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2. Beilage Lvnnabend, 17. Anguft 19V7. Leipziger Tageblatt. -rr. 227. Illi. Jahrgang. rn u f; e ft unde n. , Der Herr Medikus. Eine Kleinstadtgeschicht« aus dem vorigen Jahrhundert. Von Marie Schloß. Nachdruck verboten XV. Die Gartenlaube des Obervogts war von wildem Wein und rot blühender Kapuzinerkresse so dicht umrankt, daß man kaum den Eingang zu finden vermochte. Franz, der phantastisch veranlagte Zweitälteste, halte sie das Dornröschenschloß genannt. „Wißt Ihr, die Kapuziner das sind halt die Rosen, und ich bin der Prinz, und du, Susel, mußt die Prinzessin sein unv schlafen, und ich küsse dich wach." Dies schöne Spiel hatten sie schon einige Male getrieben, denn wenn Susette auch viel stiller geworden, zum Märchenerzählen oder gar .spielen war sie noch immer aufgelegt. Nie aber hatte sie besser als heute zu dieser Rolle gepaßt. Wohl trug sie noch Trauer für ihren Vater, aber um den Ausschnitt des schwarzen Kleidchens legte sich ein weißer Spitzenkragen, dessen Enden die glatte Taille umschlangen. An der Brust steckte eine dunkelrote Zentifolie und durch die Haare hatte ihr Franz eine Ranke gelb und rot schillernde Blätter geschlungen. „So, jetzt mußt du schlafen, bis ich komme. Ich will nur Schwert und Schild holen, die gehören zum Prinzen. Schlafe aber ja, damit dir die Zeit nicht lange wird. Aber du mußt richtig mitspielen, nicht wie letztes Mal wo du den Königsleuten, dem Koch und dem Küchen jungen vor der Laube ein Lied gesungen hast. Schlafe nur! Schade, daß Ursel nicht da ist, die könnte die böse Fee machen." Susette lachte: dann meinte sie ernsthaft: „Das mußt du nicht wieder sagen, Franz. Das ist kränkend für die gute Alte; sie kann doch nichts für ihre Häßlichkeit. Jetzt hole deine Waffen, ich schlafe derweil. Ihr da draußen seid mir nur mäuschenstill! Bedenkt, Ihr müßt hundert Jahre schlafen." Dann machte es sich Dornröschen so bequem als möglich auf der ichmalen Bretterbank und harrte seines Ritters. Der blieb lange aus; wahrscheinlich konnte er — bei seiner mangelnden Ordnungsliebe — Schwert und Schild nicht so rasch finden. Den draußen Wartenden wurde die Zeit zu lange. Leise schlichen sie sich unter den in der Nähe stehenden Frühäpfclbaum und stärkten sich durch Schmausen der süßen Frucht für den weiteren Schlummer. Wenn sie dann Franz aus dem Hause kommen sahen, wollten sie ihren alten Platz wieder einnehmen. Ter kam vorläufig noch nicht, aber ein anderer schritt des Weges daher und direkt auf das Märchenschloß zu. „Geh' nur einstweilen in den Garten, .Hans; ich komme nach", hatte ihm die Hausfrau gesagt. Ohne Besinnen teilte er den Blättervorhang, der den Eingang be- schattete, dann stand er überrascht still. Was war das? Susette, die noch immer mit geschlossenen Augen dalag. hatte das Naben der Schritte gehört und war erstaunt, keinen der stürmischen !>inabenküsse zu fühlen. Schließlich wurde es ihr zu lang. Scherzend rief sie: „Aber, Franz, du bast mich jetzt lange genug bewundert. Wenn du mich nicht küssen willst, sage ich eben so: „Kommst du, mein Prinz?" Als auch auf diese Frage nichts erfolgte, blickte sie um sich und fuhr errötend und verlegen in die Höhe. „O, ich dachte, es wäre Franz! Wie kommen Sie ins Dorn- röschenschloß?" Er lachte und deutete auf den Eingang „Sie sehen, hier halten keine Dornen den unbefugten Eindringling zurück. Meine Tante schickte mich hierher, den Wasserfluten zu ent gehen, die ich „über jede Schwelle" laufen sah. Gräßlich, so ein Haus putz! Holdes Dornröschen", fuhr er fort, „kennt man im Märchen- ichlosse auch gründlich Neinmachen und Großwäsche oder gewähren Sie einen armen Sterblichen einen Zufluchtsort?" Noch immer etwas verlegen, dabei aber belustigt, rückte Susette zur Seite, und er ließ sich neben ihr auf der Bank nieder. Sie wußte ja, daß er der Neffe ihrer Freundin war, während er keine Ahnung hatte, wen er also in der Nolle der Märchenprinzessin überrascht. Daß die kleine Landstadt ein solches Wunder an Poesie aufzuweisen vermochte! Wer sie nur war? Verstohlen suchten seine Blicke die feine Linie ihres Profils. Nach dem er sich vergebens angestrengt, das Gespräch weiterzuführen, schwieg auch er, sich dem Zauber ihrer Erscheinung hingebend. Bis jetzt hatte das Weib nichts in seinem Leben zu bedeuten gehabt; ein Unbekanntes war es, das er nun empfand. Nach einiger Zeit eilte der nun mit dem von Silberpapier glänzen den Schild und Schwert geschmückte Franz in die Gartenlaube. „Na, aber so etwas! Du hast ja das Dornröschen schon geweckt!" rief er zornig, und in knabenhafter Eifersucht fügte er grollend hinzu: „Du hast es aber doch nicht geküßt?" Vor der komischen Erbitterung des Enttäuschten schwand die ur sprüngliche Verlegenheit; die jungen Leute brachen in herzhaftes Lachen aus. „Nein, mein Sohn, ich habe Dornröschen nicht geküßt; aber es ist nicht gut, wenn der Märchenprinz so lange auf sich warten läßt!" „Nun, das ist recht", sagte der mit einem Seufzer der Erleichterung. „Ich habe aber schon ost gehört, Studenten seien immer so frech." „Ich muß jetzt gehen, grüße die Mutter!" sagte die Doktorin, und mit einem freundlichen Kopfnicken verließ sie die beiden Vettern. „Wer ist das?" fragte der Aeltere eifrig. „Unsere Susel!" gab Franz zurück. „Eure Susel? Unmöglich!" „Ja, eigentlich heißt sie auch Susette und ist die Frau vom Medikus; vom alten, den die dummen Leute den Hexendoktor nennen. Seit er die Frau hat, sagen sie es aber nicht mehr. Er ist auch jetzt freundlicher als früher." „Die Fran des alten Medikus!", wiederholte Hans Harder erstaunt und sagte schließlich noch einmal in einem Tone, der ein Uebermaß von Verwunderung bekundete: „Die Frau des alten Medikus! Unglaublich!" In diesem Augenblicke kam seine Tante, die es endlich übers Herz gebracht, der Magd die Putzarbeit allein anzuvcrtrauen. Er über schüttete sie mit Fragen, auf die er aber größtdnteiis nur mangelhafte Auskunft erhielt. „Ja, mein Lieber, du fragst mehr als ich beantworten kann. Wie der alte Herr zu der jungen Frau gekommen, weiß ich allerdings. Sie ist die Tochter eines Jugendfreundes, der sie ihm auf dem Totenbette anempfohlen. Die Wohltat, die er der Waise erwiesen, hat sich für ihn doppelt und dreifach bezahlt gemacht. Ter Medikus ist wie ausgetauscht, Mht mehr so mürrisch und finster." „Wohltat?" erwiderte der Neffe zweifelnd, „schöne Wohltat, solch ein Geschöpf für die paar Bissen Brot zur Frau zu nehmen." Die Obervogtm schüttelte den Kopf. „Sei nicht so schroff, Hans! Es ist ja ein seltsam Paar, aber daß die Doktorin einen unglücklichen Eindruck mache, kann doch niemand behaupten. So kindlich sie noch in manchem ist, sie hat ihren Stolz, und der wird durch des Mannes ärztliche Stellung befriedigt. Tenn er ist hochangesehen und in seinem Kreise sozusagen ein berühmter Mann." „Und das glaubst du wirklich? Glaubst, befriedigter Ehrgeiz könne für alles andere entschädigen?" Er deutete auf die blühende Kinderschar. Der also gesprochen, hatte nicht die entfernteste Aehnlichkeit mit einem frechen Studenten, wie der altkluge Franz vorhin befürchtet. Siegesgewiß und lebensfreudig blickten die grauen Augen zwar in die Welt, aber das Ungebundene und Ueberschäumende der Studienjahre lag hinter ihm. Es war auch Zeit dazu, denn schon im nächsten Sommer wollte er der ärztlichen Praxis in seiner rheinischen Heimat nachgehen. Er war durchdrungen von der Wichtigkeit seines Berufes und wußte, daß dieser ganze Männer erfordert. XVI. Noch zu Hause mußte die Doktorin über ihr Abenteuer lächeln, das sie zuerst so verlegen gemacht. Wenn sie dem jungen Manne wieder be gegnete, wollte sie auch nicht mehr so blöde sein; er mußte sie ja sonst für beschränkt halten. Sie würde ihn wohl öfters sehen, denn er wollte ja auch den Medikus aufsuchen. Was der zu ihm sagen würde? Durch die absonderliche Art ihrer Bekanntschaft war Susettes Interesse wesentlich erhöbt. Sie ärgerte sich, ihn in ihrer Befangen heit kaum angeblickt zu haben. War er hübsch oder häßlich? Selbst das wußte sie nicht. Nachdem sie einige Zeit vor sich hingeträumt, griff sie zur Arbeit, einem Teppich, den sie zu Weihnachten vor den Schreibtisch stiften wollte. Es war keines der herkömmlichen geschmacklosen Muster, die junge Frau hatte es selbst entworfen und künstlerisch ausgeführt. Befriedigt blickte sie auf ihrer Hände Werk, das ein Gerank von Herbstblättern, Brom beeren und Hagebutten darstellte. Das würde sich besser machen als das abgetretene alte Fell. Es machte sich überhaupt mancherlei besser. Ursels Ordnungsliebe hatte sich wohl auf reine Böden, Fenster, Vorhänge und die Spinnen- iagd erstreckt, aber weiter nicht. An den Wänden war manch Bild mit zerbrochenem Nahmen, mancher zwar wertvolle, aber stockfleckige Stich gehängt. Jetzt sah das alles blank und wohlgerahmt dem Beschauer entgegen: Rembrandts „Anatom", der „heilige Hieronymus" von Dürer und das kleine Oelbild einer Aztekin, das die Hand eines tüchtigen Meisters der niederländischen Schule, leider aber — trotz eifrigen Forschens — kein Malerzeichen aufwies. Vor dem Gerippe, das die kleinen Besucher so oft erschreckt, war ein grüner Vorhang angebracht. Freilich zupfte manch halbwüchsiger Neugieriger daran, doch dann ge schah ihm recht, daß ihm zum Schreck der Knochenmann erschien. (Fortsetzung folgt.s ch -st lAuf Wunsch wird der Anfang dieses Romans neu hinzutretenden Abonnenten kostenlos nachgeliefert.j »»>!>» auSgefühit von der Kapelle d. 78 er Artillerie, Wurzen. Dir. A. blararelx. 2, 7 II LvdtlMK! Loktllllß! Ij L Gla«- richtig errät, lodnonisplntr 1, I. 8took. s-s doodwoäori»« VroSadr »17» simsm-KlMen -F - - 300 iLASSLSitunxvn ausIwAönä. E,.» Olrimmaischer Lteinweg 8. Täglich von 5—12 Uhr Kreikonzert von der zum 3. Male prolongierten VambnrUz.a-stapellv ,,8I^eiuv"^»o2L77 der Dresdner einem Heute: — LLo ctes 77er ^rllll.-kivx. vir.: Kgl. bl»sikäir. Kurt». nvlliv apvLlaMai. mit ILIN-8. blortseu: anaxekilbrt von äer Lovelle cteo 48. lllLlleu-Ueximentn. vir.: Uuckevlco. Abends vvn8—llvdr: vrons»« <<Hiotber I'okleor). Ilel uugUaslixel IVltterunx Lonrert lm ^aul«. "Wl8 ... eatt.... MW Aebrakoj s iimliclie kskkrliiWlt» jlngMiiiM kuseutduik. »021^8 MoLter-1'vrrL88v. Heute Sonnabend, den 17. August, abends 8—11 Uhr: Kupsergafse 12. Bon einem meiner Gäste erhielt ich «in Präsent von Bogelwiesr, welche- sich verschlossen in meinem Lokal in Behälter befindet. Diejenige Person, welche den betreffenden Gegenstand erhält die in meinem Lokal ausgestellte Loi»LertdLvs (I4»l»nrg;»r Winomühleuftratze 11. Täglich bis 12 Uhr nachts: «lvr Ortsttn«!- llüMr 8kl>riimmelii. klilvl». lioiskiiliM, Katharinenftr. 12. -»»r» Täglich: ILvnrert äes iictoinnt. vaiueu-vrebesters „ VV e 8 S n n i x e n Dir : bV. Vinkobr. 6 Damen. 2 Herren. Wochentags 5—12, Sonntags ll—l, 4 —>2 Uhr. HV L-Reudnitz. Bef: vrnuo LösIle-MMHaltest. beid. Straßenb. Vulrar- null vperoUoll-Ldvnä, anSgefnbrt bom Konzert-Orchester O» Anfang 8 Uhr. Entrbe UV Karten gültig. »rrr IIInniiii»tlan "WG Morgen nachmittag und abends: 44onr«rt» <1VVer) und killt«-tzd»Il. ÄM KIlimO Ikoillssi'illß 1. DorMeellsttLM 2. lüitlw I-MItIM >vie sle zveint null laebtl Dzcrr» bsorä^tröm, nebveä. diaobtignll. Oesebivistor tlaienev, Oesangsäuott. 4llv« 1-auäsu, Vortrog8kiwMc:rm. bVoläemar Lrust, ldv/idntor. Aillx blivlke. äer beliebt« Ovnkereveier. ^n> Llilgel: ^odrmues kieknrck^. ^oknux 8 Dki. kluck« nnetrts 1. Lutree 5V Lkx. unä 1 blarlc. Zeparats? ^VslnsLlon! »i7»o Direktion 6e«rx /«inner. vd«rpoIU»K«r Will litt SMlllitl iS Mm dltltNlllkll ll. ltllblt MM WNlMiTSrißM lmlit. k»rli»tr. 11. l ügt, v.ü-121'rellionrert. E0«0 VmnmIllkLnmgkil. Ein Modewarengeschäft in Zeitz beabsichtigt, die Fenster der Neu heit entiprechend zugkräftig deko rieren zn lasse». Lss mit Preis erb. u. 2. V181 an dtevxp. d. Bl. »17«» Auskunftei,V!»i l nnr» Hainst.25,l.T.7654 Antwort auf II. 5V6V" an Rod. Mofl^ „Brteswechsel" betreffend, liegt, wie gewünscht, postlagernd, »oi» rWlMmße sstMWii lvraunttger), Name Marga und Adresse auf »em Halsband, ent» Innkk». Geg. gute Belohn, abzug. -»i»»7 Scharnhorststratze 17, I. r. »///// »ei,5 Denke «nck täAk/cü Lourerkievt cka« kteeew/s/e Dir. Irednr. 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