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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.10.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071022023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907102202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907102202
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-10
- Tag 1907-10-22
-
Monat
1907-10
-
Jahr
1907
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7^ lerderg. !er. mann. icher. er. neyer. f-r ctuS. Raffle, 0 Uhr. Halden sle». - Frauen. y Wolf sche. ;er e. umann. in er. rann. menthal er. en. ern. edecker. >arzer. ilttzky. >rhol». »g. Zn Wie.» V, Uhr. im ersten n Leben. tbk. !rricben: -chülec !7S« str. tv. rstvrn widert iaerichte. iiller. »0S27S »rp» n" <It«r > 11—1 Ilvt > »02788 «rvn. d»It. llcktz. !«-. 30. II >« »ter. er». ocd. . Sichler. '"ßfüuvf. i''rdsche. t. Graba »er»-S-PrM Lboa»ementMm>ab«e: 8^ bei unteren lrüzern, Filialen. Lpebtlenre« und Alluatzmeftellen^fmat« P»ßü»ttrr» «d Die estqetae Rümmer lochet M WfA. Johamlil-aff« 8. Delevhin, «r l«E Rr. I«»» «r. K»1. Berliner Redaetiont Bnren« Berlin «V. 7 Prinz Laut« Ferdinand. Straße l. Deleptzoa l, Rr. 927b. Abend-Ausgabe S. MpMerTUckM Handelszeitung. Ämtsvlatt des Rates und des Nelizeiamtes -er Lta-t Leipzig. mattier gen »^Teetch >nchrM-M.«^»rd«t»a»itliche« Deil «> Pf. Pi ffoWWelMe -Pt. ch. lausend «xll. Post- geddhr. «eichästmuaeige» an bevorzuglrr Stelle im PveÜ« rrhdht. Rabatt nach Daris. S-iirrteitt« «estrLae lbnuen nicht zurück- nnengrn werden, gchr do» Erscheinen an nechtäoaNe» Lag« «-> PlLtz« wird keine Sarantie chbeneommen. n>E»ch»sst>sah 8 deitMntiichen Filiol« ». all« «nnoarru. Expeditioa« HM Aev- und Umlandes. «iaapt -SMale v-rlt» Earl Danck: , Herzogl. Bahr. Hchbnch- Handlung, Lützowstraße tv. tzttrphon VI. Rr.«VS). 101. Iabrgansi Nr. 293 Dienstag 22. Oktober 1907. Das wichtigste vorn Tage. * Für den Erweiterungsbau des Kaiser Wilbelm- Kanals, der möglichst beschleunigt werden soll, werden im reuen Reichsetat 20 Millionen Mark gefordert. * Die „Dtsch. Tgsz." glaubt versichern z« können, daß die Vorlage eines Spiritusmonopols in diesem Winter jedenfalls nicht ou den Reichstag gelangen werde. * In der Nähe von Zarskoje Sselo wurde durch Hunde eine Mine entdeckt und zwei Verschwörer verhaftet. sS. Ausl.) * In Amerika werden jetzt auch Italiener aus den Schulen aus gewiesen. lS. Ausl.) * Es gehen Geruhte, daß eine eng lisch, russische Inter vention in Persien bevorstehe. fS. Ausl.) 2Lavl Meters in Leipzig. Karl Peters war schon vor dem gestrigen Wend, an dem er im Zentraltheater sprach, auch ganz abgesehen von seiner tolonialpolitischer: 'Berühmtheit, für Leipzig keine unbekannte Persönlichkeit. Er besitzt hier einen großen Kreis von Freunden und Verehrern, die auch durch die gegen ihn erhobenen schweren Anklagen nicht an ihm irre geworden sind. So durfte er von vornherein auf einen zahlreichen Zuhörerkreis rechnen, der dann noch durch die Schar der Neugierigen, di« Karl Peters einmal jchen und hören wollten, zn einer dicht gedrängten Masse anwuchs, die trotz des nicht mäßigen Eintrittsgeldes den großen Zentraltheatersaal bis auf den letzten Platz füllte. Und cs wird sicherlich dann auch niemand fori- gegangen sei», der