Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.01.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080115013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908011501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908011501
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-01
- Tag 1908-01-15
-
Monat
1908-01
-
Jahr
1908
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
it. Beilage Mittwoch, 15. Jaaaar 1808. Leipziger Tageblatt. Nr. 14. 1VT. Jahrgang. A«v Beachtung r 2m „Bücherttsch" «elangea nur Lvigtnal - Besprechung«« »um Ab- »ruL SS werden nur vücher zur vesdrechu«, vergeben, welche auf der Redatttau etngegange« find. Tte Redattiou behält stch der, au- der Sahl der etugesaudteu Bücher solche zn krlttscher Wür-tguug auS,ugeben, welche sich zur He- »prechung im Leidiger Tageblatt eignen. Sine Rücksendung unverlangt eingereichter Bücher erfolgt in keinem Salle. Die Weltanschauung in Karl Spittelers Werken. Von tz. ErnstKromer München). Es ist kaum allgemeiner bekannt geworden, daß das erste Weik Sprttelers, das großartige Gleichnis „Prometheus und Epimetheus", um eia gutes Jahr früher erschien als Nietzsches „Zarathustra". Wenngleich nun anzunehmen ist, daß Nietzsche, der Spitteler den feinsten deutschen Essayisten der Gegenwart genannt hat, auch den Prometheus kannte, gereicht es dem Schweizer Dichter nur zum Ruhme, in seinem Werke dieseloe hohe Lebensanschauung gepredigt zn haben wie der Philosoph im Zarathustra, womit nicht gemutmaßt sein will, dieser habe bei jenem eine so hedeutende Anleihe gemacht, ohne je ein Zterbcnswörtlein dankend davon zn bekennen. Dazu wäre Nietzsche doch zu nobel gewesen! Diese Anschauungen konnten ja recht wohl in den beiden Männern ge schlummert haben, um dann ungefähr gleichzeitig zu erwachens Ter Materialismus, der in jenen Jahren in Kunst und Leben hcraufkam und seine letzten Schlüffe im Leben noch schärfer zog als in der Kunst, so daß Nietzsche ingrimmig vom Amerikanismus reden konnte, der bei uns einziehe — dieser Materialismus mußte bei edleren Naturen no - wendigerweise einen Gegensatz der Anschauungen heraufrufcn, um so mehr, da die beiden Männer noch auf der Romantik mit ihrem Jdealis- mus fußten und den Materialismus noch nicht, wie etwa unsere Jugend, mit der Muttermilch eingesogen und als eine Realität, wo nicht gar als eine Notwendigkeit der Entwicklung ausgenommen hatten. Es läge hier, wie in der Kunst überhaupt oft genug, ein Schaffen ans den Gegensätzen vor, ein Umstand, der stch bei beiden Dichtern noch einmal zeigt, insofern der einer strengreligiosen Pfarrers'amilie entstammende Nietzsche den ..Antichristen" schrieb, Spitteler aber, dem nüchtern und real denken den Schweizervolk angehörcnd, eine bocharistokratischc Lebensauffassung verficht und seinen Prometheus um seiner hehren und strengen Ideale willen die größten persönlichen und gesellschaftlichen Porteilc ver schmähen und die Feindschaft einer ganzen Welt und sogar die seines vordem hochgeachteten und geliebten Bruders auf sich nehmen läßt. Wie sehr erinnert uns die Rede des Prometheus zum Engel Gottes an ganz ähnliche Worte Zarathustras, z. B. wo er das Anerbieten des Engels vernimmt, falls er sich von seiner „freien Seele" trenne:, . . uud ein Gewissen gab ich dir an ihrer Statt, das wird dich lehren „Heit" und „Kett" und wird dich sicher leiten am geraden, Wegen!" woraus Prometheus ablehnt: „. . . nicht steht's bei mir zu richten über meiner Seele Angesicht: denn siehe! meine Herrin ist's und ist mein Gott in Freud und Leid und was ich immer bin, von ihr hab' ich's zu eigen. Und drum: so will ich mit ihr teilen meinen Rubin, und wenn es muß geschcbn, wohlan' so mag ich ihn entbehren!" Vollends die Worte des Hohns, die er an seinen »am ^früheren Ideal abgefallenen Bruder Epimccheus richtet, der an seiner Statt daS Gewissen" eingehandelt bat: „Bon wannen kommst du? Und was rylanzet wie vom Rechttun dein Gesicht und was verklärt sich von Ver- rat dein Auge?" ulw. Endlich zu guter Letzt die ungeheuren Opfer, die er um seiner freien stolzen Seele willen aus sich nimmt. Haben wir es hier mit einem tiefen Gleichnis zu tun, das zweifellos eigenes Erleben schmerzvoll schildert, so wendet sich der Dichter auch in späteren objektiven Werken zu einem nicht minder scharf ausgesprochenen Pessimismus. Schon in seiner lieblichen Gedichtsammlung „Schmetter linge", einem leider recht wenig bekannten Werklcin, Erich« er besonders an zwei Stellen den tiefsten Weltschmerz aus, allerdings in der vcr- iöhncndsten Weise: es find die Worte, die die Seele des gemordeten Schmetterlings an ihren Peiniger richtet: „Ob ich's schon durch dich gelitten, litt ich's nicht durch deine Schuld. Leiden ist des Lebens Mig>st, isi des Weltenichöpfers Huld. Oualen jeglichem Geschöpfe schenkt die gütige Natur; Aber Mitleid und'Erbarmen blüht im Menichenhcrzen nur. Und wenn einsi erklingt die Stunde, da auch du den Sieg erstellten Und nach angsterfüllten Nöten hast das Sterben ausgelitten, Wollen wir vereinten Wandels einen strengen Richter suchen. Und sein heiliges Urteil segnen und dem Weltcndichter fluchen" . . . Wenn wir hier eine hochherzige und versöhnliche Resignation finden, die sich in den erkannten, aber unabänderlichen Lauf der Dinge fügt und ihnen selbst noch einen lebenbejahenden Schimmer verleiht, wird Spitteler in seinem bedeutendsten Werke, dem „Olympischen Frühling ', ein grimmiger Philosoph von schwarzgalligem Gemüt; noch schlimmer aber in der Novelle „Konrad der Leutnant", wo er in ohnmächtiger Empörung als Ankläger erscheint. Dieses Werk, aus dem Jahre 1898 stammend, könnte gedanklich als ein bürgerlicher over als ein menschlicher Vorläufer der Götterdichlung betrachtet werden. Wenn er vier ein Bauernschicksal von seltsam schwerer Tragik schildert, mit einer inneren Straffheit, Raschheit und Konsegnenz, die rein dramatisch wirkt, so mochte er trotz der artistischen Vollendung des Werkes die Erkenntnis gewinnen darin nicht mit ollen Mitteln der Handlung und des einzelnen berechneten Wortes und Gedankens eine Weltanschauung in ihrer vollen Größe und Bedeutung aussprcchen zu können: Menschen waren hierzu als Mittel zu klein; es mußten Götter her. Man kann in der Tat von diesen beiden Werken nicht ohne gute Gründe die Meinung haben, sie «eien von allem Anfang an nur auf das Aussprcchen einer bestimmten Weltanschauung hin gedacht und geschaffen worden, so zwar, daß um den Kern eines philosophischen Gedankens eine Handlung mit all den nöligen Personen gebildet wurde. Nicht daß Ferm, Handlung und Jde^nicht völlig in eins geschweißt worden wären' Im Gegenteil Im ,.r.lym- Nischen Frühling" hat man ivenigstens das Gefühl, die dort wörtlich aus- gesprochene Weltanschauung sei aus den Vorgängen des Epos durch den Seher Orpheus bcrausgezogen. In „Konrad dem Leutnant" aber wirken doch vom Beginn an allerlei geheimnisvoll: und düstere Andeutungen aus das tragische Ende hin und das scherzhafte Rätlelwort: „Es nimmt ein Ende mit Schrecken" ist doch mit allen anderen Begleiterscheinungen ein sehr deutlicher Hinweis auf dos tragische Ende des Helden, bas besten Braut, die stolze Kathri, mit dem zornigen Worte kommeuticrr. .Wahr ist, daß in dieser Welt die Besten unterliegen und die Schlechtesten -benaus sind!" Mit der Art verglichen, >oie uns etwa Homer seine Weltanschauung vermittelt, kommt uns diejenige Spiltelers aber wirk lich bewußt und säst mathematisch berechnet vor. Die Anlage und die ganze Fassung der Fabel, die durchaus eine Erfindung des Dichters ist, könnte doch ebensowohl so gedreht werden, daß Zeus. Str die Hera und mit ihr di« Weltherrschaft gewinnt, durch Tüchtigkeit in den Wett- kämpfen über Apoll siegte, statt durch List und Tücke, die nnS schwer gegen >hn einnehmen. Da aber wohl das Epos ans einem tieferen t^rkebnis des Dichters seinen ersten Ursprung genommen hat und Zeus und Apoll durchaus als personifizierte Weltkräste erscheinen, so ist die jetzige Fassung tief psychologisch, menschhcitspsychologisch, und läßt sich wissen schaftlich begründen nnd stützen. Nicht zum wenigsten verleiht ebendieser Umstand dem Epos diese starke Wahrheitswirkung und dieses traqsäbige, io schrecklichen Begebnissen standhaltende poetische Rückgrat, das es aus. zeichnet. Das erwähnte Wort Kathris aus „Konrad dem Leutnant" hat im ..Olnmpischen Frühling" eine etwas veränderte, dem Sinne nach ahcr nicht kersmiedene Faffunq. Spitteler hat indes noch eine weitere moderne Lchre einleitend davorgesetzt: die von der ewigen Wiederkunft^ de> Gleichen, die Nietziche predigt. Diese ist übrigens auch in dem Sturz und dem Jmmer-wieder-Emporkommen der Götter (durch Anaukes Schaufelrads bereits dargestellt. Die erwähnte Lehre selbst spricht wärt- lick, der Seher Orphens aus sl. Teil, 2. Gesang): „In diesem Stein, in jenem Felsen kann ichs le,en: Eh daß ich war, sc bin ich früher schon gewesen. Hei, wie das Bild sich klärt! wie Licht an Licht sich jetzt Am Anbeginn der Welt da steh ich grausend jetzt Wie sie geschah, woher des Uebels Ursprung sei, Verhüllt sich meinem Blick. Allein ich war dabei Fch war dabei! . . . O Wunder über Wunder! wrk! Fch wittere Schöpsungslust, ich riech ein ewig Weh! Ob Unglück, ob Verbrechen, will sich nur nicht weisen Das Zarte unterliegt nnd Obmacht hat das Eisen!" Hier, wie noch an mehreren Stellen ist joncr Pessimismus gepredigt, der dein logisch weitergedachten Materialismus unseres Zeitalters not- wendig entspringt. Nicht nur in den Begebnissen der Handlung, auch gelegentlich in Meinung nnd Gesinnung der Personen tritt er bis zur häßlichsten Gemeinheit hervor, beispielsweise bei der Zeugung der künf tigen Himmelskönigin, wc Genesis dem sich umarmenden Götterpaar einen Fußtritt verseht nnd höhnend in die Worte ausbrickt <2. Teil, 7. GesangI „Was schwenkst du so verlieht dein mütterlich Gekröse ? Die Welt ist schlimm und allem Werdenden wird bö'e!" Doch nicht bloß im einzelsölligen Weltgeschehen, auch im ewigen Weltzustande nimmt der Dichter nicht die „denkbar vollkommenste aller Welten" an. sondern die denkbar schlechteste, böseste. Uud auch diele bat für ibn keinen dein Menschen erkennbaren Sinn. Entsetzlicher uock wird diese trostlose Anschauung dadurch, daß diese Welt nicht als vorüber- gehender Zustand gilt, sondern als eine nickst zu verändernde Folge immer wicderkehrcnder Vorgänge, über denen als höchstes erkennbares Gesetz die Notwendigkeit steht. Homer Hal seinen menschenähnlichen Göllern einen fast unumschränkten freien Willen gegeben; sic leiten die Geschicke der Menschen nach Gerechtigkeit oder nach Laune und stehen selber nur unter dem Schicksal, unter Moira, deren Walten selten genug erkenn bar wird: etwa in schwerwiegenden Dingen, wofür die Götter nicht die Verantwortung übernehmeu wollen. Dementgegen sind bei Spitteler die Gotter keineswegs frei; das Gerinaste, was sie tun, ist eine Notwendig keit von Ewigkeit her. Moira, das Schicksal, ist ebenfalls leine ßslbst- itändige Macht; sic ist bloß die meldende oder ausführende Botin des Willens ihres schrecklichen Vaters Ananse. Und auch Ananke, chschon aus gestattet mit all der Macht, die im Wirken der Welt uns erkennbar wird, «meint nicht selbstherrlich: er ist der „gezwungene Zwang". Bezeich nenderweise behandel! der Dichie: Ananke als Mann: er traut wohl einem Weibe die Grausamkeit, Harte und Unerbittlichkeit nicht zu. die zur Durchführung all des Entsetzlichen in der Welt nötig sind . . . Man nehme diese Weltanschauung Spittelers hin, wie man will: trotzig oder resigniert: in seinem Werke erscheint sie als Religion nnd ist zwingend und herrschend, und ihrer Wirkung und Herrschaft entzieht sich niemand. Aestheitich erscheint ü mit Hinsicht ans alles Geschehen nötig, unerläßlich. So schrecklich dieser Pessimismus erscheint, der alles als notwendig nnd als ewig wiederkedrend hinstellt, so tröstlich, ja nivralbildcnd und bessernd kann er wirken, insofern als jedes Höher- streben des Menschen auch als eine von Ewigkeit her bestimmte No:- Wendigkeit erschiene. Damit ist er lebeubejahend und mündet in eine Philosophie aus, die in der Darwinischen Lehre ihre wissenschaftliche Begründung hätte. Kein Sichgehenlasteu, keine untätige Hosfnungs- ftligkeit, kein fatalistischer Türrenglaubc hat in ihr Raum; nur der kämpfende Mann ipricbt in ihr mit, noch Goethes Forderung Tätigkeit und Vertrauen' (?in lyrischer Noman. „Sehnsucht". Roman von Earl Rosncr. Bersin, Eoncordia, Deutsche Perlagsanstalt. „Der Romanschrtststellcr ist der Halbbruder des Dichters". Dies geflügelte Wort stammt aus der Erbschaft eines unserer großen Geister. In der Tat ist die Form des Romans so beaucm, so elastiich, daß sie den verschiedenartigsten Inhalt in sich aufnimmt, ohne daß sie dadurch gesprengt würde. Wir haben philosophische, pädagogische Romane, onoerc, in denen, wie in „Wilhelm Meisters Wandcrjabren", eine neue soziale Weltordnung aufgcbaut wird: wir baden auch lyrische Romane, in denen Gefühle und Stimmungen herrschen und die äußere Welt nur durch sie in eine wechselnde Beleuchtung gerückt wird. Dies scheint den Grundregeln der epischen Dichtung zu widersprechen; und doch hat ein solcher Roman in dem achtzehnten Jahrhundert den größten Erfolg er- rungen: wir meinen „Wcrthers Leiden", lind zu diesen^lyrischen Romanen rechnen wir auch „Sehnsucht" von Earl Rosner. Schon der gewählte Titel zeigt an, daß wir uns hier im Reiche der Gefühls regungen, des Seelenlebens bewegen. Zwar bandelt es sich bei diesem Titel um ein Gemälde, welches den jungen Helden des Romans, einen Maler, fortwährend beschäftigt, bis er nach verschiedenen Versuchen für diese Idee die geeignetste künstlerische Fassung gesunden hat. Doch für das Gemälde, wie für den Roman bilde! doch immer das Gefühl den be stimmten Jnha^'l dem das Bild eine einheitliche Gestaltung gibt, während der Rowan die verschiedenen Erscheinungsformen desselben wider spiegelt, wie sie in verichiedenen Ebarakteren zutage treten. Earl RoSncr bat durch seinen ersten Roman: „Georg Langs Liebe" sich zahlreiche Freunde erworben: es herrscht darin ein warmer, inniger Ton. Dos Milieu des Wiener Lebens und der Leipziger buch- bändlersichen und musikalischen Zustände ist mit feiner Beobachtung er- saßt und mit vieler Anschaulichkeit geschildert, sowie einzelne Sonder linge mit Humor gAeichnet sind. Die Handlung selbst verläuft in schlichter, einfacher Weise; sie wendet sich nur an das Gemüt; cs fehlt jeder sensationelle Aufputz. Dies alles gilt auch von dem neuen Roman, in welchem aber die äußeren Vorgänge noch viel eingeschränkter sind; sie lallen sich mi. wenigen kurzen Worten erzählen. Ein älterer Mann, der eine um fünfundzwanzig Jahre jüngere Frau geheiratet hat, wird von ihr, welche die „Sehnsucht" nach einem reicheren Leben empfindet, im Stich gelassen, sic geht ihm mit einem jüngeren Verführer durch, den sie aber bald evttäuichl wieder verläßt. Sie lebrt zu ihrem Gatten zurück, der sic verzeihend und liebevoll aufnimmt. Daneben gebt die Liebe eines jungen Malers zu einem schonen und liebenswürdigen Mäd chen, eine Liebe, die ohne alle Hindernisse den glatten landesüblichen Verlauf nimmt und zu einer Verlobung. Hochzeit und glücklichen Ebe führt, lleberhaup! oibt es in diesem Roman keine llcberra'chunyen, keine Sensationen, nichts von dem, waS man eigentlich „romanhaft" nennt der Abschluß besteht nur in einem Austönen der angeschlagenen Akkorde. Manchem Leser wird dies Ausbleiben des Romanhaften als ein empfindlicher Mange! erscheinen; ein wenig von den kühnen Erfin dungen der Kolportageromane ist eine Würze, die auch in höher ge stimmten Schöpfungen ungern vermißt wird. Doch bietet Earl Rosner dafür reichen Ersatz: vortreffliche Seelengemäldc, in denen ein weicher, warmer Ton herrscht, und die mit den Stimmungen der Außenwelt, den Bildern der Natur und des großstädtischen Treibens in Einklang gesetzt lind; dem Seelenleben, wie dem Lel>eu der Natur sind viele feine Zuge abgclanscht. Während die Begebenheiten selbst nur skizziert wer den, io daß man von der Flucht der Frau Löwe, dem Hauptereignis des Romans, sehr wenig erfährt und von ihrem Entführer kaum mehr als seine Sckulurrbartspitzen kennen lernt, ist die Begegnung derselben mit dem Gatten nach der Heimkehr mit einer Seelcnmalcrei ousgcfnhrt, welche durch eine Fülle seiner und rührender Züge fesselt, wie über Haupt der Eborakter dieses edelmütigen .Herrn Howe mit besonderer Vorliebe gezeichnet ist, wenn er auch mit seinem Opscrmut und seiner freien Weltanschauung denjenigen unverständlich bleiben wird, die sich nur an die in der Gesellschaft herrschenden Ehrbegriffe halten wollen. Wie wir uns in dem ersten Roman Rosner--- in den musikalischen Kreisen bewegen, so hier in den Kreisen der bildenden Kunst, chschon die Musik nicht ganz ans den Aussterbeetat aesctz, ist, sondern einen eigenartigen Vertreter findet Doch gegen das Atelier der Künstler tritt der mirsika lisch,- Salon zurück, sind in dielen Ate icrs der F'arstadt, welche zn s'i» Biloern de" Romans die Lolal'arben bergibt. bewegen sich einige sonderbare Käuze, wie der Bildhauer Rast, ein trefflich gezeichneter Ebaraktcrkopf, und der eilte Sekretär Schumann, ein Maler außer Diensten, der aber in leinen Mußestunden noch im Geheimen seiner Kunst huldigt und die Wände seiner stillen Klause mit selbstaemolten Bildern behängt. Die Sehnsucht ist freilich ein Gefühl, das den vcr schredenartigsten Inhalt haben kamr. Was der talentvolle Schriftsteller bietet, wird allen willkommen s«in, denen ieclenvolle Vertiefung über den stofflichen Reiz gebt. Iluckolk von siottselrssi Peter Rosegger. Nichtsnutzig Volk. Eine Bande gastloser Leute -Di Fö r st c rb n b c n. Roman aus den steirischen Alpen. Verlag von L- Staakmann in Leipzig Peter Rosegger treibt in der Tat eine ganze „Barrie nichts nutzigen Volkes" vor sich her; teilweise recht „abenteuerliche Gesellen und Gesellinnen", die, wenn auch Dichtung und Wahrheit zuweilen da bei ineinander läusi und schwer zu trennen sein mag, dock« ihre llr- unc- Vorbilder inmitten des Volkes selbst haben. Wohl ist es ein Stück von literarischem Verismus, das der steirische Poet uns hier gib:, aber dock ein liebenswürdiges und gut zu ertragendes. Wie ost in Roseggers Schriften, steht auch in dieiem neuen Bande Heiteres und Lustiges ganz unmittelbar neben Ernstem und Tragischem. In allen diesen Skizzen aber ist es der Seelensuchcr, der so lange schon das Gemüt des eigent lichen, wahren Volkes zu ergründen sich redlich bemüht uuL nun seine wertvollen Funde hier unseren anteilnehmenden Blicken darlegt. Nicht alle Skizzen sind von gleichem Wert. Wo Rosegger aus den heimatlichen Bergen weilt, inmitten des Gebirgsvolkes verharrt und an allen seinen Leiden nnd Freuden das allgemein Menschliche und Gültige mit scharfem Blick und nie irrendem Gefühl herausfindet, ist er uns nach wie vor der liebgewordene und vertrante Schildercr menschlicher Eigenart. Schwächer bingegen fielen d-e swenigcn) Skizzen aus, die nur mchr den Menschen einer höheren Scheinkultur beleuchten, denn hier ist Roseggers Satire nicht scharf genug, seine Darstellungswcise zu zahm und zurück haltend. Aber mit der Grundstimmung des Buches wird jeden in Ruhe Genießenden ein behagliches und erfreuendes Gefühl überkommen, und so reibt sich dieses neue Skizzenbuch Roseggers all den monnicstach voran gegangenen würdig und erfolgreich an. Roleggers anderes, oben genanntes Werk ist ein diooraphiscker Roman, der mit der Schilderung der Lebensläufe zweier Försterssöhne zugleich ein Knlturbild aus der Heimat des steirischen Dichters gibt Auch hier trifft der in Roscggerschen Schriften bewanderte Leser Altes und Neues an, immer aber wird er sich durch die feine und vor allem lebensechte Ebarakterisicrung von Land und Leuten, von Sitten und Gebräuchen des kerngesunden Gebirgsoolkcs angezogen fühlen. Schar' kontrastieren besonders die Försterbuben selbst: der eine ist ein leb- irischer Bursche, der andere ein stilles und i» sich gekehrtes Studentlein, das — ein häufig wiederkobrcnder Fall bei unserem Poeten —, von Glaubens- nnd Gewissenszweiseln gepeinigt, dem theologischen Seminar den Rücken kehrt. Gegen das Ende hin spielt der Roman auf da? kriminelle Gebiet hinüber^ wo Rosegger den Knoten fein zu schürzen und seine Leser in große Spannung zu bringen vcrstebr. L. 5!. „Megqrndorser Blätter." Zeitschrift für Hnnwl und Kunst. Jahrgang 1907 in einew Band, 13 „E. I. F. 'Schreiber, Etzlingen und München. Es ist merkwürdig, wie Zeitschriften und Witzblätter allmählich ihre Eigenart herauSbilden. Das liegt nickt allein aii einem von vornherein sestaclegten strengen Programm, sondern auch an allmählicher An passung an Bedürfnisse, die sich im Laufe des Unternehmens heraus stellen, weiter am zunächst mehr oder weniger zufälligen äußeren Kleid, bis zuletzt der Pftinkt erreicht ist, wo an Wurzelfchlagen gedacht werden kann. Tann ist alles charakteristisch geworden, Papier, T-ruck. Farben gebung, Satzbild, Mitarbeiter uss. bis auf die Reklame. Vor unser aller Erinnerung stehen beispielsweise die „Meggendorftr Blätter" mi' testen Merkmalen da mit ihrem glatten Glanzdruckpapier, den farbigen Zeichnungen und dem merkwürdigen Geist, der eine Art Mischung des Eormal-Grotcsken mit harmlosester Kleinbürgerlichkeit darstellr. Boi allem ist es eine Zeitschrift, die man selbst Kindern und Backfischen und dort geben kann, wo icde mögliche Verletzung vermieden werden soll, z. B. in Wartezimmern. Und wenn wir unsere gute alte Tante in die Babn ietzen, drücken wir ibr „Meggendorfer Blätter" in die Hand: sicher wird sic nicht beleidigt ietn, wenn sic sich selbst als alte Jungfer ab gebildet findet, der die Neffen einen Streich ipielcn. Tic Witzblätter baden ein feststehendes Repertoire, und merkwürdig wäre die Welt, wollte man nach ihnen einen Rückschluß auf unser Leben ziehen Da sinv die unsterblichen Schwiegermütter, die Landwehren der guten alten Zeit, d'e pumpenden Studenten, die protzigen Kommerzienräte. Tie Zeit scheine stillaestanden zu sein uud altväterlicher Geist noch einmal auf- usteben. Aber es gibt recht viele Leute, die sich zu ihm au» ein Paa-. »Augenblicke zum AuSruben flüchten mögen. K Pani Mitzschkc Das Naumburgcr H ns s, t e n 11 e d. Ein Beitrag zur Geschickte der deutschen volkstümlichen Dichtung. Unter Be nutzung der Akten des Naumburger Referendarkirschfestzeltes Mit Bildnissen, Noten und einem Bogen Karikaturen von 1832. Naumburg a. S. 1907. Verlag des Vorstandes des Naumburger RefercndarkirschftstzelteS. Kommissionsverlag von Julius Domrichs Buchhandlung in Naumburg a. S. 32 S. 1 „<l Tr.^Paul Mitzschke bat hier die Geschickte des bekannten Studenten- licdcs „Tic Hussiten zogen vor Naumburg" geschrieben. Tas Lied ha: eine 75jährige Vergangenheit hinter sich und feiert somit e:n Jubiläum Es ist 1832 beim Kirschfest in Naumburg a. S. im Zelte der Referen- darien entstanden, und Mar als Hänselei über die rührende Orissage von Prokop und den Naumburger Kindern. Der Verfasser des Liedes ist der damalige Auskultator Karl Seyferth aus Langensalza, der zulctz- als Regiernngsrat in Posen wirkte. Die ersten Karikaturen zu dem Texte zeichnete der Auskultator Otto Bollmann. Er starb 1S7S im Scklesi'chen. Das kleine Sckriftchen wird nicht nur das Interesse der Zunftgelcbrten in Anspruch nehmen, sondern auch von jedem will kommen geheißen werden, der an der 'Saale Hellem Strande als Trasse, Fuchs oder als froher Bursch das Lied von den Hussiten. die vor Naum burg zogen, mitgesungen Hai. Fk«rtiu Stein. Meyers Kleines Konversations-Lexikon. Siebente, gänzlich neubearbcitete und vermehrte Anklage Mebr als 130 000 Artikel nnd Nack'-vc-sic auf über 6"00 Seilen Text mit ctica 520 Jllustrationstoseln (darunter 56 Farben- drucktafeln und, 110 Karten und Pläne! und etwa IM Text beilagen. 6 Bände in Halbleder gebunden zu je 12 A. (Ver lag des Bibliographischen Instituts in Leipzig und Wien s Der dritte Band dieses großzügig angelegten modernen Nack- ichlagewerkes ist soeben erschienen, und damit ist der neue „Kleine Meyer" bereits bis zur Hälft« vorgeschritten. Text nnd Abbildungen sind in gleichem Maße erstklassig. In jeder Wissenschaft finden wir gewissen haft die Ergebnisse neuester Forschung berücksichtigt: ebenso werden auch alle Artikel über Kunst, Industrie, Händel und Politik höchsten Anforde rungen gerecht. So zeigen uns z. B. aiff amtlichem Material beruhende Textbeilagen und Tafeln den allcrneucsten Stand der Bewaffnung der Heere aller Lander. Rohrrücklaufgeickütze, Geschoß- und Verichlußkon- struktionen, Handfeuerwaffen und Jnfanteriegeschosse usw. sind bis ins Detail abgebildct und erläutert, lieber die neueste Entwicklung der Großstaaten (z. B. Großbritannien, Italien, Fapanl, ihre Geographie, Geschichte, Volkstum und Kunst belehren uns ausführliche Aunotze. Karten nnd Takeln nnd geben ein abgerundetes kulturelles Gesamtbild Was es auch sei: „Katser-Wilhelm-.Kanal", „Haager Friedenskonfe renz", „Irland", „Hannover", Hessen", Karlsruhe" „Kassel", „Juden", „Gencralstab". „Gewerkveremc", .Griechische Kirche", „Güter- ahschätzung". „Handelsverträge", „Handlnnasaebilfe" — nm gan', will kürlich nur einige Artikel ans dem sozialen und politischen Leben bcrauS- zugrcifcn — überall wirb uns die gleiche obiektioe, umfassende und er- ichöpsende Auskunft zuteil Klare, deutliche Holzschnitte von peinlichster Ausführung in mustergültiger Reproduktion, Autotypien und künstlerische farbige Tafeln nebst einer großen Menge in den Tert gedruckter Ab bildungen beweisen allenthalben, daß auch in der Jllustrationsirage Musteraültiakcit dem Verlag Leitmotiv ist. So bringt der , Kleine Meyer nicht nur jedem etwas, nein er drinyt jedem alles, dessen er bedarf, und darum aebübrt ibm ein Ehrenplatz in iedem deutschen Hause. Verantwortlicher Redakteur: Ott» Flake in Leivzig.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)