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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.02.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080207017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908020701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908020701
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-02
- Tag 1908-02-07
-
Monat
1908-02
-
Jahr
1908
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Bezug» Preis Morgen Ausgabe 8. Auzeigeu-Prett »r «» 0»r»-r» »«ch mN«r, tkS.« >»d r>o»t>n»ur» «I v«»» ,»dracht« <u«,«d, . (»„ ««rrellShrUch > vt. monatlich I I» . »u«,a!x » (morgen« ,n» ödend«) viertel« ttdrlich «.SO moaailich I 5V vl. Durch d>« B»N «» dr,lebr»! <2 mal ««glich» innerdald Deurlchland« und de« »eutichen »olvnien merirlitdrlich L.L> «.. manallich l,7L vi ,u«>ch> P»st- deliellgeld. >ÜI Oelterreich i» li 86 It, Ungarn 6 ll oirrtelltdrlich gerne» IN vel- g>«^ Dänemark, den Donauaaaien, grank» reich. .7ial>«n. Luiemdurg Niederlande Norwegen Nutland Schweden Schwelg und Spante» Zn allen ädrigen Slaalt» nur »>«eki »urch »w »gped o «I «rtälllich. «ldonnemeni-Onnadm». >>»GuNu«vlatz 8, bei anderen lrgaer». glllaien Lpedileuren und lklnnadmeiiellen iow>» Pollämlern und SrieirrLgern Di« einzeln» Numme, kolke« kV Psz. «ebakr«»» an» Erpebiklo», Zodanal»gal>« L relepd-n Sir l«Ü!/< Nr. l4«4ä. «r. 146»«. rMgerTaMatt Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und -es Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Mr «» >ch«»va «ch 0»««d»ng dl, Saelvald»», BeNt»»U« L Hl^ »nanrirkl« NNka»« » ».; —« «»«»chch, « «U. »«0«« »o« klallan» so«., ß»ami. Innigen 7L Pi UrNa»r» llO vr Inters» ». PrUrba» lw. «mache» Dell «o P, Prila^gedakn » M. p. Ia»N»» q». Poft, «adlkhr «elchäkNamel^n an dr»»r»ugie> Stelle l« Prell» erdllbt. UabaN nach tarri gell erteilt, «»Itrüae kbnam> aichi «urluk- aejo-e» werde» gL, da« Erlcheinen an vefttäv»»»» ra«e» an» PIL»e» wir» ketn» Ldernoulwe» »ngelgen« »»»ahme i Unga«»«plaH 8, »ei lLmtllchen Fillale» a. allen tlnaonern lkMediltonea de» Jo» und tlutlande«. P«U»».UM»l« Prrll»i I«U Poocke«, Hergogl. vanr. tzolduch- haodloag, LLhow-rate kN eleteplioll VI, Nr. «SVS). Nr 37. Freitag 7. Februar 1908. 182. JühlMNg. Das wichtigste von, Tage. * Herzog Ernst von Lachsen-Altenbnrg ist in der vergangenen Nacht L Uhr gestorben. * Prinz Eitel Friedrich hat sich zu den Bcisetzunzs- seierli chkeiten nach Lissabon begeben. (S. Dtschs. N.) In der Zweiten Kammer des Sächsischen Land tags wurde gestern die freisinnige Interpellation über die Reichsfinanzreform eingehend behandelt. (S. Parl.- Ber.1 * Die Ernennung Touchards zum französischen Bot- lchaftcr in Petersburg an Stelle Bompards wurde im Ministerrate vollzogen. lS. Ausl.) * Ter französische Minffterrat lehnte eine Mobilisation der H o l o n i a l a r m e c ab. (S. Ausl.) patriotische Nörgeleien. Ter sich selbst ironisierende Titel dieses Artikels ist leine eigene Erfindung des Verfassers. Er stammt von dem Generalmajor a. D. Bcuon Heinrich v. Puttkamer, der ein (von Grellstem u. Co. verleg'eS) Wertcken kritischer Natur >o getauft bat. Aber man könnte daS Wort auch als Motto den Berichten über dieMststäretatsdcbatten des Reichs taas voran'ctz n. Drei Tage haben sie gedauert, vom Montag bis zum Mittwoch baben die Parteien ihre Mibtärtpezial sten auf die Tribüne geichickr, um die alten Beschwerden aus der Väter Zeiten voriragen und von dem Generaüeuiilant Sixt v. Armin in noch älterer Wei'e beantworten zu lassen. Denn das ist das wesentliche dieser Debatten, das? sie nicht ein neues Wort bringen und daß sie auch nichts erreichen. Nichts von Belang jedenfalls. In Bagatellen wird manchmal etwas vertprockcn, was sogar gehalten wird. Aber sonst b'eibt alles beim alten. Um gerecht zu sein — doch nicht alles Eins ist zweifellos besser geworden. Die scheußlichen SoldatenmißdandLrngen sind tatsächlich anne,ordentlich viel seltener geworden. Sie ganz auS- .uroit n, wird kaum gelingen. Dazu ist der Organismus des deutschen leeres zu groß, als daß nicht doch immer wieder einmal in der Erregung oder wohl auch von einem Bösewicht ge'ündigt werden würde. Aber daß ihre Zahl beute schon auf ein erträgliches Maß zurückgesührt worden ist, nachdem wir noch vor wenigen Jahren o tcklimme AuSwüchle in skandalösen Prozessen offenbart sehen mußten, ist hoch zu schätzen. Auch decbalb zu schätzen, weil vieler Erfolg ganz gewiß nickt erreicht worden wäre, wenn nickt eine innere Gesundung erfolg', wenn nickt systematisch die Auffassung der Vorgesetzten huma nisiert worden wäre. Hier ist also nickt gequacff albert worden, sondern geheilt. Und darüber wollen w«r froh sein, auch bei der Gelegenheit daran denken, daß eS ein sächsi'cher Prinz und späterer König, Georg, von Sachsen war, der in der Armee selbst die Revision der Begriffe cinaeleitet und den militärischen Aberglauben vom Segen gutgläubigen Prügelns zerstört bat. Leider hat diese Reform der Gesinnung nicht um sich gegriffen. Und von der ganzen Armee kann noch immer ge'agt werden, was den Rekruten von den Rangverbäl'nissen der Hauptleute emgebleut wird: Die Hauptleute bilden eine Klasse für sich und werden bei der Kavallerie Rittmeister genannt. Ganz genau paßt dies Wort auf die Armee. Sie bildet eine Klasse für sich, und der Kavallerie wird eine Extrawurst ge- bra'en. SpuiloS sind die Jahre an ibr vorüberge^angen. Und was Herr v. Oldenburg als Bekenntnisse einer ostelbiichen Parlamentarier»«^ am Mittwoch von Eindrücken seiner Leutnaniszeik erzählte, gilt noch beute als einzig empfehlenswerte und wohl «kommandierende Gesinnung. Nur -in Ile-n wenig Schönfärberei mag Herr v. Oldenburg getrieben baben. Am Mittwoch meinte Herr v. Oldenburg in seiner gewinnenden Offen beit: »Nein, wenn ich mich zurückversetze in meine Empfindungen als Leutnant — ich will es Ihnen ganz offen gestehen — es war mir etwas wunderbar, daß 100 Herren sich berufen fühlten, mit meinem alten großen König und mit seinem großen Kanzler mitregiereu zu wollen." (Stürmische He terkeit.) Die vierhundert Herren, über deren kritisches Beginnen er sich als Leutnant so gewundert bat, haben wohl im Jargon des Leu'nantS v. Oldenburg sich etwas andere Titel gefallen lassen müssen. Wie sich der arme Fraunhofer gefallen lassen mußte» von Herrn v. Oldenburg in Frauendorfer umgetauft zu werden und seinen spektral- analy'stcken Ruhm an den Grenzen von Januschau bei Rotenberg in Westpr-ußen abprallen zu lassen. Und wenn die Nation nickt das G ück Kälte, Herrn v. Oldenburg, den Freund des Kanzlers, zum ReichSiagS- abgeorvlieten zu besitzen, so würde sich daran kaum etwas gründ rt baben. Hierum gebt der L-treit: Soll die Armee als geistig antiquiertes Ge bilde unserem Volke, aus dem sie doch hervorgegangen, innerlich immer fremder werden? Oder soll sie sich eingliedern als zwar selbständiges unv einheitliches, aber nicht lösbares Organ des ganzen VolkSkörperS? Sollen die Gedanken, die Ausfassun'en der Nation sich auch im Heere und seinen Einrichtungen offenbaren dürfen oder nicht? Der Liberalismus sagt ja, der Konservatismus nein. Und di« Regierung wird gleich ärgerlich, wenn jemand überhaupt nur solche Gedanken äußert. Herr Sixt v. Armin, der Vertreter de- kranken .Kriegsministers, schlägt sofort mit der Faust ans den Ti'ch unv erklärt, die Kommandogewalt llieS: das Militärlabinett) dürfe nicht angetastet werden. Damit ist die Sacke aber wirklich nicht abgetan. Die Kom mandogewalt des Kaisers will kein verständiger Mensch antasten. Aber die völlig unkontrollierte, abiolutistilcke Machtvollkommenheit des MiotärkabinetlS ist die Wurzel des reaktionäre» Uebels, ist die Ur'ache der trüben Erfahrung, daß di« Debatten im Reichstage so wirkungslos verhallen, al« wären sie im lufileeren Raum erfolgt. Wa« kümmert sich da« Militärkabinett um die Reden ,m Reichstage! E« kümmert sich nickt einmal um den Kriegs minister, höchstens wird eS die starken Worte unv Gesten seines Ver treters mit dem Teutoburger Heldennamen wohlgefällig zur Notiz ge nommen baben. Note I». Herr Sixt hat Chancen. Und alles bleibt, wie e« war. Die Gaxee bleibt Garde und duldet nur Konze'sionS- schulzen in ihren Offizierkorps. Provinzregimenter, natürlich der Ka vallerie, werden nobilniert, bis sie beinahe Garde werden. Und von einer kastenmäßigen Abschließung hat Herr Sixt v. Armin nirgendwo auch nur das geringste bemerkt. Woraus zu schließen, daß auch nichts geändert zu werden braucht. Bei alledem ist aber nicht zu leugnen, daß die Festigkeit und die auf ehrliche, unablätstge Arbeit ausgebaute Tüchtigkeit unteres Bolks- heercS jede Kritik noch verträgt. DaS könnte die Nörgler bedenklich machen und wird ja auch oft genug als Argument benutzt von den Politikern der Rechten und gefälligen Ariikelschreibern. Ist aber dock nicht stichhaltig. Die Abgeschlossenheit und der Feudalismus, dieses ganze Register von Antiquitäten, verbürgen nämlich gar nicht die Güte des Heeres. Sie sind zum mindesten nicht not wendig (das beweisen die Heere anderer Reiche) und kaffen allmählich die sehr nützlichen, notwendigen BerbinvungSadern zwilchen Volk und Heer verkalken. Der Feudalismus des Heeres paßte in die feudale Zeit hinein, in der er entstanden ist. Heule ist er unzeitgemäß und bildet nur noch ein Mittel ver Ennremdung des Heeres. Unv viele tücknge Ofsi iere, belonverS ältere und erfahrene, beklagen ihn als ebenso lästig für daS Heer wie für das Volk. „Wecer iu Oesterreich noch in Ruß land ist es dem Offizier verwehrt, in Uniform auf billige Tdeaterplätze zu geh n oder ein einfaches Restaurant auszusuchen", schreibt Baron v. Punkamer in seinem erwähnten Buche und trifft mit dieser Be merkung einen der wundesten Punkte feudalistischen Systems. Wer leidet unter dem ungesunden Zustande, daß ein Leutnant in Berlin zum Beispiel auf keinen Tbeaierplatz geben darf, dessen Preis rm Ver hältnis zu seinem Budget stebt? Der arme Leutnant natürlich zumeist und das geistige Niveau des Heeres doch tckließbch auch. ES ist richtig. Die modernere Art ver geistigen Zucht ohne innerliche und äußerliche Abgeschlossenheit fetzt wieder größere Arbeit voraus. Aber wir sollen dock daran denken, daß eS die Gesinnung allein heute nicht mehr macht. DaS Heer muß sich mit dem Rüstzeug unserer Zeit wappnen, wenn es nickt schließlich doch auch an Tüchtigkeit einbüßen soll. Unv das ist die Rechtfertigung der patriotischen Nörgeleien des Reichstags an den Einrichtungen unseres HeereS. Der Milrtävetat im Reichstag. D Berlin, 6. Februar. (Privatteleoramm.) Mit Generalleutnant Sixt van Armin, dem Vertreter des Kriegsministers, und zahlreichen Offizieren des Ministeriums sind wieder der bayrische und sächsische Militärdevollmächtigte, dazu der württembergische Oberst v. Dorr er, d. h. sämtliche militärischen Ver- treter, die von den Bundesstaaten nach Berlin entsandt wurden, er- 'chiencn; denn die Großherzogtümer Baden, Hessen usw. senden ent- sprechend chceu '.oiwe.-/ an^n nicht hstß militärische Bevollmächtigte nach der Reichshauptstadt. Militärrechtspflege und Aggrcgiertcnfonds standen heute im Vor dergrund der Beratung. > Auch vom Abgeordneten Gröber sZtr.) wurde die erfreuliche Tatsache anerkannt, daß die Zahl der Sol - datcnmiß Handl ungen dauernd zurückgeht. Die gestrige Be hauptung v. Oldenburgs, daß die Sozialdemokratie überhaupt keine Miß- handlungssälle vorzubringen habe, wollte Abg. Stückle» nicht wahr haben, und er packte eine ganz gehörige Anzahl aus, die dann allerdings zu beweisen scheinen, daß immer noch menschliche Unzulänglichkeiten vor handen sind, gegen die man weiter ankämpfen muß. Abg. Stadt hagen schloß sich u. a. mit einem Fall aus der Rechtspflege gegenüber den Gendarmen an, die dem Militärgericht unterstehen. Das Zentrum hatte dann die Genugtuung, eine von ihnen beantragte Resolution, die Kriminalstatistik ans Heer und Marine auszudehnen, angenommen zu sehen. Der Aggregiertenfonds bildet eine weit schwierigere Frage. Es handelt sich um einen Fonds zur Besoldung von Offizieren in solchen Stellungen, die im Etat nicht vorgesehen sind. Durch den Fonds erhält die oberste Kommandogewolt freieren Spielraum. Hier stellte sich nun eine wesentlich andere Konstellation heraus als am Vortage. Während gestern die Freisinnigen gegen das Militärkabinett anstürmten und Abg. Erzberger vom Zentrum seine Hand schützend über der Kommando- gewalt des Königs hielt, war heute der größere Teil der Freisinnigen dem Block treu, und Zentrum nebst Sozialdemokratie kämpfte gegen den Fonds, zugleich einen Zusammenhang zwischen Fonds und Militär- kabinett behauptend. ES wurde nämlich von Mitgliedern der Block- Parteien die Wiederherstellung der in der Budgetkommission gestrichenen Aggregiertensumme beantragt. Abg. v. Elern (Kons.) gab den Be weis. wie zwei Seelen in eines Menschen Brust wobnen können: als Berichterstatter empfahl er die Ablehnung, als Abgeordneter die Wiedereinsetzung der für die Aggregierten bestimmten unwesentlich ge- kürzten Summe. Graf Oriola (Natl.) empfahl das gleiche. Und nun spitzte sich die Erörterung dramatisch zu: Graf Hompesch sZtr.) beantragte namentliche Abstimmung über die Frage, in der die Meinun- gen auseinandergingcn und bei der eS sich um etwa 60 000 .4, nicht mehr, handelte. Abgeordneter Eickhoff rechtfertigte das Verhalten der Frei sinnigen. Aber einig konnten sie doch nicht sein: Abg. Neumann- Hofer gab für die diffentierenden Mitglieder der Bereiniming eine Erklärung ab. die, wenn durch nichts anderes, so durch ihre Kürze er freute. Aba. Südekum sSoz.) und v. Richthofen (Konsul sagten ihr Sprüchlein Wer aber aus das Schauspiel der namentlichen Ab- stimmuna gewartet hatte, kam nicht ans seine Kosten. Obwohl das Haus vortrefflich besucht war, verschob Vizepräsident Paasche, einer Bitte folgend, die eigentlich für die diätenlose und unbeschlußfähige Zeit mehr Sinn hatte, die Abstimmung aus morgen. Diese Ankündigung wirkte wie ein „rührt euch!" auf die Anwesen den. Die Sitzungsordnung löste sich auf und die Besprechung verlor sich in Einzelheiten. Gegen Ttrrrpfrrschertrrm und Gehermrnittelverkehr». Es liegt jetzt, wie wir schon kurz meldeten, ein Gesetzentwurf der Reichsregierung vor, der die Ausübung der Heilkunde durch nicht approbierte Personen und den Geheimmittelverkehr regeln und damit dem Kurpfuschertum erfolgreicher, als es bisher möglich war, auf dem Wege der Gesetzgebung entgegenarbeiten will. Will man verstehen, welche Motive sür die Ausarbeitung eines solchen Gesetzentwurfs und darum auch sür seine Tendenz und seinen Inhalt maßgebend waren, so wird man sich vergegenwärtigen müssen, einmal, wie die bisherige Ge- setzaebuna beschaffen war, und dann, welche Mißstände unter ihr ent standen sind. Darüber bietet die dem Gesetzentwurf beigefügte Erläute- rung interessantes Material. Bis zum Iakre l869 bestand in saft allen Bundesstaaten ein sogen. Kurpsuscherverbot, das teils in Verordnungen, teils in Gesetzen ausge sprochen war. Für das Königreich Lachsen kam vor allem in Betracht 8 164 des Strafgesetzbuchs vom 18. August 1855. Mit Einführung der Gewerbeordnung trat in diesem Rechtszustand eine Aenderung ein. Der Betrieb der Heilkunde wurde für Deutschland ein freies Gewerbe, dessen Ausübung jedermann ohne Rücksicht auf Kenntnisse, Vorbildung oder Vorberitung usw. offen steht . Nur für die Bezeichnung als Arzt oder für die Beilegung eines Titels von gleicher Bedeutung ist eine Appro bation vorgeschrieben, ebenso wurden Bestimmungen über das Heb- ammenwesen und das Herumzieben nicht approbierter Per sonen zur Ausübung der Heilkunde erlassen. Die Folge der Gewerbefreiheit auf diesem Gebiet war, daß die Zahl del Personen, die ohne Befähigungsnachweis die Heilkunde aus- übten, außerordentlich wuchs. Ebenso läßt sich nicht leugnen, daß wie- derum unter der Zahl dieser Personen die Zahl derer zunahm, die mau gemeinhin als Kurpfuscher zu bezeichnen pflegt und die ihr Gewerbe nicht selten in schwindelhafter Weise, unter Ausnutzung der Urteilslosig keit oder Unerfahrenheit ihrer Kunden und in einer deren Leben und Gesundheit gefährdenden oder doch schädigenden Art betreiben. Die Zahl der Kurpfuscher im ganzen Deutschen Reich wurde UlO-Z auf etwa 10 000 geschätzt und dürfte heute noch beträchtlich größer sein. In Berlin nahm ihre Zahl von 1870—1898 bei einer Bevölkerungsver- liiehrung von M Prozent um 1600 Prozent zu (1879 : 28, 1903: 1013t. In Preußen stieg die Zahl von 1898—1905 von 2404 auf 6137, in Württem berg von 85 lin Jahre 1880 auf 324 im Jahre 1904 und im Königreich Sachsen gar, das sich hierin einer traurigen Berühmtheit erfreut, wer den folgende Zahlen nachgewiesen: 1878 : 432; 1888 : 519: 1898 : 706 und 1903 gar rund 1000 Personen, die ohne Approbation Heilbehandlung ausübcn. Dabei erweitern diese Personen durch starke Schristenvcrbreitung und ausgedehnte Reklame fortdauernd das Gebiet ihrer Tätigkeit. In dem Zeitraum von 1888—1901 wurden nachweisbar 1724 000 von nicht approbierten Krankenbehandlern verfaßte Bücher zum Preise von über 14^ Millionen Mark verkauft. Ausführliche prahlerische Anzeigen schildern ihre Fähigkeiten und Leistungen, bringen mit erdichteten Un terschriften verfekene eingehende Berichte über die angewandte Methode und die angeblich erzielten glänzenden Erfolge. In einem bekannten Kurpfuscherprozesse wurde festgestellt, daß der Angeklagte monatlich über 5000 für Reklamezwecke ausgegeben und eine Jayreseinnahme von etwa 160 000 .kl bezogen hatte. Ein vielgenannter Berliner Kur pfuscher hatte, wie gerichtlich festgestellt ist, in der Zeit von 8 Monaten über 2500 Patienten, ein bekannter Schäfer, der durchschnittlich für jede Raterteilung 3 .kl beanspruchte, zeitweise täglich 800 Patienten! Dabei ist der Bildungsgrad der Kurpfuscher in der Regel sehr niedrig. Mehr als drei Viertel aller preußischen Kurpfuscher höben nnr die Volksschule besucht. Nach einer genauen Statistik von Dr. Dietrick sind von 1725 männlichen Kurpsuickern 258 kleine Landwirte und .Häusler, 587 Handwerker (darunter 206 Barbiere und Heilgebilfens, 3'X> Handels- und Gewerbetreibende, 76 Arbeiter, 218 Beamte und beamtete Personen, darunter 35 Pfarrer und 99 Lehrer, und von 669 weiblichen Kurpfuschern 49 Hebammen, 14 Masseusen, 15 Pflegerinnen, 220 ohne besonderen Beruf. Bedenkt man nun, daß die Staatsgewalt es mit Recht von (eher als ihre Aufgabe und ihre Pflicht angesehen hat, die Volksgesundheit zu schützen und die Allgemeinheit vor Schaden an Leib und Leben zu be wahren, und aus diesem Grunde Seuchengesetze, das Nahrungsmittel gesetz. Fleischbeschaugesetz und ähnliche fiirsorgcnde Maßnahmen erlassen yat, alle die Massnahmen aber nur von Wert sind, wenn gemeingefähr liche, ansteckende Krankheiten und verheerende Seuchen gleich bei ihrem Ausbruch sofort energisch bekämpft werden, dies aber ohne die staatliche Kontrolle möglich ist, der sich die Kurpfuscher entziehen, so zeigt fick der Nebelstand, der mit diesem Kurpfuschertum zum Schaden des ofscnt- licken Gemeinwohls entstanden und gewachsen ist. Dazu kommt nock. daß das Publikum allzu bereit ist, die zur Bekämpfung ansteckender Krankheiten erlassenen Bestimmungen als behördliche Belästigungen aufzufassen, sie zu umgehen und dabei die .Hilfe jener nicht approbierten Krankenbehandler zu benutzen. So ist eine Abstellung der durch da' Wachstum des Kurpfuschertums geschaffenen Mißstände dringend not- wendig. Zuerst hat man versucht, diese Abhilfe an der Hand der gegenwärtigen Gesetzgebung zu erreichen. Der Erfolg war gering. Man muß darum an eine rcichsgesehliche Regelung der Frage herantrelen. Es hätte nun nabe gelegen, aus den früheren Rechtszustand zurück- zuareifen und ein allgemeines Verbot der Krankenbehandlung durch nicht ärztlich approbierte Personen durchzuffibren, wie eS der Deutsche Aerzteverein fordert und auch eine ganze Reihe von Kulturstaatcn er- lassen haben. Die Reichsregierung hat diesen Weg nicht gewählt, und man wirv ihr darin recht geben können. Sie rechnet mit der Tatsache, daß e? zu allen Zeiten und bei allen Völkern Heilbeslissene ohne wissenschaftliche Ausbildung gegeben hat und daß von jeher in weiten Volkskreisen die Neigung bestand, sich gerade von diesen behandeln zu lassen. Eine solche Erscheinung läßt sich nickt ohne weiteres durch gesetzliche Vorschriften beseitigen. Ein allgemeines gesetzliches Verbot würde auch nur dadin führen, daß man die Ausübung der Kurpfuscherei noch mehr der Ocffentlichkeit entzöge und sie in verborgene Winkel hineintriebe. End- lich aber läßt sich bei aller Hochachtung vor der medizinlsckcn Wissen schäft auch nicht leugnen, daß, wie auf anderen Gebieten, so auch aus dem der Medizin, von Nichtsachmännern mancherlei Heilmethoden cmp- toblen und zur Anwendung gebracht worden sind, die später auck in der wissenschaftlichen Medizin Eingang und Verbreitung gesunden haben. Solche Versuche oder Bestrebungen sür die Zukunft zu unterbinden, dazu liegt ein zwingender Grund nicht vor. Der Gesetzentwurf verbietet darum nicht ohne weiteres die Kranken- behandlung durch ärztlich nicht approbierte Personen. Er unterwirft aber den nicht approbierten Krankenbehandler in Z 1 der Verpflich tung, den Beginn des Betriebe? wie seine Ausgabe oder Einstellung bei der Ortspolizeibehörde anzumclden und verpflichtet ihn weiterhin sZ2). der Behörde aus deren Erfordern über gewisse mit se'ncr Tätigkeit zu- sammenhängende Umstände Auskunft zu erteilen und Ge'chästsbücher zu führen, über deren Inhalt der Bundesrat - Bestimmungen zu treffen hat. Ein Verbot für die Ausübung der Heil- künde wird nur ausgestellt einmal für die Behandlung von bestimmten Geschlechtskrankheiten und sodann sür gewisse Behandlungsarten, die sogenannte Fernbehandlung, die Behandlung unter Anwendung bestimm- ter Betäubungsmittel, die Behandlung mittels Hypnose und mystischer Verfahren. Ebenso ist vorgesehen, daß die weitere Behandlung von oe- meingcsährlichen Krankheiten (Rcichsgesetz vom 30. Juni 1900 — Reichs- Gesetzbl. S. 36 —) und von gewissen übertragbaren Krankheiten und Seuchen verboten werden kann (§ 3). Weiterhin wird in Vorschlag gebracht (§ 4), daß der Betrieb des Gewerbes beim Vorliegen bestimmter Tatsachen (Gefährdung von Leben oder Schädigung der Gesundheit durch die Ausübung des Gewerbes, schwindelhafte Ausbeutung der Kunden) untersagt werden muß, beim Vorliegen anderer Voraussetzungen (Bestrafungen des Gewerbetreiben, den, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte) untersagt werden kann. Es handelt sich nun aber in dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht nur um ein Vorgehen gegen das Kurpfuschertum, sondern auch um eine Regelung des Geheimmittelwesens, dessen Mißstände in den gesetzgebenden Körperschaften des Reiches und der Bundesstaaten schon seit langem Gegenstand der Erörterung gewesen sind und vielerlei Be- kämpsungsmaßnahmen hervorgerufen haben. Aber gerade diese Maß nahmen waren in den einzelnen Bundesstaaten, ja, dann auch wieder in den einzelnen Verwaltungsbezirken und Polizeigebieten so vcrschie- denartig, daß darunter die Bekämpfung des Uebels eben keine Fort- schritte zeitigte. Man bezog einfach die in einem Bezirk verbotenen Ge- Heimmittel auS dem benachbarten, wo sie nicht verboten waren, und man suchte die Verbote durch allerlei Winkelzüge zu umgeben. Vor allem aber war die Buntscheckigkeit der Verbote dazu angetan, daß sie überaus schikanös wirkten, so z. B. für die Zeitungen, die sich gar nicht mehr darin ausfinden konnten, welche Anzeigen in diesem oder jenem Lande«- teil noch erlaubt, welche plötzlich verboten waren. Der Gesetzentwurf schlägt nun vor. daß durch Beschluß des Bundes rats der Verkehr mit einzelnen Mitteln oder Gegenständen, di« zur Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten, Leiden oder
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