es bedauert hätte, den berühmten Afrikaner gesehen und gehört zu haben. Ein Redner ist Karl Peters -war eigentlich nicht. Dafür hat er weder das stimmliche Organ, noch besitzt er hierfür die Gabe, schnell und sicher den prägnanten Ausdrstck zu finden oder gar durch irgendwelche Rethorik zu wirke». Er sucht vielmehr öfters vergeblich nach dem passenden Wort und vergreift sich auch in der Wahl der Worte. Dafür aber ist er etwas anderes. Er ist ein anregender Plauderer, bei dem Scherz, Ernst und Satire sich ungezwungen aneinanderreihen und durch, kreuzen, der, ohne lehrhaft zu scheinen, gerade in der Form der leichten Plauderei doch sehr anregend wirkt. Wie er es ablehnt, daß die Kolonial politik eine Wissenschaft sei, die man lehren und lernen könne, so quillt aus seiner reichen persönlichen Erfahrung und seinen ununterbrochenen praktischen Studien ein interessantes Urteil um das andere heraus, und er wirft es hin, ungezwungen, manchmal geradezu etwas kokett, als säße er am Kamin eines vornehmen Hauses und brillierte da mit feinen Er- zählungen als liebenswürdiger Gesellschafter, als „angenehmer Schwere nöter". Aber hinter diesem gesellschaftlich amüsanten Wesen empfindet man doch in seiner Rede immer wieder etwas von der brutalen Ruck- sichtslosigkeit, deren Taten seinen Ruhm geschmälert haben. Die Welt anschauung, auf der sich seine Kolonialpolitik aufbaut, ist und bleibt hart und grausam, sie bat nichts an sich von dem Wesen „des stillen Pastoren- sohnes", von dem zwar noch ein Verständnis in ihm dafür zurückgeblieben ist, daß man die Mission, die des „Heilandes Religion" verkünde, dulden solle, den er aber zugleich in der Abweisung der christlichen Ethik, wo sie zugunsten der Neger spricht, bewußter Weise ablehnr. So bleiben auch die Urteile, die er auf kulturellem, päda gogischem Gebiet fällt, für den anfechtbar, der die Kolonial politik nicht nur als ein Geschäft ansieht, mag er Peters auch noch so sehr Recht geben in all den abfälligen Urteilen über unseren bisher zu bureaukratischen Betrieb der Kolonialpvlitik. Gerade deutsche Eigenart wird sich immer wieder dagegen wehren, daß man den Negern nicht auch Kultur bringen soll trotz der äthiopischen Gefahr, und so dankenswert die Anregung ist, die Peters in sehr überzeugender Weife dafür gab, daß die Neger zur Arbeit gezwungen werden müssen — das Problem, das die Frage der kulturellen Erziehung der Negervölker einem Kulturvolk wie dem deutschen stellt, scheint denn doch durch Peters nur um so schärfer gestellt, nicht aber schon gelöst zu sein, indem man ihnen überläßt, ob sie sich selbst geistig bilden wollen. Denn so wahr eS gewiß ist, daß eine Nation, die Kolonialpolitik treibt, dies zunächst nur tut aus egoistischen, nationalwirtschaftlichen Interessen, so wahr ist eZ auch, daß, wenn eben diese Nation dabei auf die Dauer nur die wilden Stämme ausnützt, die ihre Kolonie bevölkern, ihnen aber nichts zu bieten weiß von dem eigenen kulturellen Besitz, sic damit ihre Kulturaufgabe in der Geschichte der Menschheit nicht erfüllt und dies auch mit der Zeit an sich selbst bitter erfahren wird. Das sächsische wasseraesetz. Während fast alle anderen Staaten sich bisher damit begnügt haben, die dem Wasserrecht angehörigen Materien in