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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.04.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-04-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080401022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908040102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908040102
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-04
- Tag 1908-04-01
-
Monat
1908-04
-
Jahr
1908
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Amtsbsatt des Rates und -es Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. sstr Inierate an« t!eu>,ia und Um,ebn», di» staeipaltra« Petit,e>le 2b Pi., finanziell« Antigen 3Ü Pi., «estamen 1 M., »on aulwärtl SV PI., Beslame» 1.3V Vl.; »»msturlandSVPi., ftnanz. stn^igev7LPf., Reklamen ILO M. Jnlerativ. Bebdrdro io. <nnNiche»Deil4()Pi. Beilagegebübr b M. p. Tauiend exst. Post- gebühr. Geichäst4uw»eigen an bevorzugter Stelle im Prelle erdSht. Rabat! nach Laris, gefterleilte Auitrckge künnen nicht ,urü<k- aezogea werden, ,zür da, ltricheinea an beftimmten Tagen und Plätzen wir» lein» Garantie übernommen. tln,«igen»stnnadme: Nugullnlplatz 8, bet sämtlichen Filialen u. allen Annonce»» stlpeditwnei, de« Ja- und Autlaadest Panpt-Stltale Berlt», Larl Duncker, Herzog!. Bayr. Hostuch» Handlung, Lützowstrabe Id. (Telephon VI, «r. «SUch» Mittwoch l. April 1908. 102. Jahrgang. Dar wichtigste vom Tage. * Die Ankunft des Kaiserpaares auf Korfu ist auf den 8. April verschoben worden. (S. Dischs. R.) * An Stelle Towers wurde von Roosevelt Dr. Hills Ernennung zum Berliner Botschafter vollzogen. (S. DtschS. R.) * Die russischsnReformvorschlägefür Mazedonien fanden die Zustimmung des Sultans. (S. Ausl.) * Präsident Falliere» von Frankreich wird seine Reise nach Petersburg ausdehnen. (S. AuSl.) Lower-Hill. Erst kürzlich wurde im Reichstage die Frage unserer diplomatischen Vertretung im Auslande erörtert, und Herr v. Schön gab die bekannte Erklärung über die Reform der Vorbildung für unseren diplomatischen Nachwuchs ab. Neben seinen offenbar gutgemeinten modernen Forde rungen verlangte er nachdrücklich für den jungen Diplomaten neben kapitelfester Gesundheit, sicherem Benehmen, u. a. auch «in größeres Privatvermögen. Das scheint also für die deutsche Diplomatie noch immer die «mckitio sius qua uou für einen tüchtigen Auslandsver treter zu sein. Anderer Meinung scheint die amerikanische Regierung, denn Herr Hill im Haag, der schon seit langem für den Ber liner Botschafterposten vorgesehen war, sogar schon im „Gothaer" steht, galt nicht als übermäßig reich. Nebenbei gesagt, soll er den größten Teil seines Vermögens zur Gründung einer Universität in seinem Vater lande hingegeben haben. Nachdem dieser Mangel an Reichtum — so ganz unvermögend wird Herr Hill auch nicht sein — die ganze Zeit über kein Hindernis für den Antritt seines Berliner Amtes zu bilden schien, traten erst unklare, dann immer deutlicher werdende Meldungen auf, daß Herr Hill in Berlin nicht „genehm" sei. Diese Preßerörterungen führten schließlich zu der bekannten offiziösen Note und dem Eutschuldigungsbesuch unseres ameri kanischen Botschafters bei Roosevelt, der zu der langatmigen Erklärung führte, die wir im heutigen Morgenblatt gebracht haben. Nach allem, was bisher bekannt wurde, scheint so viel festzustehen, daß Herr Tower auf Wunsch des Kaisers nach Washington geschrieben hat, Herr Hill hätte nicht die finanziellen Mittel, um die