Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.03.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190803084
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19080308
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19080308
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-03
- Tag 1908-03-08
-
Monat
1908-03
-
Jahr
1908
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
«r Leixc'S u»r> «,r»rr, durch initrr, Lräzee und Sp«d»«ur« ». Hou. -edrochti Aulgod« ch kuur »orgrn«) »trrlillttzrttch S vt., munallich I M.; «u.gode I <morgen« und abend«) »Intel» jährlich 4.50 M., monaillch I SO M. Lurch dl« Voll zu dezlthe«: cs mol ILglichi innerhalb reullchland« und der deuochen Kolonien »terle'liürllch 5,25 M , monail ch l 75 M. ou.Ichl, Poft- behellgeld, ür Oesterreich S li 86 h, Ungarn 8 8 »ierteljtdrOch. ferner In Bel gien, Dänemark, den Donaustaaien, ffrank- ralch, Italien, Luxemburg Niederlande, Norwegen, Rußland Schwede», Schweig und Spanien. In «sten übrigen Siaarr» nur direki durch dl« ltxped. o Bl erdtlilich. ltldonnemem-Ännadme: Augustuüplatz 8, del unseren Trägern. Iilin en, Lvcdileuren und Annahmestellen, lowie Poilüinrern und BrielrrLgern. DI« einzeln, Nummer koste! 1V Psg. sttedaklt»« «u» «rvedtlidu! Iohannl.gaste 8. Tel-vkon Nr. I4M2. Nr. 146!», Nr. 146S4. Wp)igcr TagMall Handelszeitung. ÄmLslilatt des Males und des Molizeiamles der Lladl Leipzig. ist» Inleret« M>« Ler»,,g und U-ngedun, dw dgrioallen« Perllz«>l« 25 Pi., finanzielle «neigen itv P'., ReNamcu 1 M.; »an »u.ioür«. SV Pl., Reklamen 1.20 M.; ovmAukland SOPl., stnanz. Antigen75P' Reklamen 1.50 M. Inlera» o. veddcde» In amtlichen Test 40 !j»u veilagegebüdr 5 Nl. v- lautend exkl. Post, gedilhr. «e chtl'itan,eigen an bevorzugter Stelle im Prene erhöht. Rabatt nach Tart' stesterteilt« Au'Irüg, können nicht zurück' geiogen werben. ,)ür da« lirjchetnen an »«stimmten Tagen und Plätzen wirb kein« Garantie übernommen. «neigen.Annahme: Uuqustu.vla» 8, bei ttmilichen Filialen u. allen Annoncen expeditionen Le» In- und Ab.landet Haupt-Slllale verklar k.rl Dunckir, Herzog!. Baar. Hosbuch- Hanblung, Luhowstraß« 10. (Telephon VI, Nr. 4603). Nr. «7. Sonntag 8. März 1908. 102. ZcchMiiq. Das wichtigste vorn Tage. * Nach dem S t a p e l l a u f des Linienschiff eS „Nassau" fand auf Einladung des Kaisers im Offizierskasino ein Frühstück statt, bei dem der Kaiser und der Großherzogvon Baden Trinksprüche ausbrachten. lS. d. des. Art.) * Der Kaiserbrief an Lord Tweedmouth richtet sich gegen den offenen Brief Lord Eshers an die Maritime League, picht gegen daS englische F l o t t e n b u d g e t. fS. Dtsch. N.) * Das ehrengerichtliche Urteil gegen den Grafen Hohenau, das den Grasen zur Entfernung aus dem Offi ziers st ande und zur Aberkennung der Orden und Ehren- zeichen verurteilt hat, soll bereits die B e st ä t i g u n g des K a i s e rs erhalten haben. sS. Ttschs. R.) * Die Todesstrafe des Generals Stössel wurde vom Zaren in zehnjährige Festungshaft umgewandelt. General Fock wurde begnadigt. * Japan hat wegen der Beschlagnahme des „Tatsn Maru" nunmehr ein Ultimatum gestellt. lS. Ausl.) * In Amerika sind seit Neujahr eine halbe MiIlion Ar beiter im Eisenbahnwesen entlassen. sS. Ausl.) Reserveoffizier rrnd Airchendienst. Es wird seit langem über die Exklusivität deS OsfizierstandeS ge klagt. Im Reichstage haben beim HeereSetat südveutsche Abgeordnete, Haußmann unv Müller-Meiningen, dargelegt, daß sie ein OlfizierkorpS ohne Kastengeist wünschen; sie denken an ein im Volk wurzelndes, mit ihm einlges Heer unv OfsizierlorpS. DaS ist kein schlechter Wunsch. Aber