einzelnen Gesetzen zu ordnen, hat sich die sächsische Staatsregierung hiermit nicht begnügt. L>ie hat sich vielmehr bemüht, in ihrem, der Ständeversammlung am 5. Dezember 1905 zuerst vorgelegten Entwurf den Kammern ein Mittel an die Hand zu geben, alle mit dem Wasser zusammen hängenden Angelegenheiten, die Benutzung der Gewässer, deren Unterhaltung, den .Hochwasserschutz, die Wassergenossenschaften, die Enteignung usw., durch ein einziges zusammenfassen, des Gesetz nach einheitlichen Gesichtspunkten zu regel n. Die Zweckmäßigkeit dieses Verfahrens dürfte kaum ernstbaft bestritten werden, aber über die Grundgedanken, auf denen sich der ganze Entwurf aufbauen sollte, gingen die Ansichten weit auseinander. Vor allem vertraten die Politiker, die in der Kammer und später in der Zwischendeputation in dem Vizepräsidenten Opitz ihren Sprecher sahen, einen anderen Standpunkt als die Regierung, und die Industrie wird der Staatsregierung dankbar dafür sein können, daß sie an ihrem Standpunkte so energisch fcstgehalten hat. Vizepräsident Opitz vertrat mit großem Geschick und mit Energie das Privatrechtsprinzip an fließenden Gewässern, während die Staatsregierung das Oesfentlichkeitsprinzip vertrat. Das trat am meisten bei Beratung des 8 1 in der Zwischendeputation hervor, während deren Vizepräsident Opitz den Antrag einbrachte, die Kammer wolle be schließen: „dem Entwürfe das Prinzip zugrunde zu legen, daß die Benutzung der fließenden Gewässer, mit Ausnahme der Elbe, als Ausfluß des Eigentums am anliegenden Grundbesitze zu behandeln ist." Im Gegensatz hierzu erklärte Graf Hobenthal sofort, daß dadurch jede Möglichkeit einer Verständigung über den ganzen Entwurf ausge schlossen würde, pnd daß es keinen Zweck hätte, im Falle der Annahme dieses Antrages die Arbeiten fortzuietzen. Daraufhin wurde als erster und grundlegender Paragraph angenommen: „Die Benutzung und Unterhaltung der fließenden Gewässer unterliegt der Aussicht des Staates nach den Vorschriften dieses Ge setzes. Fließende Gewässer im Sinne dieses Gesetzes sind alle in natürlichem oder künstlichem Bett ständig sich bewegenden Wasser läufe." Damit war das Oesfentlichkeitsprinzip auf den Schild erhoben. Mit dieser Stellungnahme der Regierung und der Annahme des 8 1 in der vom Abg. Dr. Kühlmorgen vorgeschlagenen, obenerwähn- ten Fassung waren die Grundgedanken des ganzen Gesetzes festgelegt, und es erübrigt sich hier nur noch zu sagen, daß sich die Deputation bei ihren Beratungen, die im ganzen 51 Sitzungen in Anspruch nahmen, im wesentlichen von folgenden Forderungen leiten ließ: 1) Anschluß an den bisherigen Rechtszustand unter tunlichster Wahrung des bisherigen Besitzstandes, 2) Gewährung der für eine wirtschaftliche Ausnutzung des vor handenen Wassergesetzes unerläßlichen Rechtssicherheit, 3) Entwicklungsfähigkeit der Benutzung des Wasserschatzcs im öffeut- kichen wie im privaten Interesse auch für die Zukunft. Im nachstehenden sei der Hauptinhalt des Entwurfes, wie er jetzt vorliegt, wiedergegeben: Der erste Teil enthält die allgemeinen Bestimmungen. In den Z8 1 bis 19 gibt er Vorschriften über die Einteilung der Ge wässer in öffentliche Gewässer und in Privatgewässer, über die Ver hältnisse der Bergwerksgewässer, über das Privateigentum