Vereinigten Staaten in einer ihrer Weltmachtstellung entsprechenden Weise in Berlin zu vertreten. Nach einer anderen Version soll der Kaiser sogar selbst mehrere streng private Schreiben in dieser Angelegenheit nach Washington gerichtet haben. Die Sache läuft also, ähnlich wie im Fall Twcedmouth, ganz wieder auf eine jener „Impulsivitäten" hinaus, die unsere Politik schon in so manche Verlegenheit gebracht und unseren Diplomaten so viel Kopfweh oerursacht haben. Auch jetzt werden es diese Herren auszubaden haben, bis wieder die „unverändert freundschaftlichen Beziehungen" zwischen beiden Großmächten von ihnen konstatiert werden können. ES ist nach all den peinlichen Erörterungen nicht daran zu denken, daß Tower in Berlin bleibt, er wird Wohl als der etwas blamierte Euro- päer in der Versenkung verschwinden. Dagegen wird die amerikanische Regierung, schon zur Wahrung ihres Ansehens, kaum anders können, als Dr. Hill zu seinem Nachfolger zu ernennen, ob allerdings dieser noch große Lust verspürt, nach Berlin zu gehen, möchten wir bezweifeln. Aber, die Mißstimmung, die diese Affäre in Amerika erregt hat, wird mit dem Verschwinden des Herrn Tower nicht gleichen Schritt halten, sie wird länger bleiben und, müssen wir leider zugeben, mit Recht. Was nützt die Fahrt des Prinzen Heinrich, was die — nicht immer sehr würdigen — Anbiederungen „Speckhs" mit Roosevelt, wenn jahrelange Bemühungen und ernste Arbeit durch einen dieser sich immer wiederholenden impulsiven Zwischenfälle zunichte gemacht werdeu. Mit vollem Recht verwahrt sich die amerikanische Presse dagegen, daß man sich in Deutschland die amerikanischen Köpfe darüber zerbricht, wie die Vereinigten Staaten würdig vertreten werden. Die Vereinigten Staaten haben eine solche Stellung sich errungen, daß sie es nicht sind, deren internationales Ansehen durch diese Affäre eine Einbuße erleidet. Es mag ja ganz nützlich und angenehm sein, wenn ein Botschafter neben seinem nicht ganz unbeträchtlichen Einkommen noch ein großes Privatvermögen besitzt, er kann dann noch glänzendere Fest« und Bälle geben, sich auch noch einige Automobile mehr halten, aber die Zeiten der „D i n e r p o l i t i k" sind doch endgültig vorüber. Wenn man in Deutsch, land noch etwas ins Mittelalter schillernde Ansichten bezüglich der Diplomatie hat, sollte man sie wenigstens für sich behalten, und nicht moderner denkende Staaten ganz unnütz provozieren. Dieser Vorwurf bleibt auf den verantwortlichen Stellen im Reiche unbedingt haften. Nochmals Adickes. Die letzte winterliche Zusammenkunft der Juristischen Gesellschaft zu Leipzig hat vor einigen Tagen stattgefunden. Herr Reichsgerichts rat a. D. Galli sprach über „Jugendfürsorge im Strafrecht und Straf, verfahren". Tas schwierige Problem der Vorbeugung gegen Verbrechen und der Besserung der Uebeltäter, insbesondere der jugendlichen, wurde vom Vortragenden in lichtvoller Weise behandelt. Die Gesetzgebung Hollands von 1905 und die Bestrebungen in einzelnen deutschen Städten, z. B. in Frankfurt a. M. und Haspe, enthalten bemerkenswerte Ansätze für die Lösung jenes Problems. Es steht zu hoffen, daß der Vortrag des Herrn Roichsgerichtsrates a. D. Galli, ebenso wie der gleichzeitige des Reichstagsabgeordneten Dr. Heinze, dahin führt, daß der Gedanke, der jenen Bestrebungen zu Grunde liegt, noch weiter im Deutschen Reiche, insbesondere auch in Sachsen verwirklicht wird. In Sachsen hat das Justizministerium am 25. März 1895 lJMBl. 