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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.01.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080114010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908011401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908011401
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-01
- Tag 1908-01-14
-
Monat
1908-01
-
Jahr
1908
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Lez«-r-Prei» für L«d»«o »od ttorvn, durch »ui», lräg« uür vvernrur« cul Hau« Erbracht« t (»m nurorul) »«rrrllttzrUch 8 M-, monatlich I Di., Dutaab, S (morgen« an» adend«) vrertrl» jährlich 4.SV M„ monatlich I.L Di. Lurch die Do» ,» drzieden: (2 mal iLglichl >nnerdall> Deullchland« un» de« deutschen Kolonien merieliadrltch L,2b M. monaUich l.7L M. autlchl Poft, veliellgeld, ür Oesterreich U le 86 d, Ungarn 8 L oiertrllLdrlich Kerner m Bel gien. Dänemark, den Douauüaaien, ^rank. reich. Aralien. Luiemdur,, Niederlande, Narwegen. NuNland Schweden Schwei, and kvanien Zn aste» ädrigen Sraareu nur »ireki durch dm itrved. d Bl erdälrlich. Adonnrmentchlnnadine. Dogukulplatz 8, »ei unteren Drägern. -Malen. Loedileuren und Aanadmekeäen, lowie Postämtern und Brierrrtgeril. Di, «tnjeln« «umme, koke, I» chfg. kstedakkion und Erpebttirui Zohannitgaste 8. I-l-vk-u Nr. I46l^ dir. t4SS3, Sir. 14S34. Morgen-Ausgabe L. riWgrr TaMalt Handelszettung. Amtsblatt -es Rates und -es Nolizeianttes -er Lta-t Leipzig. Lnzeigeo-Preis iür Ansernr» «u« und Umged»»^ di» - gespalten« Wertteil« » V., stnängE« Innige» 8Ü Bl., stieklam«» k Di.; »oa Luswärr, w Pi., Nevanren 1.20 Di.; «mmKurland SV«., Nnan». >nzaoe»7SM »eklamen USV vt. Znleiat« v. vetärde» tin amtlichen Deik 40 V! Peilagegedstbr d M p. Daulend exkk. Boir- gebühr. Gelchälrjanijeigen an bevor»ugter »teste im Prell« erhöbt. Siabatl nach Darii. gefterteilt« Aulträg« ktuaen nicht tnrüek- aezogen werden. Für da« Uricheinen an bestimmten lagen und Plätzen wird kerne Darantl« übernommen. Nngelgen-Snnadme, Augusta«vlaH 8, del sämtlichen F.liale« u. allen lllnnoncen- lk;xedltioueu oed Za» und Äutzlande«. HEk-Siltal« Lerlmr llärk Duncker, Herzog!. Baor. Hosbuä» Handlung, Lützowstraß« UZ. clelerhoa VI. Sir. 4603). Nr 13 Dienstag 14 Januar 1908. 102. Jahrgang. Das wichtigste vorn Sage. * Der Antrag des sächsischen Ausschusses des Flotten» oereins auf Vertagung der Kasseler Hauptversammlung, uui Zeit zu Vermittelnngsversuchen zu gewinnen, ist vom Berliner Prä sidium als verspätet abgelehnt worden. * Der Reichstag erledigte gestern dre beiden ersten besungen der mit Belgien und Italien abgeschlossenen Ueberein kunft zum Schutz literarischer und künstlerischer Werke. Dann wurde die Beratung über den Abzug des Krankengeldes der Handlungsgehilfen fortgesetzt und die Regierungsvor lage einer Kommission überwiesen. Es folgte daun die erste Lesung des Viehseuchengesetzes. (S. Parl.-Ber.) * An Stelle des zur Disposition gestellten Vizeadmirals v. Ad le se Id ist jetzt Admiral Fische! zum Chef der M a r i n c st a t i o n der Nordsee ernannt worden. * Gouverneur Aesko v. Puttkamer wurde gestern vom Kaiserlichen Disziplinargerichtshof zur Strafe eines Per- weises verurteilt. lS. Gerichtssaal.) * Im preußischen Abgeordnetenhause wandte sich der r.ationalliberale Abgeordnete Dr. Friedberg scharf gegen die Finanzpolitik Rheinbabe ns. sS. Ttschs. N.) * General d'Amade soll mit großer Hceresmacht auf Rabat vorrncken. Die Franzosen sprechen von einer Annnllie- lvng der A l g e c i r a s - A k t c. (2. d. bcs. Art.! * Die Türkei hat ein Heer von 121 N i z a n b a t a i l l o n s in Mazedonien konzentriert. (S. AuSl) * Italien ist durch die A v t'w o r i M - r e! i 1 vollkommen befriedigt. lS- Ausl.) Die beiden SuLtirue. Der legitime Sultan Marokkos ist am Unterliegen. Schon erfahrt »r das Geschick aller Unglücklichen: seine Freunde verlassen ihn. Auch die englischen, die noch vor wenigen Monaten die Abgesandten dc^ Gegensultans zu beschleunigter Abreise anS London veranlaßten. Uns Deutschen würde man dielen Vorwurf nicht mit demielben Rechte machen können. Wir haben nicht Abdul Aziz ausgegebcn, sondern Abdul Aziz hat sich von uns abgewandt. Allerdings, als er sah, daß er von uns nicht diejenige Unterstützung finden würde, auf die er ciusi gerechnet hatte. Als in Danaer verkündigt wurde, daß Deutschland die Integrität und Unabhängigkeit Marokkos zur Grundlage seiner uordwcslasrika- nischen Politik mache, da wurde diese Erklärung von den Marokkanern im buchstäblichen und im unbedingten Sinne aufgefaßt. Daß freie Hand Frankreichs in den au Algerien grenzenden Bezirken die Integri- tat des Landes nicht antaste, daß seine Souveränität sich mit der Bildung eines PolizcikorpS vertrage, dessen Offiziere von Frank- reich und Spanien ernannt und abhängig sein würden: das wollte nicht lu die nicht europäisch geschulte Logik der „Barbaren" hinein- nassen, bei denen „friedliche Blockaden" und ähnUchc Monstra des mo dernen Völkerrechts unbekannt geblieben sind. So glaubte sich denn Abdul Aziz von Deutschland im Stich gelassen gegen seine französischen Dränger und meinte, sich den Franzosen unterwerfen zu müssen auch in Dingen, die nur noch sehr gewaltsam in den Rahmen der Algeciras» Akte hineingepreßt werden können, in Provisorien, von denen in jenem Dokument kein Wort steht. Seine Untertanen aber haben in ihrer tausendjährigen Geschichte zwar niemals über den Wert der Monarchie an sich theoretische Betrachtungen ongestellt, aber ebensowenig von der germanischen Begründung der monarchischen Verfassung durch ein per- «'örtliches Treuverhältnis zwischen Herrscher und Volk ein Gefühl er» langt, sind im Gegenteil stets gegen diePerson des Staatsoberhauptes herzlich gleichgültig geblieben. Da sie nun nicht diejenige Bekanntschaft mit den Machtveryältnillen zwischen Marokko und Frankreich besitzen, die wenigstens ein Minimum politischer Bildung voraussetzt, so erschien ihnen die Unterwerfung ihres Herrschers unter den Willen der Großmacht als Landesverrat, und sie griffen zu dem altgewohnten Mittel seiner Absetzung, wie einst das westeuropäische Knlturreich sich seines dicken Karl entledigte, als er an der Möglichkeit eireS Widerstandes gegen die erobernden Normannen verzweifelt hatte. Zuerst fiel die zweite Landeshauptstadt ab, die dem Lande ihren Namen gegeben bat und immer nnr vorübergehend nicht das Haupt eines eigenen Reiches gewesen ist. Man durfte zunächst eine Wieder kehr dieses Dualismus für denkbar ansehen. Möglich, daß die Unsicher, heil der weiteren Eutwickluna entscheidend gewesen ist für den Be chluß der Mächte, die Anknüpsungsversuche des Gegensultans mit solcher Schroffheit abzulehnen. Aber wir fürchten doch, daß die Rücksicht auf Frankreich der Hauptbeweggrund unserer Staatsleiter war, als sie Muley Hafids Boten auch von Berlin Weiterreisen ließen, ohne sie eines Empfanges, wenn auch nur durch den untergeordnetsten Angestellten unseres Auswärtigen Amtes zu würdigen. Unserer Ansicht nach wäre eine Besprechung zur einfachen Kenntnisnahme von den Be- schwerden des marokkanischen Volkes durchaus unverfänglich gewesen. Das Mundstück dieser Volkeswünsche war doch eben der Prätendent, der Bruder des regierenden Herrn, der nicht müde wurde, seine Bereit willigkeit zur Unterwerfung zu verkünden, sobald sein Bruder zu einer nationalen Politik zurückgekehrt sei, der so widerstrebend seiner Berufung gefolgt ist, dem so alles zum Rebellen fehlte' Es wurde ein Zeitpunkt verpaßt, eine Gelegenheit, den Verlust unsere- Ansehens durch die Nichterfüllung unserer Zusagen einigermaßen wettzumachen. Am Goldenen Horn hat man eS der deutschen Politik verdacht, daß sie eine Unterstützung der türkischen Ansprüche auf den Sinai rundweg ablehnte, und man hätte dort doch wissen müssen, daß Deutschlands ägyptische Politik schon seit der BiSmarck-Zeit in eng» landfrcundlichem Sinne festgrleot war. Immerhin ist eS bedauerlich, daß dieses Mißverständnis dort bestand, und die vermeintliche Täuschung ein Hin'lberschwenken der vttvmanischen Negierung zu dem jetzt für unwiderstehlich geltenden England veranlaßt bat. Aber die Orientalen deS afrikanischen Westens haben tatsächlich Grund, unsere Unzuverlässio» keit zu schelten, nnb ihre Erfahrung wirkt nach dem für uns so viel Wim- tigeren Konstantinopel samt Vorderasten hinüber und gefährdet dort die Früchte einer jahrzehntelang mit klugem Bedacht verfolgten Politik Wir dürfen wirklich nicht unsere vorher angeknüpften Verbindungen in jedem Mondzyklus verfallen lassen, um nach neuen zu Haschen — die wir doch nicht bekomme» l Der Sieg Muley Hafids scheint jetzt entschieden zu sein, nachdem Fez zu ihm nbergegangen ist. Mit dem Eintritt dieses Ereignisses mußte ge rechnet werden, seitdem der Sultan die Hauptstadt verlassen batte. Er ist wahrhaftig kein Hannibal, welcher nd^onti retirradkrt nomin« irtKanr! Natürlich wird Hafid nur Sieger, nur der Herr des scherifischen Reiches bleiben können, solange es Gort gefällt und Frankreichs Schwert. Frank reich hat einen neuen glänzenden Vorwand zur „pZ-nerratioir" Marokkos erlangt, nicht zur friedlichen, sondern zu einer sehr kriegerischen, nach der doch längst sein Sinn steht. Tie Tötung eines Franzosen in der Stadt Marokko, die zur Besitzung von lldcha führte, bei der Schuld und Sühne nicht des begabtesten Dramatikers Konstruktion in einen logischen Zusammenhang zu bringen vermag; die Unruhen in Casa blanca, jetzt wieder der Aufstand der Hauptstadt: alles sind solche GlückS- fälle Frankreichs, daß sie beinahe bestellt erscheinen möchten. Für einen Vormarsch auf Fez ist nunmehr der ollerschvnstc Vorwand gewonnen. Natürlich wird die Besitzung der Hauptstadt abermals ein Provisorium kein sollen, und die „Süddeutsche Rcichskorrespondenz" wird sich beeilen, eine neue Warnungstafel onzuhefte», daß man sich in Paris ja nicht ein fall?» lassen möge, von irgendwelchem Destnitivnm zu sprechen! Aus Tanger wird vom 13. telegraphiert: In diplomatischen Kreisen ist man der Ansicht, daß die Proklamation Muley Hafids zum Sultan dessen Hilssqncllcn an Geld und Truppen keineswegs vermehre. Um von dem errungenen moralischen Erfolg wirklichen Nutzen zu ziehen, müßte Muley Hafid ein? ernsthafte Regie rung einsetzen und Stenern cinziehen; dann aber würden seine eifrigsten Anbänger sich gegen ibn wenden Auch der augenblickliche srantivi'cke Geschäftsträger in Tanger, Boischaftssckrciär Gras de Saini-Aulaire, telegraphier:, daß die Er eignisse in Fez ohne Rückwirkung aus die Hafenstädte seien, doch müßten für alle Fälle Versichcrungsmaßnahmen getrosten werden. Aus einer ganz anderen Wrndecke pfeift nachstehende Privatdepesche aus demselben Tanger: Hier herrscht große Aufregung. Nachdem sich das Gerücht verbreitet bot, daß dreitausend französische Soldaten auf dem Marsch nach Rabat seien. Man fürch tet, daß Frankreich den entthronten Sultan mit militärischen Mitteln unterstützen will, woraus unabsehbares Unglück und die Lahmlegung aller Geschäfte enistehen könnte. Eine solche militärisch? Unterstützung könne, me-nt man hier, nur mit der Eroberung des Landes enden. Und wenn, wieder in einer Depesche aus der Hafenstadt, davon ge iprochen wird, jetzt sei die ganze Algecirascikte hinfällig geworden lnatür- lich in französstchen Kreisen), so darf man ausrukcn: )etzt zeigt ihr euer wahres Gesicht, bisher war es nur die Larve! Anfere Ostmark. 7<ei:0 i» den beiden letzten Jahren bei dem deutschen Ostmärker - vrooiem die Sprachenfrage im Vordergrund des politischen Interesses, so nimmt-jetzt wieder die Frage nach dem nationalen Besitz an Grund und Boden diese Stellung ein. Und vielleicht schon im nächsten Jahre tritt wieder eine andere Seite des großen deutsch-polnischen Problems hervor, und fesselt die Aufmerksamkeit der politischen Kreise. Tys ist der Hydracharaiter der Ostmarkcusragc: scheint ein mutiger Streich gegen das Pole»tum gelungen, sofort wachst eine neue Aufgaoe nach und fordert zu neuem Kampf heraus. Mau darf darum nie vergessen, daß es nicht genügt, eine oder die andere Maßnahme zu crgrclsem um das Deutschtum gegen das Polentum zu schönen und die deutsche Herrschaft aufrecht zu erhalten. Es ist die Verwirklichung eines großen vielseitigen Programms vonnöten, will man dieses Ziel der Osrmarkenpolitik er reichen. Unsere deutschen Volksgenossen in dem lllnnärkischcn Grenz gebiete sind sich darüber längst im klaren. Aber im übrigen Deutsch land fehlt dauir vielfach noch ganz das Verständnis. Wie man fick aus Mitteldeutschland oder gar aus dem Westen und Süden nur selten in die Ostmorkeii ^.verirrt , so schwindet das politische Interesse nur zu leicht, wenn es sich um Landstriche jenseits der Oder bandelt. Was gar an den Ufern der Weichsel und Warthe an deutschem Land und deutschem Volksleben unter schwerem nationalpolitifchcn Kampfe steht, das er weckt nichl mcbr Teilnahme, als der Kampf deutscher Elemente im Aus land So wenig ist bei uns noch das reichsdeutsche Interesse aus gebildet. Um so größer ist die Pflicht der nationalen Presse, immer wieder aus das Osimarlenproblem binzuweisin als auf eine Lebens trage des ganzen Deutschen Reichs, und Aufklärung zu vermiitcln über die Aufgaben, die dort gebieterisch ihre Lösung fordern. Wir kommen heute dieser Pflicht nach, indem wir eine Schrift zum Studium empfehlen, die ans nur wenigen Seiten kurz, knapp und an- ^.aulich die einzelnen Puntre erörtert, die gemeinsam ein umfassendes Programm zur Lösung der Ostmarkemrage enthalten. Sie ist von M. vov Witten geschrieben und betitelt sich „Unsere Ostmark" sLissa i. P., Friedrich Ebbeckes Verlag, 1907. 56 S. Preis 60 Pf.). Nicht als wenn diese Schrift absolut oder auch nur vorwiegend neues enthielte, aber sie gibt eine treffliche Uebersicht über die verschiedenen Aufgaben, die in der Ostmark zu lösen sind, und flicht in diese Uebersicht dann manchen neuen Gedanken ein, der das Interesse zu wecken versteht. Zunächst beginnt Witten mit einer geschichtlichen Einführung in daS ganze Ostmarkcnproblem, um mit ihr in überzeugender Weise zu zeigen, daß es nicht nur Pflicht der Selbsterhaltung ist, den Kamps aufzu- nehmen, den der Pole dem Deutschtum aufdringt, sondern daß auch das moralische Recht für diesen Kamps aus deutscher Seite ist, der das Polentum so viel an kulturellen Gütern z» verdanken hat. Tann wird dargeleat, wie wenig die Polen das in sie gesetzte Vertrauen gerecht, fertigt haben, sobald man versuchte, statt mit den Mitteln des Kampfes auf dem Wege der Versöhnung der nationalen Gegensätze aus sie einzu wirken. Es ist ein besonderes Verdienst des Verfassers, daß er hier nicht weitschweifig wird, sondern geschickt die entscheidenden Momente in der wechselvollen Geschichte der preußischen Polenpolitik hervorhebt. In dem eigentlich programmatischen Teil der Schrift wird mit Reckt die Grund- und Bovenfragc als die wichtigste rm Ostmarken- vroblcm bezeichnet nnd im Sinne einer vollen, uneingeschränkten Wirk- samkeit der Ansicdclungspolitik zu lösen gesucht. Dann wird die schon öfters erörterte Notwedigkeit, für die Hebung und Förderung der deutschen Handwerker und des kleinbürgerlichen Mittelstandes in den Städten zu sorgen, betont, und die Schaffung eines kräftigen deutschen Arbeiterstandes aus dem Lande, namentlich durch das Mittel der Grün dung von Arbeiterrentenstellen, in großem Umfange gefordert. Eingehend bespricht Witten die Bcamtenfragc. Er schildert, wie ungern Beamte in die Ostmark versetzt werden und wie lange es dauert, bis sie die gründliche Kenntnis der Verhältnisse besitzen, die die Voraus- setzung für eine richtige Amtsführung ist. Es erwächst daraus die Auf- gäbe, die Beamten möglichst an Ort und Stelle seßhaft zu machen. Sie würden durch solche Seßhaftigkeit auch rascher ins praktische Leben ein- geführt werden. Es würde sich dann auch weit mehr, als bei einem kurzen Aufenthalt, für sie lohnen, die polnische Sprache zu erlernen — nicht, um damit den Polen entgegenzukommen. ober nm die Verhältnisse besser durchschauen zu können. Auch in Wittens Schrift kehrt dann die alte Klage über den in der Ostmark so ausgeprägten Kastengeist wieder, der die einzelnen Geicll- schostsklassen der deutschen Bevölkerung -um Schaden deS Deutschtums trennt. In der Sprachenfrage selbst steht der Verfasser durchaus auf dem Standpunkte, daß die Landessprache einzig und allein die deutsche fein darf. Dagegen will er bei der Froac noch der Schuffproche ein anderes Verfahren. Bei den Ausnahmezuständen, die nun einmal auf dem deutsch-polnischen Sprachgebiete herrschen, soll der Schulzwang nicht ohne weiteres aufrecht erhalten werden. Man überlasse cs den „pol- Nischen" Eltern, ob sie ihre Kinocr in die deutsche Schule senden wollen, erkläre aber zugleich die deutsche Sprache in dem Linnc zur Staats- wracke, daß nur der im staatsbürgerlichen und kommunalen Leben Rechte ausüben oder ein' Amt bekleiden darf, der der deutschen Sprache ge nügend mächtig ist. Zugleich wün'chl Kitten im Interesse bcr deutschen Schulkinder, daß für sie, deren Fortschritte im Klassenuuterrickt der Volksschule dadurch leicht gehemmt werden, daß man immer au' die der deutschen Sprache nicht mächtigen „polnischen" Kinder Rücksick: nehmen muh — besser gesorgt werde. Er schlagt dazu einmal eine be deutende Verbesserung des ganzen Schulunterrichts vor, eine Ver mehrung der Schulbauten, Lehrkräfte und Lehrmittel, denkt dann auck an die Errichtung von Internaten für deutsche Kinder in ganz über wiegend polnisch sprechenden Kreisen — ähnlich den schon bestehenden Konsirmandenhäusern. Gegen den zuletzt erwahnien Vorschlag lassen sich ernste pädagogische Bedenken ins Feld führen, nicht minder gegen die Aushebung des Schulzwanges. Mag auch Willen darin recht haben, daß die Polen dann aus Eigennutz den deutschen Unterricht, den sie jetzi bekämpfen, ausjucben werden. Man soll aber doch nicht noch meyr m,i Ausnahmegesetzen operieren, als es so schon leider notwendig ist! Dagegen ist dann wieder sehr beherzigenswert, was Witten über die Ausbildung des polnischen Klerus sagt, in dem er mit Recht den Haupt träger der ganzen polnischen Agitation sieht. Das mindeste, was erreich: werden müßte, wäre, daß der ganze Nachwuchs der polnischen Geistlich keit unbedingt seine Ausbildung auf den Priesterseminaren anderer Pro vinzen zu erhalten hätte. Außerdeutsche Seminare müssen ganz aus-' geschlossen werden, und die Aussicht des Kultusministers hat sich weit mehr als bisher darauf zu richten, daß die Leiter und Lehrer der Se minare tatsächlich gesinnungstüchtige Deutsche sind. Ebenso sollte man nicht mit Mitteln geizen, deutschen, katholischen Knaben, welche gewillt sind, den geistlichen Beruf zu ergreifen, die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen, damit sie von vornherein sich kür den Dienst in den Ottmarken auSbildcn lallen können. Schließlich klingt die Schrift aus in der Empsedlung der Forderung aller heimatkundlichen Bestrebungen und in dem Hinweis auf die Wichtigkeit, daß der Osten dem Westen »öder gebracht werde, indem man im übrigen Deutschland viel mehr als bisher den Osten auch bei Ferienreisen aufsucht, der nicht nur rn de: t'asiudftcken Sckwei/, den masurijchen Seen und in den Städter Marienburg, Danzig usw. seine Sehenswürdigkeiten bat, sondern auck landschaftliche Schönheiten besitzt, die ihrer intimen Natur nach einem seinen, empfänglichen Geist viel zu bieten vermögen. So wird man die Schrift nicht aus der Hand legen, ohne in der einen oder anderen Richtung Anregung empfangen zu haben für djc Erkenntnis der Wichtigkeit der Ostmarkenfrage und der Pflicht, aut immer neue Mittel bedacht zu sein, die sie ihrer Lösung zum Schutz und zur Stärkung des Deutschtums an der Ostgrenze euigegenführen. Zwangserziehung. Im Buck aus die Beratung des Dekrets 29 sZwangserz:I-»ugj, die jetzt bald rm sächsischen Landtag beginnt, geben wir gern folgendüi Zu» schrif:'Abdruck: .... Zwangserziehung! Mit dickem Worte wird der Gedanke xm'ein sür Sachsen noch ungelöstes Problem ausgelöst. Zwar Hai Sachsen An fänge dazu bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts gemacht, -war enthält auch das noch gültige Volksschulgesetz von 1873 in semem fs !, Abs. 5 einen solchen Ansatz. In Fluß kam die Angelegenheit aber erst, als das Bürgerliche Gesetzbuch seine Stz 1666 und 1838 zu den ZZ 55 und 56 de? Strafgesetzbuches fügte. In der Session 1901/2 legte di? sächsische Regierung in'o'gedessen einen Entwurf eines Gesetzes über Zwangserziehung vor, der zunächst einen lebhaften Widerstand in der Richtung »'and, daß die Zwangserziehung ins Ressort der Armenpflege zu überweisen sei und die Frage ausgerollt wurde, inwieweit die vor- gesehene 'Regelung dieser Frage in das Selbstverwaltungsrccht der Ge- meinden, insbesondere der Städte mit revidierter Städteordnung, ein- greife. Ter Entwurf wurde nach dieser Richtung in der 2. Kamme: abgeändcri. aber in der 1. Kammer nickt mehr ^ur Verhandlung ge- bracht. 1903/1 sprach sich trotzdem die 1. Kammer, 1905/6. die 2. Kammer sür eine gesetzliche Regelung der Materie aus. Inzwischen war sie vielfach in Vereinen und in der pädagogischen sowie in der Tages presse erörtert worden, insbesondere haben die Lehrervercinigungen kür Jugendschutz unablässig die Forderung nach einem solchen Gesetz erhoben. Ein? vielseitige Behandlung der Materie brachte die Schrift von Dr. Külz sdamals Stadtrat in Meerane, jetzt Oberbürgermeister von Bückeburg): „Die Mängel der Fürsorgeerziehung in Sachsen". Nun hat die Königliche Staatsre^ierung im Dekret 29 einen neuen Entwurf vorgelegt, der sich nicht unwesentlich — allerdings vielfach nick« zu seinem Vorteile — von dem alten unterscheidet. Rechnung getragen bat man den Wünschen der Städte auf weitgehende Berücksichtigung ihres Eelbffvcrwaltungsrechtes, ferner den Forderungen aus „Erstreckung der Fürsorgeerziehung" aus Schulentlassene, auf „sofortige vorläufige Entfernung Minderjähriger aus der sie gefährdenden Umgebung", auf Ordnen deS Verfahrens bei Einleitung der Fürsorgeerziehung uno ihrer zweckentsprechenden Durchführung und auf Regelung der Kosten frage im Falle des Unvermögens des Zahlungspflichtigen. Tie Kostcnsrage ist ja meist die Ursache, daß — besonders in kleinen Gemeinden — das Verfahren im Sande verläuft. Die Lösung im neuen Entwürfe, daß ^-4 die Gemeinde, der Staat und Id der Bezirksver band tragt ldie 5 großen Städte tragen also der Kosten), kann nock nicht befriedigen. Mindestens müßte die Ouote des Staates wie in vielen anderen BundeSsiaalen eine höhere sein, oder sollte die völlig. Uebcrnahme durch den Staat nicht die günstigste Lösung sein? Deich großes Interesse der Staat an der ganzen Angelegenheit hat, führt ja die Begründung S. 12, Abs. 2 ganz schlagend aus. Es würde damit ein großer Nachtei! zugleich beseitigt werden, daß nämlich Kostenträger un> Antragsteller oft ein und dieselbe Instanz sind sKommunalverband), so daß die Gefahr naheliegt, daß die drohende Kostentragung vom Antrag stellen cbschreckt. Am meisten muß man sich gegen 8 l wenden, der gegenüber dem früheren Enlwurs eine gai^e Reche Einschränkungen entbält. Als 190^ das preußische Gesetz in Kraft trat, mehrte sich die Zah. der Fürsorge- erziehunassölle so enorm, daß man kaum in der Lage war, die Meng- zu bewältigen. Ganz offenbar ist da vielfach — vielleicht nicht ohne die Schuld der Klnderschutzvereine — über das Ziel hinausaeschossen wor ten. Man hat sich — gewiß falscher Weise, daS Volk hätte sich nock kurzer Zeit dem Novum gegenüber wieder zurechtgefundsn — mit einer jiristischen Auslegung, die auf den Entscheidungen des preußischen Kammergerichts fußt, zu Helsen gesucht, daß nämlich die Fürsorgeerziehung nur eintritk, „wenn die zu Gebote stehenden übrigen Maßnahmen er- schöpft" sind oder „der Verwahrlosung auf andere Weise nicht entgegen gewirkt werden kann". Man. hat ferner eine öffentliche und Vormund ichzstliche Fürsoraeerziebiing konstruiert. Dieic Anschauung swdet man auch im neuen Entwürfe. Aus die Furcht vor dem Anschwellen dei Fälle und die dann eintretende Unmöglichkeit der Unterbringung bau: sich sicher stiebe LandtagSverhandlungen von 1901/2) auch die Nestiw- mung aus: „In Armen- und Arbeitshäusern sowie in Korrektiossan stallen dürfen Minderjährige nur untergebracht werden, wenn sie von den übrigen Insassen getrennt geboffen und erzogen werden." Auf jeden Fall müßten hier Arbeit-- und KorrektionShäuser gestrichen werde« Auch die Unterbringung in Armenhäusern ist nicht unbedenklich, es kommt gan, auf die in ibnen herrschenden Zustande an. Vie schwer ist aber in aller diesen Fällen die Kontrolle? Eine weitere Einschrän kung, die man nicht billigen kann, bildet die Beschränkung auf die sitt liche Verwahrlosuag. Man sollte hier dem Voraauge des preußische
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