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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.01.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-01-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080107029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908010702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908010702
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-01
- Tag 1908-01-07
-
Monat
1908-01
-
Jahr
1908
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Sez«gs-Prri» ür L»ch»i- «a durch imkr, Lrä^r »2 Spsdttrur» tu« Has» gebracht, «ul,ad« a ku« »-rg»u«) »t«rt«gLhrNq 3 mm>°Äch 1 «.-, «ul,ab« « («oraenl »» adeud«) vtertel» jährlich 4.L0 monatlich ILO «. Durch die Da« M bqtetzeu: (2 mal täglich) inneihali Deuljchland« und der deutlqim Kolonie« vierteljährlich 5,25 «., uwuatlich 1,75 M. «chschl. Poft, deftellgeld, iltr Oesterreich v L S6 d, Ungarn 8 L vimktrljLhrlich. gernrr in Bel. gien, Dänemark, den Louau-aaten, Frank reich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Nußland. Schweden, Schwei» und Spanien. In allen übrigen Staaten nur dir»« durch bi» Exped. d. vl. erhältlich. Abonnement-Unnadmei «ngustulplatz 8, bei unseren Dräger». FUialen, Spediteuren und Annahmestellen, löwt« Postämtern und Di» etu»eln« Nummer kostet ty Vfst. hste dalliou utld Johauutägaste 8. äelephoa Nr. I16S2, Nr. I4SS3, «r. l1SS4. Abend-Ausgabe S. MWgerTagMaü Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Rolizeiamtes der Stadt Leipzig. Llnzriqen-PieiS kstr Jnleraie au« Leipzig und Umgeduna di« Saejpaltene Peiu-eil« 25 Pi., stnonzielle Anzeigen 80 Pi., Netlamen 1 M.; von auswärts 30 Pi., Steklamen 1.20 M., vomAullandboPi., stnanz Anzeigen75Pj.. Reklamen lchO M Inserate v. Behörden in. amUlchen Teil SO Pj Beilagegebüdr 5 M. p. Taujeno exkl. Post gebühr. «eichaittanzeigen an bevorzugter Stelle im Preije erhöht. Rabatt nach Tarn. Fefterteiil« Auitrjg« können nicht zurück gezogen werden Hur das drjcheinen an dejlimmlen Duzen und Platzen wird keine Barantie übernommen Anzeigen. Annahme, AuguüuSploh !S, bei iamtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expedtlionen des In» und Auslandes. Haupt-Liliale Berlin! Tar! Duncker. Herzogl. Bayr. Hosduch- handlung, Lützowstrabe 10. (Telephon VI, Sir. 4003,. M. 8. Dienstag 7. Januar 1908. 182. IMsiMsi. Das wichtigst« voin Tage. * Die Bundesratsausschüssc beginnen morgen die Be ratung des Spiritusmonopols. Die Aussichten für die Vorlage sollen günstig sein. * In dem niederrheinischen Ceidenindustricgcbiet haben die Arbeiter die Wiederaufnahme der Arbeit beschlossen, so daß damit Strei! und Aussperrung sowie die Gefahr einer weiteren Ausdehnung des Arbeitskampfes als auf- gehoben angesehen werden können. - Minister Vioiani hat die Grubcngescll sch asten von Sl. Etienne bestimmt, in die sofortige Einführung des acht stündigen Arbeitstages zn willigen. sS. Ausl.) Tagesschau. Zur politischen Lage. Aus Berlin wird uns geschrieben: Dieser Tage brachte die „Kreuzzeitung" einige Artikel, die die lebhafte Neigung der Rechten verrieten, wieder mit dem Zentrum sich anzubiedern. Dann brachte Vas „Bert. Tagebl." einen Artikel, der den nahen Rücktritt des Fürsten Bülow weissagt. Auch dieser Artikel dürfte nicht auf freisinnigen Beeten gewachsen sein. Es ist Tatsache, daß sich in gewissen Kreisen etwas gegen den Fürsten Bülow zujammcnbraut, und wie wir von unterrich teter Seite erfahren, soll die Hardenafsäre der Punkt jein, bei dem man den Hebel ansehen wird, um den Kanzler zu Falle zu bringen. Tie Konservativen erklären ihre Hinneigung zum Zentrum damit, daß die Nationalliberalen noch schwieriger wären als das Zentrum. In einer dieser Tage abgehobenen Vertraucnsmäiincrvcrjammlung der Konservativen wurde, wie wir von unterrichteter Seite höreu, betont, den Nationalliberalen könnte man nicht vertrauen, sic trieben eine Poli tik, die der Rechten gefährlich schiene. Das Vorgehen Paaschcs in Sachen Harden wurde nochmals Gegenstand heftiger Diskussion, und cs wurde betont, daß die Konservativen schon vor den Weihnachtssericn noch eine Aktion gegen Paasches Vorstoß wider Einem in Szene gesetzt hätten, wenn nicht eben die nahe bevorstehenden Ferien ihnen das hätte unrät- lich erscheinen lassen. Ferner wurde in dieser Versammlung mitgcteilt, cs sei allen zuständigen Stellen seitens der konservativen Parteileitung darüber kein Zweifel gelassen worden, daß in einer neuen Session Herr Paasche, falls er um die Vizepräsidcntschaft des Reichstages kandidieren sollte, die konservativen Stimmen für sich nicht oewinnen werde. Gleich zeitig wiro in Kreisen, die mit den Konservativen nahe Fühlung haben, verbreitet, Fürst Bülow habe durch einen Mittelsmann, den er aller dings jederzeit desavouieren könne, anfangs Mai Herrn Harden wissen lassen, sein Vorgehen betrachte er, der Kanzler, als eine politische Tat vornehmsten Stils. Aus dieser Aeußerung scheinen die Gegner des Kanzlers Kapital schlagen zu wollen. Wir können demgegenüber ver sichern, daß Fürst Bülow weder mündlich noch schriftlich jemals eine derartige oder auch nur eine ähnliche Aeußerung getan hat. Wir können ferner versichern, daß Fürst Bülow nicht im geringsten daran denkt, von seinem Amte zurückzutreten. Die Andeutungen, daß die angeblich schleunige Restauration der Villa „Malta" in Rom mit Rücktrittgedanken des Kanzlers zusammenhänge, werden uns als absolut haltlos bezeich net. Der Kanzler wird auch das Schicksal der preußischen Polcnvorlaae nicht zu dem seinigen machen. Er ist im Gegenteil entschlossen, allen Anfeindungen die Spitze zn bieten und auf seinem Posten zu bebarren, bis ihn zwingendere politische Tatsachen nötigen, seinen Platz zu räumen. Einstweilen sieht er solche Tatsachen noch nicht in greifbarer Nähe. Sozialdemokratie und russische Revolutionäre. In der konservativen Presse ist in den letzten Wockien mehrfach aus die Zusammenhänge zwischen unserer Sozialdemokratie und den russi schen Revolutionären yingewiesen worden, wie sie durch die Auffindung des Waffenlagers in der Berliner Pankstraße feslgestellt worden sind. Das ist gelegentlich auch von nationalliberaler Seite mit dem Be merken geschehen: die deutsche Sozialdemokratie treibe da ein sehr ge fährliches Soviel, vor dem man sie nicht genug warnen könne. Neulich haben dann die „Kons. Korresp. und die „Kreuzztg." mit ihr angeregt, durch eine Interpellation die Angelegenheit in die Parlamcnic zu tragen und Negierung und Parteien zur Stellungnahme zu zwingen. Dazu führt jetzt die „Natl.-lib. Korresp." aus: „So tragisch möchten wir dicje Dinge zunächst denn doch nicht nehmen. Bisher hat sich eigentlich ge zeigt, daß unsere politische Polizei mit ihrer Aufmerksamkeit und mit den Mitteln ihrer Kompetenz diesen Herrschaften — den russischen wie ihren deutschen Herbergsvätern — gewachsen gewesen ist. Ihren Händen könnte man — wenigstens fürs erste — wohl auch die weitere Behand lung des Problems überlassen. Interpellationen und parlamentarische Verhandlungen haben ben Nachteil, Leute, die cs gar nicht verdienen, in manchen Augen unnütz interessant zu machen. Und die Klinke der Gesetzgebung in die Hand zu nehmen, scheint uns sund anderen Parteien wohl auchs zunächst denn doch nicht geboten." Tcntsches Interesse für den Vatikan. sVon unserem römischen ^.-Korrespondenten.) Rom, 4. Januar. Zur Zeit Leos XIII. mehr als heute war in Italien die Annahme verbreitet, daß die päpstlichen Ansprüche auf den Kirchenstaat von selten der deutschen Regierung oder genauer von feiten des Kaisers Wilhelm II. eine gewisse Begünstigung erführen. Heute nun stellt sich heraus, daß diese Annahme keineswegs so unbegründet ist, wie sie unseres Erachtens sein müßte. Und es isß wenn man als Basis für die Beurteilung der Tatsache diplvmatiscbe Argumeme selbst im weitesten Maße zulassen wollte, ein sehr merkwürdiges Zusammentreffen, daß jene deutsche Be günstigung des Vatikans an demselben Tage offenbar wird, an dem ein offiziöses Organ des Vatikans, der „Corriere d'Italia", sich erdreistet, gelegentlich der Wiedergabe des vollen Textes des Protestbriefes von ^ienkicwicz der Inniglich preußischen Staatsregicrung ein „schmachvolles politisches Räubcrium" gegen die Polen, ein „Niederstampsen der Kultur" und dergleichen mehr enlgegcnzurufcn. Es handelt sich nm einen Brief, den ein Ncsfe von Francesco Erispi aus dessen Nachlaß im „Eorriere della Sera" veröffentlicht aus Anlaß einer akademischen Er örterung darüber, ob der Papst an den Palästen und Kunstsammlungen des Vatikans Eigentumsrecht habe, wie er selbst behauptet, oder nur Nutznicßungsrccht, wie das Garanticgesetz non 1870 determiniert. Erispi hat diesen in vieler Hinsicht sehr interessanten Bries am 3. Januar 1891 an den italienischen Botschafter in Berlin geschrieben zu dessen In- sormation in bezug auf einen diplomatischen Schritt Deutschlands. Der Brief lauiet: „Gestern kam Gras SolmS zu mir, um mir zu sagen, daß der Kaiser darüber bcuurul igt fei, daß die italienische Presse sich wegen der Eintriilsgebühreii errege, die der Pap;, jcx: von ocn Besuchern der vatikanischen Museen fordere, und er fragte an, welches unsere Meinung in dieser Sache wäre. Ich gab dem deutschen Botschafter zu verstehen, daß die Angelegenheit, da sic von der italienischen Regierung stets als eine inncrpolitischc betrachtet worden sei, in der Tat für uns niemals Gegenstand internationaler Erörterung oder auch nur einfacher Unter- Haltung mit ausländischen Agenten gewesen wäre und es niemals sein könnte: und ich erklärte ihm darum, daß ich zu ihm als dem uns besreun- dcteu Grafen Solms und nicht zum Botschafter Deutschlands spräche. Ich erinnerte ibn, daß sei. 1870 der Papst nicht mehr König wäre, und daß die vatikanischen Paläste nebst allem ihrem Inhalt an Kunstwerken unveräußerliches Eigentum des italienischen Staates und nicht des päpstlichen Stuhles wären. Dem Papst ist ausschließlich die Nutznießung garantiert krast eines Gesetzes, das wir treu beobachten, wie sehr auch der Papst häufig zum Schaden des Vaterlandes und der nationalen Monarchie sich bemüht. Und vier zitierte ich die kürzliche republikanische Propaganda des vom Vatikan inspirierten und unterstützten Kardinals Lavigerie. Ich fügte hinzu, daß die unaufhörlichen Intrigen, die der >n Hänben der Jesuiten befindliche Vatikan im Schatten des Garantiegcsetz.es spinne, nicht bloß gegen Italien, sondern auch gegen Deutschland gerichtet seien, und daß dieses darum alles Interesse hätte, sich zn schützen. Ich sagte ferner, baß der Papst, da er keine weltliche Macht habe, auch keine Gebühren ouferlegen lonnc, und daß er, wenn er es dennoch iuc, das Geseiz verletze. Die italienische Regierung kümmere sich inzwischen nichi darum, wie sie sich auch um Gesetzesverletzungen in anderen Fällen nicht gekümmert habe. — Von dem Voruufgchen.den informiere ich Eure Exzellenz mit dem Bemerken, daß die Regierung des Königs cs ab'olut ablchnt, all das, was fick auf die Verhältnisse des Vatikans in Italien bezieht, irgendwie zu internationaler Erörterung zu erheben. Erispi." Deutsches Reich. Leipzig, 7. Januar * TernburgS Vorträge. Wie die „Information" an zuständiger Stelle erfährt, wird sich Staatssekretär Dernburg Ende März d. I. in Sachsen aushalten. Er gedenkt in Dresden und in Plauen öffentliche Vorträge über Kolonialverhältniffe zu halten. * Parteipolitisches zur Lftmarkenvorlage bringt eine Zuschrift aus Parlamentskreisen an die „Nationalzeitung". Die Zuschrift weist darauf bin, daß sich in der Kommission für die Vorlage drei Gruppen zeigten. Einmal die des Zentrums, der Freisinnigen und Polen, die 10 Mann stark sich grundsätzlich ablehnend verhielten, da die Enteignung zu dem von der Regierung angegebenen Ztveck verfassungswidrig sei. Dann die zweite Gruppe der 9 Mann starken Konservativen, die eine Enteignung nur aus besonders gesährdetem Landesgebiet gestatten wollten. Wieder von einem anderen Gesichtspunkt aus ging die dritte Gruppe vor, 9 Mitglieder aus der nationalliberalen und der sreikonservativen Fraktion. Sie erblicken in den Angriffen der Polen auf die Deutschen eine Art Kriegs zustand, der auch ungewöhnliche Maßregeln rechtfertigt. Sie glauben ferner die Regierung bei der Fortsetzung ihres im Jahre 1886 begonnenen Ansied- lungswerles nicht im Stich lassen zu dürfen, da Stetigkeit in der Politik vor allen Dingen notwendig ist und da nichts der Kolonisation der Ostmarkcn mehr geschadet hat, als die schwankende Haltung, die die Regierung im vorigen Jahrhundert eingenommen hat. Die beiden Parteien stimmten daher zuerst für die Vorlage selbst und sodann für bas Kompromiß, als sich gezeigt hatte, daß nicht mehr zu erreichen war. Es ist anzunehmen, daß die Gruppierung der Parteien im Plenum dieselbe sein wird, wie in der Kommission. Die Nationallibcralen haben um so mehr Grund, die Regierung in ihrer Ostniarkenpolitik zu unterstützen, als der Partei tag in Wiesbaden einmütig die Ueberzeugung ausgesprochen hat, daß eine kraftvolle Politik der preußischen Regierung gegen das andrängente Polentum eine dringende Notwendigkeit im Interesse deS ganzen deutschen Volkes sei." * Polnische Ncpreff»'rnastregeln gegen die preußische Polcnpoütst iverden seit längerer Zen in der verschiedensten Form in den polnischen Kreisen Rußlands und Oesterreichs und speziell auch Galiziens erwogen und empfohlen. Die neueste Maßregel dieser Art soll, wie aus Posen berichtet, die sein, daß man mit Hilfe der polnischen Kommissionäre uns einer Organisation der russisch-polnischen Saisonarbeiter sich bemühen will, den deutschen Landwirten des OstenS und Mitteldeutschlands die Arbeit dieser Saisonarbeiter zu entziehen. Die Kommissionäre haben einen einheitlichen LohnvertragSentwurs festgestellt und wollen auf Grund dieses Entwurfs die Leute in erster Reihe bei polnischen Grundbesitzern unterbringen. Der Ueberschuß soll den süddeutschen oder dänischen katholischen Gutsbesitzern überwiesen werden. Dazu tritt die weitere Verpflichtung der Kommissionäre, polnische Arbeiter evangelisch-protestan tischen und solchen deutschen Landwirten überhaupt nicht mehr zuzusühren, die die Polenpoliiik der Regierung gutheißen und unterstützen. Zu dem Zweck wird ein Verzeichnis der Landwirte angesertigt, die man aus diese Weise boykottieren will. * Tic Lösung der VerfaffungSfragc in Mecklenburg scheint einen weiteren zeitlichen Aufschub durch den Rücktritt Leü Ministers von Mecklenburg-Strelitz von Denitz zu erfahren, der noch keinen Nachfolger erhalten hat. Dies dürfte in nächster Zeit erfolgen, so daß die Hoffnung Feuilleton. Wir haben hinreichend gute Lehren, aber wenig gute Lehrer. Dauvenargues. * Lin Aeilsehriftetrarchiv in rtteinasien. sAus den neuesten Grabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft.) Tas soeben erscheinende Heft Nr. 35 der „Mitteilungen der Dcut- ichen Orientgesellschaft" berichtet über neue Funde, die selbst in unserer an Ueberroschungen so reichen Zeit nicht leicht ihresgleichen haben. Mitten im Herzen Kleinasiens, im alten Kappadokien, etwa fünf Taac- reisen östlich vom heutigen Angora, unweit des türkischen Dorfes Boghaz-köi, ist ein keilinschriftliches Königsarchiv aus dem 14. und 13. vorchristlichen Jahrhundert gesunden morden, von dem bereits Tau sende von Tafeln geborgen sind, und dessen Inhalt verspricht, unserer geschichtlichen Kenntnis des alten Orients ein noch fast völlig unge- 'chriebenes Kapitel hinzuzufügen: die Geschichte des he thiti sehen Reiches. Wir werden unwillkürlich an den Fund der Tell-Amarnataseln er- innert. Es ist fetzt genau zwanzig Jayre her, daß die erste Nachricht von diesem Archiv aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts, das auf Keil- ichrifttafeln in babylonischer Sprache die politische Korrespondenz der ägyptischen Könige Ämenhotep III. und IV. enthielt, die ganze gebildete Welt in Erstaunen setzte. Unter den Briesen an Ämenhotep ÜI., den Vater des bekannten „Ketzerkönigs" von Teil Amarna, befand sich einer von dem Hethiterkönige Schubbiluliuma. Die Residenz dieses Königs liegt, wie sich jetzt gezeigt hat, in den Ruinen von Boghaz-köi begraben. Tas Archiv dieses Königs und das seines Sohnes, ebenfalls aus K'l- chrifttaseln bestehend, und teils in babylonischen, teils in betl'it -Rer Sprache geschrieben, sind der dreitausendjährigen Vergessenheit entrissen worden. Das große Verdienst dieser zurzeit noch unschätzbaren Entdeckung gebührt dem bekannten Assyriologen der Berliner Universität, Prof. Tr. Hugo Winckler. Zwar batten vor ihm schon andere Gelehrte und Forschungsreisende auf die Bedeutung der ausgedehnten Ruinen von Boghaz-köi hingewiesen, aber erst, nachdem Winckler im Herbst 1905 die Stätte selbst besucht und sich von dem wahrscheinlichen Erfolg einer genauen Erforschung der Ruinen überzeugt hatte, gelang es ihm, von de: Vorderasiatischen Gesellschaft und einigen ihrer Mit glieder die Mittel für eine VersuchSgrabung berbeizuschaffen. Diese fand im Sommer 1906 statt. Der Erfolg war ein großartiger. Es ge lang Winckler, di« Ruinen von Boghaz-köi wirklich als die Ueberreste der alten Hauptst<K>t des Hethiterreiches nachzuweisen, und einen großen Teil des königlichen Archivs bereits zutage zu fördern. Nun erklärte sich auch die unermüdlich tätige Deutsche Orient-Gesellschaft bereit, eine Fortsetzung der Grabungen in c"-"^erem Maßstabe zu er möglichen, und gleichzeitig erbot sich das Kaiserlich Deutscbe Archäologische Institut, die eigentlich archäologischen Unter- suchungen zu übernehmen. So wurde im Sommer 1907 in Boghaz-köi der Spaten von neuem angesctzt, wobei zu dem ersten noch ein zweites, örtlich von ihm getrenntes Keilschriftenarchiv hinzugefunden wurde. Beide Ausgrabungen, die von 1906 und 1907 sind als Unternehmungen des Ottomanischen Museums in Konstantinopel ausgeführt worden, wobei der türkische Archäologe Th. Makridh Bey als Ver treter dieses Museums die Leitung hatte. In der vorliegenden Nummer der Mitteilungen berichtet Winck ler über die Tontafelfunde: Prof. Dr. O. Puch stein, der General sekretär des Archäologischen Instituts, der selbst vom Juli bis Septem- her an den Ausgrabungen teilgcnommcn hat, beschreibt die Stadtanlage und die ausgegrabenen Gebäude der alten Hethiterresidenz. Die von Befestigungsmaucrn rings umgebene Stadt liegt auf einem Gebirgsabhang und an dessen Fuß. Im Altertum wurde sie eI Ehatti genannt, ebenso wie das Volk »elbst, das wir nach der im Alten Testa ment gebrauchten Form gewöhnlich als Hethiter oder Hittitcr bezeichnen. Die terrassenförmig ausgebaute Stadt, mit der ebenen Unterstadt und der hochgelegenen gebirgigen Akropolis, mit ihren Mauern und Türmen und den zahlreichen zu Jestungsanlagen ausgenutztcn Kuppen und Felsen, muß. besonders bei ihrer ungeheuren Ausdehnung, einen ge waltigen Eindruck gemacht haben. Di« Hauptmauer, mit den nach außen vorspringenden, meistens sehr dicht stehenden Türmen , ist durchschnitt lich fünf Meter dick. Sie erhebt sich aus einem hohen Steinsockel, auf der ein Ausbau von Holz und Lchmziegeln ausgesetzt war. Vor dieser war noch eine schwächere, aber auch mit Türmen versehene Vormauer errichtet. Von Stadttoren sind Mer bereits ausgegraben worden. Bei dem einen sind die Pfosten nach der Außenseite mit Vorderteilen von großen Löwen verziert, die den Eintretenden mit ihrem Gebrüll emp fangen. Bei einem der andern fand sich das etwa lebensgroße, fein aus- geführte Relief eines jugendlichen Kriegers, wohl eines hcthitischen Königs. Baugcichichtlich außerordentlich wichtig ist die Untersuchung und Aufnahme des Gebäudes, in dem Winckler das zweite Keilschriftenarchiv gefunden hat Es stellte sich heraus als ein ungeheurer Tempel, auf einer natürlichen Terrasse der Unterstadt gelegen, an allen vier Seiten mit gepflasterten Straßen umgeben. An diesen Straßen standen eine Menge von Vorratshäusern, die zum Teil noch die Tongcsäßc für die Naturaliencinkünfte des Tempels enthielten. In einigen Räumen des Ostmagazins sind die Tontaieln gesunden worden. Der Grundriß des Tempels selbst trägt im allgemeinen den bekannten Mittelmcer- charakter, ist aber in wesentlichen Dingen doch >on allem, was wir bis her kennen, verschieden. Drei kleine Tcmpelanlagcn ganz derselben Art sind in der Oberstadt nachgewiesen worden, wäbrend ein fünftes, nahe bem Osttor gelegenes Gebäude, dessen Anlage bedeutende Unterschiede zeigt, wohl für einen Palast gehalten werden muß. DaS Material über die hethitische Baukunst, in der wir innerhalb der orientalischen Archi tektur geradezu eine neue Stilart anerkennen müssen, ist also sehr reich» haltio und kunstgeschichtlich oon ganz ungewöhnlicher Bedeutung. Was aber das allgemeine Interesse vor allem gefesselt, ist der In halt der Archivtafcln. Und hier ist cs nun fast unmöglich, von der Fülle neuer Erkenntnisse, die Professor Winckler aus den von ihm schon ent zifferten Tafeln zusammengestellt und mitgetcilt hat, in Kürze ein eini germaßen anschauliches Bild zu geben. Der geniale Scharfblick, mit dem Winckler unter den Tausenden von Urkunden gleich bas historisch und kulturgeschichtlich Bedeutsamste hcrausfand, und die entsagungsvolle Arbeit der Entzifferung diejcs überaus schwierig lesbaren, klein und eng geschriebenen Textes, der er sich großenteils schon an Ort und Stelle unterzog, verdienen allseitig eine uneingeschränkte Bewunderung. Wir können hier nur das Wichtigste herausgreifen. Es sind Urkunden aus der Zeit von sieben helhitischcn Königen gesunden worden, von denen der oben erwähnte Zeitgenosse AmcnhotepS III., der als Gründer der Dynastie erscheint, der ältere ist. Ter neue Fund bcrübrt sich also teil weise aufs engste mit den Urkunden von Tell-Amarna und führt unsere Kenntnis der Geschichte jener Zeit noch um vier Generationen weiter. Denn wir erfahren nun nicht etwa nur oon inncrbcthitischcn Dingen. Was nns vorlicgt, sind Bruchstücke der Korrespondenz dieser bcthnischcn Könige mit den gleichzeitigen Beherrschern der andern politisch bedeu tenden Staaten; aber nicht nur das. Wir finden sogar Vertrags- urkunden der Hethitcrkönige mit einzelnen dieses Reiches, in deren Einleitungen nach Art von Chroniken ausführlich die politische Lage dargelcgt wird! Eine derartige Urkunde aus der RegicrungSzcit des ersten dieser Hethiterkönige gibt geradezu einen Kommentar für eine ganze Anzahl der uns erhaltenen Tell-Ämarna-Bricfe, die aus Ehatti stammten und aus dem damals am Ende seiner Macht flehenden Reiche von Milanni, das sich von Nordi'yricn bis nach Ninive erstreckte. Zum Teil werden sogar die gleichen Personen namhaft gemacht. Dabei er- kalten die für bie Ohren des ägyptischen Königs abgcitimmtcn Berichte eine überaus interessante und wichtige Kontrolle. Die Mehrzahl der gefundenen Urkunden stammt aus der Regie- rungszeit des Chattusit, des vierten in der Reihe dieser hcthitischen Könige Sein wichtigster politischer Erfolg war Wohl der Abschluß eines Freundschaftsvertrages mit Aegypten, unter Ramses II Dieser Vertrag war uns ägyptisch bereits bekannt: er ist aus den Wänden des Ammonstempels in Theben eingegraben worden und hat sich dort bis aus unsere Tage erhalten. Winckler hat nun einen babylonisch abgcfaßtcn Text in Boghaz-köi gesunden, der sich im großen und ganzen mit dem ägyptischen deckt, und in dem auch — wie in der ägyptischen Kopie — von einer „Silbertascl" die Rede ist. auf der die Originalurkunde ein graviert war. Merkwürdig ist es, daß auch hier wie in Tell-Amarna die Frauen der Könige eine Rolle spielen. Winckler zitiert ein Schrei ben der Gattin Ramses II. an die Gemahlin des Hcthitcrkönigs, in dem sie ihrer Schwester über den Abschluß des Vertrages ihre Freude auS- spricht. Von größter Bedeutung ist ferner ein vorzüglich erkalkenrS, 160 Langzellen umfassendes Schreiben Chattusils an einen soeben zur Regierung gelangten, noch jugendlichen König von Babylon,«» ider
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