Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.10.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071012022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907101202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907101202
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-10
- Tag 1907-10-12
-
Monat
1907-10
-
Jahr
1907
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Abend-Ausgabe S» Bezugs-Prrk» vr und Borrxctr durch »Ber« krlger und Spediteure in« Hau« gebracht: Lulgabe L (nur morgen«) »irrteljthrttch 3 M. monatlich I M., Au«gabe ti (morgen« und abend«) viertet- jLHrllch 4.50 M. monailich 1.50 M. Durch die Volt be^oaeu (2 mal täglich) innerhalb Dentichiaud« und der deutlchen Kolonien vierteijädrluh 5,25 M., monatlich 1,75 M. au«ichl. Pust, destcllgeld iür Oesterreich 0 X 86 5, Ungarn 8 X vierteljährlich. Abonnement-Annahme- Augustusplatz bei linieren Trägern, Filialen. Spediteuren und Annahmestellen, lowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet Ist Ps^ sttedaktion und Lrpedttivu: Johannirgastc 8. Televbon Nr. 14692. Nr. 14093, Nr. 14SS4. Berliner Nedaktton« Bureau: Berlin 5k>V. 7 Prinz Laut« Ferdinand- Straße 1. Telephon 1, Sir. 8275. Nr. W3. WpMerTagMM Handelszettnng. ILmtsvlatt -es Rates und -es Rolizeiamtes -er Lta-L Leipzig. Nnzeigen-PreiS fstr Anferate au« veipzia uud Umgebung lx« 6geipa>«ea« Petitze-le 25 Pf., finanzielle Anzeigen ZV Pf., Reklamen 1 M., »mi au«wärt« ZV Pf., Reklamen 1.2V M. «ioAusland50Pi., finanz. Anzeige»75Pf., Reklamen 1.50 M. Jnferate». Behärden imam»lichrnT«ü4VPf. Beilogegedübr 5 Pi. p. Taufend exkl. Post gebühr. weschait-anzeigeu an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarif. Festerteilte Aufträge können nicht z-rruii- gezogrn werden. Für da« Erscheinen an destiauntrn Lagen und Plätzen werd ieuie Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Augustuäplatz bl, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Axpedetiourn de« Ja- und An«landeu. Haupt Filtalr Berlin Dunck: , Herzog). Bayr. Hosbuch- handlung. Lützowstrake 10. (Teirphoii VI, Nr. 4M3). Sonnabend 12. Oktober 1907. M. Jabrqanq. Dns wichtigste vom Tage. * Rechtsanwalt Dr. Karl Liebknecht wurde vom Reichs- gcricht zu 1 Jahr 6 Monaten Festungshaft verurteilt. 12. bes. Art. u. Prozeßber.) * Die Ncvisionsverhaudlung im Hauprozeß hatte heute früh begonnen. Das Urteil des Reichsgerichts ist erst in den Abendstunden zu erwarten. lS. Ber.) * Der bekannte, der Zentrumspartei zugehörige Reichs- und Land- tagsabgeordnete Dasbach ist gestern abend in Trier gestorben. * Das Befinden Kaiser Franz Josefs ist etwas, weniger gut. lS. Ausl.) * Der Güterverkehr auf der Strecke KraIup — A u s s i g ist ein gestellt. Auch eine Verkürzung der Personenzüge steht bevor. lS. Ausl.i * In Mailand ist ein Generalausstand ausgebrochen. !2. Ausl.) * Tic S ch i e d s g e r i ch t s k o m m i s s i o n hat sich auf eine Re solution geeinigt. lS. Ausl.) Liebknechts Verurteilung. Als bekannt wurde, die Schrift des sozialdemokratischen RechtS- anwait-z Dr. Karl Liebknecht „Militarismus und Antimilitarismus" sei beschta.nabml worcen und der Verfasser werde deS Hochverrats au. ctia.il werden, erregte dies bis weit in die bürgerlichen Kreise hinein ilarkes Bedenken. Wer die Schrift gelesen hatte, mußte zwar lugebcu, daß einzelne Sätze dabin auszulegen seien, als werde hier zu einem Hochverrat vorbereitenden Verhalten angeregt, aber auf ter anderen Seite spricht so vieles in der Lchrist w e in dem ganzen Verhalten ihres Autors und der Partei, der er angebört, ragegen, daß man in vielem Zusammenhang den Gedanken ablebnte, cs lvunle wirklich zu einer Verhandlung gegen Liebknecht wegen HcchvcrraiS oder gar zu einer Verurteilung wegen eines solchen DelilteS nirck den böchilen Gerichtshof