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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.10.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-10-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19051030012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905103001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905103001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-10
- Tag 1905-10-30
-
Monat
1905-10
-
Jahr
1905
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Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeiges-Annahme: Augustu-platz 8, Eck« JohanniSgasj«. Die Expedition ist wochentags auunter rochen geöffnet von irüh tt bis abends 7 Uhr. -ilial-Grpeditton: Berlin, r:ützowstr. 10 « - Dresden, Marienstr. Ss. Druck und Verlag von E. Pdlz m Leipzig (Inh. 0r. V„ R. L W. Kttnkhardt). Herausgeber: l)r. Viktor Klinkhardt. Nr. 553. Montag 30. Oktober 1905» 99. Jahrgang. vsr Wichtigste vom rage. * Der Hochschulstreit in Ebarlottrnburg hat schärfere Formen angenommen. (S. Deutsche» Reich.) * Die badischen Landtagswahlen haben eiue ZentrumSmehrheit in der zweiten Kammer verhindert. (V. Deutsches Reich.) * Die tz BorwärtSredakteure stellen heute ihre Tätigkeit ein. (S. Deutsche- Reich.) * Ein neuerliche» Telegramm meldet da» Gerücht, daß tatsächlich das russische Panzerschiff „Potemtin" durch eine von Meuterern, verursachte Explosion unterge- gangea sei. (S. Rußland.) * Der Mörder der Frau Opitz au- Dresden ist ver haftet worden. (S. Sachsen.) * Den Germaniapreis in Köln (30000 -ck) landete am Sonntag Ed. v. Oppenheims F.-G. „Normanne" vor .Ganges" und „Festino" in einem Felde von neun Pferden. — Die Große Pardubitzer Steeple-Ehase (Preis 20 000 Kronen) gewann »Scotch Moor". Den zweiten Platz belegte „Sperate". stolitircdr Wochenschau. Der Besuch des Kaisers in Dresden bat in erfreulicher Weise bestätigt, das; Sachsen wie unter seinen früheren Herrschern, so auch unter dem jetzigen König die Treue zum Reich als oberste Richtschnur seiner Politik betrachtet. Es war ein Austausch wahrhaft berzlicher Gefühle, der aus diesem Anlaß sich vollzog und au dem auch das sächsische Volk sich spontan beteiligte. Dieses Gefühl engster Zusammengehörigkeit tritt be sonders dann in seiner vollen Bedeutung hervor, wenn die „Hemmnisse in der Welt", von denen der Kaiser bei der Galatafel sprach, sich so stark geltend machen, wie in diesem Sommer. Daß sic auch jetzt noch nicht ganz über- wunden sind, daß die „schwere Arbeit" der letzten Zeit noch weiter die Anspannung aller Kräfte erfordert, geht aus der Rede des Kaisers zur Genüg? hervor. Noch schärfer akzentuierte der Kaiser die Mah nung, das Pulver trocken und das Schwert ge schliffen zu halten, anläßlich der Enthüllung des schönen Moltkedcnkmals. Dah sich dabei der Kaiser gegen die Pessimisten wendet, indem er die Parole: „Die Schwarzseher verbannt!" ausgab, ist gewiß berechtigt, so lange er sich nur auf die unfrucht bare Negation bezieht. In ähnlicher Weise hat er einst den „Nörglern" den Rat gegeben, den heimischen Staub von den Pantoffeln zu fckmtteln, wie er denn als uner schütterlicher Optimist einst auf die „herrlichen Zeiten" hinwieS, denen er seine Brandenburger entgegenführen wollte. Nur wird man nicht auch die wahlberechtigte Kritik verbannen dürfen, die sich an äußeren Schein nicht genügen und durch äußeren Wanz nicht blenden läßt, sondern auf den Kern der Dinge dringt. Und hier findet sich dann allerdings Grund genug, um Bedenken auszusprechen, die sich sehr wohl mit patriotischer Hin gebung vertragen. Vor allem sollten die verbündÄen Negierungen einmal etwas tun, um der Fleischteueruna cntgegenzutreten, die wie ein Bleigewicht auf der brei ten Masse deS Volkes liegt. Der Kaiser hat in Dresden versprochen, alles zu tun, war in seiner Kraft liegt, um die schwere wirtschaftliche Depression zu heben, die das Land bedrückt. Wir wollen nun abwarten, wie unsere leitenden Männer diese Ankündigung in Taten umsetzen werden. Mögen sie bei der Fleischnot den Anfang machen. Auf einem anderen Gebiet ist glücklicherweise fetzt eine Verständigung herbeigeführt worden, die über Ge bühr zur Verbitterung der Gemüter beigetragen hat. Wir meinen den Ltypischen Thron st reit, der durch das reichgerickstliche Schiedsgericht jetzt glücklich endgültig beigelegt worden ist. Vielleicht konnte dieser Sturm im Glase Wasser, wie ihn die Lippische Frage auf- wiihltc, nur in Deutschland eine so allgemeine Beachtung finden. ES zeigte sich darin zweifellos eine gewisse staatsbürgerliche Rückständigkeit, zugleich aber auch die Unerbittlichkeit in Bezug auf den Grundsatz: Recht muß Recht bleiben. In anocren Staaten wäre wohl die Frage, ob Biesterfeld, ob Schaumburg oder eine dritte Linie Las Lippiiche Thrönchen einnehmen sollte, mit dem Gefühl allgemeiner Wurstigkeit betrachtet worden. Bei uns konnten Dutzende von dickleibigen Büchern nicht bloß geschrieben, sondern auch eifrig studiert werden, in denen mit profunder Gelehrsamkeit die rücksichtslose Ahnenprobe an den konkurrierenden Linien exekutiert wurde. Die Ahnfrauen Modeste v. Unruh und Frl. v. Friesenhausen waren auf dem besten Wege, historische Berühmtheiten zu werden. Immerhin muß man zuge- sieben, daß der Streit nicht jene Erbitterung ange- nommen" hätte, wenn man im Volke nicht da» Gefühl gehabt hätte, al» sollte einem Schwachen Unrecht getan werden. Nun, wenn das Telegramm deS Kaiser» vom September vorigen Jahre» an den Regenten Leopold dieser Mißdeutung fähig war, so hat der weitere Verlauf der Sache gezeigt, daß auch der deutsche Kaiser sich willig dem Rechte beugt. Tie Biestcrfelder haben gesiegt und Graf Leopold kann sich jetzt di« Lippische Hrone al» erster einer hoffentlich recht langen Reihe von Fürst«» aufsetzen, die sich alle wie ,r die „nie wankende Treu« zu Kaiser und Reich" zur Richtschnur nehmen. Vom lippische« Alb »rlöft, darf sich der deutsch« Staatsbürger wieder seinen eigenen Angelegenheiten zuwenden. E» wrrd auch Zeit: denn über der m!«er» contrldnsn» plsdn hat sich unterdessen ein drohende» Gewitter zusammengezogen. Tw Reichsfinanz, re form liegt wenigsten» in ihren Umrissen jetzt fertig vor: und was darüber bi»her bekannt gegeben wurde, das läßt für die schlimmsten Befürchtungen breiten Spielraum. Mit einer gewissen Genugtuung wird offi ziös verkündigt, daß eine Ueberstimmung Preußens in der Erbschaftsst-uer nicht stattgefunden hat: das wird man ohne weiteres glauben, da von der Reichserbschafts- steuer die Deszendenten und Ehegatten ausgenommen werden sollen. Nur muß man in diesem Falle hinter die Behauptung, daß für das Reich aus der Erbschaftssteuer eine beträchtliche Einnahme in Ansatz zu bringen sei, ein dickes Fragezeichen machen. In keinem Falle kann es sich, wenn wirklich die neue Reform jährlich 200 Millionen bringen soll, bei der Erbschaftssteuer um einen beträchtlichen Teil dieser Summe handeln. Vielmehr werden Tabak und Bier die Hauptlast zu tragen haben. Und auch hier wieder ist gar nicht daran zu denken, daß etwa nur die wohlhabenden Schichten der Bevölkerung den Ausfall der Reichskasse decken könnten. T-ie Masse muß eS bringen. Damit aber werden zwei Genußmittel verteuert werden, die freilich nicht gerade unentbehrlich sind, aber die heute doch zu des Lebens Nahrung und Notdurft gehören. Und das in einem Augenblicke, wo ohnehin Fleisch und Brot durch die höheren Zölle der neuen Handelsverträge erheblich verteuert werden. Jedenfalls wird Frhr. v. Stengel keine leichte Arbeit liaben, dem Reichstage diese Reform schmackhaft zu machen. Immerhin haben wir im Deutschen Reiche wenig- stens eine Volksvertretung, die als gesetzmäßiges Ventil der Volkswllnsche und Forderungen funktioniert. In Rußland, wo sie fehlt, und wo die kommende Reichs, duma mit allgemeinem Mißtrauen angesehen wird, macht sich die ungeheure Spannung in revolutio nären Kundgebungen Luft, die eine immer furchtbarere Gestalt angenommen haben. Der Streik der Eisenbahnbeamten hat das Riesen reich förmlich gelähmt: in den großen Städten sieht man sich einer Hungersnot gegenüber, die in kurzer Zeit zur offenen Revolution führen würde. Und die Eisenbahner bleiben nicht allein: fast ausnahmslos finden sie in den Kreisen der Arbeiter Sympathie und Unterstützung. Der politische Generalstreik, in Deutsch- land eine törichte Utopie, ist in Rußland bereits so gut wie verwirklicht. « Nur ein Mann ist — vielleicht! — noch in der Lage. Rußland vor dem Chaos zu behüten, Witte. Er hat wenigstens den Mut gehabt, den streikenden Eisen bahnern gegenüber offen auszusprechen, wie die Dinge liegen. Zwei Auswege hat er ihnen gezeigt, beide blutig und traurig : der eine ist die Niederwerfung durch das Militär: der andere der Bürgerkrieg, bei dem die Regierung untergcht. Daß der schwache Nikolaus II. nicht imstande ist. die wilden Wogen zur Nuhe zu bringen, ist wohl so gut wie gewiß. Vielleicht betritt er den Weg, den man ihm jetzt souffliert, ins Ausland zu gehen und Witte die Diktatur zu übertragen. Aber er weiß zu gut: als absoluter Herrscher würde er gehen, aber als abso- luter Herrscher nicht wieder zurückkehren. veukrcvrs Feiest. Letpzt«, 30. Oktober. * Der Ausfall der badischen LandtagSwahlen läßt sich nun, nach den am 28. Oktober abgehaltenen Stich wahlen. klar übersehen. Die Vereinbarung zwischen den liberalen Blockparteien und der Sozialdemokratie über eine Reibe flegen LaS Zentrum zu verteidigende Wahl kreise hat die nach der Hauptwahl drohende Zentrums mehrheit in der Zweiten Kammer verändert. Andererseits aber haben die Sozialdemokraten mehr Sitze erhalten, als zn erwarten stand, ebenso die Konser vativen und der Block hat die erhoffte Zahl von 32 Sitzen nicht erreicht. Die Zweite Kammer wird zählen 29 Abgeordnete der Blockparteien, 28 des Zentrums, 4 Konservative und 12 Sozialdemokraten. Der vorige Landtag, vor Vermehrung der Titze von 63 auf 73 und vor Einführung de» neuen Wahlgesetzes, wies auf: 25 Nationalliberale, 6 Demokraten, 2 Freisinnige, also 38 Abgeordnete de» liberalen Block», demnach 4 mehr al» der künftige Landtag. Da» Zentrum zählte damals 28 Abgeordnete, jetzt hat es 28, also jetzt 6 mehr. Die Konservativen waren damals überhaupt nicht, werden jetzt durch 4 Abgeordnete vertreten. And die Sozialdemokratie hat 6 Sitze gewonnen, damals 6, jetzt 12. Die ZentrnmSpartei hat al» Antwort auf die Wahlabmachung zwischen Liberalen und Sozialdemo, kraten die Konservativen in zwei Wahlkreisen so kräftig unterstützt, daß von ihnen 4 Sitze erobert würben, während man auf höchsten» 2 gerechnet l-attc. Eins weitere Beurteilung de» Ausfalles der Wahl wird erst möglich sein, wenn die Einzelresultate vorliegen. Er- krsulich bleibt auf alle Fälle, daß die ZentrumSmehrheit verhindert worden ist und daß oas Zentrum selbst mit Hülfe der ihm so nahe stehenden Konservativen nicht in der Lage ist. auf dem Gebiet de» Schulwesen» und der kulturellen Fragen überhaupt reaktionäre Pläne durch zuführen. * Die »perutwa t« vorwSrts. Di« Tonntag-nummer de« „Vorwärts" enthält an ihrer Spitze da» sofort zu voll streckende Todesurteil der sechs Redakteure, di« e« wagten, wider den TerrsriSmu» des Parteivorstand«- zu muchen. Parteivorstand und Preßkommisfion erklären zu Berlin, am LS Oktober tSOb: wir teilen mit, daß den Genoßen EiSuer. Gradnauer, Sali-ki, Gchräder und Wedler h«nte abend brieflich di« Mitteilung zuaina, daß der Parttivorstand „d die Prrßkoinmisstoa vom LS. d. M. ah aut ihre Däti-Kii t» der Redaktion d«s „Vorwärts' verztchttn. Genoß« Büttner d«r provisorisch als Redakteur aageffrüt war, ist ersucht mord««, sein« früh«« Stellung al» Korrektor am l. No- vember wieder auzu treten. Vorläufig stad in di« Redaktion «tn- > getreten di» Genoss»» Daoivsod«, v Dstwell und Weber. I stußerdnn wird der Genosse Stad«b agen «n umiSnqliärrem Maß, I al» bisher au der Redaktion trtlnedmen. Di« Denkschrift bes Vor- I stand«» nah d« Oeäßkemmtsfio» über di, Differenzen zwischen einem Teil der Redakteure des „Vorwärts" und un» wird in den aller- nächsten Tagen erscheinen. Damit ist dir Revolution „im" Palast des „Vorwärts" zu Ende und es fragt sich nun, ob die so plötzlich entlassenen fünf Redakteure und der in die Stellung eines Korrektor- „zurückavancierte" sechste Redakteur die Revolution nun „draußen" fortsetzen werden und mit welchem Erfolg. ' Der Hochschulstrrit. Aus Eharlottenburg liegt folgende Meldung vor: Laut Anschlag am Schwarzen Brett des Senats der Technischen Hochschule verweigerte der Rektor die Genehmigung des geplanten Studenten verbandes, ebenso die Genehmigung zur Abhaltung einer Stndentenversammlung. Die von ben Studierenden des vorigen Semesters auf Veranlassung des Rektors Miethe gewählte Vertretung wird nicht mehr anerkannt, das Schwarze Brett der Stndentenschaft wurde entfernt. * Ein Stück Eisenbahuresorm. Der preußische Eisen bahnminister beabsichtigt, im Laufe des nächsten Jahres Schlafwagen für die Reisenden dritter Klasse einzuführen. Nachdem er ihnen vor etwa zwei Jahren den Zutritt zu den Speisewagen gestattet hat, die bis dahin nur den Passagieren erster und zweiter Klasse zugänglich waren, will er den Reisenden dritter Klasse nunmehr auch die Schlafwagen öffnen, die bisber ebenfalls nur für die Reisenden erster und zweiter Klaffe beziehungsweise für die Passagiere der Luxusziifle zu gänglich waren. Die Reform wird vor allem in den Kreisen der Geschäftsreisenden begrüßt werden, die bis- her stets den hohen Zuschlag zur zweiten Klasse zu zahlen gezwungen waren, um den Schlafwagen dieser Klasse be nutzen zu können. * Zur Betriebsschließung im Verbände der sächsisch thüringischen Webereien wird uns aus Arbeit- geber kreisen geschrieben: Bis auf einige wenige Be triebe, die noch an Kündigung bis 4. November ge bunden sind, stehen heute alle Webereien des Sächsisch. Thüringischen Verbandes still. Die Verhetzungen der sozialdemokratischen Organisation und Presse haben es dahin gebracht, daß der vor einiger Zeit gefaßte Beschluß der Fabrikanten in die Lat umgesetzt werden mußte. Immer und immer wieder hat durch Quertreibereien aller Art die Organisation die Arbeiterschaft abgehalten, den neuen Lohntarif anzunehmen, und sie veranlaßt, lieber eine Arbeitseinstellung über sich ergehen zu lassen. Ter« wenigen, jedem Winke der sozialdemokratischen Führer gefügigen Arbeitern sind eine große Menge von solci-en Arbeitern gefolgt, die gern auf die Seite ihrer Arbeitgeber treten möchten, aber die geradezu widerlichen terroristischen Belästigungen durch die Organisaton mehr fürchten, als die trüben Zeiten einer Beschäftigung«- losigkeit. Ganz besonders traten in den letzten Tagen solche Beschimpfungen und Drangsaliernngen hervor, wenn der eine oder andere Arbeiter seine Bereitwilligkeit zur Wiederaufnahme der Arbeit am 6. November er klären wollte. ES ist demnach sehr wahrscheinlich, daß, nachdem die Betriebe nun einmal geschlossen sind, zu den bis jetzt zur Wiederaufnahme Gemeldeten noch ein guter Prozentsatz hinzutreten dürfte, weil eine Anmeldung in feder beliebigen Form zulässig und daher nicht der Schmäbnng so leicht unterworfen ist, wie in den im Be triebe befindlichen Websälen. Die Arbeiterschaft ist sich der ganzen Schwere und des Ernstes ihrer gegen- wärtigen Lage gar nicht bewußt: sic ist darüber eben falls durch die sozialdemokratische Organisation in Ver blendung gehalten. Sic würde sonst den Auszug aus dem zum Stillstand veranlaßten Betriebe nicht unter geradezu kindischem Allotria vornehmen, wie dies in einigen Betrieben geschehen ist. Die Lohnfrage spielt eben gar keine Rolle bei der Organisation, ihr ist es gleichgültig, da der Arbeiter sa doch schließlich die Zeche bezahlen muß. Nur die Machtfrage ist ihr Ziel, sie will unter allen Umständen ihre Hände zwischen den Arbeit gebern und Arbeitnehmern haben. Der allgemeine Charakter de» sächsisch-thüringischen Arbeiterstammes ist Arbeitsamkeit, Zufriedenheit und Nüchternheit, und ist auf gutes Einvernehmen mit dem Arbeitgeber gerichtet. Aber dem fortgesetzten Wühlen ist eS gelungen, bei einem große«« Teile der Arbeiterschaft diese guten Eigcnsckxiftcn vor den« Terrorismus zurllcktreten zu lassen. Arbeiter, deren Bcrsitwilliakeit zur Wiederaufnahme der Nrb it zu den neuen Lolmbedingnngen bekannt geworden ist, werden ans dem Wege von und zur Fabrik verhöhnt und gelästert in der unalanblichstcn Weise. Hier bleibt, nm entstick' Wandel zu schaffen, eben nur dg? Mittel der Sclbsihülsc. Wie die? für die Unternehmer im Kampf mit der Arbeiterorganisation die jetzt vorgcnommene Schließung der Betriebe ist, so ist öS für die arbeits willige Arbeiterschaft nur das Zusammentrcten der übrigen, weit überwiegenden Gntaesinnten, un« den Terroristen einmal die Zähne zu zeigen. Mit Duldsam keit und Scheu ist hier nicht» getan. Hier heißt e», den Spieß nmdrehen und sich von der rüden Sippschaft nichts bieten lassen. Besonder» in den kommenden Tagen, wenn vom 6. November ab sich nur die al» auSge- sperrt zu betrachten haben, die den Kampf wollen, wird e« Sache der Arbeitswilligen siin, sich Belästigungen jeder Art vom Leibe zu halten. — ttcber den Umfang der Aussperrung geben folgende Zaklen Aufschluß: E» stehen in dem ganzen Arbeit», gebiet gegen 33 000 Webstühlc still und 16 000 bi» 17 000 Arbeiter feiern. Am 4. November folge«« noch gegen 1500 b:S 1800 Stühle mit zirka 800 Arbeitern der an Kündigung gebundenen Betriebe. * «letae palittsche Nachrichten. Der Retch-knnzler Fürst Vstlew bat «cd bereit erklärt, dem Wunlche der Deutschen Gesell- schaff str Bolksbäder hinsichtlich der Aufstellung einer Biber» ftatistik des deutschen Reiche- Folge zu geh,». Der Direktor br- statistischen Amts der Stadt Berlin, Professor Dr Hirschberg, hat die wlssenschaffliche Lesung in die Hand genommen. — Dem Genrraliuperintendenien, Wirk!. LberkonststorialratD Neb« in Münster ist di« nnchg,suchte Entlassung aus iriinm Amte al« Gen^nlsnperintendeitt der Provinz Driisalen rrtrilt uns ber kvaiglich» Kronenorden l. Klass« vriliehen worben. — Da« Kaisermanbver im nächste» Fahr, soll da« «. Schlesisch» Korp« abhalte,. «« wird zu diesem «ad, auf di« «türke von drei Jnsanterie-Divisionen und einer Kavallerie-Division, nament lich durch Trupven de» königlich jächsilchen Kontingents, gebracht werben. Die Gegenpartei stellt das 3. und b. Armeekorps. AlS Schauplatz des Kaisermanövers dürste wahrscheinlich der Regie rungsbezirk Liegnitz gewählt werden. Huslanck, Nutzland. * Witte »nd seine Gegner. Ueber Loudon wird gemeldet, Gras Wirte batte am Freitag eine Konferenz mit dem Zaren» die volle 5 Stunden dauerte. AlS er zurückkehrte, war se^ Haus völlig dunkel; da da- elektrische Licht nicht mehr funktioniert mußte man sich notdürltig mit Petroleumlampen behelfen. Ws der Zar und Witte miteinander verhandelt und beschlossen haben' weiß zwar niemand, aber ganz Petersburg behauptet, daß die Lage völlig unverändert ist, weil der Zar sich nicht eutschließen kann, bas Programm deS Grafen Witte aozunehmen. Seit drei Tagen liegen die Vorschläge deS Grafe» Witte aus seinem Schreibtisch, aber immer noch ohne seiue Unterschriften, da er wieder einmal keinen Entschluß fassen kann Bei der Großfürstin Maria Alexandrowna sitzen jede« Nachmittag die höchsten Magnaten des Reiche- und Freunde deS Zaren uod überlegen, wie sich der Knäuel entwirren läßt, an dessen Verknotung sie selbst Schuld sind. Sie verhandeln unter strengstem Ausschluß, aber trotzdem weiß nach wenigen Stunden jeder in Petersburg, ter sich dafür interessiert, was sie beschlossen haben. Ihr Anführer ist immer noch Graf Jgnatiew, der den Grafen Witte sür einen Mirabeau und seine Freunde für Jakobiner hält. JguatiewS Pro- aramm lautet: Das Todesurteil für jeden Gegner des absoluten Regime«. * Die Erregung in Moskau. Die offiziöse Petersburger Telegraphen-Ageiitur meldet aus Moskau: Dir große Erregung der Bevölkerung halt an. Heute vormittag erzwangen Vie Kommt» die Schließung aller Läden mit Ausnahme der klecneu Kolonialwaren« geschäste. Au mehreren Stellen kam eS zu Zusammenstößen mit der Polizei, besonders am JwerSkajator, bet denen viel« Perwnen verwundet wurden. Die Universität ist verbarrikadiert und wird von bewaffneten Studenten beschützt. Auf Be fragung der Stadtverwaltung haben Delegierte der Arbeiter sich bereit erklärt, dafür zu sorgen, daß der Betrieb des städtischen Wasserwerkes wieder ausgenommen wird, aber unter der Be dingung, daß dir Arbeiter über das Wafferw«rk völlig ver fügen, baß sie die betreffenden Ingenieur« auSwählen und daß sie da- Rocht baden, noch ihrem Ermeßen den Betrieb zu unterbrechen. Die Stadtverwaltung will ihre Antwort im Laus« deS Abends er teilen. Um 3 Uhr nachmittags sand eine große Versammlung statt, an der sich der Gemeinoerat, sowie Vertreter deS Gemstwos, de« AdrlS, der wissenschaftlichen Gesellschaften, der Preffe, sowie der Vereine und Verbände aller Parteien, auch der revolutionären, be teiligten. Die Redner traten in leidenschaftlichen Reden sür den Kamps mit Waffengewalt und sür die Einsetzung eine- Woblfahrte- aurichusses ein. Verschiedene Arbeitergrupprn, besonder- die Drucker, haben sich dem Au-stande angeschlossru. * Gerüchte über die Schwarze Meer-Flotte. Die Gerüchte über Meutereien aus Schiffen der Schwarzen Meer-Flott«, Unter gang des „Polemkin" usw. haben btthrr noch keine Bestätigung gefunden. ES scheinen jedoch tatsächlich Ding« vor sich gegangen zu sein, die zu diesen Gerüchten Anlaß aegeben haben. Heule liegt dem „Bert. Lok.-Anz." wilder folgend«» Tele gramm aus Petersburg vor: „Da- Gerücht von einer furcht baren Katastrophe im Schwarz«» Meere erhält sich Hier mit wachsender Bestimmtheit. Auf dem Pauz«rschtff „KnjäS Potemkiu" soll ein« Explosion stattgesnnde» haben, welche angeblich den Untergang des Schifft- zur Folg« hatte. Marineminister Birilew soll sich zur Zeit der Explosion zur Joipizirrung auf dem Schiff besnnden und dabet seinen Tod ge funden haben. Nähere- über di« Katastrophe war hier bis letzt noch nicht i» Erfahrung zu bringen. Nach dru trübe» Erfahrungen, die mit der Mannschaft der Schwarzen Meer-Flott« vor einigen Monaten gemacht worben sind, kann mau diese Nachricht nicht ohne weitere- als unwahrscheinlich bezeichnen. Jedenfalls darf al- sicher angenommen werden, daß die Flott« de» Schwarzen Meeres aber- mal- einem verbrecherischen Anschlag ausgesetzt gewese« ist. * Eine Konstitution für Nrrtzlaadk Au« Wien wird ua- von einer Seile, die sich meist aut unterrichtet ««zeigt hat, ge schrieben: Man erwartet schon für dir allernächst« Zeit Ent schließungen de- Zaren, welche geeignet sein werden, der ge- sahrvollen Situation ehemöglichst ein Ende zu bereiten. Nach den Anzeichen, welch« sich schon in mannigfacher Beziehung wäh rend de- Kriege- äußerten, muß befürchtet werden, daß auch das Militär mit denRevolotionäreu ge meinsame Sache machen wird, und tatsächlich liegen heule au- Petersburg Nachrichten vor, »ach welchen in den Versammlungen in der Universität, welche unter Teilnahme von vielen Tausenden der verschiedensten Berus-klassen slattgesunden haben, auch zahlreiche Offizier« erschienen sind. Die au» der russischen Hauptstadt gemeldet wirk wurde in der vergangener, Nacht beim Kaiirr. Nikolaus in Petrrdos eine Konferenz übge ballen, an welcher Gras LamSborff, Graf Witte uns einige andere Minister leilgrnommen haben. Man glaubt, daß e« sich um die Beratung über den Vorschlag dr- Minister« Witte betreff« einer Konstitution gehandelt hat. Norwegen. * Die Stellung Per uortoegifchen Regierung. „Astenposten ' meldet heut,, daß dir Regierung mit dem Geietzenrwurf«, betr. Vie Königswahl stehe und falle. Daß dl« Mitglieder der Regierung hierin einig seien, sei zweifellos. DaS sei schon un mittelbar nach der Fertigstellung de« Gesetzentwurf«- bekannt ge worden. Ebenso seibstverständlich sei e«, daß dir Regierung demissionieren werdt, sobald die Volksabstimmung ihre Ermächtigung zur Kvnig-ioahl verweigere. — Aller Voraussicht nach wird die Volksabstimmung zu Gunsten der König-Wahl au»- sallen. Nur im Storthing dürst« e« über den Gesetzentwurf, per di« Volksabstimmung anorbnet, zu heftigen Debatten komm«», hoch ist an seiner Annahme kaum zu zweifeln. (S. letzt« D«p.) Kreta. * Der Ansstanh aus Kreta. Ueber Rom, 25. Oktober, wird uns mitgkteUt, daß die Lag« auf Kreta staNonLr ist. D,e Aktion richtet sich zurzeit nur gegen die russischen Besatzung«- truppen. Russen und Ins urgente» stehen sich Auge in Äuge gegenüber m ApokoronoS, daS die letzteren schnell b c- sestigt haben. Dl« Rusten sind bei Jicorgioppli«. da« sie nach ihrer Manier wieder bis zur HLlste nieder- gebrannt haben Tie Jnlurgenfenchesü ManoS, Vern- zrloS und WamoS befestigen den Ort Wamot, alle» deutet auf «inen baId ig e n Kamps bin! Pie Insurgenten find 1250 Mann stark Die Russe» haben dort 400 Soldaten, 5>Ö Gendarmen, 200 Geqenrevolntionare, zusammen nur 050. Ein Da m p f e r m i t B a r r ä t« n für dl« provisorische Re- j aierung in ThersisoS bat an verschiedenen Stellen der Jniel sein« Ladung löschen können, worunter 15 000 Zentner M«vi onstige Nahrungsmittel und hauptsächlich Nafm» imd ! Munition.
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