am Wasser, bett, die Uferlinie, über die ursprünglich dem Privatrecht angehörigen Rechtsverhältnisse am verlassenen Flußbett, der Anschwemmung, den neuen Inseln und der Vorflut, über den künstlichen Wasserabslun und das Notrecht, über die Verpflichtung der Besitzer von gewissen Stau anlagen zur Gestattung der Mitbenutzung dieser Anlagen durch andere, über Beschränkungen der Benutzung und Verwertung von Privalgewässern und endlich über die Teiche. Der -weite Teil, 88 20 bis 54, behandelt „Die Benutzung der öffentlichen Gewässer". In sieben Unterabschnitten wer den zunächst allgemeine Grundsätze hierüber ausgestellt, ferner der Ge meingebrauch geregelt, bestimmt, daß im Gemeingebrauch nicht ent haltene Berechtigungen zur Benutzung oder Aenderung eines öffent lichen Gewässers, Sonderrechte an solchen, nur durch staatliche Ver- leihungen oder durch staatliche Erlaubnis erworben werden können: ferner werden Vorschriften für die dabei, sowie bei der Entziehung, Aufhebung und Beschränkung von solchen Sonderrechten und über die Entschädigungsfragc in dielen Fällen zu beachtenden Grundsätze und das dabei einzuschlagcnde Verfahren gegeben. Weiterhin werden die Verhältnisse rücksichtlich der Stauanlagen geregelt, über die Verpflich tung eines Grundstückseigentümers zur Tüildung von Vorarbeiten für gewisse Zwecke Bestimmungen getroffen, Uebcrgangsvorschriften für be stehende Sonderrechte gegeben und endlich die Einführung von Wasser büchern bestimmt. Der dritte Teil des jetzigen Entwurfes verdankt seine Entstehung den Kommissionsberatungen, denn er war in dem ersten Entwürfe nicht enthalten. Es werden darin die Rechtsverhältnisse der Heilquellen geregelt. 55 bis 62.) Der vierte Teil, 88 63 bis 97, betrifft die Unterhaltung und den Hochwassers chutz und zerfällt in ftsben Unterabteilungen, deren erste den Grundsatz aufstellt, daß die Unterhaltung der äffen:- lichen Gewässer, sowie der Hochwasserschnh eine Pflicht der an den Gewässern liegenden Gemeinden ist, über deren Erfüllung die Aus- sichtsbehörde zu wachen hat. Auch wird das Verhältnis der beteilig ten Gemeinden zu den bisher verpflichteten geregelt. Weiter werden Bestimmungen über die Ausbringung der Kost«« getroffen. Der dritte Unterabschnitt stellt die Verpflichtungen der Wafserbenutzungsberechtig- ten und der Anlieger fest, während die ferneren Unterabteilungen be sondere Vorschriften über den Hochwasserschutz, Verbot von Bauten und Ablagerungen im Hochwassergebiete, Einrichtung von Wasserwehren, die Anweisung an die Gemeinden, betreffend den Erlaß von Ortsgesetzen zum Zwecke der Umlegung der ihnen durch die Unterhaltung der öffent- lichen Gewässer und den Hochwasferschutz entstehenden Kosten, — Aus nahmebestimmungen für die Elbe usw. enthalten. Der fünfte Teil, 88 98 bis 141, beschäftigt sich mit den öffent lichen Wassergenossenschaften. In fünf Unterabschnitten behandelt er zunächst die Ziele, die Bildung und das Wirken der Ge nossenschaften im allgemeinen, regelt die Verhältnisse der Genossenschaf ten mit Beitrittszwang usw„ gibt Vorschriften über die Auflösung uns die Liquidation der Genossenschaften und Uebevgangsbestimmungen für bereits bestehende Genossenschaften. Die übrigen drei Teile beschäftigen sich mit der Enteignung in Wa ss e r a ng e l e ge nh e i t e n, den Behörden und Rechts mitteln und endlich mit den Straf- und Schlußbestim mungen. Der dem Landtage zngegantzene. 