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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.01.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080115013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908011501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908011501
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-01
- Tag 1908-01-15
-
Monat
1908-01
-
Jahr
1908
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Nr. 14. 102. Jahr«. Leipziger Tageplatt. Mittwoch, 15. Jarmar 1W8. ltuae »»ter 18 Jahre» di« Verpflichtung »um Besuche eiuer Fortvildungsschnle, soweit diese Verpflichtung nicht landeSgcsetzlich be» sieht, begründet werden kann. Von diesem, auf die im Handel «rnge- tellten weiblichen Kräfte beschränkten Rechte bade» bis jetzt 16 deutsche Ztädte Gebrauch gemacht, m Sachsen bisher Planen i. V., Bruau- >öbva. Falkenstein, Klingenthal, Lengenfeld und Grünbai«. Fortbil- »ungsschulen für Mädchen mit freiwillige« Besuch haben Auer bach i. V., Buchholz, Dresden, Eibenstock, Ellefeld, Frankenberg, Glau chau, Geisiug. Leipzig, Meerane, Mittweida, Schneckerg und Zittau. -Neben den Vorschriften der Reichsgewerbeordnung kommt für Lachsen noch 14 des BolkSschulgesetzes vom 26. April 1873 iu Be rocht, wonach „auch für die aus der einfachen Volksschule entlassenen Mädchen eine Fortbildungsschule mit der Verpflichtung zum Besuch aus ,wei Fahre errichtet werden kann". Dieser Unterricht soll aber nach H 32 der Ausführungsverordnung nickt über zwei Stunden wöchentlich ausgedehnt werden. Von größeren Gemeinden hat auf Grund dieser Bestimmungen nur Plauen >. B. eine obligatorische Mädchenfort- kildlingsschnle errichtet, und damit bescheidene, aber nicht unerfreuliche Irrfolge erzielt. Der Unterricht umfaßt religiös-sittliche Unterweisung, Deutsch, Gesundheitslehre und Haushaltungsbunde mit Rechnen, als wahlfreie Kurse sind angeführt Turnen, Singen, Buchführung und Stenographie. Selbstverständlich zeigt sich in diesen Kursen das glktcke Bild wie überall bei fakultative» Stunden: ein Nachlassen in der Be sucherzahl gegen Ende des Schuljahres. Neben diesen wenigen aui Reichs- oder Landesgeietz mit einem ge- oisien Besnchszwang fick ausbaueirden llnterrichtsanstalten für die er- wachsen? weibliche Jugend bestehen noch zahlreiche andere solche Anstal ten, die teils von öffentlichen Körperschaften, teils von privaten Der- Einigungen ins Leben gerufen worden sind, so die Schulen für Franen- oerusc in DreSoen und Leipzig, die Handels-^ Fach und gewerb lichen Schulen mit besonderen Klaffen icker Kursen für Mädchen. Trotz dem diese Anstalten durch eine große Zahl Mädchen fleißig besucht wer- sen, läßt sich aber doch nickt bestreiten, daß die große Masse der Mäd chen nock abseits steht, und zwar sind es gerade die, denen eine gewisse Wortbildung am nötigsten wäre, mag nun Gleichgültigkeit, Manael an Zeit oder die Unmöglichkeit, die mit dem Bau einer solchen Anstalt ver- Inüpsten geringen Opfer anszubringen, den Grund hierfür bilden. So rscheint der Zwang als das einzige Mittel, womit dauernd und gründ lich gebessert werden kann. Um dies zu erreichen, mußte zunächst der obenerwähnte 8 120 der Reicksgewerbeordnung dahin geändert werden, xrß der Kreis der weiblichen Personen, die durch Ortsstatut dem Fort- bildungsschnlzwang unterworfen werden können, über die Haudlungs- aehilsen und Lehrlinge hinaus wesentlich erweitert wird. Die Landes- gesekgcbuna aber mußte die Beschränkung auf die aus der einfachen Volksschule entlassenen Mädchen und aut die Zahl von zwei Pilicht- tundcn wöchentlich fallen lassen. Fallen diese Beschränkungen wog, so unterliegt es keinem Zweifel, daß unsere Gemeinden von dem Rechte ortsstatutarischer Errichtung solcher Schulen öfter als jetzt Gebrauch machen werden, insbesondere dann, wenn der Staat noch reichlicher als bisher Unterstützungen dazu gibt. sJm Fahre 1906 sind 6200 .ff Beihilfen an 14 Gemeinden, im Fahre 1907 dagegen 7200 .ff an 12 Ge meinden gewährt worden.) Eine andere Frage ist eS aber, ob den Gemeinden ein Zwang >ur Errichtung von Fortbildungsschulen mit obligatorischem Bösuch aus- . rlcgt werden kann. Und diese Frage ist sowohl in der Deputation, wie auch von den als Kommissaren crbaeordneten Reaierungsvertretern ver- neint worden, and zwar unseres Erachtend mit Recht. Wenn der eine Regierungskommiffar auch auf die damit verbundenen finanzielle» Lasten hinwies, ft ist dem entgegenzubalten, daß sie an sich wohl noch zu er- 'ckwingen sein würden. Wichtiger ist aber der Einwand, daß die Höbe dieser Kosten in keinem reckten Verhältnisse zu dem zu erreichenden Ziele sieben würde. Gerade die Errichtung von Kochschulen und die Heranziehung der hierfür nöligen Lehrkräfte würde große finanzielle Opfer verlangen, und dabei bandelt eS sich bei der Ausbildung der Mädchen in der Haushaltsührung doch um eine Ausgabe, die in erster Linie und am zweckmäßigsten der Familie überlasten bleiben muß. Erst wo diese verftgt, haben Staat oder Gemeinde cinzugreifeu. Weiter kommt aber in Betracht, daß die örtlichen Verhältnisse außerordentlich verschieden sind, daß die Zusammensetzung der Bevölkerung an einem Orte ganz anders geartet fttz als am ander«, daß keruer viäe Gemein den zu klein sind, als daß sie eine eigen« Fortbildungsschule errichten könnten, während man cs den Mädchen und ihren Arbeitgebern nicht ,umutcn kann, neben den Stunden für den Fortbildungsschulunterricht noch die Zeit nir einen unverhältnismäßig langen Schulweg zu opfern. Kurz, eine solche Einrichtung durch Gesetz firr das ganze Land zu tresftn, hieße die Wohltat, die damit erwiesen werden soll, vielfach zur Plage gestalten. Der richtige Weg, dem Ziele erner allgemeinen Fortbildung der Mädcken näher zu kommen, wird also der sei», daß man der Fortbil- dungssckulpstickt nicht nur die aus der einfachen, sondern auch die a«S der mittleren Volksschule zur Entlastung kommenden Mädchen nnter» stellt, sofern die einzelnen Gemeinden auf Grund des 8 14 Abs. 6 des ächsischen Volk-Schulgesetzes vom 26. April 1873 Fortbildungsschulen errichten. Die Regierung siebt jedenfalls der Sache sympathisch gegen- über, und sie wird sich daher einer Aenderung des eben zitierten Para- arapben in dem angedenteten Sinne keineswegs widersetzen. Noch leich ter wird eine Erweiterung der Pflichtstundenzahl über zwei pro Woche hinaus zu erreichen sein, da diese Zahl ohnehin nur durch die AuS- -ührungsverordnung vorgosHriebrn ist. Möge die Negierung die Pe tition in diesem Sinne erwägen. Deutsche» Reich. Leipzig, 1L. Januar. * Sn« Streit t« A»»tte»»eretn. Der badische LandeSauSschutz de» Deutschen Flottenvereins ist der »Süddeutschen ReichSkorrespondenz" zufolge mit dem weiteren Verbleib de- Generals Keim in der Stellung als geschäftsführender Vorsitzender des FlotteuvereiuS nicht ei» ver stände» und hat seine Delegierten zur Hauptversannnstmg m Kastel beauftragt, in diesem Sinne tätig z» sein. * Gegen tzie Blockpolitik macht sich seit der Bülowschen Rede im Abgeordnetenhaus? eine Abneigung in freisinnige« Kreisen bemerkbar, «och ferner die Blockpolitik zu unterstützen. Sv hat der Führer der hessischen Freisinnigen, Pfr. Korcll, sich öffentlich i» diesem Sinne aus gesprochen und iu Nürnberg hat eine Generalversammlung des demo kratischen VereiuS eine Resolution beschlossen, in ver die drei freisinnigen Reichstagsfraktionen gebeten werden, aus dem Block anchutreten. — Auch in Dresden hat sich, wie uns ein Privattelegramm meldet, der Vor stand des Liberalen Verein» in einer Sitzung vom IS. Januar ein stimmig dahin geäußert, daß nach der Stellungnahme der preußischen Regierung und der Konservativen zur WahlrechiSsrage ein längeres Verweilen der drei linksliberalen Parteien im Block mit der Würde und deu Ansichten de- Liberalismus absolut unvereinbar sei. Der Verein fordert daher den sosortigeu Austritt der letztgenannten Parteien ans dem Block, ohne Rücksicht auf das Schickial de? dem Reichstag zurzeit vorliegenden Gesetzentwürfe. — Das ist ebenso wir die Erklärungen in Hessen und Bayern mehr temperamentvoll als politisch klug. E» ist aber dadurch wenig einvrucksvoll, daß alle diese Erklärungen jenseits der preußischen Grenze abgesagt werden, während mau in Preuße» selbst «lichterer denkt. Wir bleiben dabei — so groß der Affront ist, den Bülow den Liberalen im Landtag anzntun sich nicht gescheut hat — die richtige Antwort bleibt doch, daß, wenn er sich in Preußen nicht um den Block im Reich kümmert, man eben auch in Preußen dasselbe von liberaler Seite aus tuu soll. Erschüttert dies dann deu Block im Reich, so hat der Reichskanzler die Verantwortung für daS zu tragen, was er als Ministerpräsident im Reich politisch gegen den Liberalismus ge sündigt hat. Deshalb begreifen wir die scharfe Oppositiou, die die Nationalliberalen im preußischer! Landtag gegen den Finanzminister begonnen haben, halten aber dafür, daß mau im Reich so lange am Block sesthalteu soll, als eS Bülow nicht auch dort unmöglich macht. — Daß mau übrigen- iu der Leitung der srcisiuuigen Parteien ähnlich denkt, geht aus einer Notiz der »Lib. Korresp." hervor, die gegenüber deu Meldungen vou einem Austritt hervorragender Politiker aus der Freisinnigen Vereinigung erklärt, „an einen Austritt auS der Partei denkt von hervorragenden Männern der Partei niemand. Einige Herren wollen hingegen innerhalb der Parteigemeinschaft eine Altion herbei führen, die den Zweck hat, die Fraktion zu einem schärferen Vorgehen in der Wahlrechts- und Biocksrage z« veranlassen". * PvstanweisungSderkehr im Jahre 1906. Fm Hinblick auf mannigfachen Bestrebungen zur Verbesserung des Zahlungs-Wesens, namentlich zur Herabminderung des Barvcrkehrs, ist das Ergebnis des Geld- und Giroverkehrs der Reichspost aus dem Fahre 1906 von beson derem Interesse. Die Gesamtzahl der beförderten Postanweisungen hat sich von 174 Millionen im Fahre 1905 aus 184 Millionen vermehrt, der übermittelte Geldbetrag von 10 461 Millionen Mark auf 11252 Millio- nen Mark jalso über 11 Milliarden). Der durchschnittliche Betrag einer Postanweisung belief sich aus 61,73 ^k. Innerhalb des ReichspostaebieteS allein wurden aus 160 Millionen Postanweisungen genau 9 857 /70 179 Mark eingezahtt. Die Zunahme betrag! gegen das Vorjahr nicht ganz 9 Millionen 'Stück, während sie im Fahre 1905 noch nicht 7 Millionen betragen hatte. Auch der Gesamtbeträge war in diesem Fahre nur! «m 488 Millionen gewachsen. Die Zahl der durch Giro ein^ezadlten Post- anweisungen erschein: danebeu verhältnismäßig gering, sie betrug nur 2 802 000 Stück. Ein Beweis, daß sich der Giroverkehr nicht derienigen Beliebtheit seilens deS Publikums erfreut, wie es im Interesse der Verringerung deS Barverkehrs s.i den Schaltern wohl wünschenswert erschiene. Vielleicht bringen die künftigen Scheckämter bez. das neue Scheckverfahren darin eine Aenderung zum besseren. Die Auszahlung durch Giro ist besser entwickelt. Es würben 35 716500 Stück Post anweisungen im Reichspostgebiet durch dies Verfahren ausaezahlt. Die Zahl der Teilnehmer an der Girobealeichung von Postairweisungsgeldern belief sich Ende 1906 bei den Einzahlungen aus 5266 iu 464 Orten, bei den Auszahlungen aus 12100 in 737 Orten. Der Gesamtbetrag der durch Giro eingezahlten Postanweisungen erreichte im Fahre 1905 244 305 000 .ff. Ausgezahlt wurden dagegen über 2 Milliarden Mark, genau 2 056 687 200 ukl. Es wird also immerhin schon mehr als der vierte Teil der PoslanweisungSbeträge durch Kiro an die Empfänger überwiesni * Verein deutscher Arbeitgeberverbände. Am 13 d. MtS. sand unter Vorsitz des Kommerzienrats Menck-Altona die Vorstandssitzung der größten Arbeitaeber-Zentralorganisation, deS Vereins deutscher Ardeit- aederverbände, in Berlin statt. AuS dem Geschäftsbericht, den Dr. Grabenstedt erstattete, ist besonders hervorzuheben, daß die Orga nisation im Fabre 1907 erhebliche Fortschritte gemacht bat. Während Ende 1906 dem Verein 25 Mitgliedsverbände mit etwa 200 Unterver- bändcu und etwas über 1 Million Arbeiter angehörten, ist die Zahl der Mitglieder besonders durch den Hinzutritt von 19 Verbanden rm ver- fiostenen Fabre auf 44, die Zahl der Nnterverdände auf über 3M und die Zahl der angeschloffenen Arbeiter auf 1300000 oestiege». vmr In dustrien, welche sich im Berichtsjahre neu angeschlossen haben, sind hauptsächlich zu erwähnen die Chemische, Zigarren-, Isolier- und Hohl- glasindustrie und ferner Verbände des Baugewerbes, sowie «ine größere Zahl von gemischten Arbeitgeberverbänden in alle« Teilen Deutsch- lands. Die Ausbreitung der Entschädiyungsgesellschaft des Vereins, welche als Rückversicherungsgesellschaft wirft, hat ebenfalls gute Fort schritte gemacht; für das Jahr 1908 haben bereis verschieden« Verbände den Beitritt zur Rückversicherungsoesellsckaft iu Aussicht genommen. Der Verein deuscher Arbeitgeberverbände hat sich bei Bekämpfung He bei seinen Mitgliedsverbänden auSgebrocheneo Streiks, namentlich der großen Holzarbeiterbewegung im vergangenen Frühjahr, hervorragend bewährt. Es wurde festgestellt, daß im Derichtsiahre^i 197 Arbeiter- bewegungen der Schutz des Vereins angernfen wurde. Der Vorstand nahm von dem Bericht Kenntnis, erledigte verschiedene Verwaltungs angelegenheiten und traf insbesondere Bestimmung über die Verwendung des ans der Hilfsaktion für die Holzindustrie verblickenen Neber- schustes. * Antrag zugunsten von Recktsauwaltsgehllfe«. SaNleibeamte» »sw. Die nationalliberale Reichstagsfraktion bringt zum Etat des Reichs amts des Innern ihren früheren Antrag Basterman« ln Form einer Resolution wieder ein, wodurch die veroSicketeu Regierungen ersucht werden, dem Reichstag tunlichst bald einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher bezüglich der Gehilfen der Rechtsanwälte, der Necktsagenten. Notare und Gerichtsvollzieher, ferner der Beamten und Angestellten der Krankenkassen, der Angestellten von Versicherungsgesellschaften aus Gegenseitigkeit, von Vereinen, Auskunfteien, von Bucherrevisoren, Kon kursverwaltern und ZentralbuchführunaSbetrieben über die Arbeitszeit, die Kündiaunasfristen, die Sonntagsruhe, die berufliche Aus- und Fort- bilduna die gleichen oder ähnliche Schutzvorschriften Vorsicht, wie sie das Handelsgesetzbuch und die Gewerbeordnung hinsichtlich der Handels angestellten enthält. * Eine neue Parteibilpung. Schon vor längerer Zeit verlautete aus dem Rheinland, dem Zentrum gegnerisch gesinnte katholische Kreise, denen man den Namen Nationalkatholiken beilegte, würden sich partei politisch organisieren, auch ein eignes Blatt gründen. Daun verlautete wieder, diese Plane seien aufgegeben. Das ,B. T." erfährt jetzt, daß eS heute doch noch zu einer parteipolitischen Konstituierung kommen werde, die den Namen »Deutsche Bereinigung" führen soll. Außer den Nationalkatholiken find eS Angehörige de- Adels und Großgrundbesitzes, die die Partei ins Leben rufe» wollen. Geplant ist eine Zeitung in Bonn, für die ein Fonds von über 100000 gesammelt ist. Ausland. Oesterreich-Ungar«. ' Auswärtige Frage«. Ans Wien wird unS von unferm P.-Korre- spondenten geschrieben: „Wie denken Sie über Marokko?" Die Frage findet hierzulande stets nur ein geringes Echo, da die ökonomischen Be- Ziehungen zu diesem Kaiserreiche, das jetzt gar zwei Monarchen hat, nicht allzustarker Art sind; nur in den Kreisen, die sich sxakckieio mit der auswärtigen Politik befassen, mußt« die Stellung zur neuen Situation fixiert werden Sie läßt sich mit wenigen Worten wiedergeben: Man stebt aus dem Standpunkte, daß die Algecirasafte iu Kraft bleibt, dafi Frankreich und Spanien, solange und insoweit si< ihre von dem euro- päischen Staatenkonzert ihnen übertragenen Funktionen ausüben, der Unterstützung sicher sein können. Fm übrigen befolgt man im hiesigen Auswärtigen Amte die gleiche Taktik, wie in der Wilhelmstraße in Ber lin; befolgt sie und wird sic weiter befolgen. Ein anderes Kapitel der aktuellen auswärtigen Politik ist die Reformaktion in Mazedonien: hier zeigen sich einige dunkle Wolken. Es fällt auf, daß der Widerstand des Sultan- gegen die von Oesterreich-Ungar» und Rußland entriertc Fustizreform in Konstantinopel Stützen findet, die nicht islamitischer Art sind, und es läßt sich nicht leugnen, daß speziell einige publizistische Aeußerungeu in der Berliner Presse als unwillkommen und unfreund, lich bezeichnen werden. Lasten Sie mich zum Schluffe dieser kurzen Be merkungen im Telegrammstil, da die reichSdeutsche Politik gerade jetzt so überreich au wichtigen Vorkommnissen ist, noch eine Nachricht an- schfießen, die auS bester Quelle stammt, die aber, wie sagt man nur gleich ? diplomatisch geheim gehalten wird: Es werden zwischen London, Washing- ton und Petersburg ernste Verhandlungen gepflogen, di« auf die, Schaffung eines ostasiatischen Dreibundes hinzielen. Man ist in der englischen Hauptstadl geneigt, das anglo-japanische Neberoinkommen zu negligieren, di« japanische Gefahr erscheint deu Engländern heute qerade so dringend, wie den Vereinigten Staaten von Nordamerika und Rußland. Die Bedeutung dieser Negotiationen bedarf wohl keines Kommentars. * Ungarns neue Hausordnung Der wesentlichste Punkt der iünstigen parlamentarischen GeickästSordnung wll ein» Bestimmung sei«, daß erst 150 Ab geordnete einen Tringlichkeiteautrag stellen können, über den alsbald abgestimmt werden muß. Auch soll sich daSAbgeordnelenhau-nötigeofallS in Permanenz erklären dürfen. Düse Maßregeln gelten zunächst den Kroaten und den.Rationalitäten", um eine Obstruktion von dieser Seite zu verhindern Diele Erwägungen waren sedoch nicht allein entscheidend; der Hauptgrund für die geplante Aenderung ist, daß der Minister des Innern Graf Anbrasty die Borlage über da» allgemeine Wahl, recht nicht etnbringen will, wenn nicht zuvor die bisherige parlamentarische Geschäftsordnung etwas verschärft wild. — Di« genannten Verschärfungen sind entsetztich gelinde. Ohne dir Einführung des Debattejchlnffr», durch einfache Feuilleton. Ein Ibsenbrevier. Von Dr. Paul Fechter sDreSden). Leit nicht nur die Kunst, sondern auch die Wissenschaft angefaiigcu Hai, populär zu werden — hat sich eine neue Art Landplage entwickelt: die Breviere. Aus lebenden und toten Dichtern, Gelehrten, Philosophen werden Ragouts znsammeugebraut; niemand mehr ist vor dem „Aus- aewähltwerden" sicher — nnter irgendeinem unverfänglichen Titel be kommt man nicht nur Fean Paul, Heinrich Heine, die Bibel und die ubrige Weltliteratur angeboren, sondern neuerdings auch Kant, Hegel, Schelling — selbst Otto Meininger, unter Beseitigung alles lieber, 'lässigen, das die kritiklosen Verfasser neben dem wesentlichen Kerne ihrer Arbeit noch haben stehen lasten. Tie Folge ist, daß man so ziemlich gegen alles, was versteckt oder offen als Brevier austritt, ein gewisses Mißtrauen empfindet — um so mehr als selbst Leute mit besserem Namen sich heute an diesen ..literarischen Vorsckueiderdieusten" beteiligen. Desto angenehmer wird man berührt, wenn man trotz der direkten Bezeichnung eines Buckes als Brevier etwas Brauchbares entdeckt — hinter dem ominösen Titel statt bcguemer Leseirilckte eine Konzentrierung, ein Wesentliches, eine wirkliche Quintessenz antrifft, gegeben von einer Persönlichkeit, die in dieser Konzentrierung zugleich ihr« Stellung gegenüber dem B» krachteten zum Ausdruck bringt. Dies ist der Fall bei einem kleinen oieser Tog« bei 2. Fischer iu Berlin erschienenen Buche, dessen Ver- asser eigentlich schon eine Garantie für Persönliches bietet: bei dem Jbsenorevier Vernarb Shaws, das Siegfried Trebitsch, der Unermüdliche, jetzt ebenfalls cu sein geliebtes Deutsch übertragen bat. Tie Schrift ist anfangs der SOer Jahre entstanden — im Anschluß an die Kämpfe, die in England noch heftiger als bei unS über Wert 'der Unwert der Jbsenschen Dichtung ausgefochten wurden. Sie gibt in drei .Kapiteln im Umriß ein Bild der Stellung Shows zu dem Nor weger, im vierten eine Analyse der Dramen von ,^?rand" bis „Klcin- Eyols", um mit einem Ueberblick über den Einfluß Jbscnscher Kunst auf das Theater und die Darstellung zu schließen. Sie verdient.somit sn doppelter Hinsicht Interesse: einmal, weil ne erkennen läßt, wie sich in Vernarb Shaw das Bild der stärksten künstlerischen Persönlichkeit feiner Tage ftiegelt — ans der andern Leite, weil sie, aus einer Art Streit- chrift erwachsen, wenigstens andentet, was es an erbitterten Kämpfen gekostet hak, ehe Ibsen in England auch nur annähernd die Stellung er rang, die er sich aus dem deutschen Theater bereits erobert batte. Bei der Betrachtung der Beziehungen Shaws zu Ibsen darf eines nicht übersehen werden: die Entstehungszeii der Schrift. Klein Evolf ist das letzte in der Reihe der betrachteten Merke. Das Drama erschien Ende 1894 — zwischen diesen Zeitpunkt und dos Erscheinen deS Bork mann resp. des Epilogs ist die Abfassung des Breviers zu verlegen, da Lhaw sich sonst diese beiden als Beweisstücke für seine Auffassung deö Ibsenismus" kaum hätte entgehen lassen. Der cs schrieb, war noch nicht der Shaw von haute, der die Vorrede zu ,«><1 oewftßte, ftndern der Shaw der „Fran Warren" und des .ZVickorvo«-- ffnrnv* * — ein Werdender, der noch an Schopenhauer glaubte, ,n dem noch der Sozialist mitsprach — einer, der erst aus dem Wege war zu dem gesteigerte» Intellektualismus de» heutigen. — der über allem stebt. Infolgedessen gibt gerade diese kleine Schrift «inen klareren Einblick in die Genesis dieses Geistes, als die indirektere Selbstdarstellung durch die Vermittlung feiner Dramen. Shaw geht davon aus, daß die Pioniere de» Werdenden in zwei Klassen zu teilen sind: solche, die Taten für unrecht erklären, in denen bisher niemand etwas Böses sah, und solche, die Taten für recht erklären, die bisher als abscheulich galten Ibsen gehört zu der -weiten — wes halb er iu England zunächst wie e n Verbrecher behandelt wurde. Er mußte es werden, weil er als bei einzige Realist, d. h. als ein Mensch, der die Dinge so sieht, wie sie wirklich sind, und ausspricht, was er sieht, einer geschlossenen Masse von Jdealistem gogenüberstand, d. h. von Menschen, die sich mit bewußter Selbsttäuschung einzureden versuchten, daß die menschlichen Institutionen schön und heilig — mit einem Wort: Ideale wären. Gerade diese mußten maßlos entsetzt sein — denn Ibsens Werke sind nichts als Darstellungen der fürchterlichen Wirkungen des sc genannten Idealismus. „Brand", „Peer Gynt" und »Kaiser und Galiläer" sind die Trilogie des Idealismus in seinen subiektiven Er gebnissen — die modernen Dramen sind methodische Illustrationen seiner sozialen Wirkungen. Zuerst zeigt Ibsen hier die Folgen bei Alltags- wciischeu »ul Alltagsleben; mit der »Wildente" begann er den Idealen der auserleseneren Geister aus den Leib zu rücken; in der „Frau vom Meer" ging er dem Ursprung der Idole nach, die im Unglück, m der Unzufriedenheit wurzeln — nm >n „Klein Eyolf" mit der Darstellung der idealen Ehe zu »chließen. Neberall geht er darauf auS, zu zeigen, „daß der Geist oder der Wille des Menschen beständig über feine Ideale hinauswächst und daß deshalb eine Anpassung an diese nicht minder tragische Resultate noch sich zieht, als es die sind, die der Verletzung noch gültiger Ideale folgen — überall sucht er zu beweisen, daß eS keine goldene Regel gibt, daß ein« Handlungsweise sich durch ihre Wirkung ans das Glück und nicht durch ihre Anpassung au irgendeine Regel oder ein Ideal rechtfertigen muß." ^Zweierlei folgt aus diesen Umrissen. Einmal, wie ernsthaft das ganze Problem behandelt ist — und ferner: wie sehr immer wieder das soziale Moment in den Vordergrund tritt. Die Souveränität des Heutigen fehlt noch ziemlich, blitzt höchstens da und dort einmal auf — klingt da und dort durch den trockenen Humor der Gesellschaitsdar^ stellung in den Eingaugskapiteln. Ti« Jbsendramen find im übrigen Vorwand; — nnter dem Vorwand, die Gründe ihrer Ablehnung zu er örtern, gibt er eine Darstellung seiner eigenen sozialem, philosophischen, wenn man will sogar metaphysischen Meinungen. Und selbst wenn er einmal zum Thema zurückkehrt, weiß er es so zu wenden, daß das Gesell schaftliche dominiert — daß er Ausblicke, Seitenhiebe, sich selber geben kann. Manch Interessanles, manch Seltsames und Verblüffendes ist darunter, in der Analyse der Werke auch manches, worüber man etwas den Kops schüttelt; immer aber bleibt er, wenn auch das Funkeln des späteren Shaw noch fehlt — eine Persönlichkeit, ein Mensch, der es vermocht hat, sich den Dingen, über die er handelt, in eigene direkte Be ziehungen zu setzen. Tas Interesse an diesen Ausführungen bleibt indessen in der Haupt, fache persönlicher Art. Von allgemeinerer Bedeutung sind die literar historischen Anmerkungen der kleinen Schrift. In einem Anhang gibt Shaw zunächst ein aisschauliches Bild englischer Theaterverhältnissc zu jener Zeit und daneben einen Bericht über die ersten Aufführungen Jbsenscher Dramou auf Londoner Bühnen; im Kapitel über di« „Ge ¬ spenster" bringt er William Archer- Zusammenstellung der Preßurteile nach der ersten Aufführung deS Werkes am 13. März 1M1. Man amüsiert sich heute, wenn man wieder einmal di« Ergüsse nachliest, die den ersten deutschen „Gespenstern" folgten; hier hört das Amüsement schon beinahe auf. In drei Rubriken hat Archer sein „Qiotäoruu-F' c>s Xbrmo" eingeteilt: Bezeichnungen d«s Stücks, d«S Dichters, seiner An hänger. Hier ein paar Proben, zunächst über das Drama: „Diese ekel- hafte Vorstellung . . . eine osfsene Kloake; ein ekelerregendes unver bundenes Geschwür; ein öffentlich vollzogener Akt . . . Bestialisch und zynisch gewordener Kotzebue . . . Literarisches Aas . . . Abfall und Schund . . . Krankhafte Karikaturen usw. Ibsen erhält u. a. folgende Ehrentitel: »Eim Egoist und ein Stümper ... ein verrückter Fanatiker ... nicht mir gemein, sondern anch beklagenswert dumm . . . Häßlich, unzüchtig, mißtönend und direkt albern." Seine Anhänger sind: „Di? Geschlechtslosen . . . das unweibliche Weib ... die ganze Armee uv- svmpathischer Simulanten in Weiberkitteln . . . Gebildete und im Dreck wühlende Hunde ... der Oberzeremomenmeister überließ es ihnen, sich in den „Gespenstern" im Kot zu wälzen." Gegenüber dieser Tonart iss. selbst die Behandlung, die Adolf Bartels dem doch wenigstens schon toten Heine angedeihen läßt, daS rein« Gesäusel — und das will etwas heißen. Alle« in allem: daS Schriftcken verdient, daß mau eS liest. Wer Shaw kennt, wird zwar nicht viel Neues, aber wie immer Anregendem und Anlockendes finden; wer ihn nicht kennt, wird vielleicht Appetit bekommen, sich einmal näher mit ihm zu beschäftigen. Die llebersehnng von Siegfried Trebitsch ist zwar, gemessen an seinen Leistungen einst im „Schlachtenlenker", glänzend, ob aber Ausdrücke wie „Anprangeming' und ähnliche gerade deutsch sind, mag dahingestellt bleiben. Soviel :st sicher: unter der Brevierhochflut, die die letzten Jahregezeitigt haben, ist diese» Jbsenbrevier, ebenso wie daS Wagnerbrevier Shaws, eines der wenigen, die dnrchgesehen -« babeu, nicht länglich Zeitverschwendung ist. * * Holger Dnrchmann Au« Kopenhagen kommt di« Kunde, daß Holger Drackmaun dort gestern in einem Sanatortum verschicke« ist. Ucker sei« Leden berichtet die Chronik kurz, daß er am S. Oktober 1846 tu der Haupt stadt der Jüten geboren wurde, nach seiner An»bild««g al» Marinemaler auf den heimischen Insel« vmherreisl« und in Lands« Studien betrieb. Dänemarks Literatur lag brach nm die Mitte de» vorigen Jahrhundert«. Nur Sören Kierkegaard ragte, der vom „Korsaren" karikierte ASkrt au» Leidenschaft. Im Jahr« 1878 erschien Georg Brandes auf dem Plan, der damal» jene Enthusiasten pose onnahm, mit heftigen Waffen gegen den öden Ska»diuaviSm»« loSzag, ans da« Ratnralkstenrpo» Frankreich« wie» »nd die Korybanten rief. Der derbe Sophn« Schandorph erschie», Gjellerxp verscheuchte die Orthodoxie, Erst Ckram kam Hinz» und Edward Brande«, sowie Thristiansen pilgerten z« Ibsen. Auch Holger Drachanmn taucht« «ms. Seine Erscheinung wird neben Georg Brande« wahrnehmbar, al» « 1872 „Digte", die robusten „Strandnovellen", „Lar» Kruse" und andere Werke auf den Büchermarkt bringt. Die Radikalen winke« ihm zu. Er wird ihr Banner- träger. Aber der Sturm dauert nnr bi» in die achtziger Jahre. Holger Trach- uiami reißt sich lo« von der skeptischen Jugend, i» religiöse» Aengfte» «ah koo- servattve« Anwaudbiuge«. Er läßt Pamphlet, ftatter« — „AU, Götter u»d
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