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ermächtigt, je nach dem Ausfall der MißtraurnSkuudarbung darüber zu ent- scheiden, ob und wann der Delegtertentag elnzuberuten ist." Der Gesamtvorstand, dessen Sitzung au« allen Teilen des Reiches mit Ausnahme der süddeutschen Bundesstaaten sehr gut besucht war, nahm nach lebhaften Debatten, die zu einer fast völligen Nebereinstimmung in der sachlichen Beurteilung der politischen Situation führten, die vor stehende Resolution gegen eine Stimme an. * Die Wahlrechtsagitatio« der freifinnigeu Partei. Aus Magdeburg wird vom 22. d. M. telegraphiert: Hier fand gestern eine von der hie sigen Ortsgruppe der Freisinnigen Bereinigung einberufene Bolls- Versammlung statt, in der unter stürmischem Beifall einer mehr als 2000köpfigen Menge Theodor Barth über die Wahlrechtsfrage sprach. Cs wurde eine Resolution angenommen, in der jede weitere Unter- stützung der Bülowschen Blockpolitik durch die freisinnige Partei als charakterlose Verletzung der demokratischen Grundsätze s!> bezeichnet und ein Zusammenwirken aller demokratischen Parteien verlangt wird, um die reaktionären Widerstände gegen eine gründliche Wahlrechts reform in Preußen zu brechen. In der Diskussion erklärten sich zwei Sozialdemokraten gern bereit, mit den Link-liberalen den gemein- iamen Kampf um das Wahlrecht zu führen. * Notstonhsfragen. Aus Berlin wird vom 22. d. telegraphiert: Der Oberbürgermeister Kirschner teilte dem „B. T." auf eine Anfrage mit, daß die Frage, wieviel Arbeitslose eS in Berlin gibt, schwer zu entscheiden sei unv wobl kaum mit genauen Zahlen beantwortet werden könne. Soviel läßt sich aber sagen, daß nach der Mitgliederzahl bei den Krankenkassen der Umfang der gewerblich Beschäftigten nicht nach gelassen hat. Dies schließe freilich nicht aus, daß augenblicklich em Teil der arbeitenden Bevölkerung-klasse arbeitslos sei. Desgleichen wird aus München-Gladbach gemeldet: Eine stark besuchte, von der christlichen Gewerkschaft einberufene ArbeitSlosenversammlung beschloß, die Stadt um NotstandSarbeiten zu ersuchen. Man beklagte sich darüber, daß die Eisenbahn zuviel ausländische Arbeiter beschäftige. * Arbciter»Lemonstrattoneii sind auch in Magdeburg vorgekom- men. Dort versuchten gestern die Teilnehmer einer vom Vorstand des GewerkschastSkarleÜS einberufene» Versammlung in großen Scharen vor das RrtkauS zu ziehen, nm dort zu demonstrieren, wurden aber von den Schutzmännern daran verhindert. 25 Verhaftungen wurden vor genommen. * vine Lohnfrage Aus Dor t m und wird vom 22. telegraphiert: Wie der „Bergknappe", das Organ der christlichen Gewerkoereine, mit teilt, bat der Bochumer Verein eine lOprosentige Lobnherabsetzung an gekündigt: gleichzeitig seien auch auf den Zechen des Bochumer Reviers die Schicytlöhne um 40 ermäßigt worden. * Aufruhr und Landfriedensbruch. Aus Erfurt wird vom 22. Januar gemeldet: Vor dem hiesigen Schwurgericht fand gestern die Verhandlung gegen neun am Maurerstreik beteiligte Arbeiter statt, welche wegen LandfriedenSbruch, Beteiligung am Aufruhr, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Beleidigung und Uebertrelung der Gewerbeordnung angeklagt waren. Es handelte sich um tumul- tuarische Vorgänge auf dem hiesigen Personenbahnhof gelegentlich der Ankunft italienischer Arbeiter. Daö Urteil, das gegen 12^ Uhr nachts verkündet wurde, lautete gegen einen Arbeiter aus sieben Monate zwei Wochen Gefängnis, gegen zwei je