03, 45) eine Ver ordnung erlassen, die auf die Notwendigkeit langfristiger Freiheits- strafen für gewisse Fälle und die Möglichkeit bedingter Begnadigung Jugendlicher in anderen Fällen hinweist. Neber diese Verordnung hinaus haben sich die Dinge auf diesem Gebiete in Sachsen noch nicht entwickelt." Es ist aber zu erwarten, daß der Fortschritt nicht lange mehr auf sich warten läßt. Als zweiter Gegenstand war die Aussprache über den Vortrag von Adickes auf die Tagesordnung gesetzt worden. Wegen vorgerückter Zeit hatte man diese Aussprache am 28. Februar 1908 abbrechen müssen. Als einen Strauß duftiger Blumen bezeichnete ein Redner die Ideen von Adickes. Herr Reichsgerichtsrat Dr. Sievers erkannte jedoch an, daß das Ansehev des Richteramtes unter der Vielseitigkeit der Rechts mittel leide. Er wünschte deshalb eine Einschränkung der Rechtsmittel gegenüber Teil- und Zwischenurteilen. Herr Geheimrat Erythropel, Rechtsanwalt beim Reichsgerichte, ging auf die von Adickes in den Vordergrund gestellte Frage der Richterpersönlichkeit ein. Er wies darauf hin, wie die Versorgung im Staatsdienste den Hauptanreiz für das Rechtsstudium bilde, nicht die besondere Neigung und Begabung für das Richteramt. Wenn von jedem Anwärter für das Richteramt ver- langt würde, daß er eine Reihe von Jahren als Anwalt tätig gewesen sei, wenn nicht mehr für die übergroße Mehrzahl der jungen Juristen die sichere Aussicht auf einen, wenn auch bescheidenen Platz an der Staats krippe bestehe, so würde der ungesunde Andrang zur Juristerei von selbst nachlassen und eine natürliche Auslese der Anwärter zum Vorteile des Ganzen eintreten. Dr. Mothes wies darauf hin, daß die Grundidee von Adickes: „Wenige Richter in hoher Stellung", nur dann verwirklicht werden könne, wenn die gesamte Justizverwaltung auf das Reich über nommen werde. Nur im großen Betriebe des Reiches könne die rechte Auswahl und räumliche Verteilung der geeigneten Persönlichkeiten vor- genommen werden, nicht aber in den kleinen Verhältnissen der mittleren und kleinen Bundesstaaten. In diesen werden die nach Naturanlage zum Richteramt geschaffenen Männer selten vorhanden sein; die Stellen- besetzung ist in den kleinen Verhältnissen auch leichter von mannigfachen persönlichen Rücksichten abhängig, die durch die Kontrolle einer großen Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden können. Freilich ist dabei zu bedenken, daß die Uebernahme der gesamten Justizverwaltung auf das Reich eng mit der Neichsfinanzreform zusammenhängt. Dieser aber stehen, wie die jüngsten Erörterungen im sächsischen Landtage erwiesen, partikularistische Hindernisse entgegen, die zurzeit nicht zu überwinden sind. Herr Reichsgerichtsrat Dietz wies in seinem Schlußworte darauf hin, daß Adickes mit staatsmännischem Blicke die Mängel unserer Justiz und die Unzulänglichkeit der aus kleineren Verhältnissen überkommenen Rechtspflegeeinrichtungen für die raschentwickelten großen Verhältnisse des neuen Reiches erkannt habe. Hierzu habe ihn insbesondere seine Stellung außerhalb der Hierachie der Justizbeamten befähigt. Er hat von den Dingen die erforderliche Distanz, so daß er sie überschauen kann. Als Vertreter eines großen Gemeinwesens hat er auch häufig genug Recht zu suchen und Recht zu nehmen, so daß sich ihm der Einblick in das Getriebe der Instanzen erschließt. Ihm bleibt das Verdienst, daß er uns die Ziele steckte. Wenn Adickes Ideen erst in weiten Kreisen Wur- zel geschlagen haben, werden sich auch die Wege finden, die zum Ziele führen, und die Männer, die uns dahin geleiten. Dann wird es sich zeigen, daß seine Ideen mehr sind als ein Strauß duftiger Blumen. Huvck Deus lxLis vortüt. Deutsches Reich. Leipzig, 1. April. * Der Reichsgerichtstermin -eS Moltke-HarVen-ProzefseS als April scherz? Trotz unserer Dementis der falschen Meldung, daß der Termin des Moltle-Harden-Prozesses vor dem Reichsgericht auf den 3. Mai an- gesetzt worden sei, läuft die Notiz lustig weiter durch die Presse. Jetzt ist sie sogar von Wolffs Bureau aufgegriffeu und als Allerneuestes in der ganzen Welt ^natürlich auch ia Leipzig, ocm Sitz deS NeichSge.ichtSl) verbreitet worden. Vielleicht kommen die vielen Leichtgläubigen aber schließlich doch zu der Einsicht, daß unser Dementi zutrifft, wen» sie hören,, was ihnen jeder Kalender bestätigen wird, daß nämlich der 3. Mai ein — Sonntag ist und zwar der Sonntag Llissricoräin; Domini — die Barmherzigkeit des Herrn. Der Reiufall ist wirk lich des 1. April würdig. * * Von per Reise pcS KaiscrpaarcS. Die Ankunft des Kaiserpaares auf Korfu ist auf den 9. d. M. verlchoben worden, weil'am 7. April der große Nationalfesttaz der Griechen gefeiert wird. Die Wahl dieses Zeitpunktes beruht auf zarter Rücksicht gegen den König von Griechenland und die Bevölkerung. Der Kaiser will nicht, daß durch seine Anwesenheit der am 7. d. M. zu feiernde höchste Nationalfestlag seinen ausgeprägten Charakter verliere, La dieser Tag ganz dem griechischen Volke gehöre und des Volkes Huldigung, die im Falle seiner Anwesenheit auch ibm zuteil werden dürsten, ausschließlich dem in Korfu weilenden Hellenenlönig gebühren. * vin Nachklang zur Bülowrcise. Die „Süvd. Reichskorr." schreibt: Als Versicherung einer „hervorragenden diplomatischen Persönlichkeit" ist aus Wien gemeldet worden, die Hauptsache bei den Unterredungen zwischen Fürst Bülow und Baron Aehrenthal sei, eine Form für die Beantwortung der englischen Vorschläge zur mazedonischen Frage aus- Feuilleton. Gewiß ist der allein glücklich und groß, der weder zu herrschen noch zu gehorchen braucht, um etwas zu sein. Goethe. * Die Stadt -er Päpste. Bon Dr. Georg Biermann. Adi-uo«, Ende März. Die Provence ist der historische Boden Frankreichs. Ihre Geschichte ist älter als die der Bourgogne, wo die kirchliche Idee des frühen Mittel- alters in den PLönchskirchen der Zisterzienler und Kluniazenser den nachhaltigsten Ausdruck gesunden hat. In der Provence hat die römische Weltherrschaft ihre Zeugen hinterlassen. In den Ruinen von Nimes und Arles, in dem Namen von Aix-les-Bcnns, dem alten Aquae Sextiae, wo einst das Schicksal der Teutonen durch Marius besiegelt wurde, in Marseille selbst,'dem alten Massilia, das wir alle von der Schulbank her kennen, verkörpert sich der Ruhm der römischen KolomsierungS- gewalt. Avignon aber, von dem die Geschichte uns erzählt, daß es aus dem alten Avenio der gallischen Eavares erstanden und danach ebenfalls eine blühende römische Kolonie wurde, ist der Inbegriff eines bedeut samen Kapitels mittelalterlicher Vergangenheit, die mit den Namen der Päpste Klemens V., Johann XXH., Benedikt XU., Klemens VI., Innozenz VI., Urban V. und Gregor XI., di« in kurzer Folge in den Jahren 1309—1377 hier residierten, eng verbunden ist. Es ist die Stadt der Päpste, die erst di« französische Revolution mit dem übrigen Frank reich vereinigt hat. Seltsam und beinahe undefinierbar ist der Eindruck dieser Stadt; gewaltsam zwingt sie alle unsere Gedanken in jenen starren Bann, mit dem uns Lebende die tote Vergangenheit überkommt. Nicht als wenn Jahrhunderte dazwischen lägen. Wir glauben greifbar eine Idee zu fassen, die gewaltig und unerhört vor langer Zeit das Bild dieser Stadt bestimmt hat. In diesen Festungsmauern, die in beinahe quadratischem Viereck die engen Gassen und steinernen Paläste umschließen, in den hohen Ungetümen Quadermassen, aus denen die hohe Burg des Verb 'n- ten Papsttums gefügt ist, deren gewaltige und finstere Silhouette drohend aus dem Rhonehügel daS allgemeine Stadtbild überragt, spri Z nach haltiger die Macht der mittelalterlichen Kirche, als man sie selbst in Rom gewahr werden könnte. Seltsam, daß gerade die Provence dazu von der Geschichte cmsersehen war, die Hochburg päpstlicher Gewalt zu werden, gerade dieses Land, das so sehr von der Romantik umwoben ist, wo die Minnehöse der Troubadours und damit des Minne,anges Früh ling in der französischen Literatur in einer liederfrohen Zeit ihren Platz behaupteten. Solche Gegensätze sind in der Tat so leicht nicht zu be greifen, und noch heute kommt es einen an, als klaffe ein Zwiespalt zwischen dem Leben selbst und irnen starren Felsmassen, die sich die Päpste zur Zwingburg ihrer Macht getürmt. Von dem Domhügel, auf dem sich neben der Kathedrale der ungefüge Steinblock des Palastes mit seinen halbgeköpften Türmen erhebt, schweift der Blick weit hinunter ins Tal der Rhone, das, wie kaum ein anderes Fleckchen dieses Landes, den Eindruck provenzalischer Erde vermittelt. Auf dem jenseitigen Ufer des Flusses liegt Villeneuve-les-Avignon, ehemals auch eine blühende Stadt, in deren Mitte als einsamer Zeuge die Tour de Philippe le Bel aufragt. Dazwischen, von der Rhone umflossen, die Insel Äarthelasse mit dem Stierzirkus der Arenes de la Bagatelle, wo noch heute der Provenzale für die echt südländische Leidenschaft der Tierkämpfe seine Befriedigung findet. In der Ferne schweift der Blick zu den Cevennen und liebkost im Osten den Silberstreifen der Durance, hinter der sich der Mont-Ventoux erhebt. Die warme Frühlingssonne kleidet das schwermütige Tal in die liebreichsten Farben, die aller Verlassenheit spotten, an der gerade die Provence so reich ist. Dann reißt man sich los von diesem eigenartigen Zauber einer stimmungsreichen Natur, in der di« Melancholie mit schluchzenden Lauten klagt, und der Blick ruht von neuem auf den Quadermassen des päpstlichen Palastes. Wenn man es je von der Architektur behaupten könnte, sie müsse in jedem Falle so gedacht sein, daß sie wie eine eigens zugeschnittene Uniform den Zweck ihres Seins offenbare, dann kann man es von diesem Palaste sagen, daß es der Inbegriff einer weltbezwingenden Idee geworden ist. Als Festung erbaut, schauen seine Mienen mit dem Ernst eines Menschen drein, der auf jeden Umschwung seines Schicksals ge faßt ist. Und nichts, weder außen noch innen, wo spärliche Freskenrestc des Sienesen Simone Martini und des Matteo da Viterbo daran er innern, daß mit dem Papsttum gleichzeitig auch ein geringer Teil von Kunst nach Avignon verpflanzt wurde, laßt nur aus einen Augenblick den Gedanken aufkommen, als wenn dieser Palast etwas anderes hat sein wollen, als eine Festung, hinter deren Mauern sich siebzig Jahre lang das Papsttum verschanzte. Daß Rienzi hier gefangen saß Petrarka als Dichterfürst hier seinen Einzug hielt, sind wiederum zwei Tatsachen, in denen sich erneut dieselben Gegensätze verkörpern, denen man aus Schritt und Tritt begegnet. Avignon ist keine Kunststadt in eigentlichem Sinne. Die wenige» Kirchen von künstlerischem Gepräge, allen voran der Dom selbst, in dem noch der marmorne Thron der Päpste an seiner alten Stelle steh», erheben sich kaum über das Mittelmaß Das ist ebenfalls erkläruch; denn der Sinn dieser katholischen Potentaten, die hier ihr Eiil ver brachten, war auf alles andere eher denn auf die Entfaltung künst lerischen Glanzes gerichtet. Hätte nur einer von ihnen die Ambitionen eines Julius Ü. oder Leos X. besessen, Avignon zählte heute zweifellos zu den ersten Stätten der Kunst. So aber schläft es den endlosen Schlaf einer finsteren Vergangenheit, die keine Bejahung des Lebens kannte und auch noch nicht iene Prätention besaß, den Ruhm kirch.ichen Gcan- zes durch den Zauber der künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten zu ver schönen. Wenn die Sonne auf den Quadermassen des getürmten Palastes der Päpste weiß herniederbrennt, wenn die Fluten der Rhone um die Insel von Barthelasse in Licht getaucht einherrauschen, wenn drüben der schneeige Gipfel des Mont-Ventoux den ersten Frühlingskuß emp fängt, dann schrillt die furchtbare Dissonanz, die unser Ohr beim Durch- wandern Avignons betäubt, vielleicht am vernehmbarsten auf, und e» fällt einem die Erinnerung schwer auf die Seele, daß diese Festung der Papstgewalt zugleich einmal einen köstlichen Frühling des Minnesanges erlebte. Dessen Traditionen klingen — wenn auch in anderer Weise — noch in die Gegenwart hinein. Nicht nur das lebhaft südländische Volk, das gestikulierend auf Gassen und Plätzen herumsteht, sondern auch die Tatsache, daß der durch Mistral, Aubanel u. a. 1854 gegründete Bund Felibrige, dessen Streben dahin geht, durch Pflege des Provcnzalischen in Dichtung und Sprache eine neue geistige Entwicklung Südfrankrcichs auf alttraditioneller Grundlage herbeizuführen, sind Beweis genug, daß hier noch immer daS alte Dichtervolk der Provence zu Hause ist, dessen heitere Gesänge auch in das Heute und Morgen bineinklingen, um so den düsteren Eindruck der Vergangenheit und grausiger Zerstörung, der den Eintretenden besonder? stark beim Durchwandern der hohen Kapellen und Prunkgemächer des Palastes überkommt, auf seine Weise vergessen zu machen. * * berliner Theater. (Sammeripiele: „Der Tor und der Tod" von Hugo von HofmannSthal. Darauf: „Nju". Bon Ossip Dqmar. 30. März ) Hugo von Hofmann Stal hat mit seinem Einakter „Der Tor und der Toa' auch bei Reinhardt kein Glück gehabt. DaS Stück ist nämlich, wenn man hier überhaupt „Stück" sage« darf, vor Jahren schon on Zickel» SezessionSbühne abgriehnt worden. Nun hörten wir in den Kammerivielen wieder die prunkvoll sich blähenden, bald bunt schillernden, bald trostlos leeren Berschen und Worte de» Wiener Aesthetrn und merkten, wie rasch sie vervussten. Reinhardt »war gab sich der Mühe gemrg, das Sviel zu retten, seine Darsteller aber versagten vollend-: Herr Moissi ist nicht der richtige Sprecher für erllüaelt gedrechselte Brrse — und da» Geigenspiel des Todes, den Herr Beregi sprach, verklang, ohne gerührt zu haben .... Der zweite Teil de- Abends war weitaus interessanter. Ein neuer Russe kam zu Worte. Heißt Ossip Dymur und hat entschieden Talent. Was er in „Niu" einer AlltagStraqüdie, in acht Bildern vor unS aufrollt, ist ein echter AuSichnitt au» dem russisch«»
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