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Bezug-.Prrtt ftir LetplUa und Vorork« durch unser« träger und Spediteure in« Hau» grbracht: Lu»gab« L (nur morara«) »ierteljLhklich 3 M, monatlich 1 M., Susgab« » (morgens und abend«» viertel jährlich 4.56 M., monatlich 1.50 M. Dur» di« »oft bezogen (2 mal täglich) iuaerhalb Leutichland« und der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 M., monatlich 1,75 M. autlchl. Poft- deftellgeld für Oesterreich 9 X 66 k, Ungarn 8 L vierteljährlich. «bonnement-Annadme: AugustuSvlatz bi, bet unleren Trägern, Mlialen, Lpeditcuren uud Lnnabmestellcii. towie Postämtern und Briesträgern. Die ein^lne Nummer lostet 10 Vfg. sttedaktion und Lxvedtttvur Johannirgaffe 8. televbon Nr. 1468-2. «r. 14883, Nr. 14694. Berliner Nedakttous -Bureau: Berlin di IV. 7. Prinz Loui» sterdinand- Straße 1. Telephon I, Nr. 8275. Morgen-Ausgabe 8. MpMerTaMM Handelszeitung. Ämksvkatt des Rates und -es Rolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-PrciS Ne Anserate au» Leipzig unb Umgebung di« 6gespaltene Petitzeile 25 Ps., Nnanzielt« Anzeigen 30 Ps., Reklamen 1 M.; von au»wärt- 30 Ps., ReNamen 1.20 M.: vomAu»land5OPs., sinanz. Anzeigen75Ps., Reklamen 1.50 M Inserate v. Behörden im amtlichen Teil 40 Ps. Beilagegebübr 5 M. p. Tausend erkl. Post gebühr. S»e>chast»anzeigen an bevorzugter Stelle im Prelle erhöht. Rabatt nach Taris. Fefterteilte Austria« können nicht zurück gezogen werben. Für da« Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. «neigen. Annahme: Sugustu-platz 8, bet sämtlichen Filialen u. allen Annoncrn- ikxpeditionen de» An- und Aatlande». Haupt Filiale Berlin: Varl Dunck:., Herzog!. Bahr. Hofbuch- handlung, Lützowstraße 10. (Telephon VI, Nr. 4803). Nr. 2O. Das wichtigste vom Tage. * Der Kaiser hat sich gestern von Hannover nach Biele feld begeben, wo die Enthüllung des Denkmals für Kaiser Wilhelm I. stattsand, und ist dann nach Münster w e i t e r g e r e i st. (S. Art.) * Die Universität Mnnster hat anläßlich der Kaisertage in Westfalen den Namen „Westfälische Wilhelms-Uniocr- jitä 1" erhalten. (S. Art.) * Aus Kamerun liegen Meldungen über die Bewegung in Adamana vor. lS. Dtsch. Kol.) * Der Katholikentag in Würzburg wurde gestern ge- schlossen, nachdem noch zuletzt auf die unbedingte Autori tät des Papstes in Lehrsragen hingewiesen worden war. sS. Art. u. Bericht.) * Die Resolution des Verbandes sächsischer Jndustri- eller zur Wahlrechtsvorlage der Regierung liegt jetzt im Wortlaut vor. sS. Art. 3. S. des Hauptbl.) * In Iez haben sich wieder schwere Unruhen ereignet. sS AuSl.) * Der Mörder des Petersburger Gesängnischefs Iwanow ist hi »gerichtet worden. sS. Ausl.) * Präsident Roosevelt hat die Republiken von Mittelamerika zu einem Friedenskongreß nach Washington eingeladcn. sS. Ausl.) Aus -ein dunkelsten Deutschland. Der heurige Katholikentag in Würzburg zeigt da» alte Bild einer grandiosen Anmaßung und einer Kritiklosigkeit, die verwunderlich und betrüblich zugleich ist. Den versammelten Tausenden steht keinerlei Einfluß auf die ihnen vorgetragencn politischen Ziele zu. Sie dürfen nicht abstimmen, werden überhaupt gar nicht erst gefragt. DaS Schlimmste aber ist, daß diese Menschen gar kein Bedürfnis zu selbständiger Betätigung haben. Niemals ein Widerspruch. Immer nur „Stür mischer Beifall", „Bravo", „Sehr wahr" und wieder „Stürmischer Beifall". Es kann einem freiheitlich gesinnten Menschen, der Vie Achtung vor dem Individuum alS das sicherste Mittel des FortlchrittS, als die Grundlage unserer Kultur ansteht, nur nessteS Mitleid einflößen, wenn er hört, wie diese fanatisierten Massen ihr ewiges Einverständnis mit allem Gesagten tobend bekunden. Wie viel Arbeit ist da noch zu leisten! Welche Niesenaufgabe für den Liberalismus, diese durch ein schlaues System der Bevormundung ,u Unmündigen binabgewürdigten Menschen zur Besinnung auf sich selbst, zur Erkenntnis der Pflicht der Selbstbestimmung zu erziehen! Freilich angenehm und bequem isi der heutige Zustand für diese katholischen Massen. Alles wird ihnen fertig gereicht: Weltanschauung und Konsequenzen. Sie brauchen nur zuzulangen. Und da es der Nachbar ebenso macht, so wird zugelangt, das eigene Denken wird unterdrückt, verpönt, und den dennoch Vorwitzigen wird genau vor- geschrieben, wie sie zu denken haben. Ueberflüssig ist ihr Beginnen ircilich. Denn alles Erkennbare ist schon erkannt und längst festgestelli durch die Organe der unfehlbaren Kirche. Mutet es dieser Knechterei gegenüber nicht wie purer Hohn an, wenn auf den Katholiken- tagen Leute auftreten und zur Teilnahme der Katholilen an allen geistigen Bestrebungen auffordern? Erst wird dem Volke die Forschung als Aberwitz hingestellt, und dann soll es sich an den Kuliurbeitrebungen beteiligen, soll seine Söhne auf die Hochschulen, sogar feine Töchter aus die Universitäten schicken. Eia schroffer innerer Widerspruch, der praktisch nur gelöst erscheint, wenn man sieht, was die Gängler unter Kultur verstehen. Keine Kultur ohne die Sanktion und Aufsicht der Kirche. Die Söhne werden in die Gefellenvereine, in die katholischen Verbindungen gezwängt, für die Töchter, deren Eman zipationsgelüste gefährlich erscheinen, ist schleunigst der HilligardiS- verein gegründet worden, auf daß keinem Schäslein die Nute fehle, so es ihm gelüsten sollte, auf eigenen Pfaden zu wandeln. So also wird das Streben der katholischen Kirche nach der universellen Herrschaft über die Seelen und damit über die irdische Welt in ein System gebracht: Läßt sich ver Hunger nach Erkenntnis nicht mehr unierdrücken, so soll er mit dem von der Kirche angerührten „wissenschaft lichen" Brei gestillt werden. Herr Martin Spahn, der mit Schröder von der Existenz „ungläubiger Professoren" Notiz nimmt, fpricht bezeichnender weise von den Universitäten als den „edelsten und geistigsten Blüten an dem Baume des mittelalterlichen Strebens nach Erfassung unv Zusammenhang des Weltganzen". Und, fügen wir hinzu, der mittel alterlichen Universität höchste und geistigste Blüte war die Scholastik, mit der die Geister so lange malträtiert wurden, bis sie cs für durchaus normal hielten,vag man erst taS Resultat des Forschensfixierte und sich dann abmühte, für vaS fixierte Resultat nach formalistischen Beweisen zu fuchen. Daher die Vorliebe des Herrn Martin Spahn für das Mittelalter. Und Herr Professor Meyenberg aus Luzern preist den Index als den „Hüter der Wahrheit". Wozu denn überhaupt noch forschen und streben und arbeiten, Herr Spahn und Herr Meyenberg? Ist daS nicht völlig überflüssig und aberwitzig? Die „Wahr heit" ist ja schon da: im Index. ES ist kaum zu verstehen, daß gesunde Menschen den hier deutlich zutage tretenden Widerspruch nicht sehen sollten. Wenn diese Leute doch wenigstens die Courage der Konsequenz hätten! Wenn sie nicht nur den Bauern und Arbeitern, sondern ganz allgemein proklamierten: „Alles wissenschaftliche Streben ist Unsinn, ist Zeitvergeudung, denn wir haben die Wahrheit, die absolute Wahrheit, schon. Hier ist der Index, in dem ist sie." Dieser OpporiunitätSpolrtik mit ihrer Zumutung der Denk- Unfähigkeit gegenüber ist der Fatalismus der Mohammedaner noch eine erquickende Erscheinung. Darin ist wenigstens noch Logik, wenn auch die Voraussetzung falsch ist. Aber aus einer falschen Voraussetzung falsche Schlüsse zu ziehen, geht doch eigentlich über di« Grenzen de» Erlaubte» hinaus. Und mit diesem Mute zur Inkonsequenz bewaffnet, werden nun die Forderungen der Kirche erhoben. Der katholischen Kirche, ver steht sich, denn alle Andersgläubigen sind (im Zeichen des Toleranz antrages ist Milde geboten) „Irrende unv Fehlende". Und Herr Wacker, der eine ganze Zeitlang in der Versenkung ver schwunden gewesene geistliche Rat und Zähringer Löwe, erzählt im Ton des biblischen Pharisäers vom Christentum, „da» vor allem in der katholischen Kirche vollständig rein und unverfälscht in die Erscheinung tritt." Dana kommt der Rektor Brück au» Bochum, der Bor Freitag 30. August 1907. sitzende des katholischen Lehrervereins und proklamiert daS Recht des Katholizismus auf die Schule: „Der Katholizismus fordert nicht bloß, daß der Religionsunterricht di« erste Stelle einnehme sondern, daß er auch von anderen Unterrichtsfächern unter stützt werde. Er muß eine zentrale Stellung einnehmen. (Beifall.) Beim naturkundlichen Unterricht, beim geschichtlichen Unterricht, überall muß auf den Schöpfer hingewiesen werden. Daraus ergibt sich eine Schlußfolgerung: die Volksschule muß konfessionell sein. (Anhaltender, stürmischer Beifall.) Die Kirche muß auf die Volks» ichule ihren vollen Einfluß auSüben können. (Sehr richtig!)" Die Volksschule braucht nicht erst konfessionell zu werden. Sie ist eS zum allergrößten Teil schon. Und dieser Zustand ist noch dazu im größten deutschen Bundesstaate erst vor Jahresfrist noch gesetzlich fest gelegt. Hier darf wobl gefragt werden, ob wohl die Bereitwilligkeit zum Opiern der Schule beim preußischen Ministerpräsidenten heute noch ebenso groß sein würde, nach dem Dezember-Erfahrungen. Und eS darf wohl auch auf die Verdienste des Liberalismus hingewiesen werden, der mit seinem Widerstande wenigstens das Schlimmste verhütet und den paritätischen Schulen die Existenzmöglichkeit gesichert bat. Wurde auf dem Katholikentage die katholische Seele behütet, so wurde in der Generalversammlung des angeglieoertcn VolkSvereinS für die Katholiken Deutschlands an des Leibes Notdurft und Nahrung ge dacht. Der über eine halbe Million Mitglieder zählende Volks verein, das „Vermächtnis WindthorstS", will die soziale Frage lösen. Doch wurde natürlich nicht ibm daS Bestimmungsrecht über die Mittel dazu eingeräumt. DaS besorgte ein sozialer Ausschuß, dessen Resolutionen lchon vor ihrer Formulierung angenommen waren. Trotzdem — hier zeigt sich der Katholikentag, will heißen das Zentrum, auf der Höhe seiner Ausgabe. Die Beschlüsse fordern tatsächlich soziale Notwendigkeiten. Tarifverträge und paritätische ArdeitSkammern werden gefordert, ArbeiterauSsckusse „mit nicht zu eng bemessenen Befugnissen" tollen dem gewerblichen Frieden dienen, für die Privat angestellten soll durch Pensionsversicherung gesorgt, die Heim arbeit soll reformiert werden. DaS Programm ist gut und wir unterschreiben eS. Daß trotz allerem kein echt sozialer Geist in der Sozialpolitik deS Zentrums lebt, weiß jeder Politiker. Denn die Voraussetzung wahrhafter Sozialpolitik ist, daß sie um ihrer selbst willen getrieben wird. DaS Zentrum aber treibt sie aus egoistischen Motiven, um die Massen zusammenzuhalten, und würde sie jederzeit zu opfern bereit sein in majorem llomas glorium. Ein Gedanke drängt sicb auf beim Ueberblicken dieses Massenauf gebotes: Wie gut, daß wenigstens für eine Weile der Einfluß deS UltramontaniSmuS auf die Geichicke des Reiches au-geschaltet ist. Die Konsequenzen hieraus sind leicht zu ziehen. Rarser'tcrge in Westfalen. Mit der gestrigen Abreise des Kaisers von Hannover nach Bielefeld haben die westfälischen Kaisertage begonnen. Sie brachten alsbald zwei größere Festlichkeiten. Einmal die Enthüllung deS Kaiser Wilhelm- Denkmals in Bielefeld und dann einen Festakt in der Universität Münster, der der Kaiser den Namen Westfälische Wilhelms-Universität zu Münster verliehen hat. Hierüber liegen folgende Berichte vor: Tie UutvcrfttätSfeicr in Münster. Zu dem Festakt, der anläßlich der Kaisertage gestern in Münster abgehalten wurde, war der Kultusminister Holl« aus Berlin ein getroffen. In »einer Begrüßungsansprache führte er auS: Die Entwickelung der Universität sei seit Inkrafttreten deS Aller höchst vollzogenen Statutes für die Königliche Universität in Münster vom 18. Oktober 1902 über aller Erwarten eine günstige gewesen. Während die Akademie mit ihren zwei Fakultäten im Sommer 1902 860 Zuhörer aufwies, stieg im folgenden Wintersemester durch Angliederung ver juristischen Fakultät die Zahl bereit« auf 1140, im verstossenen Sommersemester aus 1555, mit den Hospitanten auf 1640. Entsprechend diesem Anwachsen der Zahl der Studenten ist der Lehr« körper der Universilät erweitert und vermehrt worden. Auch räumlich wurde die Universität ausgebaut durch die Irene Hingabe deS hervor ragenden Lehrkörpers der Universität und durch das opferwillige Ein treten von Stadt und Provinz ist ein Zusammenwirken geschaffen worven, daS den Erfolg der Univerptät in den wenigen Jahren ihre« Bestehens nicht nur zu einem erfreulichen, fcnvcrn auch zu einem glänzenden gemacht hat. Mit Rücksicht darauf bat der Kaiser und König die Gnade gehabt, dem vor Jahren bereits geltend gemachten Wunfche des akademuchcu Senats, der Vertretung der Stadt Münster und des westlichen Provinzialoerbandeö stattzugeben und der überaus regsamen Universität AUerhöchstsemen Namen zu verleihen. Die aller höchste Order lautet: „WilhelmSböhe, 22. August 1907. Nachdem Ich durch Meinen Erlaß vom 1. Juli 1902 bestimmt habe, daß die theologische unv philosophische Akademie zu Münster mit Rücksicht auf die Begründung ver rechts- und staalSwissenschaftlichen Fakultät in die Reihe ter Universitäten eingetreten ist, unv demgemäß die Bezeichnung als Universität führt, will Ich dieser Universität in Anerkennung ihrer bis herigen erfolgreichen Wirksamkeit den Namen „Westfälische WilhelmS- Universität zu Münster" beilegen im Vertrauen, vaß sie sich dieser Anerkennung dauernd würdig erweist. Wilhelm." Der derzeitige Rektor der Universität, Professor Dr. Pieper, dankte für die Allerhöchste Auszeichnung und brachte ein Hoch auf den Kaiser aus. Landeshauptmann Dr. Hammerschmibt gedachte der Anteilnahme der Provinz an dem Aufblühen der Universität und brachte das erst« Hoch auf die neue Westfälische Wilhelms-Universität aus. Tie Festlichkeiten in vtelefcld. Am gestrigen Tage um 10 Uhr reiste der Kaiser, begleitet vom Kronprinzen und den beiden Prinzen Eitel Friedrich und Oskar nach Bielefeld. Von dort wird gemeldet: Die Stadt iit allenthalben reich mit Fahnen und Girlanden geschmückt. An der Feststraße vom Bahnhof zum Schillerplatz hatte sich rin Spalier von Kriegeroereiuen, Schulen und anderen Vereinen gebildet. Aus der Umgegend sind viele Tausende herbeigeströmt. Auf dem Schillerplatz ist gegenüber dem neuen RaihauS eiu Pruokzelt errichtet. Auf der Terrasse de» Rathauses erhebt sich das noch verhüllte marmorne Reiterdeukmal Kaiser Wilhelms von Frhr. v. Tettau und dem Bildhauer Albrecht. DaS Wetter ist schön. Der Kaiser traf mit dem Kronprinzen und den Prinzen Eitel Friedrich und Oskar 11'/« Uhr vormittag- em. Am Bahnhöfe waren zum Empfange der kommandierende General Freiherr ». Bissing und Oberpräsident Dr. Freiherr von der Recke anwesend. Der Kaffer fuhr, stürmisch begrüßt, durch die Feststraße zum Rathause, wo die Vertreter der Stadt Ausstellung genommen batten. Der Kaffer begrüßte Professor Dr. Hintzpeter, Pastor von Bodelschwingb und andere Herren. Die vereinigten Männergesangvereiae von Bielefeld sangen die Hymne: Isis. Jahrgang. „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre". Oberbürgermeister Geheimer RegierungSrat Bunnemann kielt eine Ansprache. Er erinnerte in ihr an die Anwesenheit deS Kaisers vor 7 Jahren auf dem Sparenberg. Die Bürgerschaft hätte immer mit Dankbarkeit und Treue der Segnungen gedacht, die von dem Großen Kurfürsten an bis auf diese Zeit von den Hohenzollern dem Ravensberger Lande zuteil geworden sind. Was der Große Kurfürst begonnen, habe der Große Kaiser vollendet. Ein Denkmal sei errichtet worden aus den freiwilligen Spenden der Bürgerschaft, und eS sei ein Zeichen der neuen Zeit. Redner drückte die Freude der Stadt aus, daß der Kronprinz unv vie königlichen Prinzen zum ersten Male hier weilten; aber die ganze Be völkerung empfindet schmerzlich das Fernbleiben der Kaiserin. Der Kaiser gedachte in seiner Erwiderung sreve der Beziehungen, die er seit langen Jahren mit Bielefeld habe, und die ibm deshalb teuer seien, weil sein ehemaliger Lehrer Hintzpeter hier wohne und so als echter Westfale seiner Heimat treu geblieben fei. Er beobachte, sagte der Kaiser, mit großem Interesse das Wachstum der Städte in seiner Monarchie unv habe ein solches auch mit ganz besonderer Freude bei Bielefeld bemerkt. Er wünsche von Herzen, daß sich die Stadt auch weiter so gut entwickeln möge, und daß die Ravensberger Treue, die der Oberbürgermeister erwähnt habe, ihm auch immer erhalten bleibe. Der Kaiser dankte am Schluffe seiner Rede für den großartigen Empfang und beauftragte den Oberbürgermeister, der Bürgerschaft seinen herz lichen Dank auszusprechen. Der Kaiser trank auf da« Wohl der Stadt und besichtigte dann nach der Enthüllung eingehend den schönen Bau deS neuen Rathauses und begab sich dann zu dem Wirklichen Geheimen Rat Hintzpeter, bei dem er das Frühstück einnahm. Abreise nach Münster. Die Abreise nach Münster erfolgte 2 Uhr 35 Min Der Kaiser verlieh u. a. Hintzpeter das Kreuz der Großkomtnre des HauSordenS von Hohenzollern, Pastor von Bodelschwingh daS Komturkreuz deS Haus- orvenS von Hobenwllern. Der Kaiser Hörle auf der Eisenbabnfahrt von Hannover nach Bielefeld die Vorträge des Chefs reS Militär kabinetts und deS Vertreters deS Auswärtigen Amtes Frecherrn von Jen i sch. Deutsches Reich. Leipzig, 30. August. * Kaffer Wilhelm und die Abrüftnngsfrage. Im Septemberheft der „Deutschen Revue" veröffentlicht Primo Levi mehrere Briefe CriSpiS, von denen einer Aussehen erregen wird, weil er eine merk- würvige Angabe über die Stellung Kaiser WilbelmS zur AbrünungSsrage enthält. An Primo Levi gerichtet und aus Neapel, den 6. Juli 1893 datiert, lautet dieser Brief wörtlich folgenvermaßen: „Kaiser Wilhelm hat gesiegt und wird das gewünschte Militär gesetz bekommen. WaS wird nachher kommen? Dem Papst gegen über sprach er von der Abrüstung, die, wie er hofft, von einem euro päischen Kongreß beschlossen werden wird. Leo XIII. zeigte sich dem Gedanken günstig, nicht weil er Vertrauen darauf Kälte, sie zu erreichen, sondern weil der Vorschlag einer Abrüstung der Anfang zu einem internationalen Konflikt werden kann, und er sich diesen wird zunutze machen können. Frankreich wird sie nicht annehmen, wie sie Preußen unv Oesterreich nicht an ¬ nahmen, als sie Napoleon III. vorschlug. Damals war nicht einmal der Kongreß möglich. Und wir, was werden wir tun? Wir werden unS die Mühe einer Abrüstung nicht zu machen brauchen, weil wir schon ohne Rüstung sind. H. hat den kaiserlichen Wunsch vorher gesehen. Ich umarme Sie herzlich. Ihr ergebenster F. CriSpi." Der Kaiser hat Papst Leo XIII. am 23. April 1893 besucht und laut dein „ReichSanzeiger" eine einstündige Unterredung mit ihm gehabt Daß er sich über die Abrüstung so geäußert habe, wie Crispi schreibt, ist nicht wahrscheinlich. Zur Zeit ver Anwesenheit des Kaisers in der ewigen Stadt halte sich der Reichstag mit jener Militärvorlage zu beschäftigen, deren Ablehnung am 6. Mai zur ReichStaHSauflösuna geführt hat. Die damalige politische Gesamtlage spricht nicht minder hegen die Richtigkeit ver Angabe CriSpiS, als Deutschlands spätere Haltung zur AbrüstungSsrage. nie. Die rlsasz-lothrtiigtsche VerfassungSsrage scheint mehr und mehr ihrer Lösung entbegcnzugeben, sobald der jetzige 75jährige Statthalter und Staatssekretär von Köller zurückgetreten sein werden. Als kommen der Mann gilt der UnterstaatSsekrerär Zorn von Bulach. Er scheint dazu berufen zu sein, die elsaß-lothringische BerfassungSfrage insofern einer endgültigen Lösung entgegen zu führen, als seine Ernennung zum Staatssekretär an Stelle Köllers zugleich auch daS Reichs land aus seiner bisherigen unklaren staatsrechtlichen Stellung in seinem Verhältnis zum BnndeSrat befreien würde. Diese Er wartung begt man wenigstens in Elsaß-Lothringen. Unbegründet ist ie nicht. Denn al« im Frühling dieses Jahres der bekannte Verfassungs treu im LandcSausschuß tobte, hieß es, die Regierung habe sich bestimmt iber eine bevorstehende Verfassungsänderung ausgesprochen. Daß eine olche sich nicht ohne Schwierigkeit vollsieht, bewiesen von neuem dieReichS- tagöverhandlunzcn über diese Frage. Bei Besetzung der höchsten Regierungs posten drängen erklärlicherweise die einbeimischen Elemente auf eine Auswahl solcher Kanvidaten, die nur der eingeborenen Bevölkerung angehören. Einer einseitigen Bevorzugung Dürfte indes die Regierung sich schwerlich geneigt zeigen. Sie ist gerechten Wünschen durch die vor längeren Jahren erfolgte Ernennung der Herren Dr. Petri und Zorn v. Bulach zu UnterstaatSsekretären entgegen gekommen. Beide Männer, die auch dem Reichstag angehörten — Dr. Petri der nationalliberalen, Baron Zorn v. Bulach als Hospitant der konservativen Fraktion — haben sich in ihren hohen StaaiSämtern auf das vortrefflichste bewährt und steiS eine politisch objektive Haltung »inegehalten * Au« LandtagSwahlkampk in Dresden wird uns geschrieben: Die konservative Wählerversammlung, die am Mitlwoch abend im Fürstenhof stattfand, war in mehr als einer Hinsicht für die Lage auf dem Kriegsschauplatz charakteristisch. Ersten« war sie nur von reichlich 100 Personen besucht, während die Versammlung de» nationalliberalen Gegenkandidaten Ander», die am Abend vorder in einem nur wenige Minuten entfernt gelegenen Lokal stattzesunden hatte, reichlich die doppelte Teilnehmerzabl aufwieS. Das kann nicht etwa auf eine Uebermüdung der lonseroativen Wähler zurückgefübrt werden. Im Gegenteil, gerade der nationalliberale Kandidat ist e», der — eine ganz neue Erscheinung bei LandtagSwahllämpfen — in einem Zeitraum von acht Tagen drei Versammlungen schon abgehalten bat, wählend mau auf konservativer Seite weit geringere Anforderungen an daS Interesse der Wähler stellt, ohne jedoch damit den Zweck zu erreichen. Io der Mitt wochs-Versammlung, der eisten nach den Ferien, erwartete man allgemein.