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Bezugt-Prei- str Lechzta und vnror« durch «nsrr» Lriger lüw Sprdttrur« in» Hau» gebracht: Lu »gab« t (nur morgen») vterteljthrlich 3 M., monatlich 1 M.. Ausgabe L (morgen» und abend») viertel jährlich 4.50 M., monalltch I.5Ü Nt. Durch di« V«ft tezonen (2 mal täglich) innerhalb Deutschland» und der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 M., monatlich l,75 M. -utschl. Post- bestellgeld, iür Oesterreich ö X 66 tl, Ungarn 8 L vierteljährlich, Ldonnement-Lnnabme: Augukusplatz 8, bei unseren Träger», Filialen. Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Di« einzelne Nummer kostet 10 Nedaktion und «xuedition: Johanni»gasic 8. Tale« hon Nr. 146S2, Nr. 146«,. Nr. 14681. Berliner «edaktton» Dnreau: verlin KV. 7. Prinz Louis Ferdinand- Strahe 1. Telephon Ö Nr. 9275. Ade«d-A«sgabe S. MWMrTagMM HandelszeUung. Amtsblatt des Rates und des Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. 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Ausl.) * Es verlautet, wie aus New Aork gemeldet wird, daß Präsident Roosevelt sich mit dem Deutschen Kaiser verständigt habe, während der Abwesenheit des altantischen Geschwaders Maßnahmen zu treffen zum Schuhe der atlantischen Küste. sS. Ausl.) * Der König von Siam stiftete für eine der neuerbohrten Quellen in Homburg v. d. Höhe, die seinen Nomen tragen wird, einen prächtigen Ueberbau, der in siamesischem Stil errichtet werden soll. * Die gerichtlichen Verhandlungen wegen des Ueber. falls in Perscn haben begonnen. sS. Ausl.) * Ter Komponist Edward Gr reg ist, wie aus Bergen gemeldet wird, heute früh gestorben. sS. Zeuill.) * Der Schnellzug 6 entgleiste, wie aus Berlin gemeldet wird, auf der Strecke RehfeId e—S trausberg. Acht Personen sind ver- letzt worden. (S. Neues a. a. W.) Marokko. Unser Mitarbeiter in Tanger schreibt uns: Die französische Regierung macht verzweifelte Anstrengungen, Sva- nien dazu zu bewegen, daß es ihm bis in die letzten Konseauenzen des marokkanischen Abenteuers folge; aber die Aussichten au) Erfolg sind sehr gering, mehr und mehr tut sich in Casablanca die völlige Selb- uändigkeit des spanischen Vorgehens kund. General Drude und der spa nische Befehlshaber haben kaum andere als rein gesellschaftliche Be ziehungen. Zwischen den spanischen und den französischen Soldaten gab es schon starke Zwistigkeiten, die beinahe in blutige Schlägereien aus geartet wären, das war dann die Veranlassung für sehr strenge Befehle, durch die verhindert wird, daß die Soldaten der beiden Mächte die gleichen Lokale besuchen. Tatsächlich ist das französisch-spanische Ein vernehmen in die Brüche gegangen, wenn Frankreich vorgehen will, so wird es dies aus eigene Rechnung tun müssen. Die deutschen Interessen sind bereits aus das schwerste dort ge troffen worden, wo sie am größten waren, nämlich in Casablanca; nun wollen die Franzosen gegen Mazagan vorgehen, wo die deutschen Inter- essen gleichfalls überwiegen. Der Ruin Casablancas ist eine vollendete Tatsache, diese Stadt wird mehrerer Jahre bedürfen, um sich zu erholen. Gerade »n diesem Jahre war die Ernte glänzend und die Geschäfte gingen sehr gut, die erlittenen Verluste sind nicht mehr einzubringeu. und di« Franzosen hier ertauben sich den guten Witz, Deutschland und deutsche Agenten dafür verantwortlich zu machen! Eine Steigerung des Hasses der hiesigen Franzosen Deutschland gegenüber läßt sich kaum mehr auS- dcnken. Im übrigen hat sich eine Horde von französischen Spekulanten in Casablanca niedergelassen, um mit den Trümmern der Habe der dort ruinierten Leute Geschäfte zu machen. Beiläufig? bemerkt, ist daS die einzige Möglichkeit, heutzutage in diesem Lande etwas zu verdienen. Der Handel stockt überall, fällige Mieten werden nicht bezahlt, jedermann be- klangt sich, mit Ausnahme der Franzosen, die triumphieren und sich am Ziele ihrer Wünsche sehen. Die Ausrufung Muley Hafids zum Sultan von Marrakesch bringt eine weitere Verwickelung in die marokkanischen Angelegenheiten; daß der Maghzen, der nicht einmal mit dem Rogni fertig werden konnte, den neuen Sultan niederwerfen könnte, hält man hier für völlig ausgeschlossen. Der Plan, den Mule» Haftd für sein sein weiteres Vorgehen gemacht hat, ist ziemlich durchsichtig; man kann ihn auch nur durchaus verständig nennen. Zunächst wird er mit allen Stammeshäuptlingen und allen Streitkräften aus der Gegend von Marrakesch zu den Chaoina ziehen und sie zwingen, die Feindseligkeiten gegen Casablanca einzustellen; sodann wird er versuchen, von General Trude das Versprechen zu erlangen, daß die europäischen Streitkräfte bis zur Wiederherstellung der Ordnung die Stadt nicht verlassen, so dann wird er nach Fez gehen. Sollte er des gegenwärtigen Sultans Abd-el-Aziz habhaft werden, so wird er ihn voraussichtlich nach Marra kesch bringen, und ihm dort seinen Wohnsitz anweisen. Ganz Marokko ist für Muley Hafid, sein Bruder hat in Fez selbst keinerlei Rückhalt. Der Maghzen scheint vollständig den Kopf verloren zu haben, sein Ver treter in Tanger, El Gebbas, hat nur die eine Sorge, den Augenblick zur Flucht rechtzeitig zu wählen. Tie Franzosen suchen den Maghzen mög lichst zum Widerstand gegen Muley Hafid aufzumuntern, da sie lehr mit Recht fürchten, daß dessen Herrschaft das Ende der Anarchie bedeutet, die ihren Zwecken so überaus günstig ist. * * . * Telegraphisch wird über die Lage weiter gemeldet: London, 4. September. „Daily TelMapb", meldet aus Casa blanca vom 2. September: Briese aus Fez bringen die Meldung von der Ermordung der Brüder Tazzi, des Ministers des Auswärtigen Abdelkrim ben Sliman und des zweiten Vertreter des Sultans rn Tanger Ganam. Der Mord wurde begangen durch Anhänger des Karo von Mechnar, Triß ben Aisch, der Oberstkämmerer oder Emfuhrer des Gesandten am Hose des Sultans ist. Tie Brüder Tazzi übten fast un umschränkte Herrschaft über den Sultan aus: es wird ihnen die Schuld an dem Ruin des Reiches zugeschrieben. Sie waren nur auf Ver größerung ihres eigenen Vermögens bedacht, das auf Millionen gefchatzt wird. Es heißt, daß dasselbe ausreichen würde, sämtliche Schulden Ma rokkos damit zu begleichen. . Tanger, 3. September. Der Stamm der Ben« Taffem, der seinen Wohnsitz zwischen Fez und Rabat hat, erklärte sich für Muley Hafid. Die Stcnnmesangehorigen wollen keinem Beamten gehorchen, der nicht von ihm ernannt ist. Sie drohen, Larrasch anzugreisen und zu plündern, wenn der Proklamation Muley Hafids dort nicht zugestimmt wird. — Gestern wurden kleinere Abteilungen französischer Truppen in Tanger gelandet. Offiziere in Zivil schafften in Körben versteckte Waffen m die französische Legation. Fez, 3. September. Ter Sultan berief heute die Ulemas zu sich. Es wurde beschlossen, Muley Hafid sei als Rogni, d. i. als Aufrührer, zu erklären; auch wurde die Möglichkeit, bei Frankreich eine Anleihe auf zunehmen, ins Auge gefaßt, und die Versammlung aumefordcrt, sich für den Sultan oder seinen Bruder zu entscheiden. Dem Sultan wurde ein stimmig Vertrauen ausgesprochen. Mazagan, 4. September. sEigene Drahtmeldung.s Die Wasfen- und Munitionsvorräte, deren Auslieferung Muley Hafid verlangt hatte, befinden sich noch immer in der Stadt. Tie Bevölkerung wäre bereit, die Vorräte nach Marrakesch zu senden, doch erklären die Notabeln, keine Transportkamele zu haben. * Paris, 4. September. sEigene Drahtmeldung.s Wie „Matin" aus Casablanca meldet, war der letzte Kampf dort nicht von den Marokkanern beabsichtigt, sondern von französischer Seite herbeigcführt worden. — „Libre Parole" versichert, der vorgestrige Ministerrat habe sich versammelt, um einen Vorschlag Mulay Hasids zu prüfen, der dem General Drude das Anerbieten gemacht habe, die Ordnung wiederherzu stellen, wenn die Mächte ihn als Sultan anerkennen; wenn dies nicht gescheh« werd« er den Helligen Krieg verkünden. 'Der Ministerrat faßte den Beschluß, die Mächte zu Rate zu ziehen und dem General namhafte Verstärkungen zu schicken, damit er für den Eintritt jeden Ereignisses gerüsket ist. — „Petit Journal" meldet über den Kampf vom 1. Sep tember aus Casablanca, daß di« Artillerie dabei die Hauptrolle gespielt habe. Zwei Batterien hätten insgesamt 373 Schüsse abgegeben. Der Feind habe sich erst nachts zurückgezogen. * Köln, 4. September. sEigene Drahtmeldung.s Ein Korrespondent der „Kölnischen Zeitung" telegraphiert aus Tanger über die Lage im Süden folgende aus zuverlässiger Quelle stammenden Mitteilungen: Ein Kriegszug gegen Casablanca ist nicht beabsichtigt. Der neue Pascha von Marrakesch, Hadsch Thani, ein Bruder des mächtigen Kaids von Glana, wird ein Expeditionskorps mit Artillerie gegen Fez führen; später folgt Muley Hafid. Tic gegen Casablanca kämpfenden Stämme sollen zunächst veranlaßt werden, ihre Kräfte nicht zu zersplittern. Muley Hafid zählt in Fez einflußreiche Anhänger, und im Süden mehrt sich sein Anhang täglich. Ter Kaid Aiska von Abda begab sich zur Huldi gung nach Marrakesch, desgleichen der Kaid von Mbuga, ein bisheriger Gegner Muley Hafids. Die Stadt Mogador wartet noch das Verhalten der übrigen Küstenstädte ab. Dagegen wird der Kaid der Anflus dem Beispiel Aissas folgen. Er erklärte, für die Sicherheit Mogadors fo lange zu garantieren, als dort keine Truppen gelandet werden. Die Auswanderung aus Tanger ist stärker denn je. Feuilleton. Tue nur das, was dich geistig erhöht und zugleich nützlich für die Gesellschaft ist. Henderson. * Rieear-o Nipamonti.* *) Von Georg Brandes. Schweigend und einsam lebt er Tage und Wochen in seinem Mai länder Atelier in seine Arbeit vertieft. Wird er ihr aber von einem Freunde entführt, fo ist der stumme Einsiedler verwandelt. Es öffnen sich die Schleusen seiner Mitteilungslust, feines Dranges, auszusprechen, was er ans dem Herzen hat, über Kunst und seine Kunst, begeisterten Glauben, von innen herausgearbeitete Lehren, Ersahrungsresultatc, und er schwelgt in unaufhaltsamer Beredsamkeit stundenlang, einer Bered samkeit, die jede Fiber seines Gesichtes und seines Körpers bewegt. Vom Italienischen springt er alsbald zum Mailänder Dialekt über, der seine Sprache ist. Er ist nicht imstande, sich beim Sprechen ruhig zu halten. Selbst wenn er bei Tische sitzt, muß er aufspringen, ein paar Schritte nach rechts, nach links machen, seine Worte mit der entfprechenden Panto mime begleiten. Er spricht nicht bloß, er spielt seine Rede. Verweilt er bei einer Physiognomie, so ahmt er sie nach; erwähnt er eines Werkes der Bildhauerkunst, so stellt er die Figur dar oder drückt sich an die Wand hin, um einem die Vorstellung eines Reliefs zu geben. Klein von Gestalt, hager, lauter Nerven und Feuer, trotz seiner 55 Jahre lebens voller als irgend ein südländischer Jüngling, läßt er alle Menschen seiner Umgebung, selbst solche, die sonst lebhaft erscheinen, sich steif und phleg. matisch ousnehmen. Wäre das Geschlecht der Enthusiasten im AuSsterben begriffen, man könnte es mit Hilfe dieses Italieners wieder ins Leben rufen. Erst 14 Jahre alt, zog er 1866 mit Garibaldis Freischaren in den Krieg. Jung und schmächtig, wie er war, konnte er es nicht so leicht durchsetzen, daß man ihn nahm; als der Kapitän ihn abgewiesen hatte, bettelte er beim Obersten und wurde Soldat. Auch den Feldzug von 1^67 machte er unter Garibaldi mit. Mit Statuen des Nationalhelden ist Italien nunmehr besäet: jedes Oertchcn hat die seine, selbst Städte, so klein wie Jntra, von Nizza und Genua, Rom und Palermo zu geschweige!!. Die meisten dieser Bild säulen sind jedoch unbedeutend und keine bat daS auSzudrücken vermocht, wak den Zauber des ManneS bildete, daS einzige, worauf eS ankommt. »In seinem Blick lag etwas Uebermenschliches", sagt Ripamonti. „Wenn *) Entnommen aus der neuesten Nummer der Wochenschrift »Morgen". man, von tagelangcn Märschen ermattet, krumm dastand, wurde man stramm und kampflustig, sowie sein Auge auf einen fiel. Eines Tages, als die Kugeln so dicht schwirrten, daß ein Verbleiben an dem Orte un möglich schien und selbst die Offiziere Garibaldi Vorstellungen machten, hielt er unbeweglich an der Stelle und antwortete nur: Siegen oder sterben. — Seine Reden waren selten viel länger." — Weshalb hat nie mand eine Statue Garibaldis bei Riccardo Ripamonti bestellt? Er Nxrr der Mann, ihr den Ausdruck zu geben, der den anderen Denkmälern des Befreiers von Italien fehlt. Das Naturell, das den Vierzehnjährigen trieb, sich den Strapazen uud Gefahren eines Feldzuges auszusctzcn, glüht auch noch in dem Fünfziger. Sein Wesen ist eitel Begeisterung, die keine Enttäufchung, kein Mißgeschick eines Lebens zu dämpfen vermochte, das reich an Miß geschick und reich an Enttäuschungen gewesen. Sein Geist ist ein Kampf geist. der in unablässiger Opposition gegen alles lebt nnd webt, das ihm im Leben als unwürdig und in der Kunst als akademisch erscheint, und das Akademische ist ihm ein weiter Begriff. Er rechnet allen Kultus der Schönheit der Linie als solcher dahin, jede Stellung und jede Be wegung, die nicht ausschließlich von dem Gefühl des Künstlers für das Wahre und seinem Willen cs wiederzugeben, bestimmt find. Selbst ein so seelenvoller Künstler wie Bartholoms entgeht seiner abfälligen Kritik nicht. Rodin ist derjenige unter den zeitgenössischen Bildhauern, zu dem er cmporsicht. Er hegt denselben Unwillen gegen offizielle Autoritäten wie dieser, und nicht ohne Grund; denn sie haben ihm daS Leben sauer gemacht. * Ripamonti nähert sich hier und da durch die Anmut der Formen wie die unmittelbar ansprechende Harmonie der Linien dem reinen Klasfizis- raus, der dekorativen Kunst. So im „Wasserträger", einer schmächtigen, nackten Jiinglingsgestalt, die «inen großen Tonkrug in beiden Händen hält und ihn zur Seite neigt; so im „Scheibenschießen" bei dem jungen, nackten, sitzenden Manne mit dem Gewehr in der rechten ausgestreckten Hand und der Scheibe in der Linken: in seinem „Caliaula", der weibisch auf der Arena tanzt, einen Dreizack in der Hand, den Schlangcnring am Arme, schön in jeder Bewegung, wiewohl gestempelt von des Bildhauers Verachtung. Doch nicht in diesen Arbeiten tritt sein Wesen hervor; vielmehr in den strengen und rauhen Werken. Zum Teil in „Tubalcain", der wilder, primitiver ist, als der von Wilhelm Dissen. Ripamonti hat den unzivili- sterten Erfinder darstellen wollen, der Zivilisation schasst. Die Stein- art in der rechten Hand, die erste Hacke in der linken, steht er da, sein Werk bestaunend, nun es fertig ist. indem er in das Loch zwischen die Blätter der Hacke einen kräftigen Ast getrieben. Weit eigenartiger ist Ripamonti im „Kain", einer gewaltigen, halb affenartigen Gestalt, düster, elend, häßlich in ihrer symmetrischen Stellung mit den hängenden A'mcn und Fingern, von denen das Bruderblut förmlich zu träufeln scheint. Zeitungsschari. Ucbcr den „Würzburger Frieden", der am Sonntag, den 25. August, auf dem Katholikentag zwischen den ultramontanen Preßorganen nördlich und südlich vom Main gefchlossen worden, plaudert in den klerikalen „NeuenZüricher Nachrichten" der Publizist Baumberger, der in Würz burg anwesend war. Es bandelt sich um vertrauliche Berbandlungen im Bayrischen Preßvercin, deren sachliches Fazit von dem Genannten an der Hand unumstößlicher Belege mirgeteilt wird. Die „Augsburger Postzeitung" Nr. 196 gibt die Indiskretionen unter der Marke „Mehr Licht im Schellhandel' weiter. Danach wäre der „Friede" auf folgender Basis zustande gekommen: I. Ter Papstbrief an Cammer steht glänzender gerechtfertigt da als je. De? Papstes Herzensgute, Milde und Langmut ist bewundernswert. 2. Hätten die Unterzeichner des TenkinalausrufS gewußt, was sie jetzt wissen, däiien sie denselben ander- redigiert oder unterlassen. 3. Schell hat sich nicht bloß aus Naivität zu bedauerlichen Briefwechseln hinreißcn lassen, sondern auch zu andern Akten, die vorläufig noch diskret bleiben sollen. 4. Ohne oder mit Willen und Unterstützung Schells bildeten sich in letzter Zeit unter seinen geistlichen An hängern in' der Diözese Strömungen, die in ihrer Entwickelung zum Absall dritten führen müssen. 5. Wenn geistliche Schellianer ihre Angriffe gegen ben Papst und den Bischof von Würzburg in liberalen Blättern fortsetzen, werde in Len Enthüllungen nicht mehr bloß von noch kompromittierender«!! Briefen, sondern mit noch anderem Material fortgeiadren werden, womit man bisher zurückhielt, um daS Andenken Schells zu schonen. 6. Auch jene deutschen katho lischen Blätter, die bisher daS pointierte Vorgehen der bayrischen nicht ver standen, begreifen es nun. Allo ein Sieg der Iesuitenpresse auf der ganzen Linie, und nicht bloß Waffenstillstand; förmlicher Friede. Auch die „Germania" und „Köln. Bolksztg.", die noch kurz vor dem Würzburger Katholikentag so tapfer gegen die Seuche der Ketzerriecherei im eigenen Lager vom Leder zogen, haben das Opfer des Intellekts gebracht. lieber Wahlrcchtöstimmungcn in Sachsen wird der „Köln. Ztg." aus Dresden geschrieben: Auch in der Wahlrechtsfrage zeigt es sich, daß die gegenwärtige Regierung in Sachsen unter den Fehlern des irühern Svstems zu leiden hat. Das unter ihm stark verminderte öffentliche Vertrauen läßt sich nur schwer wieder Herstellen. Dieser Schatz ist in langen Jahren verwirtschaftet; es wird jeder Regierung eine schwere Ausgabe sein, ihn aufs neue anzusammetn. Wir sind in Sachsen in dieser Hinsicht sehr arm geworden, und wir fühlen das heute. In einzelnen Bevölkerungs kreisen ist der Verlust an öffentlichem Vertrauen nahezu vollständig. Sie stehen daher auch dem Ministerium Hohenthal mit starker Voreingenommenheit gegenüber. Vielfach zweifeln sie selbst daran, daß rS ihm mit der Wahlrrsorm ernst sei. Cie fürchten, die Regierung werde bet einem ernsten Widerstand« der Konser vativen umfallen; sie werde den Kamps gegen ihr eigen, Fleisch und Blut nicht wagen, keinen energischen Willen zeigen nnd die Wahlreform, genau wi« bas Ministerium Metzsch, dem Gutdünken der Konservativen ausliesern. Diese Mei nung kann man vereinzelt auch im bürgerlichen Lager hören, aber sie ist gänzlich unberechtigt. Man darf nicht daran zweifeln, daß die Regierung den festen Willen hät, dem Lande ein nach ihrer Ueberzeugung gutes Wahlrecht zu geben und sich voll für es einzusetzen. Cie bat diesem Willen erst jüngst Ausdruck gegeben, und man kann ihr auch in dieser Hinsicht Vertrauen schenken. Wie weit es ihr jedoch gelingen wird, selbst in einem harten Kampfe g«L«n die konservative Partei diesen Willen durchmietzen, steht auf einem andern Blatt. Besonders in der heutigen politi schen Lage Sachsens wäre es töricht, die Kraft und den Willen zur Macht dieser Pariei zu unterschätzen. Mir haben Ursache zu der Annahme, daß sie ohne jede Rücksicht kämpfen wird, wo es sich wenn auch nicht um ihre Existenz, so aber doch um ihren bestimmenden Einfluß im Lande handeln wird. ES wäre gänzlich unpolitisch, die Energie dieser Partei und ihre großen Machtmittel in tem bevorstehenden Kampfe nicht so hoch wie möglich in Anschlag zu bringen. Es ist dabei auch namentlich zu berücksichtigen, daß sie in der Wahlrechts frage einen festen Rückbalt in der Ersten Kammer besitzt, selbst wenn es gelingen sollte, ihren Einfluß in der Zweiten Kammer zu brechen. Durch diese Stellung deS sächsischen Herrenhauses wird die Lage der Regierung in der Wahlrechtsirage sehr erhedli h erist wert. Tas darf nicht ver annt werden. Sell st wenn man das letzte verfassungsmäßige Register ziehen und die Zweite Kammer auflöien würde, bliebe die Erste Kammer unberührt. Aber wir fürchten, auch in der Zweiten Kammer würde das Bild nach einer Auilöiunq nicht friedlicher werden. Wir kennen Personen und Verhältnisse bes Landes zu gut. um uns hierüber Illusionen dinzugeben. Der eigentliche Durchbruch von Nipamontis Genie dürfte jedoch erst in seiner Gruppe „Dios irao" sTag des Zornes! vorliegen, dieser Gruppe, die dem ausgezeichneten Bildhauer Vela einen Ausruf der Be wunderung über die außerordentliche Neuheit ihrer kühnen Linien ent lockt hat. Die Gruppe stellt einen Sklaven oder einen römischen Gla diator dar, der den Leichnam seines Kameraden oder Bruders, den er vom Galgen abgeschnitten, mit nach oben gekehrtem Gesichte über die Schulter geworfen hat und nun drohend dahinschreitet, den Toten auf dem Rücken und das Messer, womit er den Strick durchschnitt, in der Rechten. Hier ist das Aeußcrste an aufrührerischer Leidenschaft unter der ausdrucksvollen Antithese der Gegensätze anfgcboten, und dennoch ge staltet sich daS Zusammenspiel der Leiber und Glieder derart, daß das Ganze von allen Seiten schön ist. Großes Aufsehen hat Nipamontis Ricseystatue „Borgia" erregt. Sic stellt den Papst Alexander VI. im Alter dar; nackt dalicgend, arn den rechten Arm gestützt: kahlköpfig und abgestumpft, doch noch mit den schönen Gcsichiszügen, die Pinturichio porträtiert hat: kräftig gebaut, doch von ewigen Ausschweifungen geschwächt, schlaff und von Wohlleben feist. Tie fleischige Brust, die tiefen Wulste des schlappen Wanstes, die Weichen Muskeln dieser Arme und Beine entsprechen dem unwürdigen Ausdruck der gierigen Augen und deS einst schönen, nun garstigen Mundes mit der vorspringenden und hängenden Unterlippe. Den stärksten Eindruck aus die Menge wie auf die Kenner dürste ober die „Rcchtsirrtum" lOrrc.ro ^irrckimarios betitelte Arbeit von Ripa- uivnti gemacht haben. Im elenden Gcsangencnanzugc, mit einer Eisen kugel an den linken Knöchel gefesselt, die Füße in zwei Holzsandalen ähn- lick unseren Badepantosfeln, in denen man kaum gehen kann, die schirm lose Mütze der italienischen Gefangenen aut dem Kopfe, hockt ein Mann auf einem Erdklumpen, die beiden Ellbogen auf die Knie, den Kops in die Hände gestützt, mit halboffenem Munde vor sich hinstarrcnd, ganz verloren in Grübeleien über das Furchtbare, Unbegreifliche, daS ihm widerfahren, unschuldig zu so Gräßlichem verurteilt zu sein. Tie vielen Ecken und Kanten der Gestalt, ihre Haltung, die ein Vcrlunkcnscin in eine einzige Frage unter völliger Teilnahmslosigkeit gegen alles übrige verrät, entsprechen auf das genaueste dem Grundgedanken, der dem Künstler im Sinne gelegen. Das jüngste Werk, das Ripamonti geschallen bat, ist eine Reiter, statue: Napoleon, der von der Wahlstatt bei Waterloo sortreitet. Tie Abspannung nach der Niederlage ist hier in gleicher Wcis« bei dem Pferde wie bei dessen Reiter durchgcführt, während die Trauer über das eben Erlebte, die Hoffnungslosigkeit und Aussichtslosigkeit, ihren er schöpfenden Ausdruck in dem Blick deS Kaisers erhalten haben. — Eine Bronzercproduktion davon dürfte gegenwärtig bei Keller L Reiner i« Berlin ausgestellt sein. Ein in seinem Streben ursprünglicher Künstler befindet sich lm heutigen Italien in keiner besseren Lage al« anderwärts nnd gegen einen Meister, der auSgeschrien ist als Revolutionär nnd Sozialist, sind