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4. Beilage Sonntag, 12. Mai 1W7. Leipziger Tageblatt. «r. I3l. WI. Jahrgang. Vie beiden Vettern. Humoristischer Roman von Charles Solo. l3j Deutsch von Ludwig Wechsler. Nun kam Nr. 33 an -die Reiche und so ging das ein paar Stunden fort. Es waren Schuldner des Hauses, die um Zahlungsaufschub baten, der ihnen minder schreck lich schien als die sofortige Pfändung, wackere Luute, denen Bigorneau kurzfristige Stundung gegen blanke Taler gewährte, die sie niemals Wiedersehen sollten, und bedauernswerte Menschen, die unter Jammern und Ver wünschungen ihr verlorenes Geld reklamierten. Mit den letzteren wurde indessen sehr kurzer Prozeß gemacht. Der handfeste Garnier packte sie nämlich am Kragen unh schob sie mit sanfter, doch unwiderstehlicher Gewalt zur Hintertür hinaus. „Wenn Sie in Ihrem Rechte zu sein meinen, so wen den Sie sich an die Gerichte", gab ihnen Bigorneau un weigerlich zur Antwort. Der Leiter des „Finanziellen Merkur" war nämlicl ein überaus geschickter Mann, der seine Operationen so gewandt durchzuführen verstand, daß sie wohl gegen den Geist, nicht aber gegen den Buchstaben des Gesetzes ver stießen .... Gegen 4 Uhr wurde der letzte Klient eingelassen, — ein schöner, stattlicher Greis, schlank und kräftig trotz seiner Jahre, mit schneeweißem Haar und Bart, tadellos korrekt in seinem Leibrock und das Knopfloch mit dem Bändchen der Ehrenlegion geschmückt. „Herr Graf von Viesville!" sagte Bigorneau und er hob sich. „Weshalb ließen Sie mich nicht benachrichtigen, daß Sie hier seien; ich wäre Ihnen selbstverständlich so fort zu Diensten gestanden." „Ich bin vor kaum zehn Minuten angelangt, denn Sie werden doch nicht annehmen, daß ich in Ihrem Vor zimmer warten werde, bis es Ihnen beliebt, mich vor zulassen?" „Ich weiß, daß Sie noch beschäftigter sind als ich. Gestatten Sie mir hierbei die Frage, ob Ihre Versuche mit dem lenkbaren Luftballon Fortschritte machen und ob Sie von der Regierung die verlangte Unterstützung zu gesagt erhalten haben . . ." „Lassen wir das, Herr Bigorneau; wir wollen lieber die eigentliche Veranlassung meines Besuches berühren. Ich habe den Brief erhalten, in dem Sie mir die Ehre erweisen, für Ihren Sohn um die Hand meiner Enkelin «Solange v. Boisrobert anzuhalten, und bringe Ihnen die Antwort." „Die zweifellos günstig lautet." „Im Gegenteil, Herr Bigorneau; sie lautet entschie den verneinend." Bigorneau zuckte mit keiner Wimper und sprach: „Ich war auf einen ablehnenden Bescheid vorbereitet. Las werden Sie mir wohl ohne weiteres glauben. Vrl meinem Sohne ist das leider nicht der Fall; mit dem Ungestüm der Jugend gab er sich Hoffnungen hin . . ." „Meine Enkelin sollte eine Bigorneau werden! Ihr rn u h e ft Sprößling dauert mich, daß er sich so wahnsinnigen Hoff nungen Hingaben konnte!" „Mein Sprößling, Herr Graf, wird — auch wenn er em Bigorneau ist — bei feiner Vermählung einen Teil meines Vermögens erhalten, der allein sich auf einige Millionen beläuft." „Diese Millionen werden ihm jedenfalls eine vorteil hafte Verbindung sichern, — innerhalb der Grenzen seiner Gcsellschaftssphäre." „Während Ihre Enkelin, Fräulein v. Boisrobert, keinen roten Heller besitzt!" „Entschuldigen Sie! Wenn ihr Vater, Baron v. Bois- robert, mit dem Tode abgeht, so fällt ihr die Nutz nießung des Erbes ihres Großonkels zu, das sie vorder- Hand bloß als nominelle Eigentümerin besitzt. Dieses Erbe l>at allerdings bloß einen Wert von fünfhundert tausend Francs; allein meine Enkelin kann es in aller Gewissenvuhe genießen, während die Millionen Ihres Sohnes auf Tränen, zertrümmerten Existenzen und Ver wünschungen aller Art aufgebaut sind." „Herr Graf, lassen Sie, bitte, diese dramatischen Posen, die auf mich absolut keinen Eindruck machen, und gestatten Sie mir die Bemerkung, daß Sie sich unver gleichlich höflicher ausdrückten, als Sie meine Dienste in Anspruch nahmen." „Damals hielt ich Sie für einen rechtschaffenen Menschen." „Wie zurückgeblieben Sie doch in Ihren Anschau ungen sind, Herr Gras! Heutzutage gibt es überhaupt keine rechtschaffenen Menschen mehr, sondern nur noch Schlauköpfe und Dummköpfe." „Nach der Bedeutung, die Sie diesen Ausdrücken bei legen, ziehe ich es vor, zur Kategorie der letzteren zu ge hören." „Wie es Ihnen beliebt. Nun aber wollen wir, falls es Ihnen angenehm ist und da wir die Frage schon ein mal aufgerollt haben, einen kurzen Blick auf unsere gegenseitige Situation werfen." „Sprechen Sie; ich höre." Bigorneau blätterte in seinem Register und fuhr fort: „Als Sie, verblendet durch Ihre lächerliche Leiden schaft für die Probleme der Luftschiffahrt, daran gingen, lenkbare Luftballons zu konstruieren, benötigten Sie be- deutende Summen, die ich Ihnen auf Ihre bloße Unter- schrift hin vorstreckte." „Ich weiß, was mich das kosten wird." „Jhrv Versuche glückten—wie vorauszusehen — nicht, und Sie sind mir heute einen Betrag von dreihundert- zwanzigtausend Francs schuldig." „Nach Ihren Aufstellungen mag das richtig fein." „Nun wäre es mir sehr erwünscht, diesen Betrag wie der in meinen Kassen zu sehen." „Bestimmen Sie selbst einen Termin." „Ich gewähre Ihnen einen Monat." „In einem Monat werden Sie bezahlt sein", sagte Viesville und stand auf, um zu gehen. Bigorneau be gleitete ihn. „Abgemacht also, in einem Monat. Sie brauchen unbe n. sich aber keinerlei Zlvang anzutun, wenn Sie in bezug auf unsere Kinder anderen Sinnes werden sollten; wir würden uns gewiß ohne Mühe verständigen. Wenn man Vater ist . .. ." „Herr Bigorneau, ich habe die Ehre . . ." Nachdem der Graf gegangen war, zündete sich Bigor neau eine Zigarre an und trat einen Rundgang durch seine Bureaus an, wo die Angestellten trotz der vorge rückten Stunde und trotzdem die Schalter bereits ge schlossen lvaren, in eifriger Tätigkeit waren. Als er die Abteilung für Streitfalls erreichte, händigte er deren Chef ein Bündel sorgsam geordneter Papiere ein und sagte dabei: „Diese Angelegenheiten werden geklagt mit beson derer Verschärfung des Falles Tour d'Anglade. Pfän dung und Versteigerung sollen unverzüglich durchgesührt werden." Nachdem er seine Befehle und Weisungen erteilt hatte, begab er sich in den zweiten Stock, wo seine Privat räume lagen. Bigorneau, der ältere, war ein Mann zwischen fünf zig und sechzig und machte noch Anspruch auf Eleganz, trotz seiner kleinen, untersetzten Gestalt, die eine bedenk liche Rundung anzunehmen begann. Die niedrige, zurückweichende Stirne wies keinerlei Haarwuchs auf, sein höchst gewöhnliches Gesicht zeigte einen Ausdruck von Bosheit und Hinterlist, der ihn im höchsten Grade unsympathisch machte, wenn er sich nicht mehr die Mich gab, ihn durch ein honigsüßes Lächeln abzuschwächen. Die Privaträume Bigorncaus wiesen einen noch größeren Luxus auf wie seine Bureaus; er durchschritt das Vorzimmer, den Salon und begab sich geradenwegs 'n den Spoisesaal, wo er Fräulein Bigorneau antraf, die im Begriffe war, einen auf dem Sofa liegenden, un glaublich häßlichen Pudel zu kämmen. Fräulein Bigorneau, die den Vornamen Olympia führte, bildete den geraden Gegensatz zu dein Urheber ihrer Tage; sie war ebenso mager, wie er dick, ebenso groß, wie er klein tvar, und glich ihm nur in einem Punkte: ihre Häßlichkeit gab der seinigen nichts nach. Als der Vater sah, welcher Beschäftigung sich feine Erbin Hingabe, konnte er eine Geberde des Unmutes nicht unterdrücken. „Schon wieder hast du mit diesen abscheulichen Bestien zu tun. Du wirst noch einen Hundestall aus meinem Salon mack-en; gräßlich! Ist dein Bruder zu Hause?" „Ich weiß es nicht, kümmere mich auch nicht darum", erwiderte die interessante junge Dame. „Du dürftest wohl einen höflicheren Ton anschlagen. Ich lasse es niemals an Höflichkeit fehlen und schließlich bin ich ja dein Vater!" In diesem Augenblicke wurde der Türvorhang zurück- geschlagen und ein junger Mann trat ein, der ebenso häß lich und rothaarig war, wie das Mädchen. „Immer und ewig muß man sich mit diesen ekelhaften Kunden und Katzen hernmbalgen! Es widert Einen förmlich an, nach Hause zu kommen!" „Wenn es dir nicht paßt, so kannst du dahin zurück- kcchren, von wo du gekommen!" „Sehr verbunden für den Rat; ich kenne jemanden, der höchst erfreut wäre, wenn ich ihn befolgen wollte . . . Aber was ist's mit dem Essen? Bitte, Olympia, sieh' doch mal nach in der Küll-e, ob deine Leute geneigt wären, das Diner aufzutragen." „Da kannst du lange lvarten, mein Sckiatz! Weil es dem gnädigen Herrn einnml lzeliebt, rechtzeitig nach Hause zu kommen, sollte das ganze Haus auf den Kopf gestellt werden! Hättest du uns benachrichtigen lassen, wir hätten dir das Essen auf die Straße entgegen geschickt!" Tie gemütliche Unterhaltung wäre noch fortgesetzi worden, wenn man nicht die Suppe hereingebracht hätte, über die Vater und Sohn wie ausgehungert herfielen. Eine ziemliche Weile vernahm man nichts als das Klap pern der Löffel, Messer und Gabeln und >das Klirren von Tellern und Gläsern. Dann fragte Bigorneau der ältere: „Woher komnrst du?" „Aus der Rue de Vaugirard, wo ich fast den ganzen Vormittag damit verbrachte, nach dem unauffindbaren Carcassou zu forschen." „Und was hast du erfahren?" „Der Abwechselung halber das Nämliche, wie bisher. Ter Erbe und Besitzer der Uralaktien ist und bleibt un- auffindbar durch das Verschulden des ersten Gehilfen dcs Notars zu Pätignac, der uns zwei Stunden zu spät benachrichtigte." „Tatsache ist, daß, wenn wir den Erben sofort nach feinem Besuche bei Pigeolct erwischt hätten, die Ural- Aktien sich gegenwärtig in meiner Kasse befänden." „Glaubst du nicht, daß dieser Herr Caroassou von unserem Vorhaben Kenntnis hat?" „Nach den Mitteilungen unseres Korrespondenten in Pätignac und der Testamentskopie, die wir uns ver schaffen konnten, hat der wackere junge Mensch keine Ahnung von Etwas." „Dann vermag ich mir seine Flucht nicht zu erklären." „Eine Künstlerlaune. Meiner Ansicht nach vergeudet er irgendwo die zwölfhundert Francs, die er als Erbe erilxaltcn hat; sobald er diesen Niesenbetrag hinter sich gebracht hat, wird er zu seinen heimatlichen Penaten zurückkehren und diesen Augenblick werden wir benützen müssen, um für billiges Geld in den Besitz der Aktien zu gelangen. Es handelt sich also vornehmlich darum, seine Wohnung ununterbrochen beobachten zu lassen. Buisso- net, den ich heute hinschickte, um Erkundigungen einzu ziehen, erzählte mir etwas von einem Reimschmied, einem ausgepichten Boheme, namens Jean Latruite, der der Freund unseres Carcassou war. Dieser Patron muß viel mehr wissen, als er gesteht, und wenn man es nur geschickt anzustellen weiß, so wird mau von ihm sicherlich erfahren, wo sich der Bildhauer versteckt hält. Du könntest wirklich noch heute zu einem Weinhändler in der Rue Cantbronne gehen, wo er zu verkehren pflegt, und trach ten, ihm die Zunge zu lösen." s Preislisten kostenfrei. 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