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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.02.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-02-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080219028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908021902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908021902
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-02
- Tag 1908-02-19
-
Monat
1908-02
-
Jahr
1908
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Abend-Ausgabe S. lVezngt-Preit eWMrTagMlL am dt«V »mch Handelszeitung «edattt», «,» Nr»«dUt»r Ämtsötatt des Nates und des Nslizeiamtes der Ltadt Leipzig. l««, m. «r. >et aalerr» lri <ad SamlMafti 8, UaI«^Lp«itemra Dolch dt, M »«,»»-««, <2 «i« tLzltld) trmerdald Drutlchland» ua» de, deuUch« Ealoatea «terteljLhrlich »,L «., m»o-Uich 1.7L M. «ullcht. Post, ^kkkllgew, Mr De-ereNch » L S6 ü. Uazar» 8 L otmtrltLhrilch. Fera« ta vel- «teä, Lüarma^. de» Danaaliaa len, Frank, reich, Iialte», Lujasdara, Mederlanv«. -tdrw^r»^ G^Sx», Schwet» «awaa. Lazeigea-Preit vr Jnlerar, «,» LKv^, «ad U«,edaa» di, Sarlvallei» P«U»«il» B PI^ ftaanjlell, Anzeige» SÜ Pi„ dirLawea t Di.; do» «o»«trt» SO PI.. Reklame, 1.20 Pk., »*m Ausland SO Pt.. -aaa». elnjc>grn2Pt„ Ueklame, iLh Di. Aalerale». Deddrde» tm «mlltchea Leil« Bl. Betlage-edüde b Pt. P. Da ulend «ikl. Post« gedübr. GeildLftlaiueizen ao devareugler Stelle t» Prelle erhitzt- AadatI nach »arit. NesterteUt» Aaltrta» Warna atcht »urück- ae»ogea ««de» Für da» Erich einen an bepwum«! Daze» and PUitzrn wird keine charauU» bderaommea. Llljeigea.Sllllahmei Nn-ua»t»l«tz 8, bei limtllchen Filialen u. allen Annonce» Llpedttioaea de» Za« »ad Luslaade». HaaZt-Kiltal, Serkkai T«rl Du acker, Her»ogl. B-qr. H»sbuchr Handlung, llüdoirstrah« M cDelevtzoa VI. «r. 460S). Nr. "IS. Da« wichtigst« vom Tag«. *' König Friedrich August besichtigte heute früh die Truppen der Garnison, besuchte Max Klingers Atelier sowie das Grassimuseum und hörte zwei Universitätsvor- lesungen. lS. des. Art.) * In Münchner Universitätskreisen besteht die Er regung über den Fall Schnitzer unverändert fort. iS. Dtschs. R.) >* Das österreichische Torpedoboot 27 ist infolge einer Kol lision dem Sinken nahezekommen, aber noch gerettet. * Die Norddivision der englischen Heimatsflotte wird während des Sommers im Firth o f Cromarty stationiert werden. * Eine amtliche Erklärung der russischen Regierung betont das juristische Recht der österreichischen Bahnprojekte auf der Balkanhalbinsel und erkennt auch an, daß das Mürz- steger Abkommen nur territoriale Erwerbungen, keine wirtschaftlichen Eroberungen ausschließt. * Der Staat Illinois präsentiert den Sprecher des Re ¬ präsentantenhauses, Cannon, als Präsidentschaftskandi daten. * Der öffentliche Ankläger beantragte die Verur teilung Nasis zu 3 bis 5 Jahren Gefängnis und lebenslänglichem Ehrverlust. * Dis chinesische Regierung beabsichtigt die Schaffung einer neuen Armee im Tale Jangtsekiang. Herr Vueck und die Industriellen. Ein Vorstandsmitglied des „Verbandes Sächsischer Industrieller" schreibt uns: In dem von der „Deutschen Jndustrieztg." abgedruckten Artikel mit der Ueberschrift „Die Stellung der nationalliberalen Fraktion des Reichstages zu den Großbetrieben der rheinisch-westfälischen Industrie und dem Kohlen- syndikat" nimmt der Geschäftsführer des Zentralverbandes Deutscher Industrieller Stellung zu einer von Herrn Reichstagsabgeordneten Dr. Stresemann, dem Geschäftsführer des Verbandes Sächsischer Industrieller, im Reichstage gehaltenen Rede. Der Geschäftsführer des Zentralverbandes ist Herr H. A. Bueck, der für sich das unbestrittene Verdienst in Anspruch nehmen kann, daß er ein bereits sehr bejahrter Herr ist. Woraus er die Berechtigung ableitet, andern Leuten ihr minder hohes Lebensalter vorzuwerfen. In seinen sachlichen Dar legungen vertritt Herr Bueck die Interessen des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats, dessen Mitglieder in dem erwähnten Zentralver band die einflußreichste Stellung einnehmen. Er weist zahlenmäßig nach, daß die Kohlenpreise sich in den letzten 20 Jahren in aufsteigender Zickzacklinie bis jetzt ungefähr gerade verdoppelt haben. Diese Preiserhöhung überschreite nicht das Normale. Nun würde niemand Herrn Bueck die Verteidigung der Interessen des Kohlensyndikats Übelnehmen, wenn er nur dessen Syndikus wäre. Wenn er aber von „m i r und den Industriellen" spricht, so ergibt schon die Wortstellung seine Prätention, daß „die Industriellen" hinter ihm stehen. Mit der deutschen Industrie sich zu identifizieren, wie dies in dem Artikel geschieht, hat Herr Bueck kein Recht. Insbe sondere die Industriellen Deutschlands, die in ihrer Mehrzahl dem Zen- lralverband nicht angehören, verwahren sich gegen seine Führerschaft. Schon die Eigenschaft des Herrn Bueck als wohlbestallten Geschäfts- führers des Feuerversicherungskartells, das der deutschen Industrie seit Jahren so schwere Opfer auferlegt, macht dies erkklärlich! Die be- wundernswerte Geduld, die Herrn Bueck in dieser Beziehung vom Zen» Mittwoch 19. Februar 1908. tralverband entgegengebracht wird, verlangt er von ihnen nun auch für die Forderungen der Kohlenindustrie. Hier dürfte er aber eine Enttäuschung erleben. Die Mitgliedschaft bei dem Zentralverband ist bekanntlich für die ihm angehörenden Industriellen saft in allen Fällen indirekter Natur. Sie wird durch ihre engeren Branchenverbände vermittelt. Vielen der Mitglieder des Zentralverbandes ist deshalb ihre Mitgliedschaft gar nicht bekannt. Aber auch unter denjenigen Industriellen, die sich als Mitglieder des Zentralverbandes fühlen, ist eine starke Strömung gegen die Buecksche Auffassung von ihrer Ergebenheit und Opferwilligkeit vorhanden. Es scheinen übrigens einige davon Herrn Bueck benachrichtigt zu haben, der nunmehr diese Mitteilungen als „Angriffe und Insulten" und jene Industriellen in bequemer Weise einfach als „Anhänger von Dr. Strese- mann" registriert. Aus den Ausführungen des Herrn Bueck klingt hervor, daß sich die Kohlen verbrauchende Industrie gegenüber dem Kohlenbergbau mit Rück sicht auf die gemeinschaftlichen Interessen als Industrielle auf den kameradschaftlichen Standpunkt des Lebens und Lebenlassens stellen müsse und den Kohlenzechen nicht deren Erträgnisse und Lieferungs bedingungen vorhalten dürfe. Es muß aber gesagt werden, daß der Bergbau eine ganz andere volkswirtschaftliche Grundlage als die ver- arbeitende Industrie besitzt. Der Bergbau, dem das Heben der Boden schätze zufällt, dessen Gewinn als Bodenrente und nicht als Unler- nehmergewinn anzusprechen ist, ähnelt im Charakter vielmehr der Agrarwirtschaft, als der eigentlichen Industrie. Die letztere Hal in dem Maße, wie ihr die steigeude Bodenrente von feiten der Agrarier und der Kohlenflözbesitzer zur Last gebracht wird, ein diesen Erwerbsständen entgegengesetztes Interesse. Es ist deshalb ein Unding, ein und dieselbe Person die Interessen der Kohlenzechen und zugleich die der eigentlichen Industrie vertreten zu lasten. Die Angriffe des Herrn Bueck gegen Herrn Dr. Stresemann fordern unwillkürlich zu einem Vergleich heraus. Der eine hat den Vorzug, ein alter Vertreter gewisser industrieller Brancheninteressen zu sein, der andere den, ein junger Führer von Industriellen aller Branchen zu sein. Herr Dr. Stresemann wird getragen von dem Vertrauen von über 4000 Industriellen, die in ihrer großen Mehrzahl alle direkte Mitglieder des „Verbandes Sächsischer Industrieller" find und als solche die Vertretung ihrer Interessen klar und unvermittelt Herrn Dr. Stresemann über tragen haben. Wenn Dr. Stresemann es verstanden hat — in der Hauptsache lediglich unterstützt durch seine Vorstandsmitglieder —, in der kurzen Zeit von 6 Jahren eine Zahl von 4000 Industriellen um sich zu scharen, so nimmt sich für einen Geschäftsführer des „Zentral- verbandes deutscher Industrieller" die stolze Erklärung wirklich nicht gut aus: „Es würde mir außerordentlich fern gelegen haben, einer Rede des Dr. Stresemann, gleichviel welchen Inhalts, besondere Be achtung zuzuwenden oder sie gar (!) in einer Generalversamm lung des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller zu er wähnen." Jedenfalls begibt sich Herr Bueck mit dieser geflissentlichen Nicht beachtung der Stimmen von 4000 Industriellen des in industrieller Hin sicht bedeutendsten deutschen Bundesstaates unbewußt des Anspruchs, jemals als Sprecher der deutschen Industrie gelten zu können. Vielleicht hätte sich die Sozialdemokratie nicht zu einer Dreimillionen partei entwickelt, und die Gewerkschaften hätten es nicht zu einer jähr lichen Einnahme von über 42 Millionen Mark gebracht, wenn die deutsche Industrie den rechten Mann an ihrer Spitze gehabt hätte. Und selbst als in den letzten Jahren endlich die Industrie zu erwachen und sich gegen ihre Irreführung zu ermannen begann, hat Herr Bueck noch die Einheitlichkeit einer großen Arbeitgeberorganisation verhindert. Die Spaltung in zwei Organisationen, den Verein deutscher Arbeitgeber verbände und die Hauptstelle deutscher Arbeitgeberverbände, ist fein letztes Werk! Wir leben in einer neuen Zeit mit neuen Verhältnissen, neuen Forderungen. Und ein einzelner wird eine ganze wirtschaftliche Ent wickelung nicht aufhalten, auch nicht, wenn er sich auf eine vierund dreißigjährige Tätigkeit im Dienste der Industrie berufen kann. Auch über Herrn Bueck wird die Zeit hinweggehen. 1V2. Jahrgang. Dev Aonrg in Leipzig. Kenia Friedrich August begab sich heute morgen 9 Uhr 10 Min. zur Aufstellung der Truppen der Garnison nach der Kaserne des 107. Infanterieregiments. In der Begleitung des Königs befanden sich Kriegsminister Jrhr. v. Hausen, Hofmarickall Graf Rex, Oberställmeistcr v. Haugk, Generalmajor v. Müller und der diensttuende Flügeladjutant Major v. Arnim. In der Be gleitung des Kriegsminifters befand sich als Adjutant Hauptmann Dambrowsky. Sämtliche Truppenteile standen unter dem Be fehl des Stadtkommandanten und Divisionskommandeurs d'Elsa in Paradeuniform. Nach Süden hatte das 7. Infanterieregiment Nr. 106, nach Westen das 8. Infanterieregiment Nr. 107 und die 2. Maschinen- gewehrabteilung Ausstellung genommen, nach Norden das 2. Ulanen regiment Nr. 18, das 7. Feldartillerieregiment Nr. 77 und das 2. Train, bataillon Nr. 19. Am Hauptportale der Kaserne wurde der König vom kommandierenden General des 19. Armeekorvs General der Artillerie v. Kirchbach begrüßt. Bei dem Eintritt des Königs in den Kasernen hof präsentierten die Truppen und brachten ein dreifaches Hoch auf den König aus. Die Musitkorps und Spielleute fielen mit dem Präsentier marsch ein. Der König nahm den Jrontrapport vom Divisionskomman- deur d'Elsa entgegen, schritt dann den rechten Flügel des 106. In fanterieregiments ab und begrüßte die Truppen beim Abschreiten der Front mir einem „Guten Morgen!" Hierauf nahm der König ver- fchiedene Meldungen» entgegen und verfügte sich dann sofort mittels Wagens nach Professor Max Klingers Atelier. wo der Monarch mit den Herren seiner Begleitung, unter denen sich auch der Kultusminister Dr. Beck befand, kurz nach 10 Uhr eintraf. »Am Portal hatten sich Krcishauptmann Frhr. v. Welck, der Rektor der Universität Geh. Hofrat Professor Dr. Chun, Oberbürgermeister Jvstizrat Dr. Tröndlin, Lstadtbaurat Scharenberg, Polizei- direkter Bretschneider und der Meister Professor Dr. Max Klinger zur Begrüßung eingefunden. Es ist häufig genug die Frage aufgeworfen, was es mit dem Atelier gebäude für eine Bewandnis habe, das hinter dem Garten am Grassi- muscum sichtbar ist. Es ist ein interimistisches Atelier Max Klingers, in dem zunächst die farbigen Entwürfe zu den Wandmalereien des Treppenhauses des Museums auf dem Augustusplatze ent stehen sollen, zu denen der Rat der Stadt den Künstler vor Jahren beauftragt hat. Klinger konstruierte sich für die Entwürfe ein kleines Raummodell, das in den Verhältnissen dem Treppenhause des Museums entspricht, und in dem er im kleinen die Gesamtwirlung des Ganzen kon. trollieren kann. In dem interimistischen Atelier, das dem Treppenhaus« in den Maßen vollständig gleicht, sollen nun die kleinen Skizzen in Ori ginalgröße übertragen werden. Der Entwurf zu den malerischen Phantasiewerkeu besteht aus vier großen Kompositionen, die in reicher Symbolik die vier Tageszeiten daistellen und in denen in gleichem An teil Landschaft, Meer und Figuren als Träger symbolischer Gedanken eine gewaltige Sprache reden werden. Es handelt sich hier um eine künstlerische Angelegenheit großen Stiles, die der Ausreise bedarf, auf die die gebildete Kunstwclt große Hoffnungen für die deutsche Kunst setzt und in der Klingers Künstlertraum seine höchste und letzte Erfüllung finden könnte. Auch von der Plastik des Künstlers bekam Köniq Friedrich August bei dem Besuche des Ateliers eine Arbeit in dem Modell der schreitenden Muse zu Gesicht, vor allem aber die erste koloristische Ent- wurssarbeit für die ihm übertragene malerische Ausschmückung der Aula unserer llniversität. In diesem Wandgemälde wird die Aula einst einen Schatz besitzen, der den Ruhm des heimischen großen Künstlers in ferne Jahrhunderte zu tragen vermag. Sein Inhalt gewährt einen Blick auf das weite griechische Jnselmeer. Es erscheint Homer, der einer Gruppe fuuger Griechen aus der Ilias vorliest, wäh rend in der Ferne das herrliche Bild der schaumgeborenen Aphrodite aufsteigt. Zur Rechten sieben Aristoteles und Plato im Gespräch be- griffen, nicht weit davon eilt Alexander der Große seinem alten Lehrer zu. Im Mittelgründe, im 'Waldschatten, macht ein Künstler, von Frauen begrüßt, seine Studien. Mit großem Interesse folgte der König Feuilleton. Erhalte dich: unterrichte dich: mäßige dich; lebe für deinesgleichen, damit deinesgleichen für dich lebe. K o l n e y. Mazedonische Fahrten. '' Von Adolf Struck (Athen), *) ' Von Salonik nach Uesküb. Wer in dieser sturmbewegten Zeit nach Mazedonien kommt, hat nur wenig Gelegenheit, das sonst bunte Leben und Treiben kennen zu lernen, das für die ganze innermazedonische Provinz so charakteristisch ist und gerade auf die gegenwärtigen unhaltbaren Zustände ein eigen tümliches Licht wirft. Dos Landvolk ist eingeschüchtert und beobachtet eine Zurückhaltung, die seinen Gewohnheiten schroff entgegenstrht. Dar unter leiden in hohem Maße Handel und Verkehr- Gewitterschwüle liegt über dem ganzen, von der Frühtingsfonne beschienenen Land« und schrille Töne der unharmonischen Militärfanfaren, laute Kommando rufe, langgestreckte Marschkolonnen erinnern uns an das Unheimliche der kriegerischen Stimmung, die das ohnedies friedenlofe Land über- zogeu hat. Die große Verkehrsader, die Albanien mit Mazedonien verbindet, ist der Äardarfluß, der schon von Homer besungene Axios. Diese na türliche, von Norden nach Süden führende Straße, die von allen Völker schaften benutzt wurde, um sich, ob nun in friedlicher oder in feindlicher Absicht, dem hellenischen Gestade zu nahen, ist heute vielleicht mehr denn je das Bindeglied der Landschaften, die hoch im Norden zwischen hohen Bergen eingefchlossen sind, und der südlichen Gestade von Mazedonien. Eine viel beanspruchte Eisenbahn vermittelt hier den Verkehr. Will man dis Vorzüge und Naturschönheiten Mazedoniens schnell kennen lernen, so wird man heute die Eisenbahnen benutzen, die von Salonik in drei Richtungen strahlenförmig auseinondergehen, und die über das reizlose, flache Küstenland in das reich gegliederte, anmutige Innere der Provinz führen. Mazedonien oder vielmehr die heutigen Wilajets lProvinzen) Salonik und Monastir bilden jenen Teil der europäischen Türkei, der das am meisten verzweigte Eisenbahnnetz auf- zuweisen in der Lage ist. Es ist hier mit Rücksicht auf BevölkerunaS- dichtigkeit, Gliederung des Geländes, Finanzschwierigkeit und Handels- I Der viel erörterte Plan der österreichisch-ungarischen Regierung, die «Landschakbahn zu bauen, verleiht der folgenden Schilderung einer Fahrt aus der mazedonischen Eisenbahn von Salonik nach Uesküb, an dir der Anschluß hergestellt werden soll, ein besonderes Interesse: ein zweiter Artikel wird eine Fahrt von salonik nach Monastir auf der von einer deutschen Gesellschaft erbauten Bahn beschreiben. bewrgung in verkehrspolitischer Beziehung mehr getan, als z. B. in Kleinasien, wo die Vorbedingungen etwa dieselben sind, wie in Maze- donien. Das Wilajet Salonik zählt heute auf einem Jlächenraum von 35 450 Quadratkilometer 1061100 Einwohner, jenes von Monastir auf einer Fläche von 27 700 Quadratkilometer 847 400 Einwohner, so daß die Bevölkerungsdichtigkeit Mazedoniens einem Koeffizienten von 30,2 auf den Quadratkilometer entspricht. Diesem Gebiete von 63150 Quadratkilometer gehören nun 646 Kilometer Schienenwege an, oder es fällt, mit anderen Worten, einem Kilometer Eisenbahn die Ausgabe zu, 98 Quadratkilometer von 2960 Seelen bewohntes Land zu erschließen. Von den Eisenbahnen, die hirr in Betracht kommen, nimmt den ersten Platz die in den 70er Jahren von Baron von Hirsch für Rechnung der türkischen Regierung gebaute 362 Kilometer lange Strecke Salonik» Uesküb-Mitrowitza in Albanien. Erst im Jahre 1888 erfolgte von Uesküb aus die Verbindung dieses ersten Schienenstranges mit Serbien und dem übrigen europäischen Netz; 1894 entstand dann die Bahnstrecke Salonik—Monastir s219 Kilometer), die ihren Ausbau ausschließlich deutschem Kapital verdankt. Die dritte mazedonische Bahn, die strate gische Linie Salonik—Dedeagatsch (509 Kilometer) endlich, ein franzö- stsches Unternehmen, ward nach ihrer Vollendung erst 1896 dem Be triebe übergeben. In früher Morgenstunde verlassen wir Salonik auf der Bahn, die nach Norden bis Mltrowitza führt und die nun zu einer großen Ver kehrsader zwischen Europa und dem Orient ausgestaltet werden soll. Zunächst führt uns der Weg über ödes Flachland, das nur an wenigen Stellen durch üppigen GraswuchS an Steppen erinnert. Auf den stau bigen Feldwegen bewegen sich in gemessenem Schritt Ochsengespanne nach der Hafenstadt, wenige Lasttiere folgen. Da reitet ein Bauer aut seinem wohlgepflegten grauen Esel und seine bessere Hälfte geht barfüßig daneben einher, um das Tier zuweilen zu einer beschleunigteren Gang- art anzutreiben. Und auf dem Rücken trägt das wackere Weib — den Säugling, der artiger zu sein scheint als seine nordländischsn Kame raden. Die Knechtung des Weibes fällt hier nicht mehr auf, sie ist zu alltäglich, als daß sie Anstoß erregen sollte. An der Hauptstraße und auf den Anhöhen deS hügeligen Terrains erheben sich kuchenförmige Erdanschüttungen, spitz zulaufend, mit kleinen Plattformen auf der Höhe. Es sind Tumuli, vorchristliche, ja vorgeschichtliche Grabstätten, wie unsere Hünengräber: doch wie anders, wieviel großartiger ist deren Anlage in Mazedonien. Sobald wir das Wardartal entlang nach Norden ziehen, kommen wir, noch vor der Station Amatowo, an solch einem Riesengrabe vor über, das sich wie ein Merkzeichen von der ganzen Gegend abhebt. Von seiner Terrasse überschaut man das weite Gebiet der Wardarmündung, bis zu den Bergen der Flußengen. Es ist viel über die mazedonischen Tumuli geschrieben und so manche Hypothese über ibre Entstehung und Bestimmung aufgeworfen worden; an die einfachste Lösung dieser kulturgeschichtlichen Frage, an das systematische Aufschüben einer Anzahl dieser Terrainwarzen zu schreiten, konnte man sich aber bisher nicht entschließen. Die Niederung von Ämathi gehört noch dem Tieilande der Küste an. In dieser Mulde liegen zwei zum Teil versumpfte Flach, seen, die schmal und langgestreckt, von doch aufstrebendem Röhricht be wachsen, dem sonst dürren, sonnverbrannten Gelände ein eigenartiges Aussehen verleihen. Amatowo ist ein vielgepflegter Ausflugsort der Saloniker eifrigen Jagdaäste. Die Bahn folgt dem Ufer der beiden Seen, von denen der südliche den Namen Amathi, der nördlichere den Namen Hardschan trägt, bis zur Station Karasuli, wo eine Zweiglime zur Konstantinopeler Verbindungsbahn hinüberführt. Bei Gumendsche wird der Wardar zum ersten Male überbrückt und an den Abhängen, die immer hart an den Fluß heranreichen, gelangen wir nach dem Orte Gewgeli, der in einer Talausweitung eine bevorzugte Lage hat. Im Hintergründe ragen die hohen Ketten der Kardschowagebirge mit dem Gipfel der Dschena hervor, jetzt noch schneebedeckt. In dem Talkessel gedeiht ein üppiger Äaumwuchs, Maulbeerkulturen verraten uns, daß hier die Seidenraupe gezogen wird. So zählt der Ort mit seinen 5000 Einwohnern zu den wohlhabendsten der Provinz, aber das hier hausende Bevölkerungselement ist sehr rebellisch. Reiche Gemüse- und Melonen kulturen, Obst- und Baumwollanpflanzungcn bedecken hier die Talsohle des Wardar, bis wir bei der Station Strumitza in dis Zigeunerenge cinfahren. Bis hierher reicht der untere Wardar, der in ruhigem Lauf ein seichtes, breites, mit zahlreichen malerischen Inseln geschmücktes Bett durchfließt. Bei Strumitza wird der Strom zwischen steilen Hängen eingeengt, zahlreiche Windungen, Geröllhalden und Schnellen rauben ihm seinen harmlosen, friedlichen Charakter. Die Stadt Strumitza liegt gute vier Stunden östlich von der Eisenbahnstation, an dem ost- lichen Abhänge des Blaguschazuges, zählt 12 000 Einwohner, wovon allein 4000 Bulgaren, während Türken nur 3000 an der Zahl vorhan- den sind,Ferner 3000 Griechen und 2000 Juden. Strumitza ist eine reizlose Stadt, deren Minarets berufen sind, den Fremdling über die wirkliche Einwohnerschaft zu täuschen. Hier konzentriert sich der Ge treidemarkt der ganzen Niederung Petritsch-Radowischta und des Hoch landes der Malesschowa, die vielgenannte Zufluchtsstätte der bulgari schen Banden. Die Einfahrt in die Zigeunerschlucht, auf türkisch „TschinganS Derwend", gestalte! sich schon beim Orte Gradstz zu den reizvollsten der ganzen Eisenbabustrecke. Es ist dies eines der vielen weglosen Detilees, an denen die europäische Türkei so reich ist. Nur dem Saumtiere zu gängliche Pfade ziehen sich an den dicht mit niedrigem Gestrüpp be wachsenen Lehnen hin, steil auf- und niedersteigend. Wohl hatten die Römer und vor ihnen die Griechen hier eine den Fuhrwerken zugängliche Kunststraße angelegt, allein diese bat den Jahrhunderten nicht stand- halten können; von den Türken gänzlich aufaegeben, ist sie verfallen, verwachsen und verschüttet. Einigemale wird der Wardar überschritten. Rechts schneiden öde Seitentäler tief «in und hoch oben auf diesem kahlen Rücken wächst eine edle Rebe, die Traube von Koscharka, wo ein bescheidener, in diese unwirtlichen Höben zurückgezogener türkischer Volksstamm sich nicderließ. Doch so wenig einladend diese Bergland- schast in ihrer Nacktheit ist, so hervorragend ist die Gastfreundschaft des einfachen, biederen Bauern da oben. Je unwirtlicher die Talenge wird, desto großartiger wird das Bild, das uns der rauschende, weißschaumende Wardar gewährt. Senkrecht anssteigende Kalkfclsen beben sich doch empor, blaugrau und kahl, als hätten die nach dem Meere stürmen- den Fluten sich in grauer Vorzeit einen Weg durch diese Felsen er-
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