sieben Monate Gefängnis, zwei je drei Monate und einen zwei Wochen Gefängnis. Drei Angeklagte wurden freigesprochen. * Beleidigung des Lffi;terkorpS. Aus Rudolstadt wird vom 2l., gemeldet: Wegen Beleidigung des deutschen Offinerkorps, begangen durch einen Zeitungsartikel im September 1907, wurde von der hiesigen Strafkammer der Redakteur Zorn von dem „Sozialdemokratischen Volks blatt" zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Ausland. * Die Beisetzung des Großberzogs von Toskana. Aus Wien wird vom 21. Januar telegraphiert: Um 10 Uhr abends traf dec Svnderzug mit der Leiche des Großherzogs von Toskana hier ein. Vom Bahnhöfe erfolgte sofort die Ueberführnng nach der Hvsburgkapclle, in der Bischof Mayer die Einsegnung vornahm. * Niederlage der Franzosen? Aus Tanger wird vom 21. d. M. ge meldet: Nach hier umlaufenden Gerüchten hatten die Franzosen bei Jettat eine Niederlage erlitten und 35 Tote und 35 Ver wundete gehabt. Es heißt ferner, daß sie Settat wegen Munitions mangel hätten auf geben müssen. * Die Ruhestörungen in Fez scheinen wirklich stattgefunden zu haben. Tie französischen Nachrichten sind allerdings natürlich unzuver lässig. Im rranzösilchen Ministerium wurde bestätigt, daß in Fez Un- ruhen ausgebrocben seien, und in der Stadt Terrorismus herrsche. Die Anhänger des Sultans Abdul Aziz, die für ihr Leben fürchten, sind in die Moschee von Te Idviß geflüchtet. Aber auch nach einer Meldung der Londoner „Tribüne" aus Lissabon haben mehrere dortige Handelsfirmen aus Fez Nachrichten erhalten, daß in Fez ein Juden massaker stattgesunüen habe. Die Angreifer waren augenscheinlich marokkanische Stämme aus der Umgegend der Hauptstadt. Nachdem ne das jüdi cbe Viertel niedergebrannr hatten, zogen sie sich zurück und führten zah reiche Frauen und Kinder mit sich in die Gefangenschaft. * Marokkanischer Tagesbericht. Außer von dem neuen Gefechte bei Sektat nwd der Judenverfolgung in Fez wird noch über weitere Fort schritte Mulch Hafids berichtet: Aus Tanger, 22. Januar: Muley Hafid ist jetzt auch in El Kasa zum Sultan proklamiert worden. Aus Madrid, 21.: Nach einer hier einaegangenen amtli^en Meldung aus Larasch ist Muley Hafid in Wessan zum Sultan ausaerufen wor- den. In Larasch herrscht Ruhe. Die Hafenarbeiter in den scherifischen Häfen sind in den Ausstand getreten. — Wie fest die Jranzosen schon sich einnisten, beweist folgende Depesche: London 21. Januar: Der Korrespondent des „Daily-Telegraph in Tanger meldet unter dem 21., er erfahre aus vertrauenswürdiger Quelle, General d'Amade hab« die Erlaubnis zum Bau einer Eisenbahn von Casablanca nach Med in na gegeben. * Die Reform der nngarischen Geschäftsordnung begegnet, wie zu erwarten stand, ungeheuren Schwierigkeiten. In einer vom Präsiden ten des Abgeordnetenhauses Justh elnberusenen Konserenz von Vertretern sämtlicher Parteien sprachen sich alle Redner der oppo sitionellen Parteien gegen jede Aenderung der Geschäftsordnung aus. Emil Nagy sUnabhängigkeitSparteis stellte den Antrag, daß die Aenderung nur für den gegenwärtigen Sessionsabschnitt bei der Be ratung des Budgets, des Finanzgesetzes, der Wahlreforinvorlagen und der übrigen nur Ungarn betreffenden Gesetzentwürfe Gültigkeit haben, die endgültige Revision der Geschäftsordnung aber erst nach der Wahl reform, jedoch vor ihrem Inkrafttreten, vorgenommen werden solle. Ministerpräsident Wekerle verwahrte sich entschieden gegen die Behaup tung, daß die Geschäftsordnungsresorm auf Wunsch der Krone erfolge; ebenso unrichtig sei es, daß mit Hillse einer verschärften Geschäftsord nung die Annahme der militärischen Vorlagen ermöglicht werden solle. Die bevorstehende Wahlresorm mache die Revision der Geschäftsordnung notwendig. Die Regierung wolle keine Cloture, keine Ein schränkung der Redefreiheit, sie wolle bloß die Erschwerung der Obstruk tion, und sie hoffe, daß die Mshvheit des Abgeordnetenhauses diese Ge- schäftsordnungsabänderung annehmen werde. Mit dem Antrag Nagy erkläre er sich einverstanden. Der Präsident erklärte, da die Redner der Oppositionsparteien die Reformen ablehnen, sei die Einzelberatung zwecklos. Die Mehrheit nahm den Entwurf mit dem Antrag Nagy an, durch den ihm die Spitze abgebrochen ist. * Die japanische Auswauderungsfragc. Die japanische Negierung schreitet jetzt selbst gegen die Auswanderung ein. Ter Minister des Aeußern Graf Havashi äußerte einem Berichterstatter gegenüber, daß, wenn die Auswanderung nach den Vereinigten Staaten über Hawai nicht verhindert werden rönne, er nicht zögern werde, die Auswanderung nach Hawai zu verbieten. Die Regierung beabsichtige, auch die Aus- Wanderung nach Mexiko zu untersagen. * Das Komplott von Rio. Unsere ursprünglichen Zweifel au der Nachricht von einem Anschläge auf die amerikanische Flotte im Hafen von Rio scheinen sich zu rechtfertigen, trotzdem eine zweite Depesche schon von Verhaftungen zu erzählen wußte. Denn jetzt wird an amtlicher Stelle in Washington die Meldung von dem angeblichen Kom plott nicht e r n st g e n o m m e n. „New Kork Herald" berichtet, daß das Gerücht infolge der Ankunft eines deutschen Dampfers entstanden fei, der eine Ladung Chemikalien an Bord hatte. * Die russische Flottensrage. Eine Vorlage über die Erneuerung der russischen Flotte wird demnächst der Reichsduma zugehen. Das Marineministerium beansprucht für diesen Zweck 2 Milliarden Rubel, welche aus 15 Jahre verteilt werden sollen. Tie Duma wird wohl aber die Vorlage in dieser Form ablehnen. — Wir teilten neulich schon mit, daß die äußerste Rechte den Jlottenbau „gräßlich" finde. * Ausstände. Aus London wird vom 22. Januar telegraphiert: Tie Arbeiterverbände für Marinebauten hielten gestern eine Versamm lung ab, in der beschlossen wurde, die Vorschläge der Arbeitgeber über die Herabsetzung der Arbeitslöhne nicht anzunehmen. Von 22 Arbeiter verbänden erklärten sich 13 gegen die Pläne der Arbeitgeber. Eine An- zahl stellte sofort die Tätigkeit ein. Heute dürften weitere 7000 Arbeiter ihrem Beispiel folgen. — Aus Wien, 21. Januar: In den großen Sensengewerkschastcn des Bezirks Waidhofen streikt die Mehrzahl der Sensenschmicde. In einzelnen Werkstätten wird gearbeitet, weshalb man Ruhestörungen befürchtet. leipziger und Sächsische Angelegenheiten. Wetterbericht -er Aönigl. Sachs. Landes-Wetterwarte zu Dresden. Voraussage für den 23. Januar 1SVZ. Zunehmende Bewölkung, nachher Regen oder Schneefälle, böige nordwest liche Winde, milve. * Anszeichnnngen. Die Kgl. Kreishauptmannschaft Leipzig hat dem seit 24. Mai 1880 ununterbrochen in der Seifenfabrik von C. F. Kunz in Leipzig, Nanstädter Steinweg 14, beschäftigten Werkführer Bernhard Etzold in Leipzig, sowie dem seit dem 6. Dezember 1882 ununter brochen iu der Buchhandlung von Gustav Fock, G. m. b. H., in Leipzig, Schloßaasse 7/9, beschäftigten Markthelfer Gustav Eduard Böhme in L.-Reudnitz je eine Belooigungsurkunde verliehen, die ihnen heute in Gegenwart ihrer Arbeitgeber an Ratsstelle ausgchändigt wurde. * Die militärische Platzmusik wird am Donnerstag den 23. Januar durch das Trompeterkorps des 2. Ulanenregiments Nr. 18 vor der Wohnung des Stadtkommandanten ausgesührt. Beginn 11 Uhr 15 Min. vormittags. Programm: 1> „Kaiser-Fanfaren", Marsch von Liebisch. 2) Ouvertüre z. Op. „Die schöne Galathee" von SuppS. 3) Potpourri Kommt nun und seht das Stück; ich sichre es heute auf, wie Schiller es geschrieben. Ich selbst spiele zu meinem Benefiz den Franz Moor, den größten schleichenden Intriganten, den noch die Bühne gezeigt hat. Den Karl spielt ein Urenkel L-chrllers, Herr Mächler von Ulm, mit evschütternder Wahrheit. Ich mache ka chle Publikum von Bopfingen aus die großen Schönheiten dieses Trauerspiels aufmerksam. Die Räuberscenen im Walde sind in gräßlicher Wahrheit hinge st eilt. Die Schloß- stenen mit Amalia und Franz und dem alten Moor athmen ver wüstetes Jamilienglück und heuchlerische Tücke. Die Scene, in welcher 'ich Franz Moor mit der Schnur von seinem Hute erhängt, spiele ich ganz nach dem Originale. Schweizer, ein Haupträuber, rettet mich, indem er durch das brennende Schloß hereinstürmt und mich ab- chneidet, dafür kommt Roller rsot« vom Galgen mit dem Strick um sen Hals, auf einem Abdeckerkarren. Eine berzzerfleischende Scene. Der Auftritt am Hungerthurm wird selbst den stärksten Nerven zu rhun geben. Herrmann, „Mein Rabe", wird in der Thal von Herrn Rabe gegeben. Den Kapuziner spielt Herr Kirchmeyer, mehr age ich nicht. Den Räuberchor singen junge, angehende Dilettanten, Herr Krapp ler. den Ihr aus Eyblers Bierbaus, seiner schönen Baßstimme wegen, kennt, wird sich extra ein RäuberliSd einlegen. Die Dekorationen sind nach den Kupferstichen von Chodowicki gemalt; das Evstüme neu, bis auf das der Räuber, denn diese gierigen historisch in abgetragenen Wämmsern herum. Es sind also keine Kosten ge- 'cheut worden, um die Räuber nach der Natur darzustellen. Preise der Plätze die bisherigen. Die einzige Loge unseres Schauspielhauses ist bereits vergriffen. Ter Anfang ist wegen des Nachmittags kränzchens in Evblers Biergarten, um 8 Uhr Abends. Man bittet oie Hausschlüssel mitzunehmen. Vor 11 Uhr geht die Vorstellung nicht zu Ende. Friedrich Wohler, Director des Theaters in Bopfingen." Im gleichen Jahre empfahl ein anderer Direktor den Bestich der ,.Räuber"-Vorstkllung mit der Anzeige: ,/Die Räuber oder Roller, du bist theuer bezahlt? Und doch, trotz dieser Theuerung, kostet der erste Platz nur 4 Neu groschen." Direktor Rupert Schmid, bekannt in der Theatenvelt unter oem Spitznamen „Der schwäbische Heiland", fügte in den 1870er Jahren einem „Räuber '-Zettel in Ludwigsburg bei: „Karl Moor er- scheint im dritten Akt aus zwei Schimmel bei bengalischer Beleuchtung zu Pferde." Zum Schluß fei noch auf einen „Räuber'-Zettel aufmerksam ge macht, der erst vor einigen Jahren in Speyer auSgegeben wurde. In ser Besorgnis, daß Schillers Drama leicht mit anderen, ähnlich be- titelten Stücken verwechselt werden könnte, brachte die Direktion an austäkligcr Stelle des Zettels den Vermerk an: „Nicht zu verwechseln m i t , Räuber auf Maria Culm." * Münchner Theater. Die Dramatische Gesellschaft brachte ihren Mit ¬ gliedern die erst» Gabe im neuen Jabr, im SchauipielhauS eine Uraufführung der fünsaktigen Dramas „Lucrezia Borgia" von Willy Lang, allerdings in einer Darstellung und in einem szenischen Rahmen, der ein wenig Provinz- mäßig anmutete. Das Drama gekört zu jenen Stücken, durch deren Aufführung niemand ein Gefallen erwiesen wird, dcm Publikum nicht, weil eS sich nicht ganz ohne Grund langweilt, dem Theater nicht, weil seine Mitglieder auf Pötten gestellt werden, denen sie, mit wenigen Ausnahmen vielleicht, nicht gewachsen sind, und dem Autor erst recht nicht, weil — dieses „weil" bedarf einer etwas ausführlicheren Behandlung. Der Stoff, den sich Willy Lang für sein Drama auSgcwählt hat, sowie daS Milieu, aus dem dieser Stoff heraus entstanden ist» wäre eines Shakespeare würdig. Cesare Borgia, der Sohn Papst Alexanders Vl„ ist zu seiner Schwester Lucrezta in sündiger Liebe entbrannt, er tötei ihre Gatten und ihre Liebhaber, um zu seinem Ziel zu gelangen, als er ober dann so- weit ist, geht die Geschichte aus wie da» Hornberger Schlehen, der Autor besaß nicht den Mut oder vielleicht richtiger nicht dir Kraft, diese Scheuß- lichteste» bis zur Lramalilchen Höhe zu führen, wie «» eben ein Shakesveare hier getan hätte. Lang wandelt ja, wenn auch etwas verschämt, in den Spuren des großen Briten. Bei seinem Cesare Borgia stand ihm zweifellos Richard III. Modell, aber dieser Cesare wurde nur rin blasses Abbild, wie überhauvt daS ganze Stück lediglich die Pose deS großen DramaS zeigt, nicht aber, und daraus kommt eS doch wesentlich an, seine innere Wahrheit, seine bezwingende pathetische Gewalt. Hier aber erietzt das Rhetorische dies Pathetische, und so geschieht eS, daß der Zuhörer nicht mehr mitgeht, daß er alle» einiach über sich ergehen läßt und dabei kalt bi- in- Herz bleibt, mag Ler gute Cesare noch so raien im bliuden LiebeSIaumel und Lucrezia in langen Tiraden noch so jammern über ihr Seelenelend, das ihr Bruoer dadurch heraufbeschwvrt, daß er ihr jeden Gatten und jede« Lieb haber „kalt stellt". Auch der Verluch deS Autor», uns ein Bild jener Zeit zu geben, die an brutaler Lasterhaftigkeit und blutiger Gewalttätigkeit ihresgleichen sucht, muß als gescheitert betrachtet werden, in dieser Beziehung ist rr gleichsalls nicht über schwächliche Ansätze hinauSgekommen, es wird lediglich davon geredet. Einige technische Unbeholfenheiten, die bart an der Grenze stehen, wo sich der Ernst ins Lächerliche verwandelt, vervollständigen deu ungünstigen Eindruck. So ist z. B. jeder Aktschluß fast gleich, jedesmal wenn der Vorhang fällt, fällt Lucrezia in Ohnmacht, was vom 2. Akt ab hier und dort bereits jene versteckte Heiterkeit ouSlösie, die so oft schon da« Ende so manchen Drama- geworden ist. Die ersten Akte wurden denn mit kühlem Schweigen ausgenommen, dann aber besann man sich, daß der Autor mit seinem Werk so gewissermaßen Gast der Dramatischen Gesellschaft sei, und so steigerte sich der Beifall in dem Maße, daß der Autor sich zeigen konnte. Diesem Beifall aber fehlte die Begeisterung, er war rin Akt der Courtoisie nicht zum wenigsten gegen die betdeu Darsteller der Hauptrollen, Herrn Lackier und Frl. Lossen, die man sich vom Hostheater entlehnt hatte. dl. di. * -«chschulnachrichte«. Der Züricher Regierung-rat wählte zum außer- ordentlichen Professor an die neugeschaffene dritte Professur für Chemie an der Hochschule Zürich Herrn Dr. Paul Pirtsfer au- Elberfeld. — AuS Bonn wird berichtet: Der Direktor der Provinztal-tzeil- und Irrenanstalt und Leiter der psychiatrischen Universitätsklinik, Grd. Medizinalrat o. Professor Dr. Karl Pelman, friert am 24 dS. seinen 70.Geburt-tag.— Dir Senior der deutschen Philosophen, Dirk! Grd- Rat Prof. Dr. Eduard Zeller (in Stuttgart) vollendet heute daS 94. Leben-,ahr. — Zu Seh. Hosräten wurden die o. Professoren an der Universität München, Dr. Paul Heinrich Ritter v. Groth, Vertreter der a. d. Opt. „Der Bettelstudent" von Millöcker. 4) Paraphrase über Krömers Lied „Grüße an di« Heimat" von Nehl. 5) Selektion a. d. Op. „The Geisha" von Joues. 6j „Sachsengruß", Marsch von Golde. * Bau einer eigene« Gasanstalt für Stötteritz? ES wird unS aus Stötteritz geschrieben: Der im Jahre 1890 mit der Stadtgemeinde Leip zig abgeschlossene Vertrag über die Versorgung unserer Gemeinde nut Gas aus der städtischen Gasanstalt läuft im Jahre 1910 ab. Der Konsum an Gas betrug im Jahre 1891 27 307 Kubikmeter, wovon 14492 Kubikmeter auf den Privawerbrauch und 12815 Kubikmeter auf die Straßenbeleuchtung entfielen. Derselbe stieg im Jahre 1906 auf 315193 Kublimeter, wovon 245 541 Kubikmeter auf den Privalverbrauch und 69 652 Kubikmeter aus die Straßenbeleuchtung entfielen. Der Ver brauch im Jahre 1907 ist noch nicht festgestellt worden. Da die Preise dieselben sind wie in Leipzig, der beträchtliche Reingewinn der Gas anstalten aber der Stadt allein zugute kommt, so hat der Aemeiuderat beschlossen, der Kündigung des Vertrages und dem Bau einer eige- nen Anstalt im Mai näherzutreten, bis zu welchem Zeitpunkte man in der Einverleibungsangelegenheit klar zu s^hen hofft. Durch die Ein verleibung würde sich die Frage erledigen. * Das Zentrum und das Reich, so lautete das Thema, über welches am gestrmen Abend Dr. Berg st räßer imJungnatronallibe- ralen Verein sprach. Er behandelte zunächst die Stellung des Zen trums vor der Reichsgründung und die konfessionellen Gründe, die es zu einem Eintreten für Groß-Deutschland veranlaßten. Nach der Reichs- gründung stellte sich diese Partei in der Erkenntnis der gegebenen Si tuation allerdings aus den Boden des Reichs, aber sie verfolgt dabei in kluger Taktik ihre Sonderinteressen. Man war gegen Reichseisenbahn, Monopole und Einheit nicht aus prinzipiellen Gründen, sondern weil man sich sagte: es wird dadurch die Reichsidee gestärkt. Der Gedanke des Föderalismus wird sehr geschickt verfochten durch «ine ungemein fein ausgeklügelte Finanzpolitik. Auf der einen Seite bewilligt: das Zentrum die Ausgaben für die Flotte usw., auf der andern Seite aber verlangte es, um bei den Wählermasseu Eindruck zu machen, daß disie Ausgaben das untere Volk nicht belasteten, die Einnahmen für Zölle sollen für die Witwen und Waisen reserviert werden. Tie Finanz politik muhte sich dadurch immer komplizierter gestalten. Tie Partei legte sich nirgends mehr fest; jede Zustimmung zu irgend einer Vorlage mußte durch Zugeständnisse erst teuer erkämpft werden. Keine Oppo sition, aber größte Ausnutzung der politisch-parlamentarischen Macht. Die Ausgaben für das Heer werden bewilligt, manchmal Abstriche ge macht, da und dort das Tempo verlangsamt. Es zeigte seinen Wählern, daß es sie finanziell schonen wolle, der Regierung, daß es Macht habe und als solche berücksichtigt werden wolle. Erst läßt es andere Par teien verhandeln, in der Dudaetkommission sagt es anfangs nie seine Meinung: es will immer das Zünglein an der Wage bilden. Anfangs ist die Partei nicht für die Flotte zu haben, erst dann, als sie fürchtet, ihr nationales Renommee zu verlieren. Sie weiß auch, daß dadurch daS Verhältnis zum Konservatismus leidet, darum will sie national sein. In der Kolonialpolitik liebt das Zentrum die gleiche Rolle. Es be willigte 1903/04 die Togobahn und einige andere Bahnbauten. Man weiß sehr schön auszusühren, wie nötig die Bahnen zur Entwicklung der Kolonien seien, man bringt auch den Gesichtspunkt wirtschaftlicher Interessen, daß die Missionen durch die Bahn in ihrer Tätigkeit gesör- dert würden. Nicht viel anders verhält man sich anfangs der Kamerun bahn gegenüber. Für den starken Sinn, der im Zentrum für das politisch Erreichbare lebt, geben die Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch Zeugnis. Das Zentrum hatte die größten Schwierigkeiten in sich selber zu überwinden. Früher hatte man es abgeleynt, die Zu ständigkeit des Reiches auf das Gebiet des bürgerlichen Rechtes auszu dehnen. Jetzt war nur hauptsächlich die Zivilehe nicht nach dem Ge schmack der Partei, da sic mit der kirchlichen Lehre in Widerspruch stehe. Trotzdem ging man einen Kompromiß ein, wodurch die eherechtlichen Bestimmungen für Katholiken weniger verletzende Formen erhielten. Das Zentrum stimmt eben niemals aus fester Ueberzeugung gegen oder für etwas, außer in religiöser Beziehung. Lehrreich in dieser Hinsicht sind die Äeußerungen des Professors L. Savigny, die er, der selbst Katholik ist, in einer Broschüre getan hat, als er tagte: Das Zentrum ist der Gipfelpunkt der Grundsatzlosigkeit. Ueber die Mittel zur Be- kämpsuna äußert sich der Redner dahin, daß man vor allem auf das katholische Empfinden Rücksicht zu nehmen habe. Die Hauptsache sei aber, eine so mustergültige Organisation zu schassen, wie sie daS Zentrum besitze, eine Organisation, die alle Berufe in sich schließe. Kulturpflegc, eine rührige Agitation und eine reale Politik sind weitere Grund- bebinaungen. Der Redner erntete für seinen Vortrag großen Beifall. Die folgende Diskussion war lebhaft und anregend. * Konservativer Verein zu Leipzig. Im Anschluß an den Berichl über die Generalversammlung des Konservativen Vereins in der heutigen Morgenausgabe sei noch ausgeführt, daß ein Antrag des Vorstandes auf Erweiterung des Gesamtvorstandes von 15 auf 18 Mitglieder, von denen alljährlich ein Drittel ausscheiden, angenommen wurde. Den Jahresbericht, der über die Vereinstätigkeit im verstossenen Jcchr« Auf schluß gab, erstattete der Schriftführer, Fabrikbesitzer Lasse, den Kassenbericht der Schatzmeister, Kammerrat Clemens Thieme. Da nach betrugen die Einnahmen rund 4000 darunter 2178 Mark aus Beiträgen der Mitglieder und 1443 ttl als Beitrag zum Wahlfonds. Diesen Einnahmen stehen 2727 .K an Ausgaben gegenüber. Das Vereinsvermöaen beträgt 11837 .K. Dem Deutschen Patriotcnbund wurde für das laufende Jahr wieder ein Beitrag von 100 gewährt. In den Vorstand wurden die Herren Fabrikbesitzer Kob, Dr. med. Hi'nze, Fabrikbesitzer Felix Lasse, Malermeister Bringe - u wieder- und Geh. Kanzleirat Iähne neugewäblt, ebenso wurden die Herren Postsckretär Börner, Amtsgerichtssekretär Schaarschmidt und Tischlermeister Fischer als weitere neue Mit glieder in den Vorstand berufen. Zum Schluß der Versammlung hielt Negierungsrat Dr. Einert von der König!. Kreishauptmannschaft noch einen Vortrag über das Gesetz bctr. die BezirksverbänLe und die in Aussicht genommenen Aenderungen. Mineralogie, Dr. Hermann Wilhelm Breymaun, Vertreter der romanischen Pkilologie und Dr. Ferdinand Lindemann, Vertreter der Mathematik, er nannt. — Dem Privaidozenten für Geschichte und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Holle a. S., Dr. Phil. Tbeo Sommerlad, ist der Proiessortitelverliehen worden.—Der Privaidozent Dr. Brüning von der Universität Rostock ist zum Oberarzt der Kinderabteilung der medizinischen Klinik und Poliklinik mit selbst ständigem Lehrauftrage ernannt worcen. — Geheimrat Dr. v. Voit (Münchens hat wegen hohen Alters und angegriffener Gesundheit Enthebung von der Ver pflichtung, Vorlesungen zu halten, sowie von der Direktorstelle der Physio logischen Anstalt, nachgcsucht. Der berühmte Gelehrte ist nicht un bedenklich erkrankt. — Der a. o. Professor der alten Geschickte an der Universität Marburg, Dr. Elimar KlebS, ist zum Ordinarius befördert worbe». * Mustkchrontk. Fratz OSborn-Hannah vom Leipziger Stadttheater hat am Sonntag im Berliner Kgl. OpernbauS an Stelle des erkrankten Fräul. Desiinn die Partie der Senta im „Fliegenden Holländer" gesungen und wurde vom Publikum lebhaft ausgezeichnet. Der Borsicllung wohnte auch da- Kaiser paar bei, das die Künstlerin gleichfalls durch Beisallssvenden edrie. — Gelegent lich de- Gastspiel» von Sigrid Arnoldjon al« „Carmen" im Hoftheater zu Stuttgart sprang das vorübergehend dort weilende Frl. Elsa Weller vom Stadtlhealer in Leipzig hilfsbereit ohne Probe für die erkrankte Vertreterin Ler MtcaSla rin und behauptete sich neben dem berühmten Gast mit Sicherheit. — Frl. Elena Gerhardt sang am !5. d. M. mit grobem Erfolge in einem Im Deutschen LandeStheater zu Prag siattgefundenen Konzert. — Frl. Floren liu- Webrr sprang gleichfalls aushilfsweise ein als ..Salome" im Kgl. Schauspiel- Hause zu Berlin. In einer Kritik lesen wir die Sätze: „Frl. Florentin verfügt über ein voluminöses Organ... Eine hinreißende, ihre Rolle rrichöpfende Salome". * Kleine Chronik. Man schreibt uns aus Jena: Zu dem Plane der Großherzoglichen Staaisregierung, im Jsnuer Sckillecgaiten an Ler Leutra, wo sich die Sternwarte befindet, ein Wotmgebäude für deren Direktor zu errichten, hat jetzt auch die Ortsgruppe Jena des Bunde- Heimaischuy in einer Verlamm- luna energisch Stellung genommen und den Be'chluß gefaßt, schleunigst eine Massenpettlion an den Großnerzog ins Werk zu setzen; un) Eile tut not, da, wie beiiimmt verlautet, bereits zum l. Februar mit dein Fällen der heirlichen alten Bäume im Schillergarten und mit dem Abbruch Les Kuchenhause» Schiller» der Anfang gemacht werden soll. Wenn man sich erinnert, wie rasch Groß- berzog Wilhelm Ernst, nachdem er informiert woiden war, der Bedrohung deS Goethegartens am Stern In Weimar durch den Ankauf des von Pogwischscken Gartens hochherzig begegnet ist, so darf man sich wohl vertrauensvoll der Hoffnung hingeben, daß er, der schon oft und wie beim Neubau des HostheaterS in weitgehendem Maße opferfreudigste Pietät in bezug auf die klassischen Ueberlieterungen seiner Heimat bewiesen, auck in diesem neuen Fall dafür eintreien wird, daß dem Jenaer Gckillergarten die »rodende Vernichtung seine- idyllischen CharokierS erspart bleibt. — Proirflor Hermann Kretzschmar, der. wir wir meldeten, am Vorabend seines 60. Geburtstages durch einen heftigen Aniall von Influenza auf» Krankenlager geworfen worden war, befindet sich auf dem Wege der Besserung. Die von seinen Schülern und Freunden geplante, wegen der unerwarteten Erk'ankung bi» auf weiteres verschobene Ehrung de- Selebrtrn in dem von ibm begrünketen Seminar für Musikgeschichte wird nunmehr am kommenden Sonntag stattfiaden.