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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.01.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080117021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908011702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908011702
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-01
- Tag 1908-01-17
-
Monat
1908-01
-
Jahr
1908
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Bezog«-Preit in B«i. «»«trULtzrttch «-! «drrl-nd«, »«d«, kchwriz t»U»e» Staat«, >. «1. erhältlich. »«, «ta^ln, «mamrr >0 «adaktt« aa» gahamiKgag, 8. relcvho» »r. 14«^ «». 14SV^ »tr. 14004. and b.L defteU» lla^ara 8 L gim, Li arm art, reich. Ilalte». «arwegea, Nu und Sjiaalaa nur direkt »arch «^nemo^lm>-duu i g bet aase«« Lriaer^ Mltaleu, Spediteur«, und «uuahmestell«, iowt« voyimtern uud Abend-Ausgabe 8. eMgerTaMalt Handelszeitung. Ämtsökatt -es Rates und -es Volizeiamtes -er Lta-l Leipzig. Anzeige«-Preis Nr Anserat« au« veip,«a and Umgebung di»-^spalten, Petit,eile 2L Pi., slnan,iel!e Sn^igea SV PI., SieNamen I M.; »au audivtrt» » W., »eklamen 1.20 M.; »am Au»land SOM., sinan,. Nn^igrn 7L Ps. «Äklame» 1^0 M. Inserat« ». vehörbe» im amtlichen Leil 40 Pi Setla-egebitbr SM.-. Lautend exkl. Post- gebühr. GeichlfttaiMtgen an berorinxte, Stelle im Preil, erhiiht. «abatt nach Larii Aeftertetli« Luitrüa« Vinnen nicht zurück- ae»oze» werde». Für da» ikrichetnen an »»»unmt«a Lagen und Plützrn wird keine Garantie übernommen. «nzrt^n. Annahme i Auguftu-platz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Lipeditionrn de« In- und Auilande«. Hauvt-Filiale verllut Carl Luncker, Herzogl. Vavr. tzosbuch- handlung, Lützowstratze 10. Orelephoa VI. «r. 4603). Nr. 16. Freitag 17. Januar 1908. 102. Jahrgang. Das wichtigste von* Tage. * Diese Nacht ^43 Uhr ist in Salzburg Gxoßherzog Ferdinand IV. von ToSkana gestorben. * Vor dem vereinigten -weiten und dritten Strafsenat des ReichSgerichtS begann heute vormittag die Verhandlung gegen den Schneider Siegfried Wilhelm Michaeli auS Nekla wegen Verrats militärischer Geheimnisse. lS. Ber.) * Die Einnahme von Settat durch die Franzosen erfolgte erst nach einem zehnstündigen Kampfe gegen die Mahalla Muley NeschidS. Die Franzosen sind wieder zurückge gangen. lS- AuSl.) * Die Belagerung vonLugh ist aufgehoben. (S. Ausl.) *Oberbürgermei st er Lueger ist abermals schwer er. krankt. lS. AuSl.) I«v Aaffeler Tagung der Flottenvcrein». Die bevorstehende Generalversammlung deS Deutschen Jlottenver- eins in Kassel läßt sich schon jetzt einigermaßen in ihren voraussichtlichen Ergebnissen überblicken, da die Stimmung in den einzelnen Landesver bänden ziemlich geklärt ist und auch sonstige Geschehnisse dazu beigetragen haben, über die Stellungnahme der wichtigsten Faktoren Klarheit zu schaffen. In Anbetracht dieser Umstände und natürlich ohne dabei abso lut Sicheres prophezeien zu wollen, kann man doch annehmen, daß in Kastel vor allem ein Antrag, dem Präsidium daS Vertrauen der Ver sammlung auszusprechen, eingebracht und mit einer Zweidrittel- bis Treiviertelmajorität angenommen werden wird. Dieser Antrag ist sicher vorauszusehen, da ja der Antrag des Bayrischen Landesvereins auf Mißbilligung des präsidialen Verhaltens vorliegt. Aber wenn auch das Präsidium die Genugtuung eines mit großer Majorität gefaßten Ver trauensvotum haben sollte, so ist es trotzdem nicht unwahrscheinlich, daß der gesamte Vorstand vom Amte zurücktreten wird. Für eine etwaige Neuwahl, die aber kaum schon in Kastel vorgenommen werden dürste, *ommt übrigens in Betracht, daß ein Vorschlag vorliegt, die Differenzen dadurch auS der Welt zu schaffen, daß in den neuen Vorstand weder Herr Keim noch Herr v. Spieß, der Vertreter des Bayrischen Landes verbandes, wieder eintreten. In dieser Richtung bewegte sich auch der mehrfach erwähnte sächsische Vermittelungsvorschlag. Wenn in neuerer Zeit durch die bekannte hochoffiziöse Notiz der „Nordd. Allg. Ztg." der Anschein erweckt worden ist, als ob Prinz Hein rich von Preußen eine scharfe Stellung gegen das Präsidium des Flotten vereins und sein Verhalten eingenommen habe, dadurch daß er nämlich die Niederlegung des Protektorats ankündigte, so ist doch darauf hinzu weisen, daß diese Austastung des Prinzen in ihrer schroffen Form erst neueren Datums zu sein scheint, denn in noch nicht weit zurückliegenden Perioden ist jedenfalls eine mildere Auffassung der Angelegenheit durch den Prinzen kundgeworden. Man kann also wohl annehmen, daß hier die Wirkung des Eingreifens einer sehr hohen Stelle zu beobachten ist. * rr. Zweibrücken. 17. Januar. (Privattelogramm.) Die hiesige Orts- presse des Flottenvereins findet das Verhalten des Generals Keim seit der Kölner Tagung nicht tadelnswert, wünscht eine entsprechende Ehrung Keims in Kassel, erwartet jedoch freiwilligen Rücktritt Keims im Interesse der Einigkeit. Beuthen O.-S., 17. Januar. sEigene Drahtmeldung.) Der durch den Briefwechsel mit dem General Keim beim Briefdiebstahl im Flotten- verein vielgenannte Landgerichtsrat Stern hat den Vorsitz in dem ober schlesischen Bezirksverband des Deutschen Flottenvereins niedergelegt. Tagesschau. Ter Militäretat in der Budgetkommissiou. Es wurde schon kurz gemeldet, daß die Budgetkommission eine Er höhung der Löhnung für die „Gemeinen" beantragt hat, die im nächsten Etat zum erstenmal berücksichtigt werden soll. Wir tragen über die Ver handlung noch folgendes nach: Di« Frage der Soldaten! öhnung kommt auf Grund einer Resolution der Sozialdemokraten zur Erörte rung. Diese Resolution verlangt eine Erhöhung der Löhnung für den Gemeinen, einschließlich der Spielleute, Oekonomiehandwerker und Sanitätsmannschaften, für das Rechnungsjahr 1908. Aba. Vogt-Hall iWirtsch. Vgg.) befürwortet die Resolution, um ihr durch ihre Annahme die agitatorische Spitze abzubrechen. Dr. Wiemer sFrs. Vpt.) verweist daraus, daß er schon im vorigen Jahre sich im Sinne einer solchen Reso lution ausgesprochen habe. Er macht indes auf die finanziellen Folgen aufmerksam, die es vielleicht nicht möglich machen, schon jetzt ohne weite res darauf einzugehen. Er schlägt eine Resolution vor, die die Ein stellung eines entsprechenden Postens in den nächstjährigen Etat ver- langt. Tr. Paasche sNatl.) ergänzt seine Ausführungen durch eine Be rechnung, die bei einer Erhöhung der Löhnung um 10 Pfg. pro Tag und Mann ein Mehrerfordernis von 18 Millionen Mark ergibt. General v. Arnim teilt mit, daß nach Rücksprache mit dem Reichsschatzamt in Zu kunft den Soldaten die Putzmittel geliefert werden sollen, Im übrigen werden für die Verpflegung der Mannschaften neuerdings wesentlich höhere Aufwendungen gemacht. Die Militärverwaltung veziffert die Kosten für Lieferung von Putz- und Gewehrreinigungsmitteln aus 3 Millionen Mark: für die Mannschaften bedeutet das eine Ersparnis von 5 Millionen. Gröber sZtr.) beantragt die Erhöhung der Mann- chastslöhnuna Zug um Zug mit der Verbesserung der Offiziers- und lntcrossiziersbefoldung. Das Geld dafür könne, man durch Ein- 'chränkuna der Aufwendungen für Südwestafrika flüssig machen. Nach langer lebhafter Aussprache werden die Anträge der Sozialdemokraten und des Zentrums abgelehnt, die Resolution Wiemer mit großer Mehr heit angenommen. , Früher bildete ein Hauptthema der Verhandlungen über den Mist- täretat sowohl in der Budgetkommifsion wir dann bei der zweiten Lesung des Etats im Plenum das Kapitel der Goldatenmiß- baudlungen. Auch diesmal hat eS in der Kommission nicht an Einzelsällen gefehlt, über die Klage geführt wurde, aber leibst der Ver treter der Sozialdemokratie mußte anerkennen, daß die Verwaltung sich bemühe, den Mißständen ernstlich zu steuern. ES wird uns über diesen Teil der gestrigen Sitzung geschrieben: Gröber sZtr.) bringt „Soldatenschindereien" in Metz zur Sprache. Die Soldaten haben monatelang keinen freien Nachmittag bekommen, sondern seien stets dienstlich beschäftigt worden. Man hohe ihnen nicht einmal zum Kirchgang Gelegenheit gegeben. Man solle in solchen Fragen der Sache wirklich aus den Grund gehen und insbesondere darauf achten, ob die Kompaniechefs ihre Schuldigkeit tun. Die Militärverwaltung erklärt dazu, daß die Heeresverwaltung allen Vorkommnissen von Soldiatemnihhandlungen und dergleichen mit aller Energie entgegentritt. Bei allen Militärgerichten werde grund sätzlich gründlich geprüft, ob die Kompaniechefs irgendwie ihre Vorgesetz- tenpflichten versäumt hätten. Eine milde Praxis mag hier und da Vor kommen, aber das sei ja auch auf anderen Gebieten der Rechtsprechung der Fall. Der Sozialdemokrat Noske erkennt das Bemühen der Ver waltung ,den Mißständen zu steuern, durchaus an. Er wendet sich aoer dagegen, daß bei Mißhandlungsprozesten die Unteroffiziere von ihren Vorgesetzten günstige Zeugnisse erhielten. Dr. Wiemer lFrs. Vpt.) er kennt gleichfalls die ernstlichen und erfolgreichen Bemühungen der Heeresverwaltung an, den Soldatenschindere,en entgegenzutreten. Man solle dafür sorgen, daß die Mißhandelten nicht wieder unter die Dienst gewalt ihrer Peiniger zurückkommen. Die Versetzung zu einem anderen Truppenteil läßt sich, wie General v. Armin erwidert, nicht allgemein durchführen. Dr. Wremer verlangt eine Revision des Beschwerderechts. Ehrengeachtete und tugendreiche Raubmörder. Im Jahre 1903 wurden in Straubing (Bayern) der Sattlermeister von Viechtach, Karl Bradl, und sein Sohn, Max Bradl, wegen Raub mordes hingerichtet. Sie hatten einen Reisenden in ihrer Wohnung erschlagen und beraubt, und setzten sich, nachdem sie die Leiche unter das Sofa geschoben, im selben Zimmer ohne Spur von Erregung zum Mittagessen nieder, das sie sich vortrefflich schmecken ließen. Die Raub mörder wurden auf dem St. Michaelisfrredhofe begraben. Der Zufall führte mich, so schreibt jetzt der Leser eines Mühlhausener Blattes, neu- lich an ihre Gräber und ich las mit einigem Erstaunen auf den beiden Kreuzen wortwörtlich folgende Inschriften: „Grabstätte des ehrenhaften Herrn Karl Bradl, Sattlermeisters von Viechtach, geboren 15. Mär- 1843, gestorben am 5. Mai 1903; Grabstätte des tugendreichen Jünglings Max Bradl, Sattlermeisters- sohn von Viechtach, geboren 12. Oktober 1880, gestorben 5. Mai 1903." Aus einem Streit zwischen der „Münchener Post" und dem kleri kalen „Bayrischen Kurier" geht die Tatsache hervor, daß die beiden katholischen Raubmörder wirklich diese rühmende Inschrift erhielten. Die „Münchener Post" behauptet such, daß die Mörder mit allen kirch lichen katholischen Eyren begraben sind und das wird wohl gleichfalls stimmen, denn sonst wären sie doch nicht in der Reihe beerdigt? Als in Fameck im Jahr« 1904 die Blätter berichteten, daß in Lothringen häufig Friedhöfe für „besudelt" erklärt worden waren seitens des Bis- tums, weil Protestanten dort unter Katholiken beerdigt waren, wurde auch berichtet, daß ein Katholik im Spittel in Lothringen, der sogar die letzte Oelung erhalten hatte, auf dem Friedhof an einem Schandplatz verscharrt wurde. Dieser Katholik hatte nämlich in einer protestantisch eingesegneten Mischehe gelebt. Als aber ein halbes Jahr darauf in Montigny bei Metz der zum Tode verurteilte Raubmörder Camille Blaise, der im Gefängnis gestorben war, beerdigt wurde, geschah dies in peinlicher Weise mit den kirchlichen Ehren, denn er hatte vor seinem Tode gebeichtet und kommuniziert. So werdens auch wohl die ehren- geachteten und tugendreichen Raubmörder auf dem Straubinger Fried- Hof gemacht haben. — An sich kann natürlich die katholische Kirche mit „toten Mördern" machen was sie will, und eS fällt uns nicht ein, da gegen Protest erheben zu wollen, wenn sie diese mit allen kirchlichen Ehren bestattet. TuS ist Sache der katholischen Kirche. Aber von poli- tischem Interesse wird eine solche Handhabung der Kirchendi'ziplin allerdings, wenn man steht, wie tolerant dieselbe Kirche gegen Mörder zu sein vermag, di« sich sonst nicht scheut, Friedhossstreitiakeiten vom Zaune zu brechen, sovau, eS sich darum haNvrlt, daß auf „katholischen" Friedhöfen auch Andersgläubige bestattet werden sollen. Dann führt eine derartige Praxis, wie sie in Straubing geübt wurde, zur Verwir rung der einfachsten sittlichen Begriffe, und dagegen muß denn doch in der Öffentlichkeit Protest erhoben werden. Deutsches Reich. Leipzig, 17. Januar. * Sin neues Fiasko der -reutztschen Ftnanzverwaliung konstatiert die „Nationalzeituug*. Sie schreibt in bezug auf den Versuch, ohne Vermittlung der großen Bankinstitute die notwendigen Summen für die neue Anleihe zu gewinnen: „Nachdem jetzt bekanntgewordencn Ergebnis ist die Operation als ein Mißerfolg anzusehen. Dreihundert Millionen fälliger Schatzanweisungen sollten nach Angabe des Herrn Finanzministers io erster Linie damit gedeckt werden ; außerdem mehr als noch mal so viel für weitere Anleihebedürfnisse Feuilleton. Was du scheinst, weiß jeder; was du bist, erkennen nur wenige. Machlavelll. * Arbeitsfreude.*) Arbeitsfreude — ist das nicht von vornherein ein Widerspruch? Bedeutet Arbeit nicht Mühe und mancherlei Last. Entsagung und energische Anspannung? Wir können wohl begreifen, daß dem Arbeiter durch die Arbeit, daß über den, der die Arbeit empfängt. Freude kommt. Der Arbeiter streicht den Gewinn ein, der Besteller bekam ein Bedürf nis erfüllt. Wohl bringt Arbeit Freude: aber ob die Arbeit selbst eine Art der Freude ist, das steht nicht jenseits des Zweifels. Schon die Weisen des Alten Testaments dielten die Arbeit für einen Fluch, für die Strafe, die dem Apfelbisse folgte. Und die gleiche Anschauung treffen wir bei allen Völkern und zu allen Zeiten; nur weil die Arbeit im letzten Sinne als eine Pein begriffen wird, erklärt sich der Schrecken des Arbeitshauses und der Strafarbeit. Freilich, dabei ist stets an Arbeit gedacht, die dem Menschen aufgezwungen ist, deren Joch er nicht abzu- ichütteln vermag, und ganz gewiß: der Zwang oder die Freiwilligkeit entscheidet über die Arbeitsfreude oder die Arbeitsqual. Dann aber steht es fest, daß der weitaus größte Teil des Volkes das wesentliche Quantum der von ihm geleisteten Arbeit nicht als reine Freude emp- finden kann, weil es gemußt« Arbeit ist, gemußt schon ihrer Art und ihrem Maße nach. Wir vergessen keineswegs der Schnitter, die mit heiterem Liede Hr Werk verrichten, noch der Schiffsleute, die, mit dem Wind um die Wette, leichten Blutes in das Takelwerk steigen. Aber größer ist die Zahl der Arbeiter, die im Schweiße des Angesichtes, von Gefahren umlauert, etwas verrichten müssen, für daS sie weder Inter esse noch Gefühl haben, auch gar nicht haben können. Die schönsten Phrasen vom Segen der Arbeit täuschen darüber nichi hinweg, daß neun Zehntel aller Arbeitenden an dem, was sie zustande bringen, als Verbrauchende keinen Anteil haben. Darin liegt eine besondere Bitter nis des modernen Arbeitsprozesses. Schlimmer freilich noch ist die beschämende Tatsache, daß selbst solche im eigentlichen Sinne nur für andere geleistete Arbeit häufig nicht einmal den Zweck erfüllt, der ihr allein noch ein Existenzrecht geben könnte: die Lebenshaltung des Ar beiters zu sichern. Da wir im Zeitalter der Geldwirtschaft leben, so ist der Wert der Arbeit, die nicht für mich selbst geschieht, sondern nur ein irgendwie handelbareS Tauschobjekt darstellt, am reellsten ziffern *) Wir entnehmen diesen anregenden Aufsatz mit Erlaubnis des Verlags der neuen Nummer der Halbmonatsschrift „Das Werk blatt", Rundschau für die künstlerischen und wirtschaftlichen Inter essen aller Werkkultur, herauSgeaeben unv verlegt von Wilhelm Diebener in Leipzig. Die Redaktion leitet der Kunstschriftsteller Robert Breuer, von dem ^»uch der vorlieaende Aufsatz geschrieben ist. mäßig auszudrücken. Was bringt die Arbeit ein — das ist eine Lebens frage im schärfsten Sinne des WorteS; von ihrer Beantwortung hängt die Art der Lebenshaltung ab. Es kann nun gewiß nicht Arbeitsfreude wirken, wenn der Arbeitsertrag das Existenzminimum nicht erreicht, wenn gehäufte Arbeit nicht mehr abwirft, als zur Fristung des Daseins just notwendig. Darum ist die dauernde Diskussion des Arbeitslohnes, ist die Tendenz, den Arbeitsertrag zu erhöhen, die erste Vorbedingung für die Möglichkeit der Arbeitsfreude. Das gilt gleichmäßig für alle Berufe und ganz gewiß auch für den der Gewerkler und der Künstler. Nichts wäre verkehrter, als Arbeit, die ein besonderes Handwerkgeschick oder gar freisinniges Künstlertum fordert, durch sich selbst bezahlt sein zu lassen. Gewiß, niemand kann den vollen Wert eines Kunstwerkes bezah en: geistige Werte sind mit Geld nicht aufzuwägen. Trotzdem oder eben darum sollen der Künstler und der Gewerkler mit doppeltem Ernst nach möglichst hohen Lohnsätzen lHonoraren, wenn's besser klingt) trach ten. Darum sollte er auch keinen gangbaren Weg scheuen, um sich und seinen Arbeitsgcnossen hohen Verdienst zu sichern. Einerlei, ob er selbständig oder Gehilfe ist. Nur wenn dieser Grundsatz maßgebende Wirklichkeit wird, wenn gute, kluge und schöne Arbeit nacy Verdienst gelohnt wird, kann das allgemeine Niveau der Leistungen steigen. Darum ist die Frage nach dem Arbeitslohn nicht nur eine Folge der Begehr lichkeit der Arbeitnehmer, sie ist viel mehr: eine Frage von höchster kultureller Bedeutung. Nur gediegene und edle Arbeit vermag Ar- beitSfreude zu schaffen. Das Publikum muß lernen, daß gute Arbeit teuer ist. Nicht nur das Zuwenig des Lohnes, auch das Zuviel des Quantums macht die Arbeit uns zur Last. Jede Arbeit wirkt Ermüdung, das ist ein natürlicher Vorgang. Uebermüdung aber bedeutet auf die Dauer eine Schädigung an Körper und Geist. Wenn nun auch schon mancher lei geschehen ist, einen Normalarbeitstag festzulegen, so stehen wir doch allgemein in Deutschland noch im Zeichen der Uebermüdung. Es wird nicht zu viel, aber es wird zu lange gearbeitet. Lange Arbeitszeit be- deutet keineswegs proße Arbeitsleistung; eher ist das Gegenteil richtig. Ueberstunden sind immer ein Schaden; waS heute mehr produziert wird, das leistet der geschwächte Arbeiter morgen und übermorgen weniger. Und wenn das nicht geschieht, wenn er Tag für Tag mehr leistet, als er eigentlich zu leisten vermag, so geht er frühzeitig zugrunde. Das be- deutet aber für die Gesellschaft eine Belastung mit Krüppeln, zum min desten eine ungenügende Ausnützung der Arbeitskraft, Raubbau. Dem einzelnen aber vergällt dauernde Uebermüdung von vornherein die Ar beitsfreude. Darum haben alle Bestrebungen, die dahin gehen, die Arbeitszeit zu verkürzen, maßgebenden Einfluß auf die Qualität der Leistungen. Man bilde sich nur nicht ein, daß übermüdete und abge spannte Menschen etwas Tüchtiges zu schäften vermöchten, die Kandare des Hungers sei noch so eng angezogen. Heimarbeit, Fronarbeit: Un kultur. Gute Arbeit fordert die gespannteste 'ufmerksamkeit und volle Frische, und dies um so mehr, je schwieriger und komplizierter sie ist. Ein dritter Faktor ist der Ort, da die Arbeit vor sich geht. Der Bergmann, der unter Tag sein Werk verrichtet, der Kanalreiniger, all die Beschäftigungen, die schmutzig und bis zum Ekel abstoßend sind, die in gesundheitlich besonders gefährlichen Lokalitäten geschehen müssen, sind fern von gesunder Arbeitsfreude. Wir können uns kein heiteres Lied und kein lachendes Auge vorstellen unten im finsteren Schacht oder in den Schlammgruben. Aber nicht nur diese schlimmen infernali schen Abgründe machen die Arbeit bitter; jeder mangelhafte, hygienisch unzureichende, unfreundliche Raum hindert, daß Fröhlichkeit die Arbeit begleite. Stickluft, Stauh und der Atem gepferchter Massen, Unbe quemlichkeit, Lichtmangel und verwinkelte Enge lassen die Arbeit lm gesteigerten Maße als aufgezwungen, als unentrinnbares Geschick er scheinen. Es ist uns leider noch nicht zum vollen Bewußtsein geworden, daß Räume Sprache haben, daß sie den Pulsschlag und den Flug der Seele beeinflussen. Es gibt Räume, die mißmutig, cs gibt solche, die heiter machen; es gibt Räume, in denen man träumen, und solche, in denen man arbeiten muß. Ein ArbeitSraum hat die Pflicht, suggestiv zur Arbeit anzuregen. Es gibt solche Arbeitsräume: es gibt Fabriken, von einer Helligkeit durchflutet, die den Willen elektrisiert, von einer Bauart, so energisch, so übersichtlich, daß Unordnung uno Faulheit dort keine Stätte haben können. Doch seien wir nicht optimistisch. Wir wollen zufrieden sein mit Arbeitsräumen, die unsere Gesundheit nicht gefährden, die sauber, hell und einigermaßen wohnlich sind. Wohnlich allerdings nicht in dem Sinne, daß Herd und Bett dort steht, wo der Webstuhl klappt und die Späne fliegen. So ist es denn recht und hillig, daß die Reformatoren, die der Arbeit zu ihrem Königsrechte und dein Arbeiter zur Arbeitsfreude helfen wollen, nachdrücklich einen einwand freien Arbeitsraum verlangen. Daß schöne kunstgewerbliche Arbeiten nur an Orten geschehen sollten, wo Kulturmenschen ohne Uebcrwindung zu leben vermögen, das müßte selbstverständlich sein. Ich sage noch mals: Heimarbeit, Konfektion, Spitzenklöppelei, Kinderspielzeug, Stadl- schleiferei — Barbarei. Ein letzter maßgebender Faktor für das Maß der Arbeitsfreude ist die Art der Arbeit selbst, das, was durch die Arbeit hervorgebracht wird. Es ist nicht gleichgültig, ob eine Arbeit an und ^iir sich interessant oder gleichgültig ist, oo sie dem Arbeiter selbst etwas bedeutet, oder ob sie für ihn nichts weiter ist, als eben nur das Mittel, sein Leben zu fristen. Dies Problem der Freude an interessanter Arbeit ist doppelt wichtig zu einer Zeit, die immer stärker in die Spezialisierung der Arbeit hinein gerät. Ist es überhaupt möglich, daß ein Arbeiter, der jahraus, jahrein einen ganz bestimmten Teil einer Maschine herstellt, ohne jemals diele seine Arbeit in Funktion zu sehen, an solcher Teilarbeit Freude haben kann? Ist es möglich, daß ein Tischler, der täglich Stuhlbeine zu schneidet, an solchem Spezialgeschäft dauernd Freude haben kann? Ist es möglich, daß ein Graveur, der immer nur bestimmte Teile eines Gegenstandes zu bearbeiten hat und niemals diesen selbst zu Gesicht bekommt, an solcher einförmigen Arbeit sein Genüge hat? Es gibt gewiß Möglichkeiten, diese Fragen zu bejahen. Der Spezialist kann an der uniibertrcfflichen Exaktheit seiner Arbeit seine Helle Freude er- leben. Der die Werkzeugmaschine bedienende Arbeiter, der nur einige bestimmte Griffe auszusühren hat, kann dazu so viel Aufmerksamkeit notig haben, daß Langeweile ihm nicht den Tag verleidet. Trotzdem, in der Spezialisierung liegt eine gewisse Gefährdung der Arbeitsfreude. Daran ist aber nichts zu ändern; es ist als ein Schicksal hinzunehmen und kann nur durch Wirkung der anderen die Arbeitsfreude bedingenden Faktoren ausgeglichen werden. Die Spezialisierung braucht auch keines-
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