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k>. !k. tttL. Jahr«.— Leipziger Tageblatt. Mittwach. 1». Jaaaar 1808. A«f -er Ktratz«. _>ine Humoreske von Julius Knopf. Sin herrlicher Herbstnachmittag! Die mild lächelnde Lonne er- normt mit ihren schräg berniebersaltenden strahlen die leicht fröstelnde Erde und versucht, dem andrängenden Winter Widerstand zu leisten. Doch vergebens! Gelbe, tote Blatter falle» in dichten scharen von den halbkablen Baumen hinab auf die Erde, einen unabsehbaren raschelnden leppich bildend. Nur wenige grüne lebensfrohe Blätter noch klammern üch ängstlich fest an die nackten Zweige. Doch auch sie werden bald dem dräuenden Feinde, dem Frost, zum Opfer fallen. In dem Niefenpark«, dem Tiergarten — der Oase Berlin» — ist es fast menschenleer; es ist Wochentag! Arbeitstag! Zwei iunge Mädchen gehen, eng aneinandergeschmiegt, an dem 'chmucken Luisendenkmol vorvei — dem Brandenourger Tore z». Ein Herr folgt ihnen schon eine geraume Weile, aber die beiden bemerken mn nicht, schöne junge Mädchen sind in Berlin daran gewöhnt, von müßigen Stutzern angegafft und verfolgt zu werden — zu jeder Zeit, am Doge und Abend. Sie achten nicht mehr daraus. An einem Kreuzungspunkt der Wege bleiben die Damen stehen. Die kleinere, eine rotwangige Blondine, verabschiedet sich von der Freundin. „Also grüße Stcpha von mir! Ich besuche sie nächstens. Heute geht es nicht. Wir baden Gesellschaft zu Hause." Ein herzhafter Kuß — die Mädchen trennen stch. Der Herr folgt der größeren, die die Richtung nach dem Brandenburger Tore innchäu „Wenn ich nur wüßte, wie 'ck> es antangen soll, sie anzulprechen!" murmelte er verzweifelt. „Sie gefällt mir sehr." Da kommt eine alte Frau hcrangehumvelt, die in der schmutzigen Hand einen Korb voll Blumenstränßchen hält. „Mein Engels ruft er der Frau leise zu. Er nimmt eins der größten Beilchenbvketts arrs dem Korb und drückt der Alken ein Markstück in die Hand. Ohne die erstaunt-freudigen Dankesäußerungen der ob dieser Generosität verblüfften Verkäuferin abznwarten, eilt er hastig dem jungen Mädchern nach. Bald holt er die Ahnungslose ein. Er zieht seinen Hut. „Mein Fräulein", stottert er etwas verlegen heraus, ihr den Strauß präsen tierend, „diese Veilchen Haden Sie soeben verloren. Gestatten Sie mir. lie Ihnen wieder zu überreichen." „Bedauere, Sie irren sich, mein Herr. Ich kann diese Blumen nicht verloren haben, denn rch habe lreute gar keine getragen " „Aber —" , . Sie g<ht schnell weiter. Er läßt sich nicht abschrecken. „So erlauben Sie mir, mein Fräulein, Ihnen diele Veilchen anzu bieten. Was sollen sie mir?" „Mein Herr' Sind Sie — nervös?!" „Nein, nur Provinziale, der es für kein Verbrechen ansieht, einer schönen, jungen Dame in allen Ehren ein kleines Bukett anzubietcn " „Mein Herr!!!" „Mein Fräulein!'" „Herr Provinziale' Sie sind einfach unver—" „schämt", fetzte er ergänzend hinzn. Sie machte eine nicht mißzuverstehende Gebärde der Verabschiedung. Er aber — hartnäckig — läßt sich nicht beirren. „Man sagt mir", plaudert er ganz unbefangen weiter, „daß ein klein wenig Unverschämtheit die Bedingung fei, ohne die man hier in Berlin nicht vorwärts kommen könne. Und im übrigen, glauben Sie mir nur: es ist wirklich nicht so bös gemeint von nnr. Ich tu Ihnen nichts. Sie brauchen sich durchaus nicht vor mir zu fürchten!" Sie lachte herzlich. „Dafür sehen Sie doch etwas zu — zu — barmlos ouS!" „Sie lachen! Ab! Wie mich daS freut!" Sie legt ihr Gesicht wieder in ernste Falten. „Ich bin allein, mutterseelenallein hier in Berlin, mein Fräulein. Gestern abend erst angekommen, um Onkel. Tante und Cousine zu be suchen. Und da verspürt so ein bezopfter Provinziale, wie ich, einmal die prickelnde Lust nach einem Abenteuer, einem kleinen, unschuldigen Abe wiener!" „Zu welchem Sie mich aussuchen! Ich danke Ihnen für diese Gnad«:, mein hochgeehrter Herr! und, um nicht noch andere Mädchen der Gefahr auSznsetzen, das Opfer Ihrer Heldentaten zn werden, lasten Ti« sich sage», daß es in Berlin auch anständige Mädchen gibt, Mädchen mit Grundsätzen. — Ich hab« Grundsätze!" „Grundsätze?! Also: die gerade Linie ist der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten —" „Ah! Sie haben also die Ouinta absolviert, mein Herr, das hätte ich nicht gedacht, und —" „Zerschmettern Sie mich vollends, Fräulein!" „Das würde mir sehr schwer fallen. Denn ich sehe, Ihr Mund gleicht einer Hydra — nicht tot zu kriegen." „Ja, wo es gilt, die Ungnade einer schönen" — sie sieht ihn strafend an — „Pardon, einer — sagen wir — interessanten Dame wieder von mir abzuwenden, da raffe ich mich zusammen, wie der Soldat auf der Parade." Sie lächelt wieder. — „Nnd nun, verzeihen Sie die schlechten Manieren eines uner- zogenen —" „Ungezogenen!" kommt cs leise von ihren Lippen. „Eines unerzogenen Provinzialen, der es im Eifer der Unter haltung übersehen hat, sich Ihnen vorzustellen Mein Name ist" — er stockt einen Augenblick — „Müller!" „Und mein Name ist Schulze", fällt sie schnell ein, mit eisigem Ernst, in einem Tone, der all ihren Zorn, all ihre Verachtung über seine vermeintliche Namcnsfälichung wiedergibt. Sie sind inzwischen am Brandenburger Lvr angelaugt, wo es von Spaziergängern belebt ist. . „Nun aöer, mein Herr, muß ich Sie wirklich ernstlich bitten, mich zu verlassen. — O Gott, da kommt eine Freundin! Gehen wie! So gehen Sie doch!"' Sie stampft ungeduldig mit den Füßchen. „Jetzt kann ich nicht mehr", erwiderte er ausgelassen. „Was sollte Ihre herantänzelnde Freundin davon denken, wenn ich jetzt plötzlich — gleich dem Mohr, der seine Arbeit getan, — verschwinden würde!" „Mein Herr! Sie sind ja ein Abgrund!" „Aber kein tiefer. Fürchten Sie nicht. Sie fallen da nicht hinein." Die Freundin ist inzwischen an das Paar herangekommen. „Ach, Milli, wie mich das freut, dich zu sehen!" ..Also Milli heißt sie", murmelte er. „Ganz schöner Name." Die Angenommene hängt sich an Millis Arm, die nun gezwungen ist, ihren Verfolger oorzustellen. „Herr Müller", sie betont den Namen und steht ihn dabei scharf an — „Fräulein Engler'" Sie gehen zusammen die Linden entlang, unter lebhaftem Plaudern. Herr Müller zeigt sich als ein Mann von Geist. „Du, der Herr ist entzückend!" flüstert die Freundin Milli zu. Diese muß ihr insgeheim recht geben. An der Schloßbrücke verab schiedet sich Pie Freundin. Beide sind wieder allein. „Aber gehen Sie, bitte, nun wirklich!" fleht Milli angstvoll den Fremden an. „Ich konnte doch Unannehmlichkeiten haben durch Ihre Spielerei." „Wenn Sie durchaus darauf bestehen", erwidert er ernst, „so muß ich ja wohl." Sie macht eine Verbeugung, die gegen ihre Absicht sehr höflich anS- sällt, und biegt nach links ab. Er lächelt und tut das gleiche. „Es ist fatal", ergreift er wieder das Wort, „ich schein« denselben Weg zu haben wie Sie." „Lügei" zischt sie hervor. „Alles Lüg« — dieser Weg . . . Ihr Name . . „Aber, Fräulein, Sie sind stark im Irrtum. Ich habe Ihnen nur die Wahrheit gesagt ' „Ich würde sie Ihnen sagen, und sehr deutlich, wenn Sie mir nicht zu glerchgiiltig wären!!" Er plaudert unentwegt weiter. Sie seht dem ein beharrliches Still schweigen entgegen. Endlich bleibt sie vor einem großen Hause stehen. „Ich bin an meinem Ziel angelangt!" sagt sie erleichtert ausatmend. „Nummer 46!? Ich auch!" antwortet er verblüfft. „Das ist mir aber zu stark!" sprudelt sie hervor. „Mein Herr! Sie sind einfach . . „Nicht wieder — unverschämt! Bitte, nein?" sagt er etwas nieder- geschlagen. „Ob Sie mir glauben oder nicht, Fräulein, aber dieses Han« ist auch daS Ziel meines Spazierganges." „Ich geh« nicht mit Ihnen zusammen da hinein!" repliziert sie energisch. „Na, dann werd« ich Vorgehen k" „Nein, auf keinen Hall!" „Nun, dann geben sie znerstC . Unentschlossen steht sie da. . ... „Also, Sie baden doch Furcht vor nnr, trotz meine« außerordentlich harmlosen Gesichts!" spottet er. Sie macht ein« flüchtige Verbeugung und huscht hinein in« HauS. Langsam geht er nach. Im ersten Stock klingelt er. Gin junges Mädchen öffnet ihm. . ..... . . „Vetter Georg! Vetter Georg! Hast du e« endlich einmal wahr gemacht, nach Berlin auf die Brautschau zu kommen? Da« ist reizend von dir." Die Dame erwidert feinen brüderlich-vetterlichen Kuß und zieht ihn dann hinein in das Zimmer. Starr bleibt er am Eingang stehen. Das junge Mädchen, das dort am Fenster steht und ihm den Rucken zu kehrt — es kommt ihm fatal bekannt vor. Er will retirieren — aber eS ist zu spät. Schon ruft die Cousin«: „Liebe Milli, erlaube. Mein Vetter: Georg Müller — meine Freundin: Milli . . „Schulze" fällt er sarkastisch ein. Offenen Mundes steht Milli da, in Ncberraschung erstarrt. „Schulze?" staunt die Cousine. „Wie wird ein so hübsches Mädchen einen so häßlichen Namen haben. Nein, nicht Schulze, — Milli Krause!" Die beiden machen eine stumme, ballsteife Verbeugung. Der Onkel kommt hinzu, bald auch die Tante. Milli will sich empfehlen, aber die Freundin läßt es nicht zu. Seufzend fügt sie sich in das Unvermeidliche, aber sie vermeidet es ostentativ, Herrn Müller — sie bittet ihm im stillen den Verdacht der Namensfälschung ab — anzusehen, anzusprechcn. Er aber läßt sich nicht abschrecken. Liebens würdig redet er auf sie ein, nnd endlich löst sich das Eis und ihre — Zunge. Sie wird lebhaft, munter, ausgelassen. Eine animierte Stim- muiig bemächtigt sich der kleinen Gesellschaft. Die Stunden fliegen da hin, niemand achtet darauf. Plötzlich schlägt eS vom nahen Kirchturm elf Uhr. Milli springt entsetzt auf. „Herrgott, ich muß nach Hause. Was werden meine Eltern denken!" Sie rüstet sich zum Gehen. „Georg! Tn begleitest doch Milli nach Hause", fragt ibn die Cousine. „Gewiß, mit Vergnügen." Man bört einen leisen Seufze/. Wieder stehen beide vor dem Hause, in daS sie einige Stunden zu vor hineingcgaugen. — Er bietet ihr seinen Arm, den sie zögernd an- nimmt. Leicht nur, kaum fühlbar, ruhte ihr« kleine Hand auf seinem Arm. Sie gehen eine Weile schweigend, in Gedanken versunken. „Sie sind mir noch böse?'' fragte er sie. Seine Stimm« vibriert. Das Herz fchlägt ihm bis an den Hals hinauf. Sie antwortet nicht. Auch sie ist befangen, beklommen. Tr sucht seiner Erregung Herr zn werden. „Sie miisien nur verzeihen, Fräulein. Sehen Et«, ich bin «in Stiefkind des Schicksals, das in der Tretmühle täglicher Arbeit steht. Tag für Tag viele Mühen und Pflichten, wenig Frende. Nnb wenn so ein Sohn der Arbeit einmal überschäumt, wenn solch dreißigjähriges Menschenkind seiner frohen Laune d,e Zugel schießen läßt — selten genug kommt's vor — ist das unsühnbar?" Sie schüttelte verneinend den Kops. „Unlühnbar nicht. Wenn Sie mir versprechen, derartige Don Ouichottiadcn in Zukunft zu unterlassen . . „Gern. Ich verspreche alles, wenn Sie, mir wieder gut find." Er drückt dankbar ihren Arm. Sie läßt ihn gewähren. „Nnd darf ich Sie Wiedersehen, Fräulein Milli?" Sie zuckt leicht zusammen, da er ihren Vornamen nennt. „Ich werde mich freuen, Sie bei unS zn sehen. Hier wohnen wir!" „Milli!" jubelt er auf. Sie wird slammenrot und schauert zusammen. „Milli! Können Sie ninrsr konjugieren?" „Ob ich . . .? Welche Frage! Ich bin in di« höhere Töchter'chu!e gegangen und habe die Selekta absolviert!" „Um so bester. Und wie heißt jo t'aim»?" „Ich liebe dich!" . ' „Und werden Sie daS j« können, Milli?" Unter aväerem: k» « « M I AFtz«/ Ur « UMS» M-WU stsft-iftWlln. kodollnr 7neN!IIftoäo«»oi-to<-k bssonäsrs sokSno LUIIIOIIII ursnriir». musrsms urmurvui! vortsilkakts kosten. WM WMtk. tzüp Msins 12 TvksuGsnsitvi» «nlklsnsn «liv gnosssn Vermietungen in der Stadt grhörigkn GrliildMcn. Geschäftsräume. A4 (Markthalleneckgebüade) S Aden «, der Brüder straß« sofort, 17, Zwischengeschoß sofort, I». 1. Obergeschoß vam l. April ob für 1280 ^l, », („Stadt Botha") 1. Obergeschoß vom 1. J»N ab für 1600 .X . Wohnungen. NiaboIiGiMtr»«»» 14, vom 1. Avril ab S. Obergeschoß kür 3SO », 2. Obergeschoß soiori für SSO Al»ttI»A«»«tr«,I»t»«»5 »», 2. Obergeschoß ioforl für 400 >l, 4. Obergeschoß vom t. April ob sür SOO Besichtigung wird dnrch dir HauSmänner vermittelt. Vettere LuSkunst wird erteilt im Neuen Rathaus«, Hauptgeschoß, Geschäft-. »immer »n. SM. E» ist die Hälfte «er 1. krage per I./4. 08 als Gkschäiteraum oder Wohnung für lOOO -4 jährt. zu verm. 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