der Süden ist nicht ganz so „demokrati'ch" unv so frei von Kastengeist, wie diejenigen Leute denken, die ihn nur ans der Geschichte vom Min ster kennen, der angeblich im Münchner Hofbräubause neben dem Arbeitsmann an einem Tische sitzt. Ob der bayrilche Offizier im allgemeinen mehr im Verkehr mit dem Bürgertum anfgeht, muß dabin- gestellt bleiben. Aach in Bayern besteht doch «in starkes KorpSgesühl; es wird sich v elleichl am meisten dort entwickeln, wo mehrer: Regi menter nebeneinander in Garnison stehen; eS kommt rann leicht, daß jede Truppeneinheit sich nickt nur gegen die andere, sondern auch gegen das Bürgertum abichlicßt und seinen besonderen RegimentSgeist pflegt. In bezug auf den Eisatz sowohl deS aktiven OfsizierlorpS wie desjenigen deS BeurlaubrenstandeS dürste in sozialer Beziehung — von den BilcungSansorderungen sei hier abgesehen — zwoch n Süd und Nord kaum ein weientlicker Unterschied vorhanden sein. Es gibt auch in Bayern exklusive Regimenter, aber im übrigen gilt von den Oifizer- korpS und den zur Annahme von NackwuchS berufenen Kommandeuren in Nord und Süd, daß sie vorurteilsfreier sind, als die ihnen vergleich baren bürgerlichen Kr ise. Die Frag« der SatiSfaktionssähigkeit wird in Osfizierkreisen weitherziger, moderner beurteilt als in großen studentischen Kreien. DaS Mitglied eines exklusiven studentischen Korps kann in die Lage kommen, im Reserve'OifizierlorpS seines Regiments und ganz sicher im Bereiche seines Bezirkskommandos Männer als Kameraden ansehen zu müssen, die er nach seinen studentischen Begriffen keineswegs für voll ansehen würde. Un'ereS Wissens war eS Miquel, der einem Teile der mittleren Zoll- und Sleuerbeamiensckaft die Wege zum Reserveoffizier geebnet hat. Miquel tchlug dadurch mehrere Fliegen mit einer Klarpe. Einesteils wurde eS erleichtert, den großen Bereuf an Reserveoffizieren zu decken unv zwar mit einem sehr eifrigen und pflichtbewußten Material, denn gerade unter diesen Beamten findet man zahlreiche, die ihre militärischen Pflichten außerordentlich ernst nehmen; ferner wurde für den Geist dieser Bcamtenlategorien eine weitere Sicherung gegeben, sofern die schon vor handene ehrenhafte Bermsgestnnung noch überboten werden konnte, und endlich wurde eine »Demokratisierung* des OifizierkoroS erreicht, für deren gute Seite bi- zu gewissem Grade Miquel sich doch auch al- Minister den Sinn bewahrt haben dürfte. Die soziale Stufe, bis zu der man bei Annahme zum Reserveoffizier geh-n kann, ist naturgemäß nicht genau sestgelegt. Bekanntlich nehmen die OifizierkorpS der Bezirk-kommando- diese Wahl vor und sie sind niemand Rechenschaft sür Wahl oder Nichtwahl schuldig. Leute, die in offenen Detail-Ladengeschäften Kunden zu bedienen pflegen, dürsten im allgemeinen von den — sagen wir der Kürze wegen — Lautwehr- osfizierkorp- nicht a>- Kameraden gewünscht werden. Nun sind auch den B o l k s s ch u l l e b r e r u die EpauletteS zuge- billigt worden. Eine Reihe von Vertretern dieses Standes bat sie bereits erworben. Und da ist jetzt die Krage ausgeworseo worden: Können auch BoikSschulkebrer, die den niederen Kirchendieost in Neben- bekchaitigung ausüben, Reiervcosfisiere sein? Der bayrische Kriegs minister Frhr. v. Horn hat vor dem Finanzausschüsse der bayrischen Ersten Kammer erklärt, daß eine dem Geistlichen am Altar und in der Sakristei zu leistende Assistenz noch nicht ungeeignet zur Erlangung der Epauletten mache, wohl aber Verrichtungen wie da- Glockenläuten, da- Ausiperren der Kirchentürea, da» Reinhalteu der Kirche, kurz reine Dienstbotenarbeiten. Arbeiten der genannten Art werde« ia der Tat den volk-schul- lehrern, die jene Nebenbeschäftigung au-üben, zugemutet. So heißt e- nach der »Preuß. Lehrerztg.* in einer Dienstoidnung sür die Küster im Kommissar at-bezirk Heiligenstadt: »Er (der Küster) bat sür die Reinigung der Kirche uiw. Sorge zu tragen. Da- Aoswirbela von Staub beim Kehren ist möglichst zu vermeiden.... Dem Küster liegt die gewissenhafte Besorgung der ewige« Lampe ob. Er muß des halb, sobald e« notig ist, den Docht erneuern und neue» Oel eingieße«. Dabei achte er darauf, daß der Platz unter der Lampe nicht mit Oel- flecken verunreinigt wird. Die Lampe selbst halte er rein von Schmutz und Grünspan". Der Küster soll diese ihm obliegenden Verpflichtungen selbst besorgen, im anderen Falle muß er estien geeigneten Vertreter stellen, der dem Pfarrer genehm ist. Die Auffassung der sozial fortschrittlich Gesinnten gegenüber solchen ArbeitSverpflicktungeir ist zwiespältig. Einerseits ist man der Ansicht, daß keine redliche und notwendige Arbeit schändet, anderer seits ist man geneigt, jede Hebung der AibeitSart zu fördern und die darauf gerichteten Standesbestrebungen zu unterstützen. Führt man auch die fortgeschrittenste soziale Gesinnung zur Beurteilung der Anschauungsweise des bayrischen Kriegsininisttrs mit ein, so wird man doch gestehen müssen: er hat recht. Dienst am Heiligen kann eine Zurückwcilung vom Eintritt in den Osfizierstand ri cht rechtfertigen, Wohl aber ein Men'chendienst, dessen untergeordneter Ekarakter klar zutage liegt. Derselbe Mann, der diese dienende Tätigkeit ausübt, dürfte zur Ausübung einer BesehlSstellung im militä- rischen Kreise nicht geeignet sein; er dürsie auf Schwierigkeiten und Konflikte stoßen, die ihm selbst unangenehmer sind als anderen. Gerade jetzt wird die Oeffentlichkeit auch auf einen Fall aufmerk sam, wo höhere Lehrer eine gewisse Art von Verr chiungen als ihrer nicht wüidig angesehen haben. Die akademisch gebildeten Klassenlehrer der städtischen höheren Schulen DanzigS wünschen die Verpflichtung abzu streifen, das Sckulgeld von den Schülern emzukassieren. Demgegenüber hat der Oberbürgermeister von Danzig, ter politisch dem Freisinn nahe stehende Herr Ehlers, erklärt: »Man begegne heutzutage oft merkwürdigen Anschauungen darüber, was für einen studierten Herrn noch würdig sei. DaS Eiiikassieren des Schulgeldes wider'precke der Würde eines Lehrers ebensowenig, wie das Entgegeunehmen einer Gehaltszulage." Die Ober lehrer der sämtlichen höheren Lehranstalten DanzigS haben daraus ihre Ansicht in einem Schreiben an die Stadtverordnetenversammlung ver treten. Sie sind aber nicht durch,errungen. Der Oberbürgermeister bat seinen früheren Aeußerungen hinzugesügt, daß »durch alad.mi che Bildung das BerhäliinS zur ehrlichen Arbeit kein andere- werde". Dieter Standvunkt sieht sich von der -io-n Seite sehr hübsch unv modern an; von der anderen Seil: angesehen, macht er einen sehr oberflächlichen Eindruck. Straßenkehren ist auch eine durckauS ehrliche Arbeit und trotzdem wird sie ein m Oberbürgermeister nickt zugemutet. Man kommt also mir dem Benisfe der ehrlichen Aibeit nicht aus. Emr ehrliche Arbeit ist daS C nkaisieren der Schul gelder und daS Eintreibcn deS Geldes von den säumigen Schü ern ganz gewiß; eine chrsichc und nützliche Aib it ist auch daS Fegen der Kirchen (ohne Staubentwicklung!) ruw. usw. Es bleibt auch durchaus nölig, weg.n des immer noch vorhandenen Hochmuts vieler Besitzender, die Achtung vor dieser ehrlichen Arbeit zu heben. Aber andererseits scheint es doch in der menjchl ch'n Natur zu liegen, von niederer Hand arbeit zu höherer geistiger Tätigkeit hiuzustreben. Wenn man die- Streben durch völlige Gleickbew-rtung aller Arbeit zu Boden ichküge, wüide Wohl unsere ganze Kultur in sich zusammensallen, Den Danziger Fall wollen wir hier nicht beurteilen, aber soviel erscheint sicher: daß die Volkssckullehrerorganisationen aus den Er klärungen des bayrischen Kriegsministers einen neuen Antrieb entnehmen werden, um eine Trennung ihres Amtes von den niederen Kirchenver- richrungen zu betreiben. Gerade w il die mmistenelle Eiklärung unan- greilbar ist unv von so versckiedenen Mitgliedern der Ersten Kammer, wie v. Haag, Frl,r. v. Würtzburg, Gras Törring und Frhr. v. Soden, gebilligt wurde, ist sie eine w.rivolle Waffe iu dem Kampfe der Volks schullehrer sür eine alte StandeSsorderungl Zur Vorgeschichte -er sächsischen Sensation. Die Meldungen über die Entwicklung unserer WablreiormLnaelegen- heit gewinnen eine Art lensanonell n E arakterS unv lassen sich erst ricktig überblicken, wenn man einige Nebeuvorgäuge und Umstände kennt und beiücksichligk. Dem Eutsckluß des G'aien Hohentkal, der Ver- tchleppung unv Zer'plillerung der Deputalionsarbeit ein Ende zu machen, dies m ncher löbl chen und nützlichen Entlchluß, ist nämlick eine Kon ferenz beim M nister des Inneren vorangegangen. Unv dieser Konfe renz, deren Regie wohl nickt ganz von den gesckickien Händen des konservativen Führers unbeeinflußt geblieben ist, muß em enifckci- dender Emflaß ans dre neue Taktik der Regieruna, vor allem aber auch aut die besondere Stellungnabme des Gra'en Hohentbal zu den Re- so, mvorfckläaen selbst zugemeffen Werren. Zu dieser wichtigen Vor beratung der Entschlüsse waren nickt nur TevutationSmuglieocr zuge zogen woiden, sondern auck, naturgemäß, die Fialtionssübrcr der Par teien und außerdem noch andere Abgeordnete. Gleickwobl muß man mir Bestimmtheit annebmen, raß vle,e Beratungen weder eine völlige Klärung der Situation, noch daß sie auch nur die Stimmung in der WadlrechtSdeputation und in den Fraktionen getreu zum AuSvruck gebracht haben. Sonst wäre eS absolut nicht zu erklären, wie d-e Minister in der Deputation dazu baue kommen können, die reiniaenre und förderliche Wirkung seine- entschiedenen Auftreten- dakuich zu stöien, daß er dem einzigen von Pariei wegen offiziell vorgelegren Rewrmplan, dem naiionalliberalen Propornonalwal'lvo, schlag ohne kommunales Deputierrensegment, eine so entkckiedene und vielleicht nock einmal sehr hinderliche Absage zuterl werden ließ. Da eS doch so gut wie ausgeschlossen ist, daß der Minister die zweitstärkste Fraktion der Zweiten Kammer bat brüskieren wollen, so bleibt nur die Annahme übrig, daß er sich über die Wirkung seiner Erklärung aui die Fraktion der Nationalliberaken im Iirtum befunden haben muß Unv Wetter beweist dies, daß die Reckt- ferttgung der erwähnten Konferenz, ihre insormaioritche Be deutung, hinfällig werden muß, wenn so böse Irrungen entstehen können. Es stehen dock nunmehr zwei Erklärungen einanver gegen^ über, die natwnalliberale und die miuisterielle, die vorläufig un vereinbar sind. Dabei ist immer zu betonen, daß von anderer Seite überhaupt kein fraktioneller Vorschlag da ist. Denn gerade da bat ja die Arbeit der Deputation bisher so verschleppt, daß ungezählte Soiidcivorsckliae einzelner D putierier aufgemcht und besprochen worden sino, woran» sich dann sckljeßhch nock jrdeSmal herauSgestellt Kat, daß die Voisckläge nickt einmal die Majorität der eigenen Fraliionü- genossen der Produzenten hinter sick hatten. ES wird al>o hier ein groß S Maß von persönlichem Opfermut der naiionalliberalen Abgeordneten, insbesonverr der Deputaitousmilglieder nötig kein, um nach der scharfen Regierungserklärung nock bei der Suche nach Beiständiaungsmö.zlickkeiten mitzutnn. Wenn dies trvtzkem, hoffentlich, geschickt, so »ft allein die Rücksicht auf das große Ziel dafür bestimmend unv die Erkenntnis, daß andernfalls die ganze Rctormarbeit vernichtet sein würde. Man soll schließ ick auch von der Panei nickt sagen, daß sie vorzeitig und vor Erschöpiung aller Mittel die Hände in den Schoß g-legt habe. Auch die Erwägung mag maßg.beno sein, ta>; die Verhandlungen unter dem 'Schleier des Gekeiinniss S vor dem Lande nur schwer Klarkeil über die eigentlichen Motive eines so folgen schweren Entschlusses zu verbreiten gestalten. Nebenbei ein weiteres Argument gegen diese fatale Verdunkelung der DeputationSver- handlungen. ES muß auch noch auf daS Bedenkliche dieser Vorbereitung so ge wichtiger Entschlüsse durch unverbindliche und unkontrollierbare Jnior- malionen htngewiesen werden. Wenn die große Mchrzakl der Deputa- tionsmitgliedcr sich sagen muß, daß ihre Arbeit dock sck ießltch abkängg ist von ganz andereu Instanzen, auf die sie keinen Einfluß hat, ;o ist das wirklich sür aufrechte Männer nicht sehr ermutigend. Auch biete Seite der an sich ganz gewiß heilsamen Entschließung des Grafen Hohenihal mußte beleuchtet w rren. Einen Irrtum gut zu machen, ist erst möglich, wenn er erlannt Worten iu. Der Drchter-Negisierrr. * Berlin, 7. Märr. In tiefen Tagen wird der alte L'Arronge gefriert, der Siebziger, der ein Stück deutscher Thealcrgcfckichle und cur Stück Berlin repraieu- üert. Was er vor Jabren für die Bühne schrieb, flattert jetzt wieder aus halbem Schlummer auf; man spielt, um den greisen Herrn ein wenig zu erfreuen, die Schwank, und Possen an allen Theatern. Bankette wer den veranstaltet, Huldigunysgedichte für den Sonntag, das Wiegenfest ersonnen, sogar Professor iu er worden. Im „Dommerslündchen' emp fangt er, draußen im stillen Arbeitszimmer nahe dem Lehrter Bahnhof die Journalisten, die für den Gcoenktaa Stimmung heimhalen wollen, und plaudert freimüiig, wie sehr ihn all die Ehrung freut: „Ich b>n der Meinung, daß eine Reibe von guten Tagen gor man so schwer zu er tragen ist. Ich fühle mich ganz Wohl dabei und lekne mich gar nickt nach schlechten. Die kommen schon ganz von selbst.' Und mag dabei Wohl an mancherlei Etappen denken, die einst nicht allzu lichtvoll dünkten, die noch rar den Berliner Triumphen lagen . . . Er ist eigentlich aar lein B^liner. Bon der A'ster erstem er a.i die Spree, nach vielen Wandcriahrten, auf denen er, der Dichter, als Musiker zunächst den Kapellmeisterstab schwenkte. In Leipzig war er drei Jahre lang gewesen, die schwere Kunst zu erlernen. Aber die Musik blieb doch nu. Intermezzo — auf die Anregung, die ihm zu seiner Jubelfeier wird ich. noch mit einer früh geschriebenen, wohlverwahrten Oper hcrausznrücken, meinte er lächelnd: „Nein, nein ... die Makulatur hat jetzt zu schleckte Preise." Sein Ruhm sehr mit dem Berliner Volks stück ein. Er schrieb es zu einer Zeit völliger Thcaterverslachung, schrieb es feiner, als der alte, vergessene Kalisck, und mifstte geschickt ein paar französische Töne bei, die er sich bei Sardon, bei Angier ausliek. Mst sicherem Gefühl traf er vor allem immer wieder eins: das Volksempfiu- dcn, am besten dort, wo es Berlin anging, die zweite Hcimai seit l878. Er holte alte Traditionen wieder auf, erfrischte sie und nie vergaß er, zwei Dinge denen zu geben, die ihm dann znsubelten: das Lachen und die Nühning. Er dichtete sür die „kleinen" Leute, denen dies Hanvttachc war, für die Naiv-Empfänglichen, die aus den Kämn'en des Lebens, au^ den, Alltag abends zu ihm ins Theater kamen, dort die eigenen Schick- salc nrchmalS sehen, nochmals leiden und dann freilich einen Abschluß der Geschichte wollten, der die Rauheit sozialer Realität verklärte, mil derte, versöhnte, einen Abschluß, der lachen und weinen, auf alle Fälle befriedigter sortgehen ließ, als eine Affäre wirklichen Lebens. „Sozial" war 'e>n Dichten, wo immer für L'Arrvnge Erfolg war, selbsi Sudermanns soziale Vorahnung hatte er: auch bei ihm rauchte schon die glückliche Idee aus. die Sudermann raffiniert ausgestaltete, die poin- tierte Gegenüberstellung von Vorder- und Hinterhaus. Der Tapezierer, der dem Töchterchen aus vciwöhutcm Hans keine dickbclrgie Käsestulle onbietet und, als es ihr 'chmeckl, wohlwollend sagt- „So könnten Sie es nu alle Tage haben!" — dieser von dem Berliner Publikum mit jubelnder Freude begrüßte „Mann au? dem Volke" ist tnpisch sür bis Art, wie das „VvlkSsiüc. für die höher gebildeten Kreise" ihnen daS Gluck der Arbeit schmackhaft zu machen weiß. Und ob „Mein Lcovo'.d" über die Bühne kam, der das Unalück der Schwester bringt und den Vater zum Flickschuster macht, ob L Arronge von „Wohltätigen Fronen", ob ec vom „Doktor Klaus" erzählte: immer war's das gleiche — Tränen und Lachen, Gerührtsein und frohe Zuversicht, die gleiche, in der Wirkung viclerprobte Sentimentalität, die den „Mann aus dem Volke" schwärmen und aus dem Heimweg vom Theater noch nachträllern ließ, wie er's drinnen vo.i Hclmerding gehört batte: „Meine einzige Packion ist mein Leopold, mein Sohn ... Aber man darf über L'Arronge, dem Volksstnckdichter, nicht L'Arrvnge. den Negisseur vergessen. Für das deutsche Theater war der Bühnenschriftstellcr belebend, in keiner Munterkeit erneuernd: der Regisseur war wichtig, in der Rechnung der letzten Theaterjahrzehnte bestimmend, dadurch an sich ein Faktor deutscher Kuliur. Am „Lobe- Thecuer" in Breslau begann der Theaterleiter. Ader die vier schlesi schen Jahre waren in ernster, wennaleich nickt ganz enologekrönter Arbeit nur die Vorschule zu einer Tat: zur Gründung und Führung des „Deutschen Theaters", das Otto Brahm überkam, das keute Mar Reinhardts Schauplatz ist. L'Arronge regierte elf Jahre, der Schwank poet wurde ei.« Klassiker Und kam mit 'eiligem Programm: „Ter Wunsch, das, was die Meininger mich gelehrt, weiter ausznbauen, an solchem. Wert meine eigene Kraft zu erproben, Hot mir den Mut gegeben, im Verein mit verschiedenen bedeutenden Bühnenkünstlern die Begrün dung des „Deutschen Theater« <n Berlin" zn wagen." Er dockte an ein^ „Nationalbübne", dachte an das Muster des „Tb^ntre kran<?ais" und seine Svzictäre, sammelte um sich an künstlerischen Kräften. Ruf »nd Namen, sammelte und entdeckte. Kämpfe blieben ibm nickt ei spart, Zer würsnisse und mancherlei Fahnenflucht hatten ihn verbittern dürfen. Man weiß wie Ernst von Poisart erst ans München zu ihm kam. nm mit ihm zu arbeiten, und wie er dann die „Sozietät" rasch wieder auf gab und nach München znruckeilte, wo der Jntend ntenstubl des Hm- thcaters lockte. Wie Triedrich Haast von L'Arronges Seite entwich, wie Ludwig Vornan von dannen oing All dies vollzog sick schon im Grün derjahr, aber ein Jahrzehnt blieb noch, nm weiterzuschaffen, die Negi-» pklicht, den Inszenierunascistr, die Sckansyiclercrzichuna mit ähnlichen' Ernst zn leiten den Laube einmal in Wien ansbot. Und man trEst st schließlich Kainz in seinem Kreis, Sommerstorss wird enldeckt, Geora Engels ist da, August Förster, man trifft die Tberesina Geßner »nd
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite