kam cs über ihre Lippen in so leisem Ton, daß die Tochter nichts verstand von den Worten: „Weil i dawider steh' gegen meinem Dirndl ihr Glück!" Vierzehntes Capitel. Zwei Wochen waren vergangen. Tie Grieslingerin saß in der Wohnstube und strickkc. Tie Jnla aber hatte im Hofe zu thun. Da öffnete sich die Thnre nach einem kurzen Klopfen, und einer, dessen Kommen die Sephi nicht erwartet hatte, stand auf der Schwelle. Der Hochgstcttner. Sein Rücken war gebeugt wie bei einem sehr alten Mann, und das Haar schlütterle schneeweiß nm Stirn nnd Schläfen. „I weiß's nct, ob's Dir vom Herzen 'kommen wär', dein Herein", sagte er, „drum bin i so herein'gangen und hab' nct g'wartet drauf, denn i muß reden mit Dir." Er ging weiter vor in die Stube und sah sich nach einem Stuhl um. „Mußt mir schon vcrlauben, daß t mich setz', Seph'!" sagte er. „I hab' halt noch alleweil eine Schwächen in die Füß', kann net lang' stehen. Und i bin vet in zwei Mi nuten fertig mit dem, was i mit Dir zu reden hab'". Sie stand auf und schob ihm einen Stuhl hin, wortlos, mit fest zusammcngcprcßten Lippen. Und als er saß, sagte sie hart: „Mach's so kurz, als D' kannst", und kehrte dann langsam zu ihrem Sitz zurück. Der Hochgstcttner nickte. „Damit i bald draußen bin, gelt? I versteh' schon." Ein schmerzlicher Zug grub sich um seinen Mund, als er fvrtfuhr: „Wenn mir auch ver ziehen hast, — ja, 's Weib hat mir's bestätigt, was i z'erst nur für einen Traum « halten hab'! — aber sehen magst mich nimmer. Tas denk' i mir schon. Und drum, mein' i, wirbst auch znstimmcn zu dem, was i Dir jetzt vorbringen möcht'. Siehst, wie droben g'wesen bist während meiner Krankheit, da Hal Tein Bub noch g'lebt und Dein Mann auch; jetzt liegt die Sach' ganz anders. Wirst Tir's selber schon denkt haben! Und wird Dich vielleicht schon g'reut haben, daß D' Dich so ausg'sprochcn hast. Und i — i möcht gern auf der Gleich' sein mit Dir. Es thut nct gut so. Wenn auch net oft, aber manchmal mußten wir uns zu sehen kriegen, von ung'fähr. Um mich wär' weniger — und i müßt's auch ertragen. Tu mußt'ö net. Und mein Bub' auch nct. Wegen dem zcht's mir am meisten, daß i gleich werd' mit Dir. Wenn i den anschau, den Franz, siech i, daß was frißt an ihm, — er nimmt ab. So frisch als er alleweil war, jetzt schaut er elendig aus. Tie ver fehlt' Lieb' frißl an ihm. Und so oft als er Tein Dirndl siecht, muß das ärger werden. Und lei Deinem Dirndl wird'S dassclbig' sein! Vorgestern hab' ich's g'sebcn in der Kirchen, und ihr Aussehen hat mir so wenig g'fallcn wie 'm Franz das ^cinc." „Mach's kurz!" ermahnte ihn die Sephi hart. . Meiner Dirn' ihr Aussehen gebt mich an und nct Dich — und i find' s' net schlechter aussehcud." „Nct? I schon!" meinte der Vinzenz kurz. „Mußt keine Augen haben, wenn das uct siehst — keine Muatter- augen. Und i bin gleich fertig mit 'm Rede», ja! Also, wir möchten sort von da; 's ist besser. Wenn der Hof ver- ltcttirt würd', käm' für Dich und mich net 'S Nichtige
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