des Deutlchen Reiches kommen. Es ist dennoch geichchen. Zwei Tage lang hat daS Reichsgericht Uber Liebknecht zu Gericht gesessen und beute ist das Urteil gesprochen worden. Es lautete auf schuldig; Liebknecht wurde zu einem Jahr sechs Monaten Festungshaft verurteilt. Eine sofortige Verhaftung wurde abgelcbut, da kein Fluchtverdacht vorliege. Bedenkt man,daß der Oberreichsanwalt zweiIabreZuchthans, fünf Iabrc EtnveUust und Unbrauchbarmachung der Schrift, eventuell auch sofortige Verhaftung beantragt halte, so ist ras Urteil freilich weit nnlcer ausgefallen. Ter Ekrverlust, der mit der ZuchtbauSftrafe ver bunden gcwefen wäre, fällt fort und die Festungshaft bedeutet gegenüber einer Veiuiteilung zu Zuchthaus eine weit leichter zu ertragende Frei- beitseniziehung. Dennoch können wir unser Bedenken gegen das Urteil, über das unsere Leser an anderer Stelle Näheres finden, nicht unter- diücken. Es versteht sich von selbst, daß niemand an der Unparteilichkeit des Gcr-chlsboies zweifeln wird. UnS scheint aber die absolut zwingende Logik zu schien, die zu diesem Urteil führen mußte. Das geht aus der ganzen Verhandlung hervor, bei der die Gesichtspunkte, von denen aus man zu dem Begriff der strafbaren Handlung kam, ständig wechselten, wie sowohl der Angeklagte als auch seine Verteidiger scharf Hervorheden konnten. Und vor allem ist uoiereS Erachtens eben nicht genügend in Betracht uczoien worden, daß die Anklage gegen einzelne Ausführungen der Schrift wobl begründet erscheinen konnte, aber im Zusammenbang mit der >>aiizen Schrift und der politischen Grundanichauung Liebknechts nicht be- gi findet erscheinen mußte. Wer die sozialdemokratischen Grundanschauungen !ennt, sich in ihre ganze Weltanschauung hineingelesen hat, der weiß, daß die Partei nickt daran denken kann, entweder einen andern Staat gegen Deutschland zum Krieg auszubetzen, noch den Militarismus anders zu überwinden als mit dem Kapitalismus zugleich. DaS schließt freilich nicht aus, daß Schriften wie die Liebknecht« darin gefährlich erscheinen können, daß durch sie im Volk und namentlich auch bei den Rekruten ein Haß gegen das stehende Heer und die Monarchie groß gezogen werden kann, der staatsgeiährlich wirken mag. Hier fragt es sich nun aber, ob das Einschreiten des Gesetzes notwendig ist oder ob es nickt weit richtiger ist, den Kampf gegen diese destruktiven Tendenzen mit rein politischen Mitteln zu führen. Tas Reichsgericht war freilich vor diese Frage nicht gestellt. Es hatte, nachdem die Anklage einmal erhoben war, nur zu prüfen, ob es in der Schrift des Angellagten die Merk male einer strafbaren Handlung fand. Und obwohl wir nicht der An sicht sind, daß eS diele finden mußte — bat es von den in der Be gründung des Urteils angeführten Gesichtspunkten aus sie nach bestem Wissen und Gewissen gefunden. Dem Reichsgericht kann man daraus keinen Vorwarf machen. Wohl aber kann man vom politischen Gesichtspunkt ans sich da gegen wenden, daß die Anklage überhaupt erst erhoben wurde. Es ist damit ein vom politischen Gesichtspunkt aus sehr be denklicher Schritt getan worden, der in Verbindung mit der nun er- tolgten Verurteilung Liebknechts politisch höchst nachteilige Folgen haben wird. Liebknecht hattebiSher innerhalb der Sozialdemokratie nicht die Bedeu tung, die ihm durch diesen Prozeß gegeben worden ist. Er ist ein politischer Sonderling gerade auf dem Gebiet seiner sauatiscken antimilitaristischen Propaganda, bei der er nicht nur in einflußreichen Parteikresten, sondern auch in weiten Arbeiterlreisen auf Widerstand stieß. Wer den letzten Reichstagswahlkampf kennt mit seiner nationalen Parole, der weiß, wie unangenehm ber Sozialdemokratie eS war, daß man ihr mit dem Hin weis auf Liebknecht die aniimillkaristische Propaganda vorwersen konnie, und