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KezLgs-Prrit Abend-Ausgabe 8. Anzeigen-PveiS Kr L«w,t- „» »««i d«ch «ar, »I-« «ib vv«dtt»ur« h» Ha»» ««bracht» »nt-ab« L (»« xoraen») virrttijLtzrltch 3 «., monatlich 1 »usaab« I» (morn«»» «w adendH »4«rtrl. jLhrlich «»atUch 1« «. <- and der dentichen Noloni«» »terttljLhrlich b,2S vi.. «oaatlich 1,7Ü vt. aurlchl. Po», destellgeld, Mr Oesterreich S L SS st, Ungar» 8 L »terteltsthrlich Ferner in Sri» zier». Däaemart, da» Vanaukaaten, Frank, reich, Ilalia» Lnrrmdu«, Niederlande, Rorwege», Nntzland, Schweden. Schwei, und Span!«». An «La» tdriaen Staat« nur direkt dnrch dt»«0>ed. d «. erbSIUtch. «donnrmrnt-Lnnadln« > Nuguftnlplatz 8, dei anleren Lrtaer», Mltaien, Spediteure» u»dA»»ah»l«k^en^»^«P<>SLinter» »ad Li» »«»Ml», Nmmaer koket 10 Pfg. Nedaktt»» »»3 Lrpedtttour Jodannilgasi, it. relepho» Nr. 1«SW, «r. l«Sch «r. lEl. UrMgerTaMM HandelszeUung. Amtsblatt des Nates und des Nolizeianrtes der Stadt Leipzig. Mr Intern» aut Lev,la and Umgebung di« Sgespalte»« Petit,eile 25 Pi., finanziell« Antigen 80 Pi., Reklamen l M.; von au»wärt» SV Pi., Reklamen t.2U M.; vomLutlandSOPi., ftnan,. Anzeigen 7S PI.. Reklamen LchO M. Inserate v. vchdrde» in: anulichen LeU 40 Pi. veilagegedübr 5 M. p. Lautend exkl. Post gebühr Beichäit«an,eigen an devorjugler Stelle im Preise erhöh!. Radau nach Laris. Festerteilte «uitrLae könne» nicht zurück. gezogen werde» Für da» Erscheinen an bestimmten Lagen und Plötzen wird keine Garantie übernommen Sn,eigen-Annahme! Augostu»platz 8, bet simtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen de» In» ond Antzlande». Ha»pt.Filiale verklar a«rl Duncker, Herzogs. Bahr. Hosbuch. Handlung, Lützowstrabe 10. (Lelephou VI, Nr. 4S0S). Nr 13 Dienstag 14 Januar 1908. 102. Jahrgang. Das wichtigst* vorn Tage. * Das militärgerichtliche Verfahren gegen den Grafen Lynar beginnt in Berlin im Militärgerichtsgebäude in der Lehrterstraße am 22. Januar. Es sind viele Zeugen geladen. * Die des Mordes an dem Leipziger Buchhändler Gr eg ler verdächtige Minna Döll wurde heute vormittag iu Halle verhaftet. IS. Art.) * Die französische Regierung will formell an der Alge ciras - A k t e festhalten. lS. Ausl.) * König Leopold von Belgien ist an brandartigen Entzündungen erkrankt. lS- Ausl.) * Der persische Generalgouverneur von Aderbeidschan ist von den Türken umzingelt und mit grobem Verlust be siegt. (S. Ausl.) Das Gtatsystern Rheinbaben. Wir haben schon in der heutigen Morgennummer darauf hinge wiesen, daß das politisch bedeutsame Moment bei der Etatsberatung im preußischen Abgeordnetenhaus der scharfe Angriff war, den der nationalliberale Redner Prof. Dr. Friedberg gegen das Finanz system Rheinbabcn führte. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch einen Artikel der „N. L. K.": „Der Zusammenbruch des Etatssystems Miquel-Rheinbaben". Er geht mit der Rheinbabenichen Finanzpolitik so unbarmherzig ins Gericht, wie cs wohl selten bisher von seiten der nationalliberalcn Partei einem preußischen Minister gegenüber ge schehen ist. Der Artikel bezeichnet die Rede Rheinbabens vom 8. d. M. zum Etat als „eine Leichenrede auf fein eigenes zu Tode gerittenes Prinzip" und zieht aus der gestrigen Etatsberatung den Schluß, daß sie das Bild des Zusammenbruchs des Etatsystems vervollständigt habe. Dann folgen eingehende Darlegungen, die es nicht nur bei einer nega tiven Kritik bewenden lassen, sondern auch positive Hinweise geben, wie es anders zu machen sei. Es heißt da: Rheinbabens großer Vorgänger, der gewiegte Taktiker Miquel, wußte vom Beginn seiner Amtstätigkeit an im Landtag dafür Stim mung zu machen, daß es wirtschaftlich das allein richtige sei, möglichst alle Staatsbedürfnisse — auch die für Neubauzwecke — unter Sperrung des Anleiheweges lediglich auf den Etat zu verweisen. Solange die Verhältnisse danach angetan waren, funktionierte dies System scheinbar tadellos und brachte es zuwege, daß sich das Staatsvermögen in Form von stillen Reserven nach und nach um Milliarden vermehrte. Jeder Patriot hätte sich dessen freuen können. Aber schon damals wurden Be denken in der Richtung laut, ob nicht unter der Tendenz, alles in den Etat zu zwängen, die sachlichen Rücksichten bei der Etatsaufstellung zu sehr leiden würden. Diese Sorgen verhallten indes und galten mehr als akademische, weil in der Folgezeit die immer mehr wachsenden, selbst die kühnsten Erwartungen übersteigenden Eisenbahnüberschüsse die Deckung nicht nur für die laufenden Bedürfnisse des Staates, sondern auch noch für Meliorationszwecke wirklich einbrachten. Alle Bedürf nisse wurden auf diese Weise ja befriedigt, wozu sollte man sich noch Sorten um eine anderweitige Regelung machen? Inzwischen stieg aber die industrielle Flutwelle immer höher, der preußische Staat als hoch entwickelter Industriestaat und selbst größter Gewerbetreibender der Welt, wurde, ob er wollte oder nicht, zu immer größeren Investierungen genötigt, sein Bergbau wollte sich ausdehnen und das kostete Geld, und seine Eisenbahnen mußten sich ausdehnen, und das kostete erst recht Geld. Auf solche grandiosen Kapitalbedürsnisse war selbst der preußische Milliardenctat nicht eingerichtet. Trotzdem wurde es versucht, auch für diese riesenhaften Expansionsbedürfnisse, wofür die Privatindustrie schon längst zu hohem Zins den Anleihemarkt hatte in Anspruch nehmen müssen, im Staatshaushaltsetat Platz zu machen, und als dies auf ge wöhnlichem Wege nicht mehr ging, wurde schließlich zu dem Notbehelf gegriffen, die Eisenbahneinnahmen möglichst in die Höhe, die Eisenbahn ausgaben dagegen weit unter das Bedürfnis herunterzuschrauben. Die Maschine wurde überspannt, und dies hat jetzt zur Explosion geführt. Auf mehr als 100 Millionen wird der Fehlbetrag geschätzt, um den der Bctriebsüberschuß der preußischen Staatseisenbahnen gegen den Etat 1907 zurückbleiben wird. Dieses Defizit wird für den neuen Etat 1908 verhängnisvoll, da in diesen ein fast ebenso großer Betriebsüberschuß, wie ihn der jetzt zusammengcbrochene aufbringen sollte, eingestellt ist. wiewohl die Verhältnisse für 1908 weit ungünstiger liegen, wie 1907. Schon die Mehrausgabe für Schienen und Kohlen muß infolge der jüngst bekanntgegebenen höheren Vertragspreise viele Millionen betra- gen, so daß für den Staatshaushaltsetat 1908 zu dem ihm inne wohnenden latenten Defizit von 100 Millionen noch ein zurzeit noch kaum zu veranschlagendes weiteres, großes Etatsdefizit hinzukommt. Wir stehen also vor einer in sich zusammengebrochenen Etatsaus- stellung. Daß so etwas passieren konnte, dafür muß in erster Linie der Herr Finanzministcr verantwortlich gemacht werden. Er hat doch diese ungünstige Entwickelung, über die schon in der Thronrede Andeutungen gemacht wurden, gekannt; wie konnte er dem Landtage einen solchen in sich erschütterten Etat vorlegen? Er kann sich auch nicht dahinter ver stecken wollen, daß der Landtag das ganze System mitgemacht und die auf dieser Grundlage aufgestellten Staatshaushaltsetats genehmigt Hal. Daß ein Prinzip bis zur Absurdität zu Tode geritten wird, konnte nie mand erwarten, und daß dies dennoch geschehen, ist mit Recht gestern dem Herrn Finanzminister zum Vorwurf gemacht worden. Seit Jahren wurde mit riesigen Eisenbahnextraordinarien bis zur Höhe von 186 Millionen vor aller Welt brilliert; aber wie sich jetzt leider herausstelll, indem an anderen Stellen im Haushalt das Nötige fehlte. Das konnte natürlich das Abgeordnetenhaus nicht ahnen! Jetzt zeigt sich übrigens, daß es doch nicht lediglich theoretische Bedenken waren, wenn vor den Folgen eines solchen zweischneidigen Systems gewarnt wurde. Der Konsolmarkt, dem durch übertriebene Dotierung des ExtraordinariumS möglichst aus dem Wege gegangen werden sollte, wird jetzt zur Deckung der großen Defizitanleihen doch in Anspruch genommen werden müssen: aber in dieser Notlage unter weit ungünstigeren Bedingungen, als wenn er auf ordnungsmäßigem Wege von Haus aus in Anspruch ge nommen wäre. So bietet der Etat für 1908 das Bild einer vollständigen Ver wirrung. Wer unsere Verhältnisse nicht näher kennt, sollte wirklich glauben, in Preußen brächen jetzt die Stützen zusammen wie derzeit in Rußland. Zusammengebrochen ist allerdings das bisherige Etats system, damit aber Gott sei Dank noch lange nicht die finanzielle und wirtschaftliche Kraft des preußischen Staates. Im Gegenteil, es läßt sich mit Bestimmtheit erwarten, daß nach Beseitigung die'es fehlerhaften Systems, welches in den Dreimilliardenctat Undurchsichtigkeit. Unwirt- schastlichkeit und schließlich Verwirrung gebracht hat, die Staatssinanzen in ihrer Vollkraft und Gesundheit dastehen werden. Wenn in Zukunft die laufenden Ausgaben des Staates lediglich nach sachlichen Rücksichten dem wahren Bedürfnis entsprechend etatifiert und die großen Aufwendungen, welche die Bedeutung des werbenden Kapitals haben, dahin gebracht werden, wohin sie ihrer Natur nach gebären, dann wird auch wieder Ordnung und Wirtschaftlichkeit in den Staatshaus halt einziehen. Es mag ja weniger Prunkhaft und manchem unsolider erscheinen, wenn der preußische Staat seine werbenden Kapitalien ordnungsmäßig wie jeder Privatindustrielle am Kapitalmärkte aufnimmt, und doch ist es solider und wirtschaftlich richtiger, dies rechtzeitig zu tun, als schließ- lich durch die Not getrieben in Form von Desizitanleihen den Staats kredit ungünstig zu beeinflussen und dadurch der Bevölkerung indirekt nicht unerhebliche Opfer aufzuerlegen. Deutsches Reich. Leipzig, 14. Januar. * Prinz Max von Sachse» und die St. Josefs-Mission. Wir nahmen vor wenigen Tagen Kenntnis von einer Notiz des „Eri de Paris" über Förderung der St. Josefs-Mission durch den Prinzen Mar von Sachsen. In jener Notiz wurde behauptet, jenes mildtätige Werl sei ein Werk der Elsaß-Lothringer, die französisch geblieben sind. Dem gegenüber erfahren wir von gut informierter Seite, daß der St. Josefs- Verein ein deutsches Unternehmen ist, gegründet 1862 mit dem Sitz in Aachen unter dem Protektorat des Kardinals Kopp. Das Werk ver folgt den Zweck, die katholischen Deutschen im Auslande mkt Seelsorge in dcuscher Sprache zu versorgen. Er besitzt nicht nur Stationen in Paris, wo natürlich auch die deutsch sprechenden Elsaß-Lothringer von der Einrichtung Gebrauch machen, sondern auch in Marieille, Lyon, Bor- deaux, Lüttich, Berviers, Brüssel, San Remo, Mailand, Genua, Florenz und Neapel . * Zum Tode des Professors Dr. E. Hasse. An die Witwe des Pro fessors Hasse in Leipzig ist folgende Beilcidskundgebung gerichtet worden: Beim Hinscheiden Ihres hochverehrten Herrn Gemahls spricht Ihnen die nationalliberale Reichstagsfraktion die aufrichtigste und herzlichste Teilnahme aus. Sie wird ihrem lang jährigen früheren Mitgliede, dem entschlossenen Kämpfer für des Reiches Größe und Einheit ein dankbares Gedächtnis bewahren. Bassermann. Graf Oriola. * Diplomatischer Dienst. Aus Petersburg wird gemeldet: An Stells des abgerufenen Barons v. Graevenitz ist zum Minister residenten für Sacksen-Wcimar und Sachsen-Altenburg Baron v. Wolff unter Belassung auf seinem Posten bei den sächsischen Höfen und dem braunschweigischen Hose ernannt worden. * Asrikareisen hoher Kolonialbeamter. Es war bekanntlich schon vor Monaten angekündigt worden, daß Staatssekretär Dernburg in diesem Jahr« nach Südwestasrika, und der Unterstaatssckretär von Lindcquist nach Ostafrika und Ministerialdirektor Dr. Conze Kamerun und Togo besuchen sollten. Wie die „Ins." an unterrichteter Stelle hört, dürfte dieses Programm voraussichtlich eine Aenderung insofern erfahren, als der Besuch von Ostafrika wahrscheinlich überhaupt in Wegfall kommt. Die Gründe hierfür liegen nahe. Einmal ist Ostafrika ja erst im vergangenen Jahre vom Staatssekretär selbst bereist worden, und dann — dies ist der Hauptgrund — arbeitet bekanntlich Gouverneur Jrhr. von Rechenherg bis zum Schluß der parlamentari schen Session im Reichskolonialamt an den speziellen Projekten für Ostafrika mit, so daß die Fühlung der Zentralverwaltung mit dem ostafrikanischen Schutzgebiete ohnehin eine sehr enge ist. * Die Tabaksteuervorlage, die dem Bunvesraie zugegangen ist, sieht, wie die „Deutsche Tagesztg." erfährt, nicht allein eine Ban derole für Zigarren, sondern auch eine solche jur Rauch-, Kau- und Schnupftabak vor. Der „Freis. Zig." zufolge hat man tchon die Einzelheiten des Tarifs festgesetzt. Am 4. Januar hat eine Kon- Feuilleton. „Semper der Jüngling." In unserer Beilage „Mußestunden" beginnen wir am Freitag mit dem Erstabdruck eines neuen Romanes von Otto Ernst „Semper der Jüngling", der als eine Fortsetzung der großen Erzählung von 1905 „ASmuS Sempers Jugendland" zu betrachten i>i. Das Werk ist als „Bildungs roman" gedacht, eine Form, deren Beginn in Rousseaus „Emile" zu erblicken ist und in Deutschland in der klassischen und romantischen Zeit zur Gs- staltuug reicher Schicksale geführt hat. Otto Ernst hält in seinem neuen Roman die seine Milieustimmung fest, dl« den Anfang dieser Serie von Erzählungen so reizend erscheinen läßt. Die prächtige Charakteristik der Gestalten verrät auch hier seine Lehrer: Dickens und den plattdeutschen Epiker John Brinkman. Die Schilderungen sind reich an fesselnden Einzelheiten, die in sentimentaler, intimer Jean Paul-Manier vorgetragen werden, in einer Art, die deS Dichters scharfen Blick für die kleine Welt, das bürgerliche Leben, beweist. Der literarische Roman wird sicherlich unsere Leser sehr bald fesseln, zumal viele Selbsterlebnisse des Autors in den Gang der Handlung verflochten sind, und Otto Ernst in Leipzig nicht unbekannt ist. * Arir fremden Ländern. Ostasienfahrt. Erlebnisse und Beobachtungen eines Naturforschers in China, Japan und Ceylon. Von Dr. Franz Doflein. Mit zahlreichen Abbildungen im Text und auf 18 Tafeln sowie mit 4 Karten. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig, 511 S. Preis: geb. 13 F. Vom Douro und Rio Grande. Allerlei Fahrten von Dr. Alfred Funke. Verlag von Ge- bauer-Schwetschke in Halle. 266 S. Preis: 4,60 ,<l. Vom Donauquell zum Hellespont. Reise bilder von Paul Lindenberg. Verlag von Fer dinand Dümmler in Berlin. 238 S. Reisebilder aus Amerika. Von Adam Röder. Verlag von Puttkammer L Mühlbrecht in Berlin. 133 S. Preis: 2,50 ^l. Das gleichgeschlechtliche Leben der Ost- asiaten: Chinesen, Japaner, Koreer. Von F. Karsch. Haack. Verlag von Seitz L Schauer in München. 133 S. Preis: 4 ^l. Eines der lesenswertesten Reisewerke, die in letzter Zeit erschienen sind, ist Dr. Franz Dosleins, des Münchner Privatdozenten der Zoologie, Buch „Ostasienfahrt". Zwar ist manches darin fachlicher Art, ober der Verfasser versteht die Kunst, auch das Fachliche allgemein ver- stündlich darzustellen, er verfügt über eine so anschauliche und beredte Sprache, daß ihr jeder Laie mit Spannung folgen wird. Insbesondere das Leben der Tiefseetiere, ihre Gewohnheiten, Verteidigungsmittel und ihre Farbenpracht wird uns hier im Zusammenhang vorgefüyrt. In der Sendai- und Sagamibncht Japans hat Dr. Doflein wertvolle Ent- deckungen im Reiche zener Wesen gemacht, die wir als zwischen Tier und Pflanze stehend zu betrachten pflegen. Ferner sind seine vortrefflichen Ausführungen über den japanischen Nolkscharakter, über das Leben und Treiben in Tokio, über die Volkserziehung und die künstlerische Ver anlagung der Japaner sehr beachtenswert. In seiner Schilderung Eey- lons dürften am meisten die erstaunlichen Beobachtungen an Ameisen und Schmetterlingen interessieren. Der Wert dieses fesselnd geschriebe nen und überaus inhallreichen Reisewerkes besteht für den Laien darin, daß er sich in ihm auf Gebieten, die ihm im allgemeinen völlig fremd sind, orientieren kann und daß er wahre Wunderdinge zu hören be kommt, die er kaum glauben würde, wenn nicht die Persönlichkeit und strenge Sachlichkeit des Verfassers ihm ihre Nichtigkeit verbürgten. Dabei kann der Leser diejenigen Stellen, an denen sich einmal die Fachausdrückc drängen, gut überschlagen, ohne dadurch den Zusammenhang zu verlieren. Dr. Alfred Funke, der mit seinem jüngsten Buche „Afrika nischer Lorbeer" in weiten Kreisen Erfolg hatte, beschreibt in den Skizzen „Vom Douro und Rio Grande" seine interessanten Erlebnisse im östlichen Südamerika. Es ist die dritte Schrift des Verfassers, die diesen Landstrichen gewidmet ist. Auch in dem Buche „Deutsche Sied- lung über See" und in der Abhandlung „Die Bestellung des östlichen Südamerika mit besonderer Berücksichtigung des Deutschtums" hat er ein packendes Bild von den Eroberungen der Portugiesen und Spanier und der Festsetzung der Deutschen in Brasilien entworfen. Diesmal kleidet Funke seine Beobachtungen in die Form der Novellette und Skizze. Die Fahcl, die er erzählt, ist nickt immer interessant und (wie iin^„Pes- cador") viel zu weit ausgesponnen, ober die Detailmalerei, die Schilde rung von Volkstypen und Gebräuchen, vom gesellschaftlichen Leben und politischen Treiben wirkt anziehend. Wer sich für die südamerikanischen Verhältnisse interessiert, wird jedenfalls dieses Buch nicht ohne Nutzen lesen. Degen seiner anschaulicken und lebendigen Darstellung ist Paul Lindenberg im deutschen Publikum als Reiseschriftsteller längst ge schätzt. Man darf gleichwohl nicht übersehen, daß er mitunter ein keines wegs einwandfreies Deutsch schreibt. Wendungen wie „Schreiber dieses", der , stattgesundene Besuch", die „Zukunft möge ihm eine leichte sein" sind entschieden abzulehnen. In seinem neuesten Werke, das der Illustra tionen leider vollkommen entbehrt, führt uns der Verfasser über Wien und Belgrad in den „europäischen Wetterwinkel", dann nach Saloniki, Wodena, Monastir, kreuz und quer durch Konstantinopel, nach Skutari und Rhodos, zurück nach Bulgarien und quer durch Rumänien. Eine weite, abwcchslunasvolle und in kultureller wie Politischer Beziehung sehr ergiebige Reise. Abgesehen von den allzu schmeichelhaften Bemerkungen über Davond E'fendi, den ersten Ueberictzer des kaiserlichen Diwans in Kon stantinopel, und gelegentlichen Anwandlungen von Hurra-Patriotismus bildet auch Lindenbergs Buch eine sehr erfreuliche Lektüre. Der Leser erhält einen relativ klaren Ausschluß über die politischen Verhältnisse ans de n Balkan, und Lindenberg ist durchaus der Mann, Kultur und Men- schen erfolgreich zu beobachten. Leider ist Monastir etwas schlecht weg- gekommen in der Schilderung. Ueberhaupt werden manche die allzu knappe Behandlung des Landschaftlichen bedauern. Von Interesse ist auch heute noch die Einweihung des „Eisernen Tores", der Lindenberg beigewohnt hat. Gleichzeitig mit diesem Buch ist übrigens im selben Verlag eine Monographie über König Karl von Rumänien aus de: Fede, Lindenbergs erschienen, in der die moderne Entwicklung Rumä niens einer sehr instruktiven und wohlwollenden Kritik unterzogen wird. Als eine zusammenfassende, historisch vorgehende und alle Faktoren des öffentlichen Lebens in Rumänien berücksichtigende Darstellung hat sie allen Anspruch auf Beachtung. Ein ungemein frisches, temperamentvolles, ja schneidiges Buch bat der Chefredakteur des „Rheinischen Kuriers" in Wiesbaden, Adam Röder, über seine Eindrücke in Amerika erscheinen lassen. Mit „einem großen Bündel sympathischer Vorurteile" ist Röder nach Amerika hin- übcrgesahren und mit einer Art Katzenjammer kehrt er zurück. Der Deutich-Amerikaner, der Röders Aufsätze liest ses sind im ganzen 27), wird natürlich von parteiischer Färbung sprechen. Aber das wäre kein Gegenbeweis. Was Röder Nachteiliges von Amerika zu berichten weiß, wirkt überzeugend, weil er sich nirgends rein absprcchend ver hält, sondern jeden Tadel plausibel begründet. Mit vollem Recht hebt der Verfasser den Unterschied hervor zwischen der technisch-kaufmännischen Zivilisation, die Amerika beherrscht, und der wahren, von innen heraus entwickelten Kultur, an der es Amerika fehlt. Röder erkennt gern den kaufmännischen Geist der Amerikaner an und ihr freies, aus Lelbstän- digkeit des Einzelnen abzielendes Menschentum, aber er gewahrt mit jedem Schritte, den er im Lande tut, mehr, daß die Schattenseiten stärker sind als die Lichtseiten. Er beobachtet den Protzengeist, die von Un bildung strotzende Ueberschätzung des Geldes, die nationale Eitelkeit, den Mangel an jeglicher Gemütlichkeit, an Aesthetik, überhaupt an Kultur werten. „Amerika hat die längsten und kunstvollsten Brücken, die be quemsten Wagen, die längsten Züge, die schnellsten Lists, die 'chönsten Hotels, die höchsten Häuser, brillante Schiffe, praktische Halsbinden, praktische Kleider und Hüte, breite Betten und eine reichliche Fleisch nahrung. All diese Dinge kann man sich aneignen: Intelligenz und Ka pital genügen zu ihrem Erwerb. Sobald aber dieses „Volk" aus sich selbst heraus schassen toll, versagt es: es bat keinen durchgebildetcn Geschmack, keine Ausgeglichenheit der Neigungen, der Temperamente, keine ehrlichen Männer im öffentlichen Leben, keine ästhetisch-charakter volle Presse, keine Kunst; überall herrscht eine unausgeglichene Mischung von Quäkertum und übersatter Raffiniertheit." Eine derartige Kritik wird den Amerikanern nicht angenehm sein. Aber das pflegen Wahr- Heiken überhaupt nicht zu sein. Röders Buch hat für uns Deutsche jeden- falls das Gute, daß wir uns vor der kritiklosen Ueberschätzung der amcri- konischen „Drahtkultur" hüten, daß wir nicht in die Lächerlichkeit verfal len, von der Höhe eines Wolkenkratzers aus den wahren Wert der Ameri kaner und ihrer Kultur zu schließen, und daß wir unsere in diesem Falle allzusehr im Zeichen des Materiellen stehenden Ansichten ein wenig revi dieren. Röders scharfsinnige Kritik bestehl allerdings diesmal we'entlich im Niederreißen, weniger im Ausbauen. Aber es sind Vorurteile. Irr tümer und den freien Ausblick hemmende Mauern, di« niedergerissen werden. Auch eine derartige Freilegung und kritische Negierung kann von Nutzen sein und scheint in der Beurteilung Amerikas ganz besonders am Platze. Wesentlich verschieden seiner ganzen Anlage nach sowohl, als auch in bezug auf die Beschränkung aus ein alleripeziellstes Gebiet ist das aut mühsamen Vorstudien beruhende Werk des Berliner Privatdozenten I. Kar sch-Haack. Es bildet das erste Heft eines groß angelegten