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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.02.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-02-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080217019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908021701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908021701
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-02
- Tag 1908-02-17
-
Monat
1908-02
-
Jahr
1908
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reist. Am Montag nachmittag 5 Usir findet in München eine allge meine Studentenversammlung statt mit der Tagesordnung: Ehrung für Professor Schnitzer. tk. I» Reichstage werden in der nächsten Woche voraussichtlich nach Erledigung des Postetats der Instizetat und kleinere Etat» zur Debatte gestellt werdeu. Der Etat für da» Reichsamt des Inner» und der Etat des Auswärtigen Amts dürften erst gegen Ende des Monat rur Beratuua kommen. Von den Gesetzentwürfen, die die KoniiuisstonS- oeratung passiert habe», kominen in der bevorstehenden Woche taS Scheck gesetz, der Wechselprotestentwurf und der BersicherungSvertragsentwurf zur Verhandlung. Der Kolonialetat dürfte der letzte Etat werden, der zur Erledigung kommt. * Die Kaiserrede des katholische» Pfarrers Mausu» in Ars bei Metz ist bekanntlich zurzeit Gegenstand amtlicher Erhebungen. Pfarrer Mansuy hat im „Harrain", dem französischen Blatt des Bischofs Benz, ler, erklärt, da« er „lein beleidigendes Wort gegen den Kaiser gesagt habe", und der „Lorrain" urteilt: „Pfarrer Mansuy ist zu klug (trop iareUikrorrt), um an einem solchen Tage (Feier des Geburtstages des Karst rSs solche Urteile auszusprechen, die er anderswo und zu anderer Zeil hätte fällen können." Auch eine Rechtfertigung! Pfarrer Mansuy dat übrigens schon einmal, im Mai 1899, eine Untersuchung wegen einer Kaiserrede herbeigesührt. Damals kam der Kaiser zur Grundstein legung der Feste Kronprinz nach Ars, und Psarrer Mansuy machte am kommenden Sonntag Bemerkungen darüber, da« die Leute zumKaiser- empsang geflaut hatten. Tie Untersuchung verlief damals im Sande. 1899 tat sich derselbe Pfarrer Man'»» in einer Ansprache an den Kaiserlichen Statthalter Fürst Halieiilalie-Langenburg eigenartig her vor. Er griff in einer Rede beim Arier Empfang die Regieruitgs- beamten an: Fürst Hohenlohe fühlte sich durch diese Worte so beleidigt, daß er sofort von Ars abfuhr, ohne, wie vorher beabsichtigt, noch der katholischen Kirche einen Besuch zu machen. Nachher forderte der Statt- kalter von dem damaligen Bischof Fleck in Metz die Versetzung des Pfarrers von Ars, erhielt aber eine abschlägige Antwort; nur zu einem Entschuldigungsschreiben wurde Psarrer Mansuy veranlaßt, aber dieses verfaßte er in französischer Sprache! Was wird nun geschehen? Es ivar schon früher des östern die Rede von einer Versetzung des Pfarrers Mansuy: aber in der Tat kann der Bischof ohne besondere Gründe einen katholischen Staatspfarrer nur mit dessen Bewilligung versetzen. Bei dem Dienstalter des Pfarrers Mansuy würde eine Versetzung nur mit gleichzeitiger Beförderung zum Erzpriester denkbar sein. Da der „Lorrain" für den Psarrer von Ars Zutritt, wird die Angelegenheit Mansuy besonders lehrreich werden. * Gesellschaft für Verbreitung von Volkstiltzung. Der Vorsitzende der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung, Heinrich Prinz zu Schönaich-Carolath, hat für den 24. d. M. eine Sitzung des Zentral ausschusses der Gesellschaft nach Berlin einberusen. Auf der Tages ordnung steht die Stellungnahme zu der Liegnrtzer Verfügung. Wir bemerken einigen mißverständlichen Mitteilungen gegenüber, daß nicht der allgemein als vortrefflich anerkannte Hauptkatalog der Gesellschaft „Bücher für Volksbibliotheken", - sondern ein Nebenkatalog für populär wissenschaftliche Wanderbibliotheken wegen einiger darin ent haltener Bücher von der Regierung beanstandet worden ist. Wie wir hören, hat der Vorsitzende den Kultusminister um Angabe derjenigen Bücher ersucht, die behördlicherseits als für Volköbibliotheken nicht ge eignet angesehen werden. * Hawhurg» StaatLsinauzea. Das hamburgische Staatsbudget sollte rechnerisch 15,3 Millionen Mark Fehlbetrag ergeben, weist aber nach der setzt vorliegenden Abrechnung einen Überschuß von 2,77 Mill. Mark auf, zu dem besonder- die Mehreinnahmen aus der Einkommen steuer mit 5,4 Millionen Mark, aus den Junnobilieuabgaben mit 1,5 Millionen Mark und aus der Erbschaftsabgabe mit 1,7 Millionen Mark beitrugen. ^Ausland. Frankreich. * Verkehrtzkrisis in Frankreich. In der Beratung der Verkehrs- krifiS im französischen Senat verlangten Gourjou und Chantemps Ver besserungen der Straßen, Kanäle und Eisenbahnen. Minister Bar th o u stellte fest, daß die Verkehrskrisis im Jahre 1907 der vom Jahre 1906 gleiche. Die Vermehrung des Personals bei den sieben großen französischen Eisenbahnen vom Jahre 1907 betrage rund 19 000 Köpfe. Die Zahl der Waggons und Lokomotiven sei vermehrt worden. Die Arbeiten zum Jreimachen der Eisenbahnstrecken hätten 83 Millionen Franks, die Aufträge für Material an die französische Industrie 343 Millionen erfordert. Leider seien die von der ausländischen Industrie verlangten Preise häufig niedriger, als die der französischen Industrie. Barthou erklärte ferner, er habe nur in dem notwendigen Maße Auf träge an das Ausland gegeben. Schweiz. * Reue Jnfanteriemunition. Seit mehreren Jahren schon wurden kn der Schweiz Versuche gemacht, eine neue Munition für das Jnfanteriegewebr herzustellen, deren starke Rasanz das Visier bis auf 600 m überflüssig machen sollte, wie dies bereits in Deutschland und Frankreich der Fall ist. ES ist nun gelungen, eine Patrone hrrzustellen von solch rasanter Flugbahn, daß bis auf 700 m kein Höhenvisier verwendet zu werden braucht. Das neue Geschoß besitzt aber eine so «norme Durchschlagskraft, daß es in den Schiebvereinen, die ja in der Schweiz eine sehr große Bedeutung haben, nicht verwendet werden kann. Darum soll das Schweizer Jnfanteriegewehr mit zwei Visieren versehen werden, da» eine für da» alte Geschoß, das andere für das neue, daS auf größere Ent- fernungen und im Kriegsfall in Anwendung kommen sollte. Zu gleicher Zeit soll auch das Magazin, daS bis jetzt 13 Patronen faßte, umgeändert werden zu einem Magazin mit nur 5 Patronen. Rußland. * Die Rüstungen im Tndan. Die Exchange Telegraph Company will auS Petersburg authentisch erfahren haben, daß die russijche Armee in den militärischen Distrikten von Odessa, Kiew und im Gebiete des Don den Mobili- sierung-besehl erhalten hat. — Von anderer, angeblich ebenso „authentischer" Seite kommt ein übrigens ziemlich lahmes Dementi der RüstungSgerüchte. Sollte etwas wahres daran sein und Rußland ernstlich an ein neues kriegerisches Abenteuer denken, so muß eS ja selbst wißen, ob e- den Zustand seiner Armee sür gewachsen allen Eventualitäten ansieht. Bon einer Ausbesserung der im letzten Kriege aufgedeckten Schäden und einer Ergänzung der durch den Krieg selbst bewirkten Verluste hat man noch nicht groß gehört. Bei einem Kriege aber kann der Angreifende zwar bestimmen, wo er anfangrn, aber nicht, wo er auf- hören will. UebrigenS ist auch, sollte die Meldung von der Mobilisation sich bewahrheiten, noch gar nicht die Frage gelöst: „gegen wen?" Und man ver breitet wieder die Tartaren-Nachricht, daß die Türken über Rußland herfallen wollten. So schreibt der „Golos", »ach einer Depesche au» Tripolis habe die türkische Regierung acht Redif-Regimrnter von dort an die persische Grenze geschickt und im ganzen bis jetzt 34 Regimenter mobilisiert. Die Zeitung „KarS" berichtet, daß türkische Truppen offen an der persischen und russische» Grenze unter den Generalen Hussein Pascha und Natur Bey zusammengezogen werden. Gegenwärtig stünden 87 gut bewaffnete Hamidie- (kurdische Reiter-) Regimenter an der Grenze. Den Oberbefehl über dir türkische Armee sichre Senk Pascha, der dem Blatte'„Imschak" zufolgeWünf Regimentern Befehl erteilt habe, sich bereit zu halten, um auf ein gegebenes Zeichen hin sofort an die Grenze abzumarschieren. Außerdem sei in drei an die russische Grenze stoßende» Kreisen angeordnet worden, zehn Regimenter kriegsbereit zu halten. Aus Korin seien bereits sieben Regimenter nach der russischen Grenze abmarschiert. Als vor zwei Jabren der Kaukasus sich in wilder Anarchie befand, hatte ein Einmarsch der Türken in das überwiegend von muhamedanischen Stämmen bewohnte Gebirge einigen Sinn gehabt. Aber heute, nach Niederwerfung der Revolution und nach der Heimschaffung der Mandschnrei-Armer? Immerhin wäre cs möglich, daß die Türkei voraussehe, daß aus der Durchsetzung ihrer vermeintlichen Ansprüche auf persische Gebietsteile ein Krieg mit Rußland ent- stehen könne und für diesen Fall ihre Vorkehrungen träfe. Schweden. * Tie AlandS-Frage. Folgende Lösung der Frage der Befestigung der Alandsinseln hält der „Temps" sür wahrscheinlich: Schweden erklärt sich damit einverstanden, daß die Rußland lästig gewordene Bestimmung dcS Vertrages von 1856, nach der dem Zaren die Befestigung der Alandsinseln untersagt ist, entfalle. Dagegen erklärt Rußland als sonveräner Beherrscher der Alandsinseln, diese nicht befestigen zu wollen. Frankreich und England wären mit dieser „eleganten" Lösung einverstanden. Ter „Temps" fügt hinzu, daß die bevorstehende Vermählung eines schwedischen Prinzen mit einer russischen Großfürstin den äußeren Anlaß zum Abschluß dieses Arrangements bieten könnte, das am Status qua nichts ändern und die russisch- schwedischen Beziehungen zu verbessern geeignet wäre. Nach anderen Infor mationen stehen der Verwirklichung des vom „Temps" veröffentlichten Vorschlags noch sehr ernste Bedenken entgegen. Gewiß, vor allem daß eine solche Erklärung des zarischen Willens nach russischem Brauch allerhöchstens den jetzigen Zaren bindet. Man vergleiche die Zusagen von Finland, Deutsch - Baltenland usw. Schweden würde also sehr töricht handeln, wenn es seinen Rechtsboden eines internationalen Vertrags verließe. Marokko. * Spaniens Aktion. Neuerdings wird gemeldet: Das Kavallerieregiment Alfonso XII. in Jerez und das Pionierbataillon in Sevilla gehen nach Menilla ab, wohin bereits vor einigen Tagen Kriegsmaterial abgesandt worden ist. Der „Heraldo" bezeichnet den von der spanischen Regierung ringeschlagenrn Weg als gefährlich und kritisiert ihn anss schärfste. Das Blatt befürchtet von dem spanischen Vorgehen in Marokko schlimme Folgen und erklärt, die Berant- Wortung des Ministerpräsidenten Maura sei sehr groß. Die Regierung sucht der weitverbreiteten Meinung entgegenzuarbeilen, daß sie auf französischen Befehl nach Marokko gegangen sei und ihr Vorgehen aus den marokkanischen Verhältnissen heraus zu erklären, insbesondere im Gebiet des Rif. Andere Leute, zumal in Spanien, befürchten, daß man sich die Nis-Kabylen jetzt erst recht auf den Hals laden wird, deren Angriffe auf Melilla noch vor gar nicht langer Zeit in nicht allzu rühmlicher Art abgewendet werden mußten. Amerika. * Tie schlauen Japaner. Wie aus Libau gemeldet wird, sind dort mehrere Japaner aus dem fernen Osten eingetroffen, um über den Atlantischen Ozean nach Amerika auszuwandern. Sie wollen damit das japanische Gesetz umgehen, das den Japanern die Auswanderung nach Amerika über den Großen Ozean verbietet. Ob Amerika sich daraus einlassen wird? Feuilleton. Theater und Konzert. ')'?' Leipzig, tzebvuar. Neue» Theater. Zum Gedächtnisse Richard Wagners» anläßlich der 25jährigen Wiederkehr seines Todes tages: „Tristan und Isolde". (Neu einstudiert.s In gewissem Sinne stellt vielleicht kaum ein anderes Werk Richard Wagners die Eigenart seines Schöpfers besser und charakteristischer dar, als gerade „Tristan und Isolde". „Jeder Zweifel war mir endlich entnommen", sagt Wagner einmal, „als ich mich dem „Tristan" hingab. Mit voller Zuversicht versenkte ich mich hier nur noch in die Tiefen der inneren Seeleuvorgänge, und gestaltete zaglos aus diesem intimsten Zentrum der Welt ihre äußere Form." Und so ist dieses Nr-Liebesgedicht mit seiner ergreifenden Handlung, mit jener Musts, die „zagendes Seufzen, Bangen und Hoffen. Klagen und Wünschen, Wonnen und Qualen" zu gleicher Zeit in sich schließt und aus'pricbt, wobl besonders geeignet, zum Gedacht- ujsse des Ton- und Wortgcwaltigen zu erklingen. Mit frenetischem Beifall nahm das ausverkaufte HauS das Musikdrama auf, das große, sehr große Anstrengungen und ein wirklich gemeinsames Zusammen, arbeiten aller Faktoren vorcmssetzt, ja unbedingt verlangt. So ohne weiteres einzustiinmen in den Jubel, den ja jenes Wunderwerk eines der größten Seeleuanalytikers aller Zeiten immer Hervorrufen wird, ist beute dem Chronisten leider nicht möglich. In musikalisch-darstellerischer Hinsicht gelang durchaus nicht alles nach Wunsch, entsprach nur resativ Weniges höher geipanuien Erwartungen. Zum zweiten Male gastierte Frl. Bettn Schubert (aus Prags und rief, um zunächst von der äußeren Erscheinung zu reden, einen viel vorteilhafteren Eindruck her vor, als neulich („Fidelio"). Ihre Isolde ist nicht eigentlich eine Heroine. Qbwohl es an Plastik und schöner Rundung der Bewegungen kaum mangelte, ließ diese Gestalt doch ost den großen Zug vermissen. Die Stimme der Sängerin hielt nicht immer Stand, sprach anfangs nicht an, ließ sogar im zweiten "Akte nach, um sich im Schlußgesange wieder zu erholen. Frl. Schubert bot an mehr lyrischen Stellen ihr "Bestes. Aber ihr Gelang reißt nicht mit fort, fasziniert nicht, zwingt niemandem eine künstlerisch wahre Empfindung auf. Sehr mangelhaft war über dies die Aussprache, welche gleichsam die Konsonanten zu Alleinherrschern machte. Frl. Schuberts Neigung, zu tief zu singen, verband sich mit zener des Herrn Urlus, im Liebeszwiegesang manches zu hoch zu nehmen, wogegen Frl. Nrbaezck opponierte und 'ich Brangänens Wächterlied guast selbst harmonisierte. Ohne Vorans- ctzuug totaler Indisposition läßt sich solch permanentes Falschsingen rar nicht erklären Schade um die au stch darstellerisch so vertiefte und icböne Leistung. Ter Tristan des Herrn Ur Ins ist von früher her wohlbe7annt, war aber gestern in den ersten beiden Akten gesanglich etwas matt, schauipielernch sogar recht konventionell. Für die Schluß- 'zenen hatte stch der Künstler anscheinend geschont und war hier in leder Hinsicht ein Anderer. Herrn Soomers Kurwenal ist eine markige Erscheinung, echt in Gesang und Spiel, zuweilen an die köstliche Leistung Otto Schelpers erinnernd, wenngleich sie vorerst noch nicht völlig erreichend. Ausgezeichnet war Herr Käse als Marke, dessen Monologe wundervoll musikalisch und deklamatorisch vermittelt wurden, dessen Maske jedoch wohl nicht io alt zu sein brauchte. Der schöne Ge- -ang des Knnnstlers wurde durch jederzeit sinngemäße Gesten als Emp- iindungsreflexe wirksam unterstützt. Die Nebenpersonen vertraten die Herren Löschte, cholz und Kaysel angemessen. Herrn Kapell meister Hagels eitriges Bestreben, das Orchester im Vollglanz seines Könnens und zugleich als Träger der sinfonischen Leitgedanken wie als feinMliaen Begleitfaktor erscheinen zu lasten, wurde vom besten Er folge gekrönt. Die Neuinszenierung und die Regie des Herrn von Wynr Stal verdienten alles Lob. Eigenartig in der Zusammenstellung der Farben nahm sich das Schiffsdeck aus und besonders glücklich hatte man es mit der die Segel durchschimmcrnden Beleuchtung getroffen. Daß das Rassen der Segel mißglückte, war ein häßlicher Zufall, der zwar dem Gesamtbilde viel Eintrag rat, sich aber wohl kaum später wiederholen wird. Sehr stimmungsvoll war der Hain, darin Tristan und Jiolde einander irrsten, und von besonderer Anziehungskraft für das Auge das Schloß am Meere des Schlußaktes. In der Regie war alles mit der größten Umsicht vorbereitet. Nur paßte Tristans rot- blopder Bart mit seinem roten Rock nicht recht zusammen. Daß Kur- venal Isolden so gar lange den Rücken zukehrt und dabei doch ihre Antwort an seinen Herrn entgegennehmen soll, ist kaum angängig. Sehr lebendig hatte man den Kampf im Schloßhose arrangiert und da mit eine der srüheren Unmöglichkeiten glücklich beieiiigt. Alle Mit wirkenden wurden unzählige Male hervorgernsen. kugen guite. Neues Operette»th«»ter. Zum ersten Male: „TieMarketcn- oer in", Operette in drei Akten nach einem französischen Stoffe von W. A schar und R. Pohl. Musik von Friedrich Korolanyi. Die Hsldin der neuen, gestern im Theater am Thomasring zum ersten Male gegebenen Operette ist nicht, wie jene Mcrrie, die in Donizettis „Regimentstochter" die Trommel schlägt, von Kindheit an bei der Miliz gewesen. Um in der Wirrnis französischer Revolutionszeit sich und den Bruder zu retten, wird Louise d'Obernay Marketenderin. Den Zudring lichkeiten böser Soldaten zu entgehen, reicht sie im Felde (in Ermangelung eines Altars vor einer Regimentstrommel) einem braven Krieger, der sich Lambert nennt, die Hand zu einer von ihr nicht ernst gemeinten Ehe. Und sic benutzt Lamberts Liebcszärtlichkeit, ihren Bruder zu be freien und diesen, wie sich selbst in Sicherheit zu bringen, ohne nm das Schicksal des Lambert, für den sie (dem Textbuch nach) Liebe empfindet, bekümmert zu sein. Später braucht Louise aus ihrer aristokratischen Ab kunft kein (Heheimnis mehr zu machen, und es stellt sich die sattsam be kannte Glückssügung jedes dritten Operettenaktes ein. Die Psoudo-Mar- ketenderin trifft den inzwischen zu Offiziersrang anfgestiegenen Lambert wieder, der wohl eigentlich, was gestern nicht recht klar wurde, ein Marquis ist und seinen Adel ebenfalls eine Zeit lang aus politischer Eor- und Rücksicht verbarg. So kann auf seldmäßige Trauung eine legitime Ehe folgen. Die Librettisten sind keine Theaterkenner, auch keine begnadeten Humoristen. Sonst würden sie spannendere Handlung, charakteristischere Gestalten und wirksameren Dialog geschaffen haben. Ihr Hauptbestreben ging dahin, Untergrund für zahlreiche Musik nummern zu bieten. 'Dadurch ist das Werk zu lang und auch zu wenig lustig geworden. Ott hat kaum die eine Person im Gesang ihr Herz ausgeschüttet, so kommt eine andere, um dasselbe zu tun. Der Komponist hat sorgfältig gearbeitet, vergaß auch nicht, nach „lyrischer Aus breitung" kräftige Marschmelodien anzustiminen. In allem zeigt sich Korolanyi als gewandter und guter Musiker und als ebenso begabter wie erfahrener Instrumentator. Rkrru gewinnt von ihm ohne weiteres den Eindruck, daß er das 'Talent dal, eine zugkräftige Operette zu schrei ben, sobald ihm ein dramatischer gefugtes Libretto zur Hand ist. Auch an der „Marketenderin" wird übrigens durch Kürzungen viel zu bessern sein. Vor allein muß das alberne Parodisduett des Schlußaktes, der natürlich wieder der schwächste ist, wegfallen. .Hot dies Duo überhaupt in der Operette gestanden oder war es sine Einlage? Den stärksten Erfolg hatte der zweite Akt, der jedoch nahezu ganz aus dem Operetten rahmen heraustritt und opernmäßig geraten ist. Die danach einsetzenden Ehrungen (Hervorrufe, Lorbeerspende und Orchestertusch) waren aber den, Komponisten, der von Ler vorigen Saison her als Kapellmeister geschätzt ist, in diesem Winter ebenfalls mehrmals am Dirigenten- pulte erschien, und auch die gestrige Aufführung trefflich steuerte, durch- aus zu gönnen. Den besten Eindruck wird die O-perette an jenen Bühnen erzielen, deren Personal brillante Gesangskräfte hat. Daran fehlte es gestern. Mühe gab man sich. Irl. Rößner sang die Louise mit Eifer und batte hübsche Momente, Herr Werk (Lambert), sowie Herr Pachmanu (Tambourmajor) suchten 'ihren begrenzten stimmlichen Mitteln ahzugewinnen, was irgend möglich war. Frau Rainer als echte Marketenderin, di« von der neuen Konkurrentin in den Hinter grund gedrängt wird, und Herr Becker als Foldscheer strsbten an gelegentlich, das Publikum zu erheitern. Herr Stark« ist sür seine Regie zu rühmen, die Partie des Bruders der Louise liegt ihm aber nicht. Am ungenügendsten war (in einer Hauptmannsroll«) Herr Rudolfs. Iss. Klavierabend von Richard Goldschmied. Man kann den Satz: „Sage mir, was du liesest, und ich will dir sagen, wer du bist", recht gut umändern in „Laß mich hören, wie du Bach und Beethoven spielst, und ich kenne den. Grad deiner Künstlerschast." Herr Goldschmied, der am Sonnabend im Kaufhause spielte, bewies, daß er begriffen hat, wie technisches Können noch nicht die Kunst selber ist. So strebt er nach musikalischen Finessen und findet auch solche. In vielem einzelnen je doch muß seiner Auffassung widersprochen werben. Die Bachsche C-Moll- Partita gab er zutreffend nicht müt steifer Anschlagsmonoton««, ohne des halb einem Uebermaß klanglicher Differenzierung, wie eS damaliger Zeit unmöglich bekannt gewesen sein kann, zu huldigen. Aber nicht plastisch genug formte und gestaltete deS Spielers linke Hand, deren Tonerzeugung auch wesentlich weniger pobiert ist als die der rechten. In Beethovens „Appassionata" offenbarte sich das noch unliebsamer, da hier Herr Gold schmied während des zweiten Satzes» glauben machen wollte, der Ton dichter Hobe das Allerwichtigste in den Baß gelegt. Dessen übertriebene Hervorkehrung, sine gewisse pedantische Art der Phrasierung, die kleine Teile scharf abgrenzte und dadurch größere zerriß, überdies eine wunder- iche Eile, mit dem Werke fertig zu werden (der Schluß des einen Satzes loß förmlich in den des andern hinüber), machten diese Interpretation timmungslos. DaS duftige Passagensiligvan des Beethovenschen G-Dur- Rondos wurde im Diskant mit zierlicher Eleganz nachgebildet, wogegen die linke Hand wiederum zu schwerfällig verfuhr. Und warum den Mittelteil so sehr überhasten? Dars Herr Goldschmied nach seinem Bach» und Beethoven-Spiel als ein Pianist bezeichnet werden, der den redlichen Willen hat, sich in seine VortragSstossc bineinzudcnkcn, so ist doch ebenso zu sagen, daß sein musikaliichcs Gefühl dabei noch nicht sicher mitspricht, weshalb zwar manches erfreulich, vieles andere aber nur dozierend und nicht künstlerisch überzeugend wirkt. 1". Iss. Sonatenabcnd von Bernhard Stavenhagen und Felix Berber. ES schien fast, als sollten die Verehrer der Kammermusik in dieser Saiion auf die Sonatenabende der Herren Proscssor Berber und Slavenhaaen verzichten. Das hätte für das Leipziger Musikleben, zu dessen eisernem Bestände diese "Abende schon seit mehreren Jahren gehören, einen Ver lust bedeutet, den gar viele sehr beklagt hätten. Und das mit Recht. An guten Ouartettvereinigungen ist seit einigen Jahren kein Mangel, doch wer wäre zurzeit wohl berufen, diese Art von Kammermusik, diese Souatcnabendc zu ersetzen? Nur wenn zwei solch bedeutende Künstler. Persönlichkeiten, wie Berber und Stavenhagen es sind, zusammen spielen, wird man von vornherein aus einen hohen und ungetrübten Kunstgenuß rechnen können, um so mehr, als beide durch jahrelanges gemeinsames Musizieren Gelegenheit gehabt, sich vollständig zusammen- zuspiclcn und si<h in ihrer Eigenart kennen zu lernen. Neben den Sonaten von Mozart, Beethoven, Brahms u. a. haben beide Künstler von jeher nicht unterlassen, anch Werke zeitgenössischer Tonsctzer auf ihr Programm zu setzen. Diesmal spielten sie die H-Moll-Sonare Op. 20 von Richard Barth zum ersten Male, die gar wohl eine bei- fälligerc Ausnahme verdient hätte, wenn damit auch nicht gesagt sein soll, daß dieses Werk eine künstlerisch hochbedentende Leistung sei. In der Hauptsache ist es mehr Vcrstandcsarbeit als Ausfluß einer er- findungsreichen Phantasie. Das gilt besonders vom zweiten Satze (Variationen) und vom Finale. Weit mehr interessierten die beiden anderen Sätze. Aus dem ersten spricht ein niedergedrücktes Gemüt, das sich immer und immer wieder van dem ans ihm lastenden Drucke zu befreien sucht. Dabei kommt es zu recht wirkungsvollen Steige- rungcu. Das ^nclnnt« sc«t«uutc> aus der C-Dur-Sonate von Mozart gestalteten beide Künstler zu einem erbebenden Gesäuge, wie er ein dringlicher kaum gedacht werden kann. Es bleibt also nach dabei: Mo zarts Musik vermag uns doch noch etwas zu sagen. Und zum Mitcrleben zwangen die Herren Berber und Stavenhagen, als sie die Kreutzer gewid- niet« A-Dur-Sonate Op. 47 von Beethoven vermittelten. Zwar herrschte in dem ecm vnriarimii einige Willkür bezüglich der Phrasierung, auch wurden an einigen Stellen Ritartandi angebracht, iür die keine innere Notwendigkeit vorlag. schließlich hätte manches von der Violine — so die gebrochenen Akkorde und Passagen im ersten Prestoiatze noch tonschöner, klangvoller wiedcrgeaeben werden können, der Gesamt eindruck aber war tief und nachhaltig. <7urt klaomann. * Berliner Theater. (Neue? Schauspielhaus: „Die Dame mit den Lilien". Phantastisches Lustspiel von Rudolf Presber. 15. Februar.) Freundlicher hätte Herrn PiesberS neues Stück nicht aufgenommen werden können. ES war der Triumph einer besonderen Art Mittelmäßigkeit. Tas ist so merkwürdig an Rudolf Presber: daß er, der Novellen, Skizzen, Stücke, Be arbeitungen, Feuilletons, Theaterkritiken nur so aus dem Aermel schüttelt, immer dabei eine gewisse Anstandsgrenze der Banalität rinzuhaltcn vermag. Und inan kann auch hier — so schlecht dies Lustspiel im Ganzen geriet — von Trivialität eigentlich nicht reden: das klingelt in den Versen gemächlich drei Akte fort, nie mals kommt etwas, das packt und tieferen Eindruck schafft, niemals etwas, das durch grobe Geschmacklosigkeit beleidigte. Es ist eine Künstelei der Glätte, sichere, saubere, kalte Arbeit bewußter Mache, — Herr PrcSber lönnte so auf seine Art das Stück auch ruhig noch ein paar Jahre lang fortdichten. Er schleppt einen Geist über die Bühne. DaS war der Versuch eines Einfalls. Als er die Tat- fache dieses Einfalls bestätigen und, da das moverne Theater doch nur wenig mehr an Geister glaubt, Erklärung und Lösung bringen sollte, zog er sich mit ein paar hübschen Phrasen eilig aus der Affäre. Nannte Len Spuk der weißen Dame, die aktiv in die Handlung eiugreist und einem Prinzen zu seiner Prinzessin verhilft, einfach und gemütlich einen Traum, verbeugte sich ä In Shakespeare zum Schluffe und ließ seinen Helden noch einmal vor die Rampe treten: macht, bitte daraus, was ihr wollt... aus der alten Komödie der Italiener, der Gozzi und Goldoni, zieht ein Lakai auf, der seine Späßchen bei Len Meistern ganz geschickt gelernt hat. verstaubte Rococcograzie, die man gleichfalls ganz geschickt abgeguckt bat, flattert vorbei, man tanzt zweimal endlos Menuett: und daS ist alles. Man wird Herrn Presber dasuc nicht in die Unsterblichkeit geleiten. Im Spiel gab Besonderes bloS Herr Harrn Walden. Er hatte als Prinz, der kriegerisch gegen die Etikette aussährt uns daS Töte-L-TSte mit den Geistern wagte, frische, kecke, lustige Töne. Neben ihm dürfte sich noch Fräulein Elara Goericke sehen lassen. Tie übrige» brachten ihre Figuren mit einem Eifer, der weder entflammte, noch zum Zorn heraus- sorderie. Und man darf die Regie loben, die ein Gobeliuzimmer, eine Schloß- terrasse und den «in wenig karrikaturistisch angehauchten Thronsaal mit rühm lichen Glanze versehen hatte. X. 1', X. * Kleine Chronik. Wie wir auS Breslau erfahren, sind dort in der Gemälde-Ausstellung Arthur Lichtenberg (Schlesi'cher »unstverein im Museum der bildenden Künste) zurzeit verschiedene Werke des Leipziger Knnsllcrvercins ausgestellt. — AuS Barmen teilt man uns mit, daß zur Leitung der zum Gekächtnis des 25. TodeSIageS Richard Wagners diese? Jahr in Holland stattfindenden Bühncnfestspiele der Direktor des Barmer Stadttheaters, Ockert, ausersehen ist.
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