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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.01.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080118022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908011802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908011802
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-01
- Tag 1908-01-18
-
Monat
1908-01
-
Jahr
1908
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Bezug»-Preis I«r Liiptla >»» durch »»t»r« LrSg«« »»» Sp«dtt«u» t»S Ha»1 ,«bracht, «u«,ad« »chrtrlIL-rUch Nutaad« I (mörarul »ad adeady »wrtrt. jLhrltch «L0 M„ moaatlich U« «. v»rch »1« G»A i» bqtrh«», (2 «al tügli») inaertzalb Drutschland« und der deutlchen Kolonien vterttljthrlich b,2S M., monatUch I,7S M. auZIchl. Post, deslellgew, iür Oefterrnch SU 66 d, Ungarn 8 L vieneljLhrlich. Ferner in Bel gien, Dünemark, den Donaustaaten, Frank- reich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Nubland, Schweden. Schwelg und Spant«». In all«, übrigen Staaten nur brrrkt durch dl« »rv«d.». Bl. «rhültlich. Ldonnement^lnnalnn« > Bagulknlplatz 8, b«> anleren Drüa«r». Mllalen, kpchiteurrn und Annabmest-ll-n^ Lwi, Poftümtrrn und Di« «in»«ln« Nummer koktet I» »fg. Nedaktio» an» Lrpedttton i Johannidgaste ti. relerdon Nr. I4SS2, Nr. i«S93. «r. ISSS4. Abend-Ausgabe v. MpMerTllMaü Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Rotizeiamles der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis sttr Inserat« au« Leip^g and Umgebung dm kgespallen« Petit,eile 26 Pl., ftnanjielle Anzeigen SÜ Pi., NeNamen IM; von auiwitt« SV P>., «eklamen I.2VW.; vom Ausland SO P>., ftnan,. Anzeigen7bPs. Reklamen kchi) M. Inserate». vehürden im amillchen IeN *) Pi Beilagegebübr 6 M. p. Daulend exkl. Post gebühr. Geschüsttanzeigeu an bevorzugter Stelle im Preise rrdiht. Rabatt nach larii Festerteilt« Lullrüg« kbnnen n>chi zurück» gezogen werden. Für da« «Lricheinru an bestimmten lagen und Platzen wird keine Earankr« übernommen. Anzeigen-Annahme! Augultudplatz 8, bei sümtlichen Filialen u. allen Aunoucen- LkPeditionen de« In- und Auslände«. Haupt-Filiale Berlint llirl Duncker, Herzogs. Baar. Hösbach Handlung, Lühowstrahe >0. (Telephon VI, Nr. «603). Nr. 17. Sonnabend 18. Januar 1908. 102. Jahrgang. Das wichtigste vsin Tage. * Der Entwurf eines Gesetzes über Arbeitskammern ist endgültig fertiggestellt und dürfte dem Bundesrat in den nächsten Tagen zugehen. * Als künftiger Präsident des preußischen Herren hauses wird Fürst Dohna genannt. Er ist auch Mitglied des Reichstages. * Der Bau einer eingleisigen Hauptbahn mit elektrischem Be trieb von Garmisch — Partenkirchen nach Scharnitz in Tirol wurde gestern im bayrischen Landtag genehmigt. * Nach Telegrammen, die auf der türkischen Botschaft in Teheran eingegangcn sind, ist für die türkische Armee ein Mobilmachungsbefehl erlassen und sind die Reservisten einberufen. * Die japanische Ministerkrisis wird in ameri kä se indlichem Sinne gedeutet. (S. Ausl.) * Sultan Abdul'Aziz kündigt seine Absicht an, in Fez sel ber Ordnung zu schaffen. (S. Ausl.s Letevsbrrrgev Iickzcrckkrrrs. (Von unserem Petersburger ^--Korrespondenten.) Petersburg, 15. Januar. In Petersburg ist das „Revisionsfieber" ausgebrochen. Man hat es als nötig erkannt, daß ein Senator nach Moskau reise, um in der dortigen Geheimpolizei nach dem Rechten zu sehen. Gleichzeitig ist dem Minister der Wegekommunikation, unserm doch sonst recht be- quemen Herrn von Schaufus, plötzlich der Gedanke gekommen, daß auf den Bahnen des Südwestbezirkes eine sogenannte Schluderwirtschaft herrsche, die dringend Abhilfe erheische. Dieses „Revisionsfiebcr" darf in Rußland als Symptom gelten. Es ist ein sicheres Anzeichen dafür, daß die Reaktion eifrig bei der Arbeit ist. Man denke nur an die Regierungszeit Alexanders III., während deren unter anderem auch die Baltischen Provinzen mit der be rücksichtigten Manasseinschen Senatorenrevision beglückt wurden: sie bedeutete für die russischen Ostseeprovinzen den Beginn einer schwarzen Aera nationaler und religiöser Unduldsamkeit. Wenn heute eine ver Exzellenzen im Petersburger Senatsgebäude aus dem Schlafe gerüttelt wird und den ehrenvollen Auftrag erhält, ein so „vorzüglich arbeitendes" Institut, wie die Moskauer Geheimpolizei, zu revidieren, so muß das seinen besonderen Grund haben. Denn man wird doch beim besten Willen nicht glauben wollen, daß es der Regierung darum zu tun sei, festzustellen, ob die Moskauer Ochrana etwa in diesem oder jenem Falle vom vorgezeichneten Wege des Gesetzes abgewichen sei. Nein. Es wird lediglich eine allerliebste kleine Komödie gespielt. Man heißt das: Sand in die Augen streuen. Noch immer gibt es naive liberale Blätter, die eine solche Senatorcnrevision ernst nehmen und den obli gaten Artikel von der „Reinigung des Augiasstalles" zu schreiben sich beeilen. Und ebenso gibt es ein hübsches Kontingent leichtgläubigen Publikums, das aur den plumpen Schwindel hineinfällt. Geradeso an regend auf die Lachmuskeln des erfahrenen Politikers wirkt die Mel dung, daß die Regierung sich anschicke, einen Blick auf die stattlichen Debetseiten in den Kontobüchern der Eisenbahnverwaltungen zu werfen. Tie Herren, die in den Verwaltungsräten der Privatbahnen sitzen, oder die als Beamte der staatlichen Eisenbahnverwaltung zugehören, sind mit den führenden Persönlichkeiten unseres Finanz- und Verkehrs ministeriums aufs engste liiert. Ist es da wohl nötig, an den schönen Spruch, daß eine Krähe der andern kein Auge aushacke, zu erinnern? Auch diese Revision ist nicht als ein Schaustück fürs große Publikum, und man möge ja nicht glauben, daß der verfahrene Eisenbahnkarren durch ein solches Spektakel wieder ins rechte Geleise geschoben werden könnte. Es gibt eben bei uns auch „moralische Waggonstauungen". Die Ereignisse der letzten Zeit haben gelehrt, daß dergleichen „Kon zessionen an den Liberalismus", wie die eben erwähnten, die Probe aufs Exempel nicht aushalten. In Wahrheit führt der Weg schnür- straks nach rechts. Die ausländische Großfinanz sieht mit Besoronis ihre Hoffnungen, daß ihre Forderungen über kurz oder lana eine kon stitutionelle Garantie erhalten könnten, ins Nichts zerslattern. Der Niedergang des russischen Kredits im Auslande ist der beste Maßstao für die Stärke des reaktionären Regimes. Schon hält man in fran zösischen Jnteressenkreisen eine Anleihe nur für zulässig, wenn Ruß land eine reale Sicherstellung durch Eisenbahnen, Zölle ulw. anbietet. Damit würde der russische Kredit aber hinter jenen der kleinsten süd amerikanischen Republiken rücken. Aber die russische Negierung ist weit davon entfernt, diesem drohenden Anzeichen irgendwelche Beachtung zu schenken. Sie rechnet eben barauf, daß es schließlich auch dem Zahlungs schwachen möglich ist, sich Geld zu beschaffen, wenn er dafür jeden Preis zu zahlen bereit ist. Rußland ist es ja gewohnt, mit einem budgetären Defizit zu rechnen. Die Staatsschuld wächst von Jahr zu Jabr, und es ist kaum Hoffnung vorhanden, daß in absehbarer Zeit mit der Reform unserer Finanzwirtschaft ernst gemacht werde. Zu Anfang Januar russischen Stils wird der Pariser Rothschild in Petersburg er wartet. Vielleicht wird es der russischen Bureaukratie gelingen, die Anleihe unter Dach zu br.ingen. Damit freilich wäre der Reaktion aufs neue ein hoher Trumpf in die Hand gegeben. Und der Liberalismus der Konstitutionsfreunde müßte sich wohl bis zur nächsten — Budget aufstellung mit Senatorenrevisionen begnügen. Indessen sitzt Herr Witte, der „Portsmouther Graf", grollend in seinem weihen Palais am Kamcnnoostrowsky-Prospekt und „macht in Liberalismus". Wer ihn und seine politische Karriere kennt, weiß, daß er dieses Spiel schon öfters getrieben hat. Ter ganze Feldzug, den er mit Kuropatkin-Kunktator geführt bat, zeigt deutlich, daß es ihm mit seiner politischen Entsagung nicht so recht ernst ist. Er möchte gar zu gern wieder eine Nolle spielen, und vielleicht ist die Kombination, daß er das Portefeuille des Finanzministers für sich wünsche, nicht , unrichtig. Gegenwärtig schreibt er mit dem klugen Gnriew ein umfangreiches Werk, das an seine Verdienste, die er sich als Finanzminister erworben hat, erinnern soll. Natürlich hatten seine Feinde nichts Eiligeres zu tun, als daraus hinzuweisen, daß im letzten Grunde gerade Witte für das ostasiatische Abenteuer verantwortlich zu machen sei. .Herr Kuropatkin, der sich dank seiner reaktionären Gesinnung hoher Pro tektion am Zarenhofe rühmen darf, wollte sich oflenbar dieser wert zeigen, als er den in höfischen Kreisen als liberaler Parvenü verhaßten Grafen angriff. Just haben die Herren das finnische Generalgouvernat zn vergeben. „Vielleicht ich", mag Kuropatkin gedacht haben. Witte aber zieht am liberalen Strang und hofft aus die Hilfe der ibm einst wohlgeneigten westeuropäischen Großs-nanz. Sein Buck wird zeigen, daß aus dem weiten Irrgarten der russischen Finanzwirtschaft nur ein einziger den Weg ins Freie zu finden weiß: Witte! Tagesschau. Standesvertretung der sächsischen Apotheker. Die sächsischen Bezirksvereinigungen des Verbandes konditionieren der Apotheker hatten sich in einer Hetltion an den Landtag gewandt, um zu einer Standesvertretung zugelasien zu werden. Die zurzeit bestehende Ltandesvertrelung der Apotheker im Königreich Sachsen genügt nach Ansicht der Bittsteller nicht, da nur die selbständigen Apotheker zum Beitritt berechtigt sind. Jetzt müsse, so führen die Petenten weiter aus, ein approbierter Apotheker im Königreich Sachsen, wo nur eine sehr geringe Vermehrung der Apotheken stattfinde^ mindestens 15 Jahre warten, bevor er durch Erlangung einer Konzession in den Besitz einer Apotheke kommen könne, falls er nicht eine solche erbe oder so vermögend sei, daß er sie kaufen könne. So komme cs, daß ein junger aber ver mögender Fachgenosse, der sich habe selbständig machen können, sofort die bürgerlichen und beruflichen Interessen der Apotheker vertreten könne, während der gröbere Teil der approbierten Apotheker, obwohl er den Besitzern an Tüchtigkeit und Erfahrung gleichstebe, davon ausgeschlossen sei. llm diesen Zustand zu ändern, schlagen die Petenten eine Standes- vertretung vor, zu welcher aus jeder Kreishauptmannschast ein Ver- treter und zwei Stellvertreter zu wählen wären, und zwar sowohl aus den Kreisen der selbständigen wie der konditionierenden Apotheker und von beiden Kategorien wahlbar. Wie der Depulationsberichl ergibt, steht die Negierung dem Wunsche nicht direkt ablehnend gegenüber. Grundsätzlich geht sie freilich davon aus, daß die Vertretung eines Be- rufsstandes nicht den unselbständigen, sondern den selbständigen Be- rufsgenossen zukommt. Die Regierung erkennt aber an, daß die Ver- hältnisse im Apothekerbernfe besonders geartet sind, weil die Inhaber von Apotheken meist als Nutznießer der Konzession nur beschränkt selb ständig sind und weil auch die Apothekergehilscn infolge ihrer besonderen Vorbildung eine andere Stellung einnehmen, als sonstige Gewerbs gehilfen. Ebenso wird von der Negierung zugegeben, daß die Interessen der Äpothekeninhaber und der Apothekergehilfen häufig zuwiderlaufen, also nicht durch eine gemeinsame Vertretung wahrgeuommen werden kön nen. Zu einer Regelung der Frage ist aber der jetzige Zellpunkt wenig geeignet, weil ein Neichsapothckengesetz bereits im Entwurf fertig gestellt ist und die Landesgcsetzgebung deshalb praktifcherwcise abwarten muß, in welcher Weise die rcichsgesehlichen Vorschriften dle Bcrufsver- hältnissc des Apolhekerstandcs ordnen werden. Tie Deputation be- antragt daher bei der Ersten Kammer, die Petition der Negierung als Material zu einer etwaigen künftigen Regelung der Angelegenheit zur Kenntnisnahme zu überweisen. Sozialdemokratische Kassenpraris. Daß in dem „Musterinstitute des sozialistischen Zukunstsstaates", in der Ortskrankenkasse zu Chemnitz, gar vieles faul ist, weiß alle Welt. An zwei Stellen beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft mit der Untersuchung der dort beobachteten schreienden Mißstände. Tie breiteste Oefsentlichkeit hat ein lebhaftes Interesse daran, daß einmal festgestellt wird, wie sich die Verwaltung einer Ortskrankenkasse aus nimmt, wenn nur Sozialdemokraten die Leitung der Geschäfte in den Händen haben. Jüngst hat sich der Kassenvorstand auf Veran- lassung der Aufsichtsbehörde genötigt gesehen, die Rückzahlung widerrechtlich erhobener Beiträge anzukündigen. Tas bisherige Statut der gemeinsamen Ortskrankenkasse ichreibt in seinem 8 10 Absatz 4 vor, daß bei verändertem Arbeitsverdienst Versetzungen von Kassenmitglicdern in eine höhere oder niedrigere Klasse vier Wochen nach Eintritt der betr. Lohnveränderung stattzufinden haben. Tie mit der Beitragseinzichung betraute Stelle hat aber diese klare Be stimmung insofern „irrtümlich aufgcfaßt", als die eine Klassenversetzung bedingenden höheren oder niedrigeren Beiträge bereits vom Tage des Eintritts der Veränderung ab, anstatt erst vier Wochen nach deren Eintritt erhoben worden sind. Auf der anderen Seite hat man aber bei der Auszahlung der Unterstützungsgelder diesen „Irrtum" klug vermieden. Man hat dabei die gesetzlichen Be stimmungen innegebalten und erhöhte Unterstützungsgelder erst dann ge zahlt, wenn wirklich vier Wochen seit der Lohnerhöhung verflossen waren. Während man also auf der einen Seite unter falscher Aus- leguna einer an sich klaren Bestimmung zu viel Beiträge erhob, stellte man sich auf der andern Seite streng auf den Standpunkt des Ge etzes. Beschwerden verschiedener Arbeitnehmer gegen diesen widerrechtlichen Brauch nutzten nichts; der Vorstand wies die Beschwerdeführer einfach ab. Infolge dieses gesetzwidrigen Verfahrens hat die Kasse im Laufe der Jahre — die falschen Erhebungen reichen weit ins letzte Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts zurück! — rund 60000 Mark zuviel erhoben! Die Aufsichtsbehörde hat merkwürdigerweise erst im ver- gangenen Jahre gegen diese Kassenpraxis Einspruch erhoben, und sie hat die Rückzahlung oder Gutschrift der zuviel erhobenen Beiträge ange- ordnet. Es ist sehr bedauerlich, daß sie hier nicht früher eingegriifen hat. Der Kassenvorstand sucht nun alle Schuld auf „die mit der Bei tragseinziehung betraute Stelle" abzuwälzen. Dieser Versuch wird ihm aber nicht gelingen, denn einmal kann doch diese Stelle keine Erhebun gen oder Auszahlungen ohne Zustimmung des Vorstandes vornehmen, anderseits hätte der Vorstand — falls dies doch geschehen wäre — die Pflicht gehabt, bei einer Revision Abhilfe zu schaffen. Da sich aber der Vorstand gar nicht gerührt hat, bis es eben im vergangenen Jahre zur Aufbeckung der verschiedenen Mißstände kam, hat er sich einer groben Pflichtversäumnis schuldig gemacht. Der vereinigte Wahl ausschuß für nationale Vertreterwahlen, denen die evangelischen und katholischen Arbeitervereine, die Hirsch-Dunckcrschcn Feuilleton. Das kleinste Haar wirst seinen Schatten. Goethe. * Buch -er Widerspruch». Gedichte von Hans W. Fischer.*) Ueber die prachtvoll unbekümmerte Gegenständlichkeit dieser Ge dichte werden sich die chaotischen Mystiker um Mombert ebenso entsetzen, wie die weichen Aesthetiker um Stefan George über ihre rücksichtslose rhythmische Energie. Beide Strömungen fließen hier, wenn man ern- mal dieses ganz einsame Buch in Beziehung setzen will, in ihrem Wesent- lichen zusammen: Fischer ist in gleicher Weise Denker und Künstler, Visionär und Bildner. Und was das Entscheidende ist, er läßt sowohl Mombert als George hinter sich durch sein starkes und ganz eigenes Verhältnis zum Realen. Hier ist endlich wieder einmal ein Lyriker, dessen Kunst aus der Vielfältigkeit kraftvoll in ihrem Wesentlichen er griffener und begriffener Wirklichkeiten wächst, der selbst in der Tar- stellung des Traumhaften, Metaphysischen, nie den Boden unter den Füßen verliert, dem es gelingt, scheinbar Unsagbares kJ. 82) mit zwingender Anschaulichkeit auszudrücken. Wer den vor sieben Jahren im Verlage von Schuster und Loeffler erschienenen lyrischen Erstling Fischers („Sehnen und Leben", Gedichte) kennt, dem bebeutet dieses neue Buch keine absolute Ueberrafchung. In den Wurzeln war damals schon vorhanden, was in dem „Buch des Widerspruchs" sich zu starkem, farbigen Leben entfaltet hat. Die erste Sammlung fiel nicht auf, da nicht um jeden Preis die hergebrachte Form zerschlagen und im Empfindungsausdruck eine Zurückhaltung geübt wurde, die nicht Mangel an Temperament, sondern das Gebot einer vornehmen Charakterkultur war. Einer Selbstzucht, die sich im „Buche des Widerspruchs" fast ins Uebermenschliche gesteigert findet. Doch ich möchte zunächst vom rein Künstlerischen dieses Werkes reden. Die feste Architektonik seiner konzentrierten Verse, die selbst glühende Ausbrüche mit kühler Kraft gebändigt zeigt, wird man auch an diesem neuen Buch zuletzt würdigen. Dieses sichere Formvermögen, daS ein Gedicht als Ganzes faßt, das wie der Plastiker aus dem Block, aus einer konkreten Vision heraus geschlossen und einheitlich gestaltet. Fischer, der in seinen Essays eine überlegene, mit einer derartig reichen Phantasie nicht häufig gepaarte kritische Bewußtheit offenbart, charakte risiert seine eigene Begabung als Gestalter sehr treffend in seinem be- *) Verlag Fr. Rothbarth, Leipzig. Preis 3 IL brosch., 5 in Leder gebunden. deutenden Pasquill „Christus in der Imkern» rnLxiea'si wo er (von dem jungen Christus) sagt: . Sie (Maria) hatte sich oft gewundert, wenn aus seinem Munde ein Satz sprang, aus allbekannten Wörtern zusammengesetzt, aber auf neue Art gefügt und geformt, ein Satz, dec nicht aus einem Nacheinander der Teile gestückelt und gestreckt war, sondern rund in sich geschlossen, hell, durchsichtig, fertig und fest. . . ." Diese Freude am Glück der Formung und Begrenzung spiegelt ein wunderbar plastisch konzentriertes lyrisches Gebilde, das erste Gedicht der „Transsigurationen" (S. 105) ebenso klar, wie aus dem „Logos" die Lust des Künstlers spricht, dem es gelungen ist, das abgegriffene Wortmatcrial mit einem neuen Sinn beleben zu können. Zwar, wer nicht in die „tiefgefühlte Stille" zu blicken vermag, wird das passende, sinnvolle Wort an Stelle des konventionell schönen als „prosaisch" ab- lehnen, wird auch an der rhythmischen Individualität dieser durch und durch männlichen Kunst Anstoß nehmen. Fischer besitzt ein verblüffend sicheres Gefühl für den psychologisch adäquaten Rhythmus, cs wird da von noch zu reden sein. Form und Inhalt, im Kunstwerk restlos ineinander aufgegangcn, untrennbar auch für den Genießenden, mußten in dieser Betrachtung möglichst getrennt werden. Der Leser wird aber aus dem über die Form Gesagten schon eine Ahnung davon bekommen haben, daß sie eine überragende Vorstellungswelt umschließt. Fischer führt uns ein Leben vor, wie er es gesehen hat in grellem, buntem Widerspruch. Man fühlt, so sehr jedes phrasenhaft-pathetische Hindeuten auf ein eigenartiges Schicksal, so sehr jedes dämonisch-titanische Gebaren diesem bei aller psychischen Kompliziertheit schlicht und gerade gewachsenen Charakter verhaßt ist, wie hier ein Mensch über „schwindelnde Abgründe ohne Halt und ohne Stea" g sirrt ist, mit übermenschlicher Kraft durch Wüsten sich hindurchqe','kitscht hat, die „vom Lichte brennen". Fürchterlichste Ver lassenheit (S- 78) und tiefste Lebensverachtung brechen jäh aus dieser Seele, die sich mit Hohn und Skepsis gegen die Beschränktheit der Welt verschanzt, die sich zu einem Zynismus steigert, ergreifender, als der eines Wedekind, da er in anderen Gedichten des Buches einen edlen Kontrast findet. Denn es kommen Stunden, nw auch dieser erschreckend Einsame und Starke, der in der letzten Verlassenheit die Kraft bat zu einem Wunsch, wie der Schlußzeile des Gedichtes „Tie arme Seele", a isbricht in die tiefe Qual eines „. . . . Mutter —! ich kann nicht mehr." Ein Aufschrei in einem Gedicht von volksliedechter Schlichtheit, der doppelt erschüttert aus solchem Munde. Aus Schmerz und Schmach, aus Stunden des Zweifels und der Selbsterniedrigung, steht dieser Mensch, der nur nach seinem Werke trachtet, wieder aus, um Sensationen der Kunst und des Lebens zu ge stalten, die das Wirkliche grotesk und phantastisch aesteigert, das Nn- wirkliche (S 05) seltsam areisbar Widerspiegeln. In seinen Händen „wird alles Reichtum", selbst die toten Tinge bekommen Leben. In dem „Svukhäuschen" springt die Koblenscknvpe und zankt sich mit dem Besen stiel. Dieses „svrinat" allein ist ein schlagendes Beispiel für die unbeim- liche Bildkraft des Dichters. Tas ist gesehen, nicht gemacht. Und der Rhythmus, die alliterierende Sprache, tun zu der suggestiven Wirkung das übrige. Ich deute weiter auf die behagliche Ironie von „Tie wilden Leut", die fürchterlichen Schrecken der „Höllenfahrt", das „Kapriccio", wo ein Musikstück zum greifbar bunten Erlebnis wird, schließlich aus die hinreißenden Visionen „Inferno" und „Jstar". „Jstar" malt die Stimmung einer alten Kultur mit einer Wahrheit, die man nur noch bei Baudelaire oder Flauheit findet. Tas Gedicht enthüllt das erotische Ideal des Dichters, das der Antike näher steht, als etwa dcni Walter von der Voaclweide, oder gar Geibel. Sein Verhältnis zum Weibe ist dabei sehr hochgestimmt („Licbesseier", „Tie Sieben", „Der Schrei"). Aber er sieht bewußt die Grenzen, ja er weiß die einseitig physischen Anlagen apart zu genießen („Tas ungesungenc Lied"). Immer wieder grinst der Knochenmann in dieses scheinbar ge triebene und doch so bewußt beherrschte Leben. Aber er schreckt nicht ein Herz, das durch soviel Höllen und Paradiese gegangen ist. Nur eine bange Frage weckt der „blöde Tod", ob auch das Leben reicht für das Werk, um das der Dichter sich müht. Und mit den Todcsgcdanken werden die letzten metaphysischen Fragen von dem Verhältnis des Menschen zur Welt laut. Wie sich Fischer mit allen Dingen positiv absindet, wie er aus allem zu nehmen weiß, „was von je das seine war", so empfindet er auch die Rätsel und Grenzen des Seins nicht als beklagenswerte Armut, sondern als be- glückenden Reichtum. Er wird Herr der metaphysischen Probleme, in- Kem er sie künstlerisch gestaltet und bereichert („Die Kugel"). Es gilt für den Menschen, den Umkreis des ihm Gegebenen und Erreichbaren zu erschöpfen („Tos Rätsel"). So schließt das Buch mit der letzten Ab- reckmuna „Erdenwärts", einem Bekenntnis, das allen „sehnsuchtsvollen Hungerleidern nach dem Unerreichlichen" vorgehalten werden sollte. So sögt sich ein Schöpfer der „Macht der stummen Dinge", so „wächst — erdenwärts", der sich „an jedem Glanze Hirn und Auge wund- gestarrt" bat. Ich bin mir bewußt, daß ich den Reichtum dieses Buches, dellen starker Individualismus etwa in Stirners „Ter Einzige und sein Eigentum" eine Parallele hat, nicht erschöpft habe. Eine Aufgabe, die tsielseicht in so beschränktem Rahmen überhaupt nicht zu leisten ist. Die Absicht war, auf einen Künstler binzuwciscn, der einsam steht im literarischen Modegetriebe. Auf einen Dichter, der heute schon unter die ganz Großen unserer Literatur cingereiht werden darf, und dem das ccnlschc Volk Beachtung schuldet. 0ttc> äldert 8<>bnc>ickc>r. * * Ferdinand Bonns Gnade «nd Fall. Der Exdirektor d,s „Berliner Theaters", der glorreiche Dramatileur v oir „Sherlock Holmes", dem „Hund von BaSkrrville" u. a. „Neberraschungen" hat sein Tagebuch heranSeegeden. Tie Berliner Blätter füllen ihre Feuilleton« mit Auszügen an« dielen amnionten Bekenntnissen, die teilweise zum Kovkstehen und Schreien sind. Vir druck«» wloenden Passus ab, in dem Bonn über den Kamps um sein» „Friedrich- trilogie" berichtet deren Austühruna nicht gestattet wurde: „Uebrrroschenderweisr kam der Kaiser am 6. März in die» Stück. Alt Seine Majestät zu mir mit Beziehung auf meine gute Tendenz und religiöse
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