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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.02.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-02-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080219014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908021901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908021901
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-02
- Tag 1908-02-19
-
Monat
1908-02
-
Jahr
1908
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Ve-vß».Prei» Morgen-Ausgabe 8. Lnzeigeu-Prett lür Lech,,, »»» >«-r»rr, deech «ns«, letz« and bpevtteur» w« Hau« zebrachtl >u«,»d« « i»« ««-«»«> »irrlillLdrllch I Pl.. munaMch > vk, ilutgalx I <m»e»e«» ent «dendy »Irrtal» tfihril» «.Sv M. «auaiUch I.SV M. Lurch dl« Poft ,» »r,ieden> <2 mal ltglich» mnerdaid Deullchland» und de« deuinben Kolonien metteliährlich b.2b M., oionotlich l,7i M «u«ichl Post- dellellgeld. OeNerreich I» t! Sv », Ungarn d L olerrellddrlich Ferner in Bel» gier», DLneinart. den Donaukaalen, Frank reich, .llalien, Lul«mdurg. Niederlande Norwegen Nutland Schweden, Schwelg UN» Svanle» In «lleo tdnaen Siaaieu nur dir«kl durch dl» itl»«d d Bl. «rdlllllich, AdonnemeiU<klnnadm»> Buguktutvlatz 8, bei aNieren lidgern. Filialen. Lpediteurea und Suaadmellellei^ lowi« Voütmrern und Br>eirr»geru Dl» «»»«In« »tum a>e« koüei >v Psg. tlrdakNn» »»» «rvedlkl»»» godanorlgall««4 relevb»» «r- t««ä. kr. I4SU3. «r. 146»«. KMgerTllgMaü Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. fttr Inlern«, au» u«i»,i, »»» Umgebung di« ögeloalieu« PeMgeil, S Pt., finanziell« Lnzerg«, 3Ü Pi., gteklame» I w. l »na aulwfitt» » Pt.. NiName» k-W M.! »dmNullanbSllM.. finanz. Nnzelgni7LV1., Neklame» LLV I». Inserat« ». Brddrdr» lm »mUlch en Lell 4VPI. Beilagegedüdr d M. p. laulrnd e»N. Poft, giduhr. GeichLlrianjeigen an drvorlugier Sielle im Preil« erb-hl. Rabatt nach Larri. AelleneUt» iftulträg« ktnnrn nicht »urülk- gezogen werde». Für da» Erscheinen an »«Ulmmlen lagen und Plätze» wir» kein« ltarantti ilbernoinmerr. Nnjelgen-Nnnabmei Luguftufiplatz 8, bei ILmtlichen Filialen u. allen Annoncen- ElpedUlouen de« Io» und Ausland««. Haa»r-SlN«l« tfierllai I«rl »uncker. Herzogl. Baur. Hosbuch- handlung, Illldowstrate IL (lelevbou VI, Nr. 4603). Nr. 49. Mittwoch 19. Februar 1908. 102. Jahrgang. Das wichtigste vom Tage. » König Friedrich August besichtigte gestern in Berlin auch die Ausstellung der englischen Gemälde, nahm an einem Tiner auf der sächsischen Gesandtschaft teil und reiste abends 8 Uhr 25 Min. nach Leipzig ab. Der König traf um 11 Uhr 6 Min. in Leipzig ein. (S. Letzte Lokalnachricht.) * In der Budgetkommission des Reichstages begann gestern die Beratung des Etats für das Neichskolonialamt, wobei Staatssekretär Dernburgu. a. über seine Reise nach Ostafrika sprach. iS. Ttschs. R.) * Nach einer auS dem Berliner Auswärtigen Amte ver lautenden Nachricht hat die Türkei die Zurückziehung ihrer Truppen von der K a u k a s u s-G r e n z e versprochen. iS. Ausl.) - Die italienische Negierung bereitet 2 Grünbücher über Marokko und den Balkan vor. (S. Ausl.) * Das ungarische Abgeordnetenhaus beschloß gegen den Widerspruch Ugrons eine Beileidserklärung für die p o r t u g i e s i s ch e Königsfamilie. iS. Ausl.) Dein Aonig. Das sächsische Königtum mit dem Geist unserer Tage erfüllt zu haben, ohne ihm das Geringste von seiner hohen Würve zu nehmen, wird immer ein Verdienst unseres Königs bleiben. Mag der schöne Traum einer Nationalisierung der gesamten Arbeiterschaft zu früh geträumt worden, mag die Zeit einer völligen Aussöhnung zwischen Königtum und Demokratie noch nicht gekommen sein, so darf doch niemanv behaupten, daran sei bei uns die Krone schuld. Wenn König Friedrich August von Sachsen heute die gewerbe reichste Sladt seines Landes besucht, so will er nicht Fest feiern, sondern wirken zum Wohle des Landes. DaS Programm für des Königs viertägige Anwesenheit in Leipzig ist ein schöner Beweis dieser id.a'ea Aas-assiin-, dcS 'ön'glicken Berufs. Fast möchte man sage-', vag oie Fülle ve» G-woureu eie Krast eines Menschen übersteigt, lind nur daS Vertrauen in das große Verlangen deS Königs nach Betätigung, in seine ungebrochene Kraft und seine Opserfreudigkeit konnte dies Nicsenprogramm rechtfertigen, inner dessen Last manch anderer zusamnrenbrechen würde. Kaum einem Felde des Leipziger Lebens wird der König fern bleiben. Wissenschaft und Kunst ist ein großer Teil der Zeit des Königs gewidmet. Und daß Friedrich August unmittelbar nach der traditionellen, recht kurzen Truppenbesicktizung daS Viertagewerk mit einem Besuch bei Max Klinger beginnen wird, will uns a>S Hohe und seine Ehrung eines großen Leipzigers erscheinen und um io wertvoller, als doch gerade Klinger der Freien und KonikssionSlosen einer ist. WaS ihm nicht überall verziehen wird. Ein anderes kennzeichnendes Moment dieses viertägigen Arbeitsplanes ist aber die große Bevorzugung von Leipzigs Industrie und Handel. Hierin erblicken wir vor allem den Ausdruck des sozialen Wollens unseres Königs. Friedrich August will nicht nur die Erzeugnisse des Leipziger Fleißes, er will diesen Fleiß selbst sehen. In die Betriebe hinein will der König blicken. Er will die Bürger an der Arbeit schauen, die des Landes Stolz ausmacht. Ein ganzer Tag ist sogar fast ausschließlich dieser Aufgabe Vorbehalten worden. Und dem Ehronisten muß die systematische, zähe Art imponieren, in der von unserem König daS gewaltige Gebiet sächsischer Volkswirtschaft studiert und gefördert wird. Wie in Leipzig, so kommt des Königs Interesse für das Wirt schaftsleben seines Volkes auch andernorts zur Geltung. In Chemnitz, in Plauen, überall wo sächsische Hände sich regen, ist man der königlichen Anteilnahme sicher. DaS aber gibt dem Sachsenlande die beste Gewähr für des Königs wohlwollendes Verständnis der sächsischen Notwendig keiten. Und nicht nur der wirtschaftlichen. Wir glauben zu erkennen, daß auch deö Königs politische Stellung durch diesen Einblick in daS Volksleben mit bestimmt wird. Es ist kein Geheimnis, daß die Initiative zum Anfassen des Problems der Landtags- wahlreform direkt auf den König zurückzuführea ist. Er ist eö gewesen, der den sächsischen Gesandten in Berlin, den Grasen v. Hohenthal und Bergen, zum Minister des Innern gemacht, mit der Spezialausgabe betraut hat, die versumpfte Wahlreformfrage zur Klärung und Lösung zu bringen. Und es ist ferner verbürgt, daß das königliche Interesse nach wie vor dieser wichtigsten politischen Angelegenheit Sachsens gehört. Uns ist diese Anteilnahme deS König- eine Frucht seiner wirtschaftlichen Erkenntnis, wie seine- auf Gerechtigkeit gerichteten Wesens. Es wäre im höchsten Maße unbillig, über der etwa nötigen Kritik der Parteien an den Spezialvorschlägen der Regierung zu vergessen, daß doch hinter allem der feste Wille de- Königs auf Reform steht. Friedrich August hat seinem Volke, dem gesamten Volke, in schönem Vertrauen die Hand geboten. Ein schlechter Sachse, wer nicht einschlägtl DaS Hau- Wettin braucht in Sachsen kein künstliche- Fundament. Seine Mauern reichen tief in die Jahrhunderte sächsischer Geschichte und überdauern deS TageS Meinungen. Aber selten ist es einem sächsischen Herrscher beschieden gewesen, die herzlichen persönlichen Sym pathien deS Volke- unter schwierigen Umständen so rasch und fest zu gewinnen, wie Friedrich August. Vielleicht ist gewinnen nicht der richtige Ausdruck. Die Sympathien de- Volkes, selbst deS doktrinär demokratischen Teiles, sind dem König gerade deshalb in so reichem Maße eatgegengebracht worden, weil der Herrscher sich so absicht-lo- in ungezwungenster Natürlichkeit von vornherein in das richtige Verhältnis der Zusammengehörigkeit von Fürst und Volk zu stellen wußte. Und besonders in Leipzig ist die zwanglose Harmonie der Gefühle stets bei Bem-Hen des König- zu beobachten gewesen. Freilich knüpfen den König auch liebe Erinnerungen schöner, sorgenloser Iugendjahre an die Universitätsstadt seines Landes. Und die gesellschaftlichen Beziehungen zwischen dem Könige und der Leipziger Bürgerschaft haben Jahrzehnte in Treue gehalten. Friedrich August ist gern in Leipzig. Deshalb beginnt für Leipzig heute eine Reihe festlicher Tage. Die wirtschaftliche Haupistadt deS Sachsenlandes dankt ihrem Könige in Ehrfurcht und Herzlichkeit und Freude den Besuch. Sie dankt ihm seine große persön liche Liebenswüidigkcit, seine Fürsorge, seine arbeitsfreudige, lebendige Teilnahme an ihrem geistigen und wirtschaftlichen Leben. Sie dankt ihm für den Grundzug seines Wesens, für das Vertrauen und die Treue. Gr lebe der Aönig! Herr Aträtke. Fast eine Woche stand die zweite Lesung deS Postetats auf der Tagesordnung deö Reichstages. Erst gestern ist sie beendet worden und erst in den Abendstunden der Montagositzung batte dir Speziatdebatte begonnen. Bis dahin drehte sich die ganze Diskussion um das Gehalt des SiaatSselretärS, um prinzipielle Fragen in der Verwaltung deö Herrn Kiäike. Gewiß — eS soll nicht geleugnet werden, daß da manches über flüssige Wort geredet worden ist, daß langatmige Wiederholungen ermüreud wirkten. Aber man darf auch nicht übersehen, welche Wichtigkeit der Etat der Reichspost und Telegrapbenver- waltung für den NeichSiag hat. Hier handelt es sich um die Einnahmen und Ausgaben des größten wirtschaftlichen Betriebes, dessen Eigentümer das Reich ist. Ein Verkehrsinstikut, wie eS kein zweites in Deutichiand gibt, auS dessen finanziellen Quellen die Reichskasse vor allem gespeist wird und an dessen Einrichtungen jeder Angehörige des Reiches, für den überhaupt Verkehrsmittel in Betracht kommen, ein lebhaitrS, wohlbegründeteS Interesse hat. Und nicht nur dies. Bei diesem Riesenunternehmen handelt eö sich zugleich um die Frage, wie daS Reich, das hier als Arbeitgeber aufiritt, sich sozialpolitisch zu veihaltcn hat. Hier hat es die Ausgabe zu zeigen, baß die sozialen Pflichten, die eS durch seine sozialpolitische Gesetz gebung wie durch die Reden seiner höchsten Beauuen so oft anderen Arbeitgebern verkündet, nun von ihm selbst auch ni vorbild licher Wei'e erkannt und crzülll weiden. Qie ühir den ^c-stera' " da-um einmal /''»vielen verkebropolitiichen und technsichen Ei.-zelfragen zu tun, dann auch mit der Frage der Behandlung der Beamten und Arbeiter, die im Dienst der Post- und Telegraphenverwaltung stehen. Aber diese Einzelsragen verdichten sich ganz von zelbst bei dem Gehaltspostcn des Staatssekretärs zu der Kard nalfrage, in welchem Geist er als der höchste und ent scheidende Beamte vieles RessortS den.Post- und Telegraphenvertehr ordnet und leitet und welches der Geist ist, der ihn der Beamten schaft gegenüber beseelt. Schon der Umstand nun, daß eS vier Tage gedauert hat, bis Herr Krätke seinen Gehalt bewilligt erhielt, zeigt, daß der Geist der Krcilkc- schen Verwaltung nicht volle Zustimmung im Reichstag findet. Ja — siebt inan sich gar die Reden an, die oon den venchiedenen Pane>- veriretern gehalten wurden, dann kann man nur konstatieren, daß sich da eine Fülle von Unzusriedenhert gegen Herrn Krätte aus gestapelt hak und daß er mit Recht nahezu von allen Seiten des Hauses, am wenigsten noch von den Deulschkonstrvatwen, aber auch von ihnen, angegriffen worden ist. Wo ist eine wirklich große, erfreuliche VerkehrSrcform, die auf die Rechnung deö Herrn Kractke zu setzen wäre! Er kann hier, wie ihm vorgehalten wurde, nichts zu seinen Gunsten ansübrcn. Immer mußte er erst zu Reformen ge ¬ drängt werden. Und wo er von sich aus z. B. mit Tarisverände- r urrgen vorgegangen ist, welches Fiasko ist da nickt erzielt worden! Man braucht dabei nicht aus die erst drohende Aenderung im Telephon- tarifweseu hnrzuweiseii. Hier hat Krälke um Schonzeit gebeten Es werde Gelegenheit sein, über diesen Plan zu reden, wenn die Vorlage vor dem Reichstag zur Verhaudlung stehl. Aber um so schärser lautete das Urteil über die Aushebung der AuSnahmetarise für Postlarten, Drucklachcn, Warenproben und Geschäflssachen im Ortö- und Nachbar- ortSverkehr. Zehn Millionen Mark Hal man von vieler Neuerung erwartet — nur drei Millionen sind eingegangen, dafür aber hat man dem Publikum die Möglichkeit deü Verkehrs durch die Privat posten genommen und ihm das Porto aufs empfindlichste verteuert. Mag Herr Krätke hier einen Teil der Schuld aus andere abwälzen wollen, die kieie .Finanzreform" begünstigten. Er muszie als Verkehrs- Minister deS Reiches wissen, wie schädlich diese Neuerung wirken werbe und wie gering nur ihr Nutzen ausfallen konnte. Und immer noch sträubt er fick, einer Aushebung dieser verkehrten Neuerung zuzustimmen und andere Reformen, wie die Einführung des EinkilopaketeS u. dergl. in die Wege zu leiten. Falicke fiskalische Gesichtspunkte sind ihm wichtiger als ein verkehrsfreundlicher Standpunkt, von dem aus man den Verkehr er leichtert und verbilligt und damit dann gerade erst recht gut- Geschäfte macht. Er ist blind gegen die Erfahrung, daß der Staat das heimische Wirt schaftsleben durch Erleichterung deS V-rkehrS heben muß, wcil der Wohl stand eines Volkes auf der Nutzbarmachung aller produktiven Kräsle beruht, die durch die Fortschritte der Technik und des Verkehrs erleichtert werden. Und konsequenterweise steht »Herr Krätke dann auch der Beamten schaft seines RessortS gegenüber auf einem Standpunkt, der alles, nur nicht moderne», fortschrittlichen Geist verrät. Selbst der konservative Vertreter entrüstete sich über die Verzögerung der Aufbesserung der Be- amtengehälter und kaum ein Diskussionsredner ergriff das Wort, der hier nicht mit seiner Kritik scharf vorgmg. Denn darin sind jetzt alle Parteien des Reichstags einig, daß die einmal, namentlich in Rücksicht auf die anhaltende Teuerung, so dringend notwendigen Auf besserungen auch bald, sehr bald in Kraft treten müssen, wenn sie nicht einen Teil ihres Werte- verlieren sollen. Erfreulicherweise wurde hier auch einmal die Lage der Telegraphenarbeiter berührt, die hinsichtlich ihrer Arbeitszeit und ihrer Lohnverhälinisse einer gründlichen Reform bedarf. Und dann ging eS in da- Gebiet der Beamtenbehandlung hinüber. Sollte man eS für möglich halten, daß heute noch ein hoher Reicks beamter, der in einem konstitutionellen Staat angestellt ist, sick „mit Recht' beleidigt fühle« will, wenn seine Beamten sick a'S Reicksbürger mit ihren Wünsche« nicht nur an ibn, sondern zugleich an die Bolk-vertrrter im Reichstag wenden? Herr Krätke tat es und läßt sich nicht belehren, daß er damit gegen den Geist der Verfassung bandelt! Sollte man e- weiter für möglich halten, daß Herr Krätke einen Beamten mit Einzug eine« Monatsgehalt- bestraft, weil er al« Redakteur s-iueS Fachblattes sagte, daß eS vou den mittleren Beamten als ein Schlag ins Gesicht empfunden werden würde, wenn den Unterbeamten die Mög lichkeit gegeben würde, in die mittlere Laufbahn einzutreten? — Herr Krätke hat dies getan und hält es nach wie vor für recht und billig! Den Vogel aber hat Herr Krätke abgeschofsen mit seiner Stellung im Fall Schellenberg. Dieser Fall, der sich in Wiesbaden ereignete und auch an dieser Stelle schon gestreift worden ist, bat nach der im Reichstag gegebenen Darstellung einen Verlauf gehabt, der noch viel harmloser ist, als zuerst dargestellt wurde. Dr. Schellenberg, einem Mitglied der freisinnigen Vereinigung, ist es nie eingefallen für die Sozialdemokratie zu agitieren, noch auch sich öffentlich zu biüsten, daß er bei der Stichwahl statt deS Nationalliberalen den Sozialdemokraten gewählt hat. Er erzählte dies ganz harmlos, als er in einem Restau rant mit anderen Aerzten zusammensaß. Das hörte die Kellnerin und erzäblte eS an einem „nationalen Stammtisch" weiter. Ein strebsamer Postbeamter a. D. denunzierte darauf den Dr. Schellenberg bei der Frankfurter Oberpostdirektion, und als diese darauf nicht reagierte, klagte er beim Reickspostamt. Dieses sandte einen Beamten nach Wiesbaden, der den Dr. Schellenberg „verhörte". Schellenberg verweigerte die Aussage. Damit war die amtliche Unterredung zu Ende. Nachher, als der Beamte mitTr. Schellenberg gesellschaftlich zusammensaß, erzäblte dieser ihm privatim, daß er den Sozialdemokraten gewählt. Und die Folge? Die ReichSpost löste das VertragSverhältniS mit ihrem Kassenarzt Dr. Schellenberg! Wir billigen die Abstimmung SchelleubergS nicht. Aber ebenso wenig daS Vorgehen der Reichspostbehörde. Ja, da ist nur die schärfste Mißbilligung am Platze. Hier handelt eS sich nicht um die Frage, ob ein festangestellter Beamter einen Sozialdemokraten wählen darf. Hier handelt eS sich um einen Arzt, der einfach in einem Kontrakiverhälinis zu der ReichSpast steht, nachdem er für die Summe von 750 pro Jahrs!) als PostoertraucnSarzt nun schon 14 Jahre gearbeitet hat. Uno vielem in seinem Beruf untadeligen^ hochangesehenen Mann kündigt man in Mißachtung des freien Wahlr-chtS einlach die Stellung, weil man mit seinem Stimmzettel nicht zufrieden ist! Wo bleiben da die einfachsten bürgerlichen Staatsrechte, wenn in dieser Weise die ReickSpostbehöree private Konlrakte nach politischen Gesichtspunkten löst! Ganz zu ickweigeu von den beschämenden Nebenumständen, daß man auf Kellnerinnenllatsch und Denunziantenmache hin in einer für eine R-ichsbebörde — gelinde gesagt — nicht schönen Weise vor gegangen ist. Aber Herr Staatssekretär Krätke bleibt unbelehrbar. Er will auch künftig so vorgehen. Mag der Reichstag sagen, WaS er will! — Ja — ist denn dieser rückschrittliche, schon mehr vormärzlicke Geist in einer Reicksver waltung wirklich heute noch möglich? ' Soll Deut,'chland mit solche» potä.ich-u :.l.d sozia».». Akrichauungeu zum Gcspöil aller Well werden? Uno das in einer Zeu, da man im Zeichen der konservativ-liberalen Paarung steht! Ta waren ja konservative Minister wie Bosse, -der sich freute, wenn seine Beamten offen ihre Klagen vorbrachlen, weil das ein SicherbeitSventil sei — uno selbst Pullkamer, der eö ablehnte, wegen Abstimmungen beim geheimen Reichs» tagowaklreckt zu maßregeln — da waren sie noch liberale Männer!! .Herrn Krälke aber, mit seinen veralteten Verkehrsanschauungen und seiner reaktionären Beamtenpolitik, wurde im Zeichen do- koisteroatio- liberalen Blocks am vierten Tage sein Gehalt bewilligt. Studien zuv Lanötagsordnrrng. Die Landtagsordnung, ein Landcsgesetz, ordnet bi- Rechtsverhält nisse der Landtagsabgeordneten und enthalt gewisse Bestimmungen, die denen der Geschäftsordnung des Reichstages entsprechen. Unterm 12. Oktober 1874 wurde die Landtagsordnung vom 8. Oktober 1857 durch eine neue ersetzt, die unterm 30. Juni 1902 m den Vorschriften über die Tagegelder geändert wurde. In 14 der Landtagsordnung ist vorgeschrieben, daß die Personen des Reichs» und des Staatsoberhauptes nicht in die Verhandlung gezogen werden sollen. Auf die königliche Familie, den Bundesrat, den Reichstag, die Kammern und deren Mitglieder, sowie öffentliche Beamte, auswär tige Regenten und Negierungen soll die ihrer Stellung gebührende Rück sicht genommen werden. Hiernach kann kein Zweifel darüber obwalten, das; auch die Tauglichkeit eines Beamten für das ihm übertragene Amt erörtert werden kann, wenn das Staatswohl eine solche Erörterung gebietet. Die Rücksicht auf den einzelnen hat hinter der Rücksicht auf das Staatsganze zurückzustehen. Nicht nur die Wirksamkeit und Fähigkeit eines Beamten ist möglicher Gegenstand einer Landtagserörterung, son dern auch seine Anstellung, wofür ja der Ressortminister dem Lande ver» antwortlich ist. Ter Minister steht auch für die Zweckmäßigkeit solcher Bcamtenernennungcn ein, bei denen der König das Bestallungsdekret voll- zogen hat; denn das Vestallungsdekret gilt nach der Versasinng als er- chlichen und unverbindlich, wenn ihm die ministerielle Gegenzeichnung chlt. In manchem Betracht ist eine Erörterung von solchen Personal ragen für alle Beteiligten schwierig. In der Beamtenhierarchie jedes Gemeinwesens svielen die persönlichen Beziehungen der Verwandtschaft, Eouleurbrüderschast sBierfamilic) usw. ihre Nolle. Bei bestehenden Staaten gibt man das nicht offiziell zn. Bei erledigten Staaten scheut man sich nicht, das Konnexionswesen im geschichtlichen Lichte als eine Staatscinrichtung zu behandeln. So weiß jeder Kenner der deutschen Geschichte, was man unter den „schönen Familien" des Königreichs Hannover zu verstehen hat. Selbstverständlich besteht bei den Ange- hörigen solcher „schönen Familien" während der Aktualität ihres Staates eine begreifliche Abneigung gegen die Erörterung von An stellungsfragen. Das ist eine logische Konsequenz des Krippenpartiku- larismus. Gewiß gibt eS auch viele sachliche und ohne weiteres anzuer- kenncnde Gründe, die gegen die Erörterung von Personalfragen sprechen. Man kann einem Beamten nicht durch eine Landtagscrörterung das persönliche Ansehen rauben und ihn doch im Amte lassen Dadurch würde der Staatsdienst und damit das StaatSwohl leiden. Hiergegen gibt 8 14, Abs. 3, der Landtagsordnung einen gewissen Schutz. Er lautet: „Wer öffentliche Beamte pflichtwidriger oder solcher Handlungen beschuldigt, welche geeignet sind, dieselben in der mfentlichcn Meinung hcrabzusctzen, ist verpflichtet, auf Verlangen der Negierung die Tatsachen und den Namen der betreffenden Perlon dem Präsidenten zur weiteren Mitteilung an die StaatSregierung anzugeben." Diese Bestimmung spielte am 4. Februar 1908 in den Landtagsver handlungen eine gewisse Nolle, als der Abgeordnete Günther bei Kap. 43 Titel 7 des Etats des Innern den Posten für Tagegelder und Reise kosten bemängelte, der mit 471 400 .E im Voranschlag- figurierte, aber auf 514 859 angewachsen war. Der Abgeordnete Günther bat mit seiner Rüge seine Abgeordnctenpflickt erfüllt. Er verlangte von der Zentralbehörde Nachprüfung der Berechtigung der vorgekommenen Dienstreisen. Wenn daraufhin der Minister von ibm Auskunft nach 8 14, Ablaß 3, der Landtagsordnnna verlangte, so war das unseres Er achtens unbegründet. Neber die Berechtigung von Dienstreisen kann man sehr verschiedener Meinung sein. Ter Landtagsabgeordnete bat hierbei auch die strenge Ansicht des Steuerzahlers zu vertreten. Bc- zweifelt man von diesem Standpunkte aus die Berechtigung einer Be- omtendienstreise, so bezichtigt man noch niemanden einer pflichtwidrigen Handlung. Wie sehr die Ansichten über Dienstreisen auScinandcrgchcn
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