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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.11.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19051109010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905110901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905110901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-11
- Tag 1905-11-09
-
Monat
1905-11
-
Jahr
1905
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Bezug-'Prei- i» der Haupt^pedMoa oder der«, «»«gab» stell« «dgeholt: »ürwtjLhrlich LLV, bei täglich zwrimaüg« Z-ftelliwg tu» Hau» vierteljährlich S.—> Durch unser» aus ¬ wärtigen Ausgabestellen und durch di» Post bezogen sttr Deutschland >wd Oesterreich vierteljährlich L.50, für di« ädrig« Länder laut LettungSpretslist«. «edakttou «ld Expedttiour Johanutsgajs« ti, Telephon Sir. ISü, rkr. Nr. 1173 verltner Vtedaktivnl-Vurraur Derttu diAl V, Lorotyeenftrad, S3^ Lei. 1, «r. »S75. Dresdner «edaktton»-vurrau: Lresden-A^ «auerthstt. Del. 1, «r. 4S8S. Morgen-Ausgabe. KWMr.TaMalt Handelszeittmg. Ämtskkatt des Königs. Land- «nd des Königs. Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und -es Rotizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Anzeist*il-Prei- di» S gespalten« PetUzeU« EL» Pf» Familien^ NohnungS- und Stelles- Anzeig« 20 Ps. Finanziell, Anzeigen, GeschustSanzeigen unter Text oder an besonderer stelle nach Tarn'. Für da» Erscheinen au bestimmten Tagen u. Plätzen wird kein« Garanti« übernommen. Auzeigrn-Annahme: AugustnSptatz 8, Erke Zohannisgast«. Die Expedition ist wochentags anunterincochen geäffuet von srüh 8 bi» abend» 7 Uhr. Filial-Expedition: Vertin, rHpowstr. 10. § » Dresden, Marienstr. 34. Druck und Verlag vou E. Polz m Leipzig (Inh. Or. V, St. L W. ttlinkhardt). Herausgeber: Or. Viktor Klinkhardt. Nr. 571. Donnerstag 9. November 190L 89. Jahrgang. Var Wichtigste vom Hage. * Der Kaiser verlieh dem König vou Spanien die Kette zum Schwarzen Adler-Orden. * Bei einem Angriff auf Ki lassa in Deutsch-Ostasrika wurden die Aufständischen zurückgeschlagen und er litten schwere Verluste. (S. Deutsches Reich.) * Die Störung des Güterverkehrs in Böhmen aimmt größere Dimensionen an. Die Verwaltung der Dtaaisbahnen hat sich genötigt gesehen, die An nähme von Gütern in ganz Böhmen auf acht Tage einzustellen. (S. AuSl.) * Unter den Mächten herrschen wegen der Amnestiefrage in Kreta noch gewisse MeinungSverschiedenbeiten. Die Enl- schewung der Mächte auf die von den Aufständischen ange botene Unterwerfung wird stündlich erwartet. Vie neuen steichrrleuern. II. Im Anschluß an die vorausgeschickten allgemeinen Betrachtungen mag im Folgenden zunächst einiges zur Reichserbschaftssteuer bemerkt werden. Die Erbschaftssteuer unterscheidet sich von den eigentlichen direkten Steuern, die in regelmäßiger Wie derkehr den Ertrag einer Erwerbsquelle, z. B. deS Grund und Bodens, eines Gebäudes, Gewerbebetriebs, Kapital- oder Rentenbesihes, Lohnverhältnisses usw. (Ertragssteuern), oder das laufende Einkommen eines wirtschaftlichen Rechtssubjektes treffen wollen (allge meine Einkommensteuer, Vermögenssteuer als Er- gänzungösteuer), äußerlich dadurch, daß sie an einen einmaligen wirtschaftlichen Verkehrsvorgang, den An fall einer Dermögensmasse von Todes wegen an de»: Erben oder Legatar, anknüpft und diese VermögenS- masse als solche, ohne Rücksicht auf ihren objektiven Er trag oder das daraus entspringende subjektive Ein kommen, mit einer einmaligen größeren Abgabe belegt. Im Gegensatz zu andern, den eigentlichen DerkehrS- steuern, die, wie z. B. die Stempel auf Wertpapiere, Wechsel und sonstige Urkunden, einzelne im Flusse deS täglichen Geschäfts- und PrivatverkehrS auftretende, die Einkommensbildung irgendwo fördernde oder auch nur bekundende DerkehrSakte mit einer anscheinend niedrigen, wenn auch zuweilen (Börsensteuer!) recht bedenklichen Abgabe belasten und vom Steuerzahler gleich anderen Unkosten oft auf Dritte als Steuerträger uberwälzt werden, hat jedoch die Erbschaftssteuer inner lich mehr Verwandtschaft mit den direkten Steuern, in dem sie, ähnlich den Ertrags- und Einkommens-, bcz. Vermögenssteuern, eine dauernde und offensichtliche Steigerung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit trifft und wie zene vom Steuerzahler auch getragen wird. Als eine direkte, nicht aus dem unpersönlichen, fließenden Verkehr gezogene, sondern der Person als Erben oder Legatars auferlegte und von ihm getragene Steuer wird man sie daher ansehen müssen, wenn man ihre wirtschaftliche und rechtliche Begründung, ihre Be schaffenheit im einzelnen und ihre Bedeutung im Rahmen der Reichsfinanzreform inS Auge fassen will. Die Frage ihrer Begründung hängt eng mit der des Erbrechts überhaupt zusammen. Gegen das Erb- recht wird ins Feld geführt, daß es einen volkswirt schaftlich nicht zu rechtfertigenden Erwerb ohne Arbeit herbeiführe, eine ungleiche Verteilung der Güter mit verderblichem Reichtum einiger Weniger auf der einen und dem Massenelend auf der andern Seite verewige, und selbst bei Vermächtnissen für gemeinnützige Zwecke eine wirkliche, dauernde Anwendung der hinterlassenen Mittel im Geiste des Erblassers keineswegs gewähr leiste Seine Verteidiger halten den» entgegen, daß die beiden großen biologischen Prinzipien der Ver erbung und Anpassung auch im sozialen Organis mus berechtigt und vonnöten seien, das Individuum im Interesse gedeihlicher Kontinuität und Entwickelung der Familie, der Volkswirtschaft und des Staates mit seinen geistigen und körperlichen Eigenschaften auch die materiellen Güter seiner Vorfahren erhalten müsse, die Fürsorge des Einzelnen über sein Leben hinaus für andere Familienleben, Wohltätigkeit, Gemcinsinn, Spartrieb, Tüchtigkeit und Nationalwohlstand fördere, der Wegfall der Möglichkeit solcher Fürsorge hingegen Egoismus, Leichtsinn, wirtschaftliche Indolenz, Armut und obendrein eine übergroße Volksvermehrung im Ge folge führen würde. Je nach dein Gewicht, das man den Gründen auf der einen oder anderen Seite beilegen will, wird man eine gänzliche Abschaffung, Einschrän kung oder Umwandlung des Erbrechtes überhaupt, eine höhere oder niedere, allgemeine oder beschränkte Erb schaftssteuer befürworten oder eine solche an sich als ungerechtfertigt erachten müssen. Die völlige Ab schaffung deS Erbrechts scheidet hier aus, da der Staat dann Erbschaftssteuern nicht mehr erhalten könnte und zu erheben brauchte, sondern alles ihm ungeteilt z»' fallen würde. Eine Einschränkung und Umwandlung des Erbrechts ist denkbar unter den Gesichtspunkten der Blutsverwandtschaft, des sozialen Zusammenhanges des Erblassers mit den Hinterbliebenen, deS Anteils der Erben an der Schaffung des Vermögen« des Erblassers und der bestmöglichen volkswirtschaftlichen Nutzbar machung de« hinterlassenen Vermögens. Die beiden letzten Gesichtspunkte sind von mehr theoretischer Be I deutung. Nach dem dritten sollen auch die, die dem Erb- lasser sein Vermögen als bezahlte Gehülfen oder in sonstigem geistigen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit ihm hchben erwerben und erhalten helfen, Berück- sichtigung finden, auch läßt sich unter dem gleichen, wie unter dem vierten Gesichtspunkte ein Miterbrecht des Staates oder anderer öffentlicher Verbände ableiten, unter deren Schutz und Förderung das Vermögen zu stande gekommen und angewachsen ist und durch deren Hände es nach dem Ableben des Besitzers in seiner Nutzung der Allgemeinheit wieder zugeführt werden soll. Von unmittelbar praktischer Bedeutung sind da- gegen die beiden ersten Gesichtspunkte, für die Gestal tung des Erbrechtes sowohl, wie der Erbschastsbesteue- rung., Eine Einschränkung des Erbrechtes, d. h. des gesetzlichen, in Ermangelung eines Testaments ein tretenden Erbrechts nach der Blutsverwandtschaft, ist in dein Entwurf zum Bürgerlichen Gesetzbuch insofern vor gesehen gewesen, als danach die Verwandtcnfolge init der fünften -Ordnung abschließen sollte. Von der Reichs- tagskommission wurde indessen diese sogenannte Erb- rechtSgrenze, meines Erachtens bedanerlicherweise, wieder fallen gelassen, „um den in heutiger Zeit sich geltend machenden anflösenden Tendenzen entgegenzu treten, die sich gegen den Familienverband richten". Und dabei sind bekanntlich -Onkel und Tanten, Vettern und Basen des Erblassers noch Erben dritter Ordnung, Erben fünfter Ordnung hingegen erst Abkömmlinge der Eltern der Urgroßeltern des Erblassers, also Menschen, die er meist gar nicht gekannt und kaum seinem „Familien verband" noch zugezählt haben wird. Umso dringender erscheint für derart entfernte Grade eine hohe Erb schaftssteuer an» Platze, während sich für die wirklichen Angehörigen, unter dein Gesichtspunkte des sozialen Zusammenhanges, die Beibehaltung des Erbrechts mit einer niedrigeren Steuer empfiehlt. Dieser Grundsatz der Progression nach Verwandtschaftsgraden sowohl, wie nach anderen sozialen Beziehungen ist denn auch rn den meisten Erbschaftssteuergesetzen anerkannt, dagegen wird man es kaum gutheihen können, daß Ehegatten und die gerade Linie, wie eS m den deutschen Gesetzen im Unter schied zu ausländischen vielfach der Fall ist, gänzlich befreit sind und die Progression nach Verwandtschafts graden nicht zugleich mit einer angemessenen Progression nach der Höhe deS Anfalls kombiniert ist. In Sachsen zahlen z. B. 1 Prozent Personen, die dem Hausstand des Erblassers angehört und in demselben in einem Dienstverhältnis gestanden haben; 2 Prozent Ge- schwister; 3 Prozent Geschwisterabkömmlinge ersten GradeS, Schwieger- und Stiefkinder; 4 Prozent Ge- schwisterabkömmlinge zweiten GradeS, Geschwister deS DaterS oder der Mutter, Abkömmlinge ersten Grades von Stiefkindern, Schwieger- und Stiefeltern; 6 Prozent Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern des Vaters oder der Mutter; 8 Prozent die übrigen. Ein Versuch, 1897 die Ehegatten und die gerade Linie einzu beziehen und die Progression nach der Höhe des Anfalls cinzuführen, scheiterte an den» Widerstand des Land- tages. Eine solche Progression und die Heranziehung auch der Ehegatten und Kinder, die in den meisten andern deutschen Gesetzen ebenfalls völlig befreit sind, ist aber im Interesse eines rationellen Ausbaues der Erbschaftssteuer unbedingt zu fordern und mit gutem Grunde zu rechtfertigen. Kleine Anfälle bis 20- oder 50 000 oder irgend einer darunter oder dazwischen liegenden Grenze könnten vielleicht für Ehegatten und Kinder Steuerfreiheit genießen, die Witwe oder der Sohn eines Hunderttausende Hinterlassenden wird sich aber kaum für beschwert erachten können, wenn ihre Erb schaft einer angemessenen Steuer unterworfen wird. G. Schanz bringt die folgenden Sätze in Vorschlag, die von den bestehenden freilich zum Teil erheblich ab weichen, zum Teil aber, so beim 2. und 3., auch noch beim 4. und 5. Verwandtschaftsgrad, sich im Rahmen be stehender (z. B. in Hamburg, Elsaß-Lothringen, Italien, Frankreich geltender) Sähe bewegen. Anfälle ", Ehe.ialten^U'b» 1.U.L Ku. 7. Lu. 0. io. U. 1». Krnd