293 Seiten umfassende Bericht, aus der Feder des Abg. Dr. Kuhl morgen ist eine überaus lehr- reiche, interessante, wenn auch für den Laien etwas spröde Lektüre, Feuilleton. Alle Ordnung ist für den einzelnen Freiheitsbeschränkung. F. Paulsen. * Nene Briefe Friedrich Nietzsche».*) An sein« Schwester. Mein liebes Lama! Sils, d. 14. Sept. 1888. Sehr anders als es mein Wunsch war, komme ich erst am Schluß meines Engadiner Sommers l—?—) dazu^ Dir zu schreiben. Es greng dies Jahr in allen Stücken sehr außergewöhnlich zu: man konnte nichts versprechen, nichts beschließen. Dabei kam meine Gesundheit recht in die Brüche: und als es wieder bester gieng, habe ich den großen Zeitverlust sür meine Aufgabe durch eine um so angespanntere Arbeit auszugleichen gesucht. Nun ist wirklich Etwas erreicht: und ich kann zu menschen- trcundlicheren Arbeiten und selbst zu Briefen mir wieder Zeit nehmen. Wie lange schon lag es mir auf dem Herzen, Dir meine protze Freude über das vakinitimun der Ucbersiedelung und die festlich« Art und Weise, in der sie vollzogen wurde, auszudrückcn! Auch daß deine Ge sundheit der Menge neuer Pflichten und Sorgen so tapfer Stand hält, ist keine kleine Beruhigung. Wir haben cs Beide, auf e,ne etwas ver schiedene Weise, schwer — wir haben es Beide andrerseits auch wieder gut. Wir lassen uns nicht so leicht fallen — uns nicht und auch die Sachen nicht, die uns angehen. Das eigentliche inalbenr in der Welt ist Alles bloß Schwäche. . . Von mir wäre zu erzählen, daß zu den bewiesenen Orten Nizza und Sils ein dritter als Zwischenakt hinzugekommen ist: Turin. Klimaniw und menschlich der mir sympathischste Ort, den ich bisher gefunden hab«. Großstadt, aber ruhig, vornehm, aristokratisch, Universität, gute Biblio theken, sehr viel Entgegenkommen für mich, ausgezeichnete Theater-Ver hältnisse — und sehr billige Preise. Kost und Lust, Wasser und Spazier- gange — alles vollkommen nach meinem Geschmack. Die größeren Buch- Handlungen dreisprachig französisch, deutsch, italienisch, io daß ich für neue wissenschaftliche Litteratur dort bei weitem bester daran bin als in Leipzig selbst). Der Ring von Hochgebirge, der ouf 3 Seiten Turin einschließt, hält dieselbe trockne und dünn« Luft aufrecht, wie sie, aus gleichen Gründen Sils und Nizza haben. Da ich mitten in der ent- scheidenden Arbeit meines Lebens bin, so ist mir eine vollkommene Regel «ür eine Anzahl Jabre die erste Bedingung Winter Nizza, Frühling Turin, Sommer Sils, zwei tzerbstmonate Turin — dies ist der Plan. Entsprechend ich auch mein« Diät normal gemacht, d. h. absolut persön lich und den eigensten Bedürfnissen gemäß eingerichtet. Dazu gehört natürlich die Emancipation von iedem Esten in Gesellschaft. Der Er folg des allmählich von mir ausprobierten aptiumm von Existenz zeigt sich in einer enormen Steigerung der Arbeitskraft. Die drei Abhand- *) AuS dem neuesten Heft der „Ne ue n R u n d s ch a u" sS. Fischer, Berlin). lungen vom vorigen Sommer*), denen Ihr die Ehre Eurer Antheil- nahme geschenkt habt, sind in weniger als 25 Tagen beschlossen, ausge- fvbrt und druckfertig sortgeschickt worden. Dasselbe habe ich diesen Sommer, bei dem ersten Umschwung zum Bessern, noch einmal geleistet. In Turin ist, mit spielender Leichtigkeit, ein entscheidendes Stück Musiker-Psychologie zu Stande gekommen, das Euch diesen Herbst zu gehen wird. Auch von der Umwerthung aller Werthe giebt es, beinahe wenigstens, das erste Buch. — Diese Nachrichten sind nicht schlecht, nicht wahr, mein liebes Lama? — Der Haken liegt darin, daß ich meine Schriften selbst drucken muß — und daß die Zeit für immer vorbei ist, wo es zwischen mir und der Gegenwart irgend noch ein anderes Ver- hältniß gäbe als Krieg aufs Messer! — Mit diesem etwas indianerhaft aerathenen Schluß grüßt und umarmt Dich, mein liebes Lama, Dein Bruder Fritz. — Das Herzlichste an Deinen Bernhard. — An die Schwester. Adresse: Torino sJtalia), via Carlo Alberto 6 HI. 20. Okt. 1888. Mein liebes Lama! Herzlichen Dank sür Deine genauen Anweisungen, mit deren Hülfe die Bücher und Hefte sich gefunden haben. Es lebe das Lama und fein ausgezeichnetes Gedächtnis! Unsre gute Mutter war etwas gekränkt, daß du in dem kleinen Haus am Weingarten besser Bescheid wußtest als sie selbst — doch hat ihr schließlich die Bestimmtheit und Richtigkeit Deiner Angaben so imponiert, daß sie das Gekränktfein darüber vergaß. Auch Deine Zweifel in der anderen Angelegenheit haben sich Punkt Punkt bewahrheitet, f —) Seltsam! Du bist der einzige Mensch, dem ich unbedingt, gleichsam instinktiv Glauben schenke, wenn auch die Dinge erst den Anschein gegen sich haben. Deine bescheidene Art Behauptungen aufzustellen, verführt oberflächliche Menschen zu der Annahme, daß Du Deiner Sache nicht ganz sicher bist; dazu scheinst Du zu stolz oder ungeschickt zu sein, Dich und Deine Behauptungen zu vertheidigen — vielleicht weil Du von der Wahrheit dessen, was Du sagst, so überzeugt bist, daß Tu gar nicht be greifst, wie man daran zweifeln kann. Zuletzt war es auch jetzt wieder wie immer: jedes Deiner Wort« war wahr, jeder Deiner Zweifel berechtigt, l 7) Ich bin also wieder in meiner guten Stadt Turin, in dieser Stadt, welche auch Gobineau so sehr geliebt hat — wahrscheinlich gleicht sie uns Beiden. Auch mir thut die vornehme und etwas stolze Art dieser alten Turiner sehr wohl. Es giebt gar keine größere Verschiedenheit, als das ontmüthige, aber gründlich vulgäre Leipzig und dies Turin. Dazu hoben wir in allen Hauptsachen eine kuriose Geschmacks-Aehnlichkeit — der Turiner und ich —, nicht nur im Bau der Häuser und in der An- läge von Straßen, auch in der Küche. Alles schmeckt mir, Alles bekommt mir hier ausciczeichnet, sodaß meine Kräfte zum Erstaunen -«genommen haben. Es ist ein wahres Unglück, daß ich nicht vor zehn Jahren diese Entdeckung gemacht habe Nachträglich beklage ich über die Maßen, den Sommer allerbösestcn Angedenkens nicht hier verbracht zu haben, statt in dem über alle Begriffe schauderhaften Engadin! Es ist ein Glück, daß ich dort noch zur rechten Zeit entwischt bin, jetzt wäre es kaum möglich, aus ihm den Weg nach Italien zu machen, denn die großen *) Genealogie der Moral. Ueberschwemmnngen in Italien, der Sc^veiz und in Frankreich dauern fort. Hier in Turin ist es, im Vergleich zu sonstigen Sommern natür lich, kühl gewesen; aber das wäre ja kenn Grund dagegen, sondern da- sür gewesen, da ein kühler Sommer in Turin sür meinen Fall immer noch eine sehr angenehme mittlere Temperatur bedeuten will. Eigent lich ist alle Welt hier sehr zufrieden mit dem Jahr: dies habe ich nirgendswo sonst in Europa gehört. Zur Zeit, wo wir im Engadin entsetzlich daran waren feierte man hier, unter unglaublich schönem Wetter, die großen Feste der Hochzeit des Prinzen Amadco mit der Tochter Jeröme Napoleons, Laetitia. — Dies Mal, wo ich nicht mehr ganz fremd bin, hat sich Vieles sür mich Hierselbst verbessert: sodaß einfach zwischen meiner miserablen- deplorablen Existenz in Nizza und der in Turin ein Gegensatz zum Vor schein gekommen ist. Ueberall werde ich auf das Distinguierteste be handelt: Du solltest nur sehen, wie alle Welt hier, wenn ich komme, sicb freut, und in allen Ständen, wie unwillkürlich jeder ssinen besten und taktvollsten Theil der Natur herauskehrt, seine höflichsten und liebens würdigsten Manieren annimmt. Aber das ist schließlich nicht nur hier so. sondern Jahr aus Jahr ein wo ich nur bin. Ich nehme Deutschland aus; nur dort habe ich häßliche Dinge erlebt, f ) Wenn man später einmal meine Geschichte schreibt, so soll es heißen: „er ist nur unter Deutschen schlecht behandelt worden." Himmel, wie wnnderlich sind diese Deutschen und ach! wie langweilig. Kein kluges Wort dringt mehr von dort zu mir. — Unser neuer Kaiser aber gefällt mir immer mehr: sein Neuestes ist, daß er sehr scharf Front gemacht hat gegen die Antisemiterei und die Kreuzzeitung. (Mach es ebenso, mein tapfres Lama!) Der Wille zur Macht als Prinzip wäre ihm schon verständlich. Nnn noch schnell ein paar Worte zum Schluß dieses überlangen Brieses, an dem Du mein gutes Lama den ganzen Winter zehren mußt, denn ich will keine Briefe mehr schreiben. Die Arbeit ist groß, das Maaß meiner Allgenkraft, wie bekannt, sehr beschränkt: so verbiete ich mir zunächst alles, was ich von Lesen und Schreiben ungefähr mir verbieten kann. Ich muß die Steigerung meiner Kräfte und dieses wundervolle Herbstwetter sür meine große Mission ausnützen. Jetzt, wo mein Leben in seine höchste Höhe gekommen ist und Aufgaben zu leisten find, wie sie vielleicht noch kein Mensch sich gestellt hat, ist diese fast plökl - > Rückkehr von Kraft und Selbstgefühl geradezu wunderbar! — Ich schreibe in diesem goldnen Herbst, dem schönsten, den ich je erlebt habe, einen Rückblick auf mein Leben, nur für mich selbst, niemand soll es lesen mit Ausnahme eines gewissen guten Lamas, wenn es übers Meer kommt, den Bruder zu beiuchen. Es ist nichts für Deutsche . . . Ich will das Manuskript vergraben und verstecken, es mag verschimmeln, und wenn wir allesamt schimmeln, mag es seine Auferstehung feiern. Vielleicht sind dann die Deutschen des großen Geschenks, das ich ihnen zu machen gedenke, würdiger. Es umarmt Dich auf das Allerherzlichste Dein Bruder, jetzt ein ganz großes Thier. O * Münchener Sönftlerertnnerungn». Louis Corinth beendet im neuesten Hr't da „Knust für Alle" seine Erzählungen au» dem Münchener „Allotria"-Kreis Leibt spielt« hier de- Abend- in Rohe seinen Tarock, aber einmal ward er dnrch einen rleqant grlletzeten Herrn dabei ««hindert. der ihm
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