wie oft man ihn von jener Seite zu verleugnen stichle. Eben dieses ankant tsrridlo ist jetzt durch den Prozeß zu einer politischen Berühmt heit gelangt, die an die feines Vaters nach dessen berühmtem Hoch- verraisprozeß erinnert. Und wer die Masfenpfyckologie beherrscht, kann sich ausmalen, wie jetzk das ganze Bild ander« werben wird. Der Sonderling wird zum Märtyrer gestempelt werden. Seine bisher viel fach angefochtenen und durchaus nicht populär geworbenen Ideen werden jetzt einen viel sruchibareren Boden finden. Der politische Kampf gegen sie wird den nationalen Parteien damit erschwert. Die Erinnerungen an die Tage des Sozialistengesetzes werden wieder wach. Der Schein ist geweckt worden, als wollte man een Kampf gegen die sozialdemo kratischen Ideen nicht mehr den poliirschen Parteien überlasten, als machte man die Justi, gegen sie v.obil. Und das ist «in Propagandastoff für die Sozialdemokratie, wie sie ihn sich nickt besser wünschen mag. Diese beoeuklichen Folgen de« LiebknechlprozeffeS stehen uns vor Augen. Der Liberalismus muß fordern, daß ber Kampf gegen die Sozialdemokratie nur mit polnischen Mitteln geführt wird. Jede auch nur scheinbare Abweichung von diesem Grundsatz erscheint im Intereste der Bekämpfung der Sozialdemokratie wie im Interesse eines freien Spielraumes für den politischen GeistcS- kampf verwerflich. Darum — floßt uns sckon Vas Urteil des Reiche gerichts, daS wir zwar für juristisch möglich, aber nicht für juristisch notwendig halten, ernste Bedenken ein — vom politischen Gesichtspunkt aus ist der ganze Prozeß eine Erscheinung, die sür unsere innere juristisch Entwicklung leicht verhängnisvoll werden kann. Das offen auszusprechen ist uns Pflicht von unserem nationalen wie vou unserem liberalen Stand punkt aus. Vorn deutschen Genossenschaftswesen. Dem soeben erschienenen „Jahrbuch des Allgemeinen VcrbandcS deutscher Erwerbs- und Wirtschaftgenossenschaften, e. V."^ für 1906 lst zu entnehmen, daß die Zahl der eingetragenen Genossenschaften im Deut- schen Reiche von 24 652 am 1. Januar 1906 auf 25 714 am 1. Januar 1907 gestiegen ist. Der Neinzuwachs ist seit einigen Jahren meist im Weichen begriffen, was in erster Linie auf die vermehrten Auflösungen zurückgeführt wird. Tie wirtschaftsstatistischen Mitteilungen in einigen hauptsächlicheren Punkten erstrecken sich auf 18 733 Genossenschaften, das sind 73 Prozent der überhaupt bestehenden Genossenschaften, mit 3358 846 Mitgliedern. Das eigene Vermögen dieser 18 733 Genossen schaften, bestehend in Gefchäfrsguthaben und Reserven, ist auf 435k-ö Millionen Mark angewachsen. Bei 12 439 Kreditgenossenschaften ftm ganzen 15 602) waren an fremden Geldern 2335 Millionen Mark vor handen. Bemerkenswert ist die Hobe Summe der gewährten Kredite mit 4137 Millionen Mark. Der Umfaß oder die gesamten gcschäft- liihen Leistungen von 13 374 Kreditgenossenschaften betrugen 14 486 Mil- ' lionen Mark. 1189 Konsumvereine svvn 2006i zählten 1 031 184 Mit glieder, erzielten einschließlich des Lieferantengcschästs 271,6 Millionen Mark Verkaufserlös ?ür Lebensmittel, und 1151 von ihnen verfügten über 31,3 Millionen Mark eigenes Vermögen in Grschästsguthabcn und Reserven, sowie über 35,9 Millionen Mark fremde Gelder. 375 Bau genossenschaften oder 55 Prozent der bestehenden 681 errichteten seit Be stehen 10 494 Häuser mit einem Herstellungspreis von 223,2 Millionen Mark. Geschäftsguthaben und Reserven — eigenes Vermögen — be trugen 30,5 Millionen Mark. Fremde Gelder waren 204,7 Millionen Mark ausgenommen und die Aktiven konnten bei 175 Baugenoiscn- schaften aus 123 Millionen Mark sestgestellt lverden. Von den 257 ge werblichen Nohstosfaenostenschasten hatten 156, oder 60,7 Prozent, 6212 Mitglieder, erzielten einen Verkaufserlös von 13 Millionen Mark, ver fügten über 1,9 Millionen Mark eigenes Vermögen in Geschäfts guthaben und Reserven, und 3,3 Millionen Mark fremde Gelder. DaS gebotene Bild zeigt die gewalrige Ausdehnung und Bedeutung des ge nossenschaftlichen Wirkens und Schassens im Deutschen Reiche. Die ge steigerte Beteiligung aller Genvstenschaftsarten und genossenschaftlichen Systeme an den statistischen Erhebungen tritt bei einem Vergleich mit den früheren Jahrbüchern erfreulicherweise hervor. Die speziellen An- gaben für die Genossenschaften des Allgemeinen Verbandes lasten er kennen, daß diele an der Fortbildung, an dem weiteren Ausbau des ge nossenschaftlichen Gedankens unvermindert getreulich Anteil nehmen. Deutsches Reich. Leipzig, 12. Oktober. * Bischof Dr. von Henle veröffentlicht zu seinen angeblichen Be merkungen über die politischen Kapläne in der ZeutrumSpresse folgende Erklärung: „Was di« „Allg. Ztg." mir unter dem Titel „Ein bayerischer Lircheufürst über das Zentrum" in den Mund legt, muß ich nach der formellen Leite nicht bloß atS unrichtig, sondern als völlig aus der Lust gegriffen erklären. Der Bhchos vou Äegensburg." Die „Allg. Ztg." bemerkt dazu, ihr Gewährsmann, ein Geistlicher der Diözese Regensburg, habe vielleicht nicht eine Ansprache des Bischofs an den versammelten Klerus, sondern nur au einen kleinen Kreis oder selbst an eine einzelne Persönlichkeit wieder gegeben, die nur zufällig mehrere Zeugen gehabt habe. U. E. sollte das Münchener Blatt eine bestimmtere Erklärung abgeben, ob es seine Mitteilungen trotz des bischöflichen Dementis aufrecht hält oder nickt. Denn eS wäre auch das schon von Wert, zu wissen, ob ein deutscher Bischof heute wenigstens den Blut bat, im Heineren Kreise auszusprechen, was er vor der Oeffentlich- keit aus Rücksicht auf die Zeutrumskapläne nicht sagen darf. * In der Plenarsitzung des Bundesrats am 10. d. MtS. wurden außer den bereits gemeldeten Angelegenheiten noch erledigt die Aus- Ichußanträge zu den Vorlagen betreffend den Erlaß von Salzsteuer, Erbichaftssteuer und Reichsstempelabgaben und betreffend den zollfreien Veredelungsverkehr. Weiter wurde über di« Besetzung einer Mitglied- stclle bei dem BunkeSamte für das Heimatwesen, über Anträge wegen Festsetzung des Ruhegehalts von Reichsbeamten und über verschiedene Eingaben Beschluß gefaßt. * Reform des ZivtlprozesseS. Der Dresdner Rechtsanwaltsverein nahm gestern abend in einer Versammlung zur Reform der Zivilprozeß ordnung Stellung. Reichstagsabgeordneter Dr. Heinze wobme der Ver sammlung bei. ES wurde betont, daß die Resorm des Zivilprozeßver fahrens nicht ohne gleichzeitige Reform des Strairechts und des Straf verfahrens erfolgen möchte. Die Reform sei zwar notwendig, aber nicht so eilig, um stückweise zu vollführen. Maßgebende Juristen beur- Feuilleton. r(nirftgeschichte als Lehrfach an höheren Schulen. Durch die Initiative des rastlosen Generaldirektors der Berliner Museen, Wilhelm Bode, wird demnächst ein deutscher Verein in: .Kunstwissenschaft an die Oeffentlichkeit treten, dessen Tätigkeit im Interesse der deutschen Kunstwissenschaft aller Voraussicht nach von un geheurem Einfluß sein wird und mit dessen Begründung sür die ge nannte wissenschaftliche Disziplin in Deutschland eine langersehnte neue Aera anbrechen wird. Unter den zahlreichen Punkten des Programms, das bei Gelegenheit des jüngsten kunsthistorischen Kongreffes zu Darm stadt vorgetragen wurde, befand sich auch dieser: Einführung der Kunst- s.eschichte in den Lehrplan unserer höheren Anstalten. Ein Punkt immerhin, der der Diskussion wert erscheint und zu dem sich mehr sagen läßt, als in diesem engen Rahmen heute möglich ist. Zunächst tauchte die Frage auf: Empfiehlt es sich schlechthin, das Lehrprogramm, das unsere Gymnasiasten in neunjähriger Tätigkeit absolvieren müssen, noch um einen neuen Unterrichtsgegenstand zu be- 'cichern? Die Beantwortung dieser Frage muß dem Fachmann über lassen bleiben: wie dieselbe aussallen wird, darüber dürfte meines Erachtens zunächst kaum ein Zweifel sein. Gerade in Lehrerkreisen wird man von oer Vermehrung des Lehrprogramms vor der Hand Icincn sonderlichen Vorteil erhoffen; denn die geistige Konzentration mstercr Jugend wird ohnehin durch die gegenwärtigen vielseitigen Erfordernisse, die unsere heutigen Gymnasien stellen, schon zur Genüge zersplittert, so daß einsichtsvolle Männer längst erkannt haben, daß die sogenannte allgemeine Bildung", die auch unseren Schulen in erster Linie angestrebt wird, dem Ausreisen ausgeprägter Individualitäten sehr zum Schaden ist. Aber in dem vorliegenden Falle handelt es fick um «ine „besondere" Disziplin, die mehr als alle übrigen Zweige der Wissenschaft rein ideellen Wert hat, ja ich möchte das Kind gleich beim rechten Namen nennen und sagen, daß Kunstgeschichte eine pädagogische Tisziplin sei, die auch aus die rein ästhetische Bildung junger Generatio nen von vielsagendem Einfluß sein kann. Aber auch da? ist klar: Sie muß anders gelehrt werden, wie alle anderen Fächer, selbst wie die ihr so nahe verwandte Geschichte, die im Rahmen des Lehrplans unserer schulen immer noch mehr oder weniger reine Daten- und Tatsachen- aeschichte jst und sich wohl :n absehbarer Zeit nie bis zur Univerlal- pcichjchte aufschwingcn wird. Um so wichtiger erscheint es deshalb, wenn dem modernen Geschichtsunterricht eine neue Disziplin angegliedert wird, die wenigstens einen Teil der Universalhistoric ausmacht und wie de? literarhistorische Unterricht in die Höhengcbiete schöngeistigen Schaffens einführt. Aber auch soviel ist gewiß: Das Dozieren von Kunstgeschichte, wenn es in der Absicht geschieht, den Schönheitssinn der Jugend zu wecken und ihr ästhetisches Gefühl und Urteil mit auf den Lebensweg zu geben, muß nach ganz bestimmten Gesichtspunkten erfolgen und sich von aller Trockenheit kernhalten. Tenn sonst wird der junge Geist des Schülers nur mit neuem Material belastet, das er als Bürzde, nicht aber als frischen Quell des Geistes betrachtet. Ich meine, um es mit wenigen Worten zu sagen, der Unterricht muß die Freude an der Kunst wecken, den Sinn für Linien und Formensprache, für ewige künst lerische Schönheitsgesetze bilden — und in das Schaffen unserer großen Meister wie in den Tempel des Allerheiligsten einführen. Nur in solcher Gestalt wäre der kunstgeschichtliche Unterricht en höheren Lehr anstalten existenzbercchtigt und in diesem Sinne würde er — so paradox es klingen mag — viel eher eine Ergänzung des Religionsunterrichtes als des Geschichtsunterrichtes sein. Der erzieherische Charakter darf ihm nicht vcrjorcn gehen, nur im Hinblick darauf würde ich persönlich in den Absichten des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft eine nie genug zu begrüßende Neuerung sehen. Wie aber solche Absichten zu ver wirklichen sind, ist eine schwer zu entscheidende Frage. Von heute auf morgen geht es nicht und man verstehe mich nicht falsch, wenn ich sage, daß unter den heutigen Lehrern nur verschwindend wenige prädestiniert erscheinen, in diesem Sinne Kunstgeschichte zu dozieren. Denn gerade Kunstgeschichte ist alles ander« eher als eine trockene Disziplin. Be geisterung gehört dazu und eine warme Liebe zum Schönen. An schauung ist das wichtigste Hilfsmittel. Es gibt auch heute schon so genannte Leitfaden, die speziell für den kunstgeschichtlichen Unterricht geschrieben wurden und nach denen diese Wissenschaft in so mancher höheren Töchterschule gelehrt wird. Ich kenne sie alle und darum darf ich sagen, keiner von ihnen erfüllt den höheren, den eigentlichen Zweck, ästhetische Bildung und Freude an bildender Kunst zu wecken. Ich stehe auch auf dem Standpunkt, daß von allen drei Gebieten bildnerisch künstlerischer Betätigung, der Malerei, Plastik und Architektur, vor allem das Studium der ersteren dazu angetan iei, die Liebe zur Kunst zu wecken, denn bei der Malerei spricht vor allem das innere Gefühl mit; sie ist die eigentliche Lyrik der bildenden Kunst und arbeitet gerade mit den Mitteln, deren Eindruck so selten versagt, wenn sie richtig erkannt sind, den Farben. Und damit hat sie zugleich die Möglichkeit eindring lichster Wirkung. Bei Architektur und Plastik sprechen die reinen Er scheinungsformen Linien und Rkvtbmengesüge schon zu intensiv mit, und mar wird mir obne weiteres zugeben, daß sür diese Dinge gerade der Jugend der eigentliche Sinn fehlt, und auch nur mit Mühe erzogen werden kann. Letzten Endes aber kommt alles auf eineu Versuch an. Wird Kunst geschichte in der Tal — und ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit — dem Lehrplan unserer höheren Schulen eingefügt, so wird es sich zunächst darum handeln, die richtigen Lehrer hcranzubildcn, die imstande sind, den Hauch unvergänglicher Schönheit, den einmal die großen Meisterwerke alter und neuer Zeit ausströmen, auch der Heranwachsenden Generation zu vermitteln und gerade durch den Zauber der Kunst nachhaltigen Ein fluß auf die Seele der jungen Menichen zu gewinnen. Mag man den Lehrstoff selbst schon auf drei Jahre verteilen — was sehr empfehlens wert sein dürste —, vielleicht aus Qbersekunda bis Oberprima, so be handele man im ersten Jahre die großen Meister der Malerei, im zweiten die Hauptwerke der Bildlmuerkunst und im letzten Jahre die markan testen architektonischen Schöpfungen aus Vergangenheit und Gegenwart. In diesem Geiste auch kann ich mir sehr gut ciu kunstgeschichtliches Handbuch sür höhere Schulen denken, das doch über kurz oder lang ge schrieben werden muß, keinen Leitfaden zwar in rein wissenschaftlichem Sinne mit einer Fülle von Namen und Daten, sondern ein wirkliches tun st geschichtliches Lesebuch, das von allem kleinen Ballast entlastet unter dem Gesichtswinkel allgemeiner Kulturgeschichte die Freude an den Dingen zu wecken weiß und von Anfang bis m Ende von lener heiligen Begeisterung durchgküht ist, die sonst das edelste Kenn zeichen unterer Jungen ist. vr. Lloor^ liivinrmna. * Theater «nd Konzert. I'. IV. Erster Klavierabend von Artur Reinhold. In voriger Saison bereits ist Herr Artur Neinhold an die Oeffentlichkeit getreten, zunächst als Solist, dann als Kaminermnsikspicler. In ersterer Eigen schaft ließ er sich gestern wieder hören^ erprobte seine Kräfte an einem Programm, das durch Beethovens „Sonate für das Hammerklavicr" lOp. 106) besonderes Gewicht erkielt, in Ehoptnscken Stücken ansklang, am Anfang des Abends aber Bachsche, Händelsche und Mozartschc Musik geboten hatte. Daß Herr Reinhold im Zeitraum eines Jahres wesent liche Fortschritte gemacht habe, läßt sich nicht behaupten. Seine Technik, damals schon nicht ohne virtuosen Anstrich, ist inzwischen nicht schlechter, doch auch nickt unfehlbarer geworden, der Anschlag hat noch dieselbe robuste Art, den gleichen Mangel an feineren Nuancen, und des Pianisten Innenleben entbehrt nach wie vor größerer Regsamkeit. Da sich nun seelische Probleme nicht mit Händen greisen lasten, bleibt Herrn Rein holds Spiel oft rein äußerlich, trifft kaum jemals den Kern der Sache. Sehr unsicher noch ist sein llle-rbättnis zu älteren Meistern, in deren Stil und Empfindungswelt sich hineinzudenken ihm wenig gelingt. Vielleicht bemüht er sich auch gar nickt um sic, sondern 'etzt nur ihre Namen auf seine Vortragsordnung, weil es Nsus geworden ist, einen Klavierabend mit Komplimenten gegen weiter zurückliegende Musik-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite