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Bezuas.Preis An^eiaen-DreiS für Leivzla unv Vororte durch untere Träg« und Svrdileure in- -au- qrbracht: Au-- gab, nur morgens! viertrliadrlich 3 M., monatlich l M., luSgabe ü imorgen- und abends! viertellädrlich 4 KO M., monatlich l 50 M. Lurch die Poft bezogen (1 mal täglich» inneivalb Deul'chlands und der deutschen ttoion'en vieiteljäbrlich 3 M., monatlich I M. auSschl. Posibestellgeld, für Oeiierreich-Ungarn vierteljäbrlrch 5 L 45 b. Abonnement-Annahme: Augustusplatz 8, bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestelle», sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet IO Pst». Redaktion and Srvedttiou: FodanniSgasse 8. Telephon Nr. 153, Äir. 222, Nr. 1173. Berliner Nedattions-Bnreau: Berlin XIV. 7, Prinz 2ooiS Ferdinand- Strafe 1. Telephon t. Str. !»27ö. Morgen-Ausgabe 8. MMer Tageblatt Handelszeitung. Ämtsblatt -es Mates und -es Mottzeiamtes -er Lta-t Leipzig. Nr. 1«. Montag 22. Aprll 1907. für Inserate aus Leipzig u. Umgebung die kgespaltene Petitzeile 25 Pf., stunnzielle Au- zeigeu 30 Pf., Reklamen 7üPs.; von auSwärtS 30 Pf., Reklamen 1 M.; vom AuSlanv 50 Ps., finanz Anzeigen?» Pf., Reklamen 1.50 Pt. Inserate ».Behörden im amtlichen Teil 40P'. Beilagegebüdr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. tÄeschäftsanzeigrn an beoorzugl-r Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tori:. Fesierteille Aufträge können nicht zuruck- grzoge« werben. Für das Erlcheinen an degimmteu Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: AugnftnSVlatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annonceu- Ezpeditioiieu des In- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: CarlDun cke r, verzgl-Bayr.Hofbnchhandlg, Lützowstraße lO (Tel. VI, 4603!. 1VI. Jahrgang. Vst Aictzligske vom lagt. * Am gestrigen Sonntag hielt der Sächsische Lan desverband der Privatangestellten aller Berufe in Dresden feinen Jrühjahrsver- bandstag ab. lS. d. bes. Art.) * Der Papst empfing gestern die in Nom weilenden Kölner Pilger unter Führung des Kardinals Fischer. (S. Letzte Dep.j * Der deutsche Botschafter Fürst Radolin ist nach Paris zurückgekehrt. * Wie die „Tribuna" mitteilt, wird die Begegnung Titonis mit dem Freiherrn v. Aehrenthal in nicht allzu ferner Zeil stattfinden. Der Tag und der Ort feien jedoch noch nicht bestimmt. Die Zusammenkunft der beiden Minister wird nach Aehrenthals Berliner Besuch stattfinden. * Die letzten Nachrichten vom Erdbeben in Mexiko lassen erkennen, daß die Zahl der Toten übertrieben worden ist. Die Zahl der Umgekommenen beträgt nur wenig über hundert. Dagegen ist die Zahl der Schwerverletzten sehr groß und die Höhe des angerichteten Schadens unermeß- l i ch. * Gestern abend ist. wie uns aus Petersburg mit geteilt wird, auf der Newa ein P a s f ag i e r d a m p f e r gesunken. Von fünfzig Passagieren sind nur zehn gerettet worden. Bisher wurden zwei Leichen ge- borgen. (S. Letzte Dep.j * W al t Hou r-Amerika hat in Berlin-Steglitz den Großen Frühjahrspreis über 100 Kilometer in 1 Stunde 10 Minuten 20 Sekunden vor Guignard - Paris gewonnen. (S. Sport.) * Das Große Kölner Frühjahrshandicap gewann Herrn H. Strubes „Calville" gegen „Jrlthjof" und „Belisar". — Im 50. Prix Biennial 1907/1908 zu Paris-Longchamp blieb Mons. Airmonts' „Ca- lomel", rm Prix La Coupe Mons. Lieux' „Mou- ! ins la Marche" Sieger. sS- Sport.) Zu«» unck Asgner. Als der Wahlkampf um das Mandat Leipzig-Stadt tobte, haben die vereinigten bürgerlichen Parteien besonders mit einem Argument operiert, das einen Wechsel auf die Zukunft enthielt. Es wurde gesagt: Was hat denn die sozialdemo kratische Vertretung der Stadt Leipzig im Reichstage ge leistet? Ist auch nur bei einer Gelegenheit offenbar ge worden, daß der Leipziger Abgeordnete sich der Ausgaben eines so bedeutsamen Mandats im vollen Umfange bewußt gewesen ist? Ist er wirklich ein Exponent der gesamten geistigen und maschinellen und manuellen Tätigkeit Leipzigs gewesen? Oder war er nicht vielmehr nur, in aller Ehrlich- keit des Gemüts, eine Nummer in der Reihe der Genossen? Das sollte anders sein, und deshalb muß Junck gewählt werden. Und heute schon, nach den wenigen Wochen parla mentarischer Tätigkeit, können wir fragen: Ist es nicht anders geworden? Ist der Wechsel eingclöst? Und selbst der politische Gegner der Kandidatur Junck wird nicht be streiten können, daß Leipzig wieder einen seiner Bedeutung würdigen Vertreter gefunden hat, einen Mann, der sich eine feste Position im Parlament wie in seiner Fraktion er obert hat. Die Sonnabenddebatte über den Etat des Reichsjustiz amtes hat das aufs neue gezeigt. Zwei Höhepunkte gab es in dieser Debatte, das waren die Reden von Junck und von Heine. Und gerade dieser Umstand zeigt, wie sehr ein Mann wie Junck im Reichstage ein Bedürfnis war — trotz seines Ueberflusses an Juristen. Bisher wiederholte sich regel mäßig beim Justizetat dieselbe Erscheinung: Die Redner der Parteien verloren sich meistens in Einzelheiten, und ver standen es nicht, zu fesseln, die Reichsjustizverwaltung wurde des trockenen Tones grundsätzlich nicht satt, und dann kam Heine mit seinem wohlgeordneten Material, seiner fesseln den, prononcierenden Beredsamkeit, seinem Witz, seiner ele ganten juristischen Beweisführung und beherrschte die ganze Situation. Natürlich war es trotzdem eine recht einseitige sozialdemokratische Rede, was er vorbrachte. Aber Hörer und Leser kamen häufig gar nicht zum Bewußtsein der Ein seitigkeit, der Uebertreibungen und schiefen Urteile. Und nebenbei war schließlich doch jedermann dem Redner ein wenig dankbar, die Debatte aus der Oede und Langeweile herausgehoben zu haben. Nun — Herr Heine hat am Sonn abend die Situation nicht allein beherrscht. Er mußte sich mit Dr. Junck in das Interesse teilen, und seinem Klassen urteil über unsere Rechtspflege war die Schärfe genommen durch die freimütige, unerbittlich strenge, aber doch stetS um die Objektivität bemühte Kritik des Leipziger Rechtsanwalts. Tas ist eine Aenderung der Situation, die gar nicht verkannt werden kann und sehr heilsam auch auf die Haltung der Re gierung wirken sollte. Denn sie wird sich nicht mehr hinter den Vorwurf der Einseitigkeit und Ungerechtigkeit ver schanzen können, wenn sie die Forderungen und die Kritik Juncks prüft. In ihnen verdichten sich die Bedürfnisse unserer Zeit, die sozialen und die liberalen Anforderungen an «ine moderne Rechtspflege. Was Junck über die Haft pflicht des Staates für den von Beamten des öffentlichen Rechts angerichteten Schaden sagte, ist einfach unwiderleglich. Dieser Unsinn der bestehenden Ungleichheit, in der nicht ein mal Methode steckt, ist unerträglich. Ebenso spruchreif sind die Fragen des Zeugniszwanges für Redakteure und der Immunität der Reichs, und Landtagsabgeordneten. Wir stehen zwar nicht auf dem Standpunkte Juncks, der die Ver weigerung der Zeugnisaussage der Abgeordneten unter den heutigen Bestimmungen nicht für gerechtfertigt hält, aber das ist eine Frage der Auslegung. Viel wichtiger ist, daß die Nationalliberalen die Immunität sichern wollen. Die Forderung von Diäten für Schöffen und Geschworene ist ein Produkt echt liberaler Gesinnung und eine Forderung der sozialen Gerechtigkeit. Der Geldbeutel darf nicht für die Auswahl der Laienrichter maßgebend sein. Die Reformen des Strafprozesses und des Strafrechtes bildeten weitere Unterlagen der Rede Juncks und boten ebenfalls Anlaß zu scharfer Kritik. Die Quintessenz der Rede über die Reform des Strafrechts war in ihrer prägnanten Fassung besonders eindrucksvoll: „Unser zukünftiges Strafrecht darf kein Juristenrecht sein, sondern muß ein Volksrecht, ein soziales Recht sein. Das neue Strafrecht, es wird sozial sein, oder es wird nicht sein." Aber der Redner wahrte auch die Pflichten der Objektivität und sagte: „Durch unsere Zivilrechtspflege geht ein tiefer Zug, dem wirtschaftlich Schwachen gegenüber dem wirtschaftlich Starken zu Helsen." Es ist bedauerlich, muß aber konstatiert werden, daß die Antwort des Staatssekretärs Dr. Nieberding ein einziges vorsichtiges Lavieren war. Was soll das heißen: „Der Reichsverwaltung und der Reichskanzlei ist nichts un erwünschter als eine schikanöse und parteiische Behandlung der Preßartikel"? Auch die Presse hat es gelernt, dem bloßen Wohlwollen gegenüber mißtrauisch zu werden. Und die Regierung sollte endlich ihren patriarchalischen Gelüsten den Abschied geben und der Presse Rechtsgarantien ver schaffen. Dem Abgeordneten Heine muß man in dem einen Punkte jedenfalls recht geben: Tie Liberalen des Blockes haben hier zu zeigen, wie weit es ihnen Ernst ist mit ihren Forderungen. Und die Regierung bat hier gerade genug Ge legenheit, die Beteuerung ihrer liberalen Rcformwilligkcit wahr zu machen. Noch ein paar Worte über die Rede des konservativen Landrichters Dr. WagittVk des dlbgeordneten vom neunten sächsischen Wahlkreise. Dieser Herr hat nun schon mehr fach die Kritik in schlimmster Weise herausgefordert, doch ist bisher vieles seiner parlamentarischen Unerfahrenheit zugute gehalten worden. Seine erste Entgleisung war eine beleidigende Bemängelung der Richterqualitäten der sächsischen Arbeiter. Ihr folgten bald andere, so daß sich der Eindruck festgesetzt hat, Herr Wagner setze seinen Ehrgeiz darein, sich zum extrem-konservativen Heißsporn zu ent wickeln. Das verbietet uns die weitere Schonung ihm gegen, über, und es muß gesagt werden, daß seine parlamentarischen Leistungen in ihrer Einseitigkeit aufreizen und in ihrer Un zulänglichkeit peinlich berühren. Mit der Wagnerschen Methode ist weder der Blockpolitik, noch dem nötigen Zu sammenhalt der bürgerlichen Parteien bei den ReichstagS- wahlen in Sachsen gedient. Das scheint dem Herrn bisher noch nicht zum Bewußtsein gekommen zu sein. Wer so wenig Verständnis für Standesehre hat, wie Herr Wagner, der die Beseitigung des Zeugniszwanges für die Presse und die Ab geordneten ablehnt mit der Motivierung, das bedeute nur einen unverdienten Schutz derer, die aus einem Versteck heraus die Öffentlichkeit aufrütteln wollen, der wird sich nicht wundern dürfen, wenn seine Person bei einem neuen Wahlenübereinkommen einen besonderen Verhandlungspunkt bilden wird. Für Herrn Wagner dürfte schwerlich noch eine liberale Stimme zu haben sein. Vielleicht ernüchtert das den stürmischen Politiker ein wenig. kin Isolonialprsblem. Von Dr. Ern st Henrici sLeipzig). Seit einigen Monaten steht die Baumwoll frage zur öffent- lichen Erörterung: über zwanzig Jahre, nachdem wir tro pische Kolonien erworben haben. Und doch hätte es von An fang uns klar sein müssen — und war es auch in der Tat dem Verfasser dieser Zeilen — daß eine der wesentlichsten Ausgaben unserer Kolonien die Beschaffung der Rohbaum wolle sein muß, deren wir für unsere Industrie bedürfen. Jetzt sind es schon 460 Millionen Mark, die Deutschland jährlich an das Ausland für Rohbaumwolle zahlt. Im Jahre 1888 machte der Verfasser in Togo gleichzeitig mit Baumwolle und Tabak Anbauversuche, beides mit bestem Er folg. Bei Gelegenheit eines geschäftlichen Aufenthaltes in Deutschland gab der Verfasser auch dem Auswärtigen Amte darüber Auskunft. Und da war es Fürst Bismarck, dessen klarer, weitschauender Blick die ungeheure Bedeutung der Erzeugung von Baumwolle in den Ko'onien klar er kannte und den Verfasser »um Anbau im größeren Maßstabe zu veranlassen suchte. Mir fehlten di« Kapitalien dazu, und denjenigen, an die ich herantrat, damals das Verständnis: es blieb bei meinem Versuch im kleinen. Aber dos sei nach drücklich gesagt, daß, wenn einem einzelnen das Verdienst gebührt, unsere Kolonien besonders für Baumwolle ins Auge gefaßt zu haben, dies Verdienst dem Fürsten Bismarck gebührt. Der Verfasser hat dann seit 1898 in der Zeitschrift „Der Tropenvslanzer" wiederholt nachdrücklich aus die dringende Notwendigkeit d«S Baumwollbaues in unseren Kolonien hin gewiesen und sprach es dort aus: „Der Baumwollbau in den deutschen Kolonien ist «in« wirtschaftliche und politisch« Frage allerersten Ranges." Da endlich interessierte sich fder Ver fasser war damals jahrelang in Zentralamerika) das Kolo- nialwirtschastliche Komitee für dx Sache, und Professor Wichltmann-Bonn machte eine Expedition nach Togo, die eben meine Angaben für die Brauchbarkeit jener Kolonie für Baumwollbau bestätigte. Es kam größere Bewegung in die Sache, der Baumwollbau entwickelte sich dort, in kleinerem Maßstabe freilich, und endlich rüttelten die Kolonialskandale das deutsche Volk wach. In diesem Augenblick will sich eine große Afrikanische Daumwollkompagnie begründen, und zwar mit einem Kapital von 10 Millionen Mark. Ostafrika und Teile von Togo sind für den Anbau in Aussicht genommen, auch sollen Ent kernungsfabriken zur Verarbeitung der von den Einheimi schen gebauten Baumwolle eingerichtet, und das Nebenprodukt der Kerne, bas Baumwollsamenöl und -Mehl, verwertet werden. Ein großes Kapital: und man mag sich freuen, daß endlich der alte klare Gedanke Bismarcks zur Durch führung gebracht werden soll. Lange genug haben wir ja die Hände in den Schoß gelegt, während andere Kolonialvölker rasch vorgingen. Aber neben diesem großen Kapital steht, das soll der nüch terne Kolonialunternehmer sich nicht verhehlen, ein Be denken: die Arbeiterfrage. Wohl wird Togo innerhalb eines Jahrzehntes vielleicht eine hübsch« Menge Baumwolle durch Volkskultur erzeugen, die aufgekaust und aissgearbeitet wird: aber daS gibt keinem so großen Unternehmen Platz. Es loird immer darauf hinauslauf«n, daß groß« Europäer- Pflanzungen das Material schaffen. Für silche bietet aber Togo südlich vom Randgebirge keinen genügenden Raum; sagt doch auch Prof. Wohltmann, daß dort nur in Stücken von 500 Hektar und etwas darüber der Anbau gemacht wer den kann. Wird aber das Agomegebirge erst durch eine Eisenbahn überschritten, oder eine solche über Ho, Peki» Kpaudu nach Boem und weiter nördlich bis Kratschi und noch weiter geführt fdas ist nämlich die natürliche Linie), so würden weitere Gebiete mit dem für Baumwolle zutreffenden Klima erschlossen. Aber das Land ist unge heuer dicht bevölkert und läßt deshalb nicht wohl Riesen pflanzungen zu. Solche sind nun aber in Ostasrika möglich, Mm mindesten, was die Größe der unbebauten Flächen be trifft. Deshalb hat auch die Leipziger Aktienspinnerei be- reits über 60000 Hektar Land in Ostafrika erworben, um mit dem Anbau vorzugehen, und auch die neue „Afrikanische Baumwollkompagnie" scheint ihre Hauptarbeit nach Ostafrika verlegen zu wollen. Und da ist dos schwere Problem. Mehrer« gewaltige Großbetriebe wollen dort die Arbeit gleichzeitig beginnen, und gleich im großen: sonst bedürfte es nicht eines Zehn- Millionen-KapitalS. Wird es die nötigen Arbeits kräfte dazu geben? In Ostasrika bat bisher schon die Arbeiterfrage «ine heikle Rolle gespielt. Innere Kriege der Stämme hinderten die starke Vermehrung der Bevölkerung, Krankheiten, besonders stark die Schlafkrankheit, verwüsten den Menschen bestand, Hungersnöte infolge der schlechten Wirtschaft der Eingeborenen, räumen unter den Stämmen aus. Ostasrika ist ein äußerst dünn bevölkertes Land: hat doch das kleine Togogebiet, das nicht viel größer ist als das Königreich Bayern, schätzungsweise mehr Einwohner als alle unsere übrigen afrikanischen Besitzungen zusammen. Man hat daran gedacht, indische Kulis in größerer Menge nach Ost afrika zu ziehen, oder gar Chinesen. Uber der Indier und Chinese vertragen das Klima dort nur wenig besser als der Europäer, abgesehen von den besonders gesunden Gegenden, die sogar eine europäische bäuerliche Siodelung ausnehmen können. Aber es bietet sich ein Ausweg, der zu erwägen ist: die innere Kolonisation zwischen unsere Kolonien. Togo könnte einen Teil seiner sehr starken Bevölkerung, die besonders tüchtig im Ackerbau ist, an Ostafrika abgäen, wenn eine geschickte Auswanderungspolitik eingeleitet würde, bei der allerdings mit äußerster Ehrlichkeit zu verfahren wäre. Vor Jahren und Jahrzehnten waren es nur die liberianischen Kruneger, die sich weit an der ganzen Westküste als Faktorei arbeiter, besonders als Bootsleute und zum Hilfsdienst auf den Dampfern, verdangen. Jetzt aber sind auch andere Afri kaner mit der S«e vertraut geworden, und es würde viel leicht aelingen, eine ehrliche Auswanderungspolitik von Togo nach Ostafrika einzuleiten, entweder um das Kap herum oder durch das Mittelländische Meer und den Suezkanal. Freilich hängt der Togomann stark an seiner Heimat, und es wird ihm ein guter Verdienst winken müssen, um ihm die Auswanderung ichmochhast zu machen. Es wäre deshalb auch zunächst nur ein Versuch im kleineren Maßstabe möglich: etwa ein paar hundert Mann, di« Verheirateten mit Fami lie. Ginge es diesen gut in Ostafrika, auf der Großfarm, in deren Nähe sie chr Dors gründeten, so würden die günsti- gen Mitteilungen, die sie nach ihrer Heimat senden, einen weiteren Zustrom erzeugen, und dann wäre eine dauernde Seßhaftmachung möglich, um das volksarme und doch so fruchtbare Ostasrika wieder zu bevölkern. Daß dabei jeder Zwang, auch der geringste Schein von solchem, zu meiden ist, das ist selbstverständlich. Wir Deutschen wollen weder Sklavenverschlcpper sein, wie die Portugiesen, noch gewissen- lose Gewinnmenschen, wie die Engländer, die di« Chinesen zum Opium verführten, um des Geschäfts willen. Als freie Arbeiter hätten die Leute zu kommen, und als solch« zu gehen, wenn ihre Kontrakts-zeit abgelausen ist. Und da liegt eben ein gesunder Zwang: die Leute werden angemessen behandelt werden müssen, sonst gehen sie eben wieder: denn sie müssen natürlich stets unter dem besonderen Schutze der Kolonial behörden stehen. Die Sack)« hat aber noch einen ganz anderen Vorteil. Solche eingewanderten Angehörigen fremder Stämme be- teiligen sich in Afrika nicht an etwaigen Aufständen der Ein- geborenen, da sie das Interesse haben, zu den Weißen zu halten: denn würden sie sich des Schutzes der Weißen begeben, so würden sie rettungslos der Versklavung durch diesen gen auSgesetzt, mit denen sie soeben noch gemeinsame Sache ge- macht hohen. Das weiß jeder Schwarz«. So zögen wir unS «ine Mverlässig« Bevölkerung heran. DaS Verpflanzen von Arbeitern, ich will eS nennen, zu „interkolonialer Siedelung", ist in einem kleinen Keim be- reits in der Tat vorhanden: nicht nur in Afrika durch die Krujungen und auch Baileute, die aus Liberia nach Togo und Kamerun gegangen sind, oder die groß; Kolonisation, die England mit Norubaleuten von Lagos aus vor Jahr zehnten schon nach Sierra Leone machte, und unter denen sich der mit hohen britischen Orden ausgezeichnete schwarze Bischof Crowther befand, der als Heide geboren war, sondern auch schon in unseren pacifischen Kolonien, wo die Leute vom Bismarckarchipel gute Arbeiter sind. Würden aber di« Togvleute sich in Ostasrika heimisch fühlen können? Nun, das Klima ähnlich, die Schlaf krankheit ja glücklicherweise nur strichweise vorhanden: vor dieser ganz besimders gälte es, die Kolonisten zu bewahren. Das Verhältnis Mr gegenwärtigen, dünnen Bevölkerung wäre leicht zu regeln: die Toyodörfer Ostasrikas müßten sich eben an di« großen Plantagen anlchnen, bis sie durch Zuzug soweit erstarkten, daß sie selbst die Wage halten können. Wohl sind Bantuvölker und Guincancger in man chen Stücken verschieden, aber es tut sich keine Kluft der Rassenverschiederrheit auf: war es doch aus sprachlichen Gründen stets meine Ueberzeugung, daß zum Ausbau des Togovolkes lder „Epte") sogar ein nördlich gewanderter Dantustamm beigetragen hat. dluch die jetzt noch vorhan denen Dürrjahre Ostasrikas würden ihren Schrecken für die Einwohner verlieren, wenn sich die europäischen Herren des Landes entschlössen, auch dort mit Irrigation zu arbeiten, wie es in Aegypten geschieht. Nur bei uns gilt ja eben jeder größer« Gedanke als „abenteuerlich", als „phan tastisch". Geht aber etwas Neues, Großes von Amerikanern oder Engländern aus, so ersterben wir in Bewunderung vor deren Klugheit. In früherer Zeit fanden große Völkerwanderungen mit ausgesprochen kriegerischem Charakter statt. So sind in Afrika chamitische Stämme von der Gegend des Somalilandes mit einem kühnen Zuge längs durch ganz Afrika gedrungen: die Buschmänner und Hottentotten, mit deren späten, halb ver- negerten Nachkommen wir uns soeben in Südwestafrika hcrumgeschlagen haben. Das moderne Leben hat den Völ kerwanderungen aber einen mehr friedlich-wirtschaftlichen Zug gegeben, obwohl auch die alten Wanderungen im letzten Grunde wirtschaftliche Zwecke verfolgten, nämlich neue Weide- Plätze oder bessere Wohnsitze zu finden. Nordamerika wird aus offensichtigen wirtschaftlichen Gründen besiedelt, ebenso wie Australien. Dorthin drängen di« Individuen aus per sönlichem Trieb. Eine zielbowußte „interkoloniale Sie delung" von Togo nach Ostasrika entspränge im Gedanken ja dem höheren Dispositionsvermögen einer überlegenen Rasse, aber die Klugheit würde es gebieten, das neue Land zu« begehrten Ziele auch des Individuums zu machen. Schließ lich ist es doch auch eine nüchterne Tatsache, daß die Aus wanderung nach Amerika zum mindesten überwiegend durch das Geschäftsbedürfnis der Dampferlinicn und durch deren Agenten gemacht wird. Die große Arbeiterfrage Ostafrikas muß gelöst werden, wenn dort moderne Großunternehmen betrieben werden sollen: und sie kann gelöst werden, wenn man zur „inter kolonialen Besiedelung" Ostafrikas schreitet. Aber der Ver fasser ist der Ueberzeugung, daß jede Unehrlichkeit gegen die schwarzen Kolonisten sich aufs schwerste rächen würde: im Togoheimatlande, wo es dann nicht nur mit der Ostasrika- gängerei aus wäre, sondern ein tiefes Mißtrauen gegen uns hinterlassen würde. Der Stein ist ins Rollen gekommen; gegen die kolo niale Schlafkrankheit hat sich das Radikalheilmittel gefun den, nämlich die Kolouialfkandale. Nun aber endlich nicht mehr kleinlich, sondern mit klaren, großen Zielen und ehr lichen, tüchtigen Männern zur Ausführung. Möge das weit vorausgeschaute große Ziel Bismarcks, für das ich zeugen kann, endlich seine Verwirklichung finden: di« Unabhängig keit des deutschen Vaterlandes von der drückenden Baum- wollspckulation Amerikas. Es gilt, uns eine halbe Milliarde jährlich zu erhalten. Wenig mehr kostet uns unser gesamtes Militär. ZchiNabttrabgsden in welchen» Falle «n- bi» z» welcher Höhe sie znläfsig find. So lautet der Titel einer kleinen Broschüre, in der Dr. Adolf Arndt, o. ö. Professor der Rechte in Königsberg, erstens zu beweisen sucht, datz Schiffahrtsabgaben überhaupt zulässig sind und zweitens, daß st« nur in einer Hohe zu lässig und, gegen dte Leute, denen es mit der Sorge um die Vollswohlfahrt im allgemeinen und die Schiffahrt im be- sonderen Ernst ist, rm Grunde gar nichts eiruvenden können. Die Schiffahrtsabgaben sollen nach Ansicht des Königs berger Professors nämlich nicht zur 'Deckung oder Rück erstattung der im Interesse der Schiffahrt notwendigen Ausgaben überhaupt erhoben werden, sondern nur zu außerordentlichen Ausgaben, die dazu dienen, Ströme in ihrem Oberlauf weiterhin schiffbar zu machen, als die natürliche Verfassung der Gewässer cs gestatten würde. „Wenn wir die Worte des preußischen Gesetzgebers wiederholen wollen", so heißt es in der Broschüre, „,o muß die Frage gemäß Z 19 des preußischen Gesetzes betreffend die Herstellung und den Ausbau von Wasserstraßen vom 1. April 1905 lauten, ob auf den im Interesse der Schiff fahrt regulierten Strömen Abgaben zur Vergütung für solche Anstalten erhoben werden dürfen, durch die die schiff- barkeit über den natürlichen Zustand hinaus erhöht worden ist." Die Broschüre zitiert eine ganze Reihe mehr oder weniger mit der Frage im Zusammenhang stehenden Gesetze und greift u. a. auf eine Erklärung zuruck, die Delbrück früher namens der verbündeten Regierungen abge geben hat: „. . . . Tie Reichsversassung beschränkt die Zulässigkeit von Abgaben für die Benutzung solcher (besonderen) An stalten, und sie läßt cs nicht zu, Abgaben zu erheben, d i e lediglich den Zweck haben, die Ko st en für diel gewöhnliche Unterhaltung der Fahrbarkeit der Ströme aufzubringen." Diese Erklärung in Verbindung mit einem Passus der ElbschisfahrtSakte, den der Verfasser gleichfalls zitiert, und in dem es beißt: „Es sollen auf der Elbe Abgaben, die sich lediglich aus die Tat sache der Befahrung gründen, weder von den Schiffen, noch von den Flößen erhoben werden dürfen", sollte eigentlich den unbefangenen Politiker zu dem Schlüsse führen, die Schiffahrtsabgaben überhaupt kurzerhand abzuweisen. DaS tut Arndt jedoch keineswegs. Er legt vielmehr den Ton in der Delbrückschen Erklärung auf das Wort „gewöhnliche". Die gewöhnliche Unterhaltung der Fahrbarkeit