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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.02.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-02-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080228014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908022801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908022801
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-02
- Tag 1908-02-28
-
Monat
1908-02
-
Jahr
1908
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Dezu-O-Prel» Morgen-Ausgabe 8. Lnzeigr»-Prri» v»rch »«, G«< »<,iebr»i fl «al lL,Iich> maeihal» Drukichland» «>» d«, »«nckx» e»I»ai«a M<net,-br1ich L.» —«Ul'» l.7i M «u«,chl «,L brft«0gkN. i», OrUerrnch » U 88 o, U»,«r» 8 e «arialMdrl,» A«r«r ni v«i- xva, Lü»«m»rt. »»» Danaukaalin, Frank reich, Zlalie», Uukesdur». «uverlaade, Nnr»««»» Mntzlaii» Schi»«»«». S»«ettz »a» vnaiü«» An »Le» «driae» -«aarrn «r »»«V »«rch — E»<ch » «. «dtUlich. Ildanar—ia-klnnad— > >»,«ft,<platz 8, bei an»««« l'taer^ Filiale». Lvediieure» »n» SiiaaveuVellen, l»»i» Vecktnuer» an» Vr>«»iraa»r» Dt» E»»»e, tnch« I» D^> vlebakti»» —» «rnebtktn», Ao»aa»l»^8« 8. r«I»»W, «r. «e. l««r «» »«< eipugerTagtblalt Handelszeitung. Amtsblatt -es Rates und -es Ralizeiamtes -er Lta-t Leipzig. luglei laril. le» «. «Le» Nnnenee» 3» »n» «ntlande«. »«««.»MU, «erlt», T«l >»»«««, tzer»»,U vanr. baut In»-, Vttz2ä»r»b» IN «eu»^. ei. «r.««). Nr. 58. Freitag 28. Februar 1908. 1Ü2. Jahrgang. Da» wichtigste vonr Tage. * Das Herrenhaus nahm mit 143 gegen 111 Stimmen den Antrag Adickes, Wiederherstellung der Ostmarkrnvorlaze in der Fassung des Abgeordnetenhauses und damit die ganze Vorlage an- sS. d. des. Art.) * Der Bundesrat erteilte gestern dem Gesetz über Aendcrung des Gerichtsversassungsgesrtzcs und der Zivilprozeß ordnung seine Zustimmung. * Der ReichSanzeigrr veröffentlicht das Gesetz über die Be strafung der Majestätsbeleidigung. * DaS Reichsgericht verurteilte gestern den Former und Redakteur Oestreich wegen Hochverrats zu drei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrenrechtsverlust. (2. d. bes. Art.) * Die Leipziger.Jmmobiliengesellschaft ist durch ihren Kassierer, der sich kürzlich erschossen hat, um annähernd 100000 geschädigt wordeu. sS. Handelsteil-s * Oesterreich widerspricht aufs entschiedenste der Er ¬ nennung eines Gouverneurs für Mazedonien durch die Mächte. lS. Ausl., * Sandjbulak ist vom den Türken nicht vollständig geräumt. Die Untesverfunz der Kurden hat sich iufolgedessen verzögert. sS. Ausl.) * FairbankS hat seine Kandidatur für die amerikanisch: Präsidentschaft ausgestellt. sS. Ausl.j Di- j)ol-nvovlag- irn pr-uhiseh-n H-vr-nharr». Seit dem Jahre 1872 hat eS im Herrenhaus nicht eine so scharfe Opposition gegen eine Regierungsvorlage gegeben, wie in dem Kamps um das neue Polengesetz, um das Enteignungsrecht. Damals galt der Widerspruch der preuvnchen Lords der neuen Kreisordnunz.. Gewich tige Mqchttragen standen für die „edeln und erlauchten Herren" aut dem Spiel. Sie trotzten dem eisernen Kanzler, weil er ihnen zu liberal war. Es half ihnen nichts. Eine entschlossene Regierung kann mit diesem hohen Haus auf eine sehr einfache Weise fertig werden und dabei doch ganz vertafjungsmäßig korrekt verfahren. Das Herrendaus re präsentiert ja reinen Volkswillen, an den man erst durch das Mittel der Auflösung dieses Parlaments zu appellieren braucht. Es kann einfach dadurch gefügig gemacht werden, daß die Kron: eine so große Anzahl von Mitgliedern ernennt, als notwendig ist. um ein: andere Majorität zu schaffen. Bismarck griff zu diesem Mittel und wurde Herr auch über das Herrenhaus. Seitdem bat kein preußischer Ministerpräsident nach ihm eine Opposition gefunden, wie Bülow sie in diese» Tagen erlebt. Das stille aristokratische Haus an der Leipziger Straße hat sein Aussehen völlig verändert. Die sonst gähnend leeren Zuschauertribünen sind überfüllt. Selbst die Plätze der Presse sind am ersten Taz vom Publikum befetzt wordeu. Herren und Damen aus der vornehmen Gesellschaft, deren Angehörige unten im Sitzungssaal die Enteignung des Grund und Bodens in scharfen Worten bekämpfen, haben die Journalisten kurzer- Hand ihrer Tribüne enteignet! Die Diener zucken ratlos die Achseln und die Presse muß in die em hohen Hause froh sein, in drangvoll fürch terlicher Enge ihrer Pflicht Nachkommen zu können, lieber dem Sitzungssaal aber liegt es wie ein schwerer Druck. Man empfindet es klarer, als wie es von den Rednern ausgesprochen wird — welches der Kernpunkt des Kampfes ist, der dort unten ausaefochten wird. Es ist die alte Streitfrage, die durch die preußische Geschichte grht, ob das Staatswohl über den Besitzinteressen des ostelbischen Agrariertums steht oder ob es sich diesen unter allen Umständen anpassen muß. Was schon die Agrarier des Abgeordnetenhauses ausgesprochen habe», hier im Herrenhause wird eS von ihren hocharistokratischen Berufsgenossen noch viel schärfer und prinzipieller erfaßt! DaS Eigentumsrecht am Grund und Boden ist so heilig, ist so unverletzlich, daß auch im hef tigsten Nationalitätenkampfe, bei dem das Deutschtum in bedrohter V^c- teckigunaSstellung steht, der ererbte Besitz höher gewertet werden soll! DaS politische Geschick der Großgrundbesitzer, ihr Wohl und Wehe als daS des Staates hmzustellen, ein Geschick, das sie in so einzigartiger Weise in den parteipolitischen Kämpfen durch Jahrzehnte hindurch ge- zeigt haben — versagt hier. Der Konflikt ist da. Mag eS sich bei ihm auch praktisch nur um ein kleines Stück Land handeln, er wird in seiner theoretischen Bedeutung mit voller Schärf: erfaßt. Er wird grundsätzlich zu einem Kamps zwischen dem nationalen Interesse deS Staates und den Sonderinteressen der politisch und gesellschaftlich in Preußen einflußreichsten Schicht der Bevölkerung. Wer wird in diesem Kampfe siezen — die Regierung, die das nationale Interesse als höchsten Gesichtspunkt vertritt, oder jene, die sich diesem Interesse nicht beugen wollen, weil sie in dem Zugeständnis an daS EnteianungSrecht der Re gierung ein« Erschütterung ihres ganzen Daseins kühlen? Der erste Tag der DÄatt« im Herrenhaus brachte keine Ent scheidung. Er zeigte nur die verschiedene Taktik, die die streitenden Parteien verfolgten. Die Gegner der Vorlage führten das schärfste Ge schütz inS Feld. Die Regierung mußte sich sagen lassen, daß sie dem U m - stürz in di- Hände arbeite, wennsie das Enteignunasrecht für sich fordert. Und zugleich gostrn die Mirbach, LuciuS, Schulendura und sogar der greise Feldmarschall von Haesel:r eine Flut der Kritik über di« ganz« Polenpolitik der Regierung von dem Tage an, da man Jlot- welS Politik verlassen habe. Die Augen der polnischen Zuhörer auf der Tribüne glänzten vor Freud:. Welches Wasser auf ihre Mühle. Sprach aber ein Redner im Sinne der Regierung, dann wurde er kaum verständlich. Durch das hohe HauS ging ein Brausen, das die Worte der Redner verschlang. Ganz anders die Regierunz. Ihr fehlten die scharfen Worte. Sie wollte vor allem einmal durch ruhige Darlegung überzeugen. Ein vergeb liches Bemühen, in dem sich zuerst der LandnurtschaftSmimper v. Arnim ermng, dann Fürst Bülowin eigener Person als preußischer Minister präsident. Don ihm mußte man eine andere Rede erwarten. Er biß sich saft nur aus den Gedanken fest, daß eS uns gleichgültig sein könne, wie daS Ausland über die Polenvorlage urteile. Gewiß mochte eS ihn reize«, diesen Gedanken auSzuspinnen und in beliebter Art mit histo rischen Notizen zu versehen — zumal da ein so konservativer Mann wie Mirbach daS Ausland gegen Bülow auSgespielt hatte, eiu Argument, daS man sonst gerade in diesen Kreisen verurteilt! Aber Bülows natio nale Töne machten auaeuscheiulich wenig Eindruck, so wenig wie die Be rufungen auf BiSmarck. Di« ganze Taktik, freundlich zuzurcken. anstatt in Schärfe vorzugeh:» — war ohne sichtbaren Erfolg. Dazwischen kamen die Vermittler zum Wort, v. Wedelt-PieS- darf, der der Regierung wenigstens die Befuznis geben wollt«, allen Besitz zu enteignen, der nicht wenigstens 22 Jahre in einer Hand sich besticket, und Oberbürgermeister «dicke«, der die Beschlüsse des Ab geordnetenhauses wieder Herstellen wollte. Ihre Ausführungen hatten nur den Wert, die Situation zu klären. Die Regierung lehnte es ab, auf Wedells Vorschlag einzugehen, aber sie ist bereit, dir Vorschläge von Adickes zu akzeptieren. L>o wußte man wenizstens am Schlüsse der Mittwochdebatte, wie sich die Entscheidungsfrage endgültig stellt, ohne daß man aber sagen konnte, welche Beantwortung sie erfahren werde. Denn wer will im Herrenhaus Voraussagen, wie die Stimmen fallen werden? Dort fehlt das scharf ausgeprägte Fraktionswesen. Es wird durch lose Gruppen ersetzt, die aber auch nur einzelne Kreise der Mit glieder umfassen. Dazu ist die Stärke des Besuchs in dem hohen Hause fo verschieden wie möalich. Wann mögen wohl einmal auch nur an nähernd die 330 Mitglieder vollzählig beisammen gewesen sein? So war es ganz ungewiß, wie die Entscheidung sollen werde. Immerhin blieb wahrscheinlich, daß die Negierung eine Mehrheit finde. Denn so gewichiig an politischem Einsluß und gesellschaftlichem Ansehen auch gerade die Führer der agrarischen Opposition sind — rein zahlenmäßig haben sie und ihre Anhänger an sich im Herrenhause nicht die Mehrheit. Die Gefahr für die Negierung lag darin, daß auch andere Kreise als die agrarischen durch rechtliche Bedenken gegen das Entcignungsverfahrcn diese Mehrheit bilden Helsen könnten. Gerade für diese Kreise war die Rede des Justizminister Beseler berechnet, mit der er als erster Redner vom Negierungstische ans gestern, am zweiten Tag, in die Debatte eingrisf. Er suchte vor allem darzulegen, daß die Enteignung mit der Verfassung vereinbar sei. Schon das allgemeine Landrecht kenne sic. Der gewählte Weg sei rechtlich unanfechtbar, lind mit einem gewissen Pathos wies er darauf hin, daß doch die Minister, daß doch alle Ver treter der Regierung durch ihren Eid gebunden seien, an der Der- fassunq sestzuhalten und gegen sie nichts zu tun, auch nicht gegen sie einen Vorschlag machen würden. Schärfer sprach gestern im gleichen Sinn FürstBülow. Er suchte die rechtliche Frage ebenfalls zugunsten der Vorlage zu entscheiden und wandte sich dann mit weit größerer Wärme als am Tage zuvor in einem Appell an das Haus, um es zur Annahme der Vorlage zu bewegen. Ihm sekundierten noch die Minister v. Nheinbaben und v. Arnim. Es mag dahingestellt blecken, ob diese Reden die Entscheidung des Hauses beeinflußt haben. Nebenher sind zweifellos Verhandlungen über Verhandlungen hinter den Kulissen gepflogen worden. Die für die Regierung noch am Abend des Mittwoch so ungünstige Stimmung im Herrenhaus hat sich im Verlauf des gestrigen Tages verändert. Das politische Barometer stieg zugunsten Bülows. Die Abstimmung brachte schließlich einen Sieg der Negierung. M i t 143 gegen 111 Stimmen wurde der Antrag Adickes angenommen, der die Wieder herstellung der Ostmarkenvorloge in der Fassung des Abgeordnetenhauses erstrebt. Damit ist die ganze Vorlage gerettet. Zwar ist dieser Sieg nicht überwältigend. Nur 17 Stimmen auf feiten der Opposition mehr - und die Vorlage wäre gefallen, Aber Preußen und mit ihm Deutschland ist so davor bewahrt geblieben, vatz der nationale Gesichtspunkt, der diese Vorlage rechtfertigt, wirtschaftlichen Sonder interessen und doktrinären Nechtsanschauungen unterlag. Und das ist, wenn inan die heftige Opposition aus sonst so mächtigen Kreisen Preußens in dem gemeinhin so wenig oppositionslustigen Herrenhause bedenkt, ein Ereignis, das auf das Gewinnkonto unserer nationalen Politik gesetzt werden darf. Aus -SNA Reichstage» Berlin, 27. Februar. sPrivattelegramm.s 1. Der „Kleine Befähigungsnachweis". Im Plenum des Reichstages war heute der Tag der Meister. Schneidermeister, Schreinermeister rückten auf den Plan. Aber es waren doch auch einige andere da, sozusagen „Akademiker" oder ähn liche Leute. Es handelte sich um eine der Gewerbenovellen, die reichstagamtlich nur durch die Nummer der Drucksache unterschieden werden. Der Inhalt wird am besten durch das Schlagwort „Kleiner Befähigungsnachweis" gekennzeichnet. Man weiß schon soit längerer Zeit, daß in dieser Frage Uebereinstimmung herrscht von der äußersten Rechten bis zur Freisinnigen Volkspartei. Der allgemeine Befähigungsnachweis nach österreichischem Muster hat an Anhängern verloren. Nun will man nur einen Druck ausüben, daß die Meister prüfung gemacht wird. Wer sich des Ehrenrechts der Handwerkskunst erfreuen will, ihr neue Jünger zuzuführen, d. h. Lehrlinge anzunehmen, muß das Recht der Führung des Meistertitels haben. Sowohl die Re gierung, als manche Freunde dieses kleinen Befähigungsnachweises legen Wert darauf, zu betonen, daß er nicht etwa der Vorgänger des allge meinen großen werden soll. Herr v. Bethmann-Hollweg hatte es leicht, der Vorlage empfehlende Worte auf den Weg zu geben, und verschwand dann aus dem Hause, um erst gegen Schluß wieder zu er scheinen. Seine Vertretung hatte inzwischen Direktor CaSper, der auf eine Anfrage die nicht unwichtige Mitteilung machte, daß ein Ge- setzentwurf über die Abgrenzung von Fabrik und Handwerk augen blicklich nicht in Vorbereitung sei. Die Debatte wurde durch Herrn Malkewitz lKons.) eröffnet. Der greis« Euler (Ztr.1, ein alter Vorkämpfer für Handwerker-Wünsche, folgte als zweiter. Es war doch immerhin bemerkenswert für die Ausgleichung der früheren, auf diesem Gebiet so scharfen Gegensätze, daß der Zentrumsabaeordnete auch den Nationalliberalen ein freundliches Wort gönnte, worüber deren Redner Linck mit Dank quittierte. Etwas Leben wurde in das Haus getragen durch den Abg. Albrecht, besten Name dadurch sehr bekannt geworden ist, daß er als erster unter sozialdemokratischen Anträgen zu stehen pflegt. Später machte sich noch ein zweiter Redner aus dieser Partei, Lehmann, auf die Tribüne und hielt eine der längsten Reden des TageS. Die Freisinnige Volkspartei war durch Carsten, die Deutsche Bolkspartei durch den Schwaben Wieland vertreten. Herr Linz (Rpt.1 gehörte zu den obenerwähnten „Akademikern". Aus der vollen Praxis httauS konnte Rieseberg sWirtsch. Vgg.) sein Sprüchlein sagen. Der Pole KulerSki wollte weder ja, noch nein sagen. End lich sprachen noch Herr Ahlhorn (Frs. Vpt.) und der Antisemit Bruhn. Als man am späten Nachmittag sich di« Bescherung besah, war man noch nicht so weit, um die Vorlage an die von konservativer Seite beantragte Kommission zu verweisen, und die Frage, ob man eine 28- oder 21gliederige wählen sollte, blieb noch unentschieden. 2. Sprcechenfrage und BereinSgesetz. Die Kommission deS Reichstages für daS Vereins gesetz verhandelte heute über den bisher zurückgestellten 8 7 des Ent wurfs, den sogenannten Sprachenparagraphen, der nach der Roaierungs- fastung folgenden Wortlaut hat: „Die Verhandlungen in öffentlichen Versammlungen sind in deutscher Sprache zu führen. Ausnahmen sind mit Genehmigung der LandeSzentralbehörde zulässig." Zentrum, Polen und Sozialdemokraten beantragen vollständige Streichung. Für den Fall der Ablehnung dieser Anträge wünschen die Abgg. Brejski (Pole! und Gen. folgenden Zusatz: „Als deutsch sind alle Sprachen und Mund arten zu behandeln, welche im Deutschen Reich von RoichSangehörigen als Muttersprache gesprochen werden." Die Abgg Dr. Müller (Meiningens, Träger (Jrs. Vpt s und Gen. haben folgenden Antrag gestellt: Den 8 7 zu fasten, wie folgt: 1) Die Verhandlungen in öffentlichen Versammlungen (tz 3 Abs. l) sind in der Regel iu deutscher Sprache zu führen. 2) Wenn in einer öffentlichen Versammlung in oiner fremden Sprache verhandelt werden soll, so haben die Veranstalter die nach 8 I Abs. 1 erforderliche Anzeige mindestens dreimal 24 Stunden vor dem Beginn der Versammlung bei der Polizeibehörde zu erstatten. Bei der Anzeige muß die Msicht, in fremder Sprache zu verhandeln, mitgeteilt werden und die Bezeichnung dieser fremden Sprache selbst erfolgen. 3) In Versammlungen, für welche die in Absatz 2 vorgeschriebenc Mitteilung von dem Veranstalter nicht erfolgt, ist der Gebrauch einer sremden Sprache nicht erlaubt. 4j Die Anzeige gemäß Absatz 2 wird durch die öffentliche Bekannt, machung nicht ersetzt. 5) Ohne die ausdrückliche Einwilligung des Veranstalters oder des Leiters einer öffentlichen Versammlung darf in derselbe» in einer wicht- deutschen Sprache nicht verhandelt werden. 6) Die Landcsgesetzgebung kann die Einhaltung der Bestimmungen in Absatz 2 bis 4 ganz oder teilweise erlassen. Abg. Fürst Nadziwill (Pole) bittet um Ablehnung des 8 7, eventuell um Annahme des Zusatzantrages der Polen. Abg. Dr. Müller (Meiningenj: Wir haben versucht, eine Lösung zu finden, die allgemein als ein annehmbarer AuSweg anerkannt werden könnte Unsere Anträge beruhen auf einem Kompromiß innerhalb der frei- sinnigen Fraktionsgemeinschaft, von dem abzugehen wir keinerlei Berechtigung haben. Nach unserem Antrag kann die notwendige Uebcrwachung dnrchgeführt werden; wenn uns die Regierung jedoch das Gegenteil nachweist, werden wir weiter entgegenkommen müssen. Die in Elsaß-Lothringen geltenden Bestimmungen müssen aufrechterhalten bleiben, deshalb haben wir oinen entsprechenden Zusatzantrag einge bracht. — Abg. Dr. Vonderscheer (Ztr.1 bespricht die Verhältnisse in Elsaß-Lothringen. Der erste Statthalter Generalfeldmarschall von Manteuffel habe bei Uebernahme seines Amtes erklärt, der Bevölkerung keine neuen Wunden schlagen zu wollen. In Elsaß-Lothringen habe diese Sprachenbestimmung deS Entwurfs eine große Beunruhigung her vorgerufen. Er könne nur in allem Ernst vor den Folgen der Annahme der Regierungsvorlage warnen. — Staatssekretär v. Bethmann- Hollweg erklärt, heute von sachlichen Erörterungen absehen zu wüsten, da die beiden polnischen Abgeordneten nicht anwesend seien. Man vertagt die Beratung auf morgen. Des Nasi-Prozesses Ende. (Von unserem Römischen Korrespondenten.) Rv«, 24. Februar. - Die cieeromamsch« Beredsamkeit und die zwingenderen Argumente waren diesmal auf feiten des Angeklagten und Verurteilten. Italien darf sich freuen, in dem Advokaten Murat ori, der Nasi verteidigt hat, einen Rhetoriker ersten Ranges zu besitzen, und zu Wassew, daß eS in Nasi einen der wenigen Staatsminister besessen hat, der seine Handlungen an patriotischen und Humanitären Ideale» orientierte und nur in der Verwirklichungsweise dieser Ideale vielfach „inkorrekt" ver- fuhr. Außerdem hat es in seinem Senat eine außerordentliche Gerichts- instanz entdeckt, deren Pflichteifer und Energie nicht minder außer ordentlich ist, und die in verhältnismäßig kurzer Zeit einem vierjährigen Prozeß zum Ende verhalfen hat, also für jene italienischen Gerichte vorbildlich sein sollte, die geständige Schuldige seit sieben Jahren in Untersuchungshaft halten. Außerdem hat Italien freilich wenig Anlaß zur Freude. Ein Minister des Staates, der wegen fortgesetzter Betätigung einer Unter- schlagungsahsicht hat verurteilt werden müssen, ist, wie auch immer mar. über die Zulänglichkeit des Schuldbeweises denken mag, eine Schande der Nation. Denn ein Minister kann unmöglich Unterschlagung ver üben, ohne daß der Beamtenorganismus des Ministeriums eine schwere Mitschuld hat, ohne daß die Oberrechnungskammer und andere Kon trollinstitutionen mit Einschluß der Budaetkommission der Deputierten kammer schlecht funktioniert haben. Es kommt hinzu, daß die Verband- lungen vor dem Senat den Ursprung der Anklagen Nasis als so trübe wie nur irgend denkbar öffentlich aufaezeigt haben. Wir haben Sozia listen gesehen, die mit anonymen Briefen zu manövrieren begannen und schließlich, als ihr Treiben Beachtung fand, offen damit hervortrateu, „einen nach dem anderen" von „diesen Trägern der bürgerlichen Insti tutionen mit allen Mitteln bekämpfe» und mit Nasi um so lieber be ginnen zu wollen, als er das ersehnte Bekenntnis der Organisation der Mittelschullehrer zum Sozialismus verhindert hatte. Wir hoben den Unterstaatssekretär Cortese gesehen, der nicht bloß in Nasis Ministe- rium den Spion für den damaligen Konkurrenten Nasis um das poli tische Erbe Zanardellis gemacht hat, sondern sein niedriges Anklage material gegen Nasi zur Erpressung einer Berufung auf eine ordentliche Universitätsprofessur für sich auszunutzen vergeblich versucht hat. Wir habe» den Budgetreferenten der Kammer, Deputierten Saporito, ge- sehen, der Zeugen bestochen bat, damit sie -um Schaden Nasis, seines Konkurrenten um den Einfluß auf Sizilien, den tatsächlicyen Empfang von Subsckienqeldern leugnen sollten. Wir haben eidlich bestätigt be- lommen, daß amtierende Minister den Haftbefehl gegen Nast fertig ge habt und Polizisten zu seiner Verfolgung ausgeschickt haben, lange bevor die Deputiertenkammer die Anklage Nasis und im besonderen die Aus hebung der versastunaSrechtlichen Garantien in bezug auf ihn genehmigt batte. Wir haben Beamte des Ministeriums kennen gelernt, die Falsches ausgesagt haben gegen Nasi, um so ihre eigene Verantwort lichkeit zu entlasten. Wir haben endlich aus dem Munde von amtieren- den und früheren Ministern und von Beamten der OberrechnungS- kammer gehört, daß andere Minister eine verwaltungs- und strafrecht liche Nachprüfung ihrer amtlichen Geschäftsführung ebenso oder ähnlich schlecht bestehen würden wie der eben verurteilt« Nasi. — Doch, wie dem auch immer sei, so darf man hoffen, daß die Sentenz des Senats wenig stens eine heilsame Mahnung sein wird, daß die persönlichen Faktoren deS italienischen Staatsorganismus sich schärfer auf ihr« Obliegen heiten besinnen, und daß die sachlichen Faktoren von der Korruptheit und Inexaktheit, die ihnen heilte in großem Maße noch eignet, geheilt werdeu wüsten. Di« Verurteilung Nasis wird in Sizilien natürlich mit Entrüstung ausgenommen werden, und man wird sortfahren, in Nasi das Opfer einer persönlichen, politisch interessierten Verfolgung zu sehen. Wir haben schon früher auf die Konstitution einer sizilianischen Liga mit be denklichen republikanischen und separatistischen Neigungen hingewieien, und es scheint uns, wie übrigens den hiesigen Zentralbehörden, welche bereits für eine große Verstärkung der Militärbesatzuna Siziliens ge- sorgt haben, zweifellos, daß es zu lehr ernsten öffentlichen Manifesta- tionen in Sizilien kommen wird. Ter Manifestationen und Neigungen wird man Herr werden, aber man wird nicht verhindern können, daß Trapani bei Nasis Lebzeiten keinen anderen Deputierten erwählt, al« eben Nasi, und daß vielleicht eine- TageS nach Ablauf der Straffrist Nasi wieder fähig ist, — zum drittenoral Minister deS Königreichs zu werden. Allerdings er seckst sagt, daß er die Lust zu jeder weiteren Anteilnahme an Italiens öffentlichem Leben verloren habe, und unter dem unmittelbaren Eindruck der heutigen Sentenz sind auch die Zeitun gen darüber eisig, daß Nasi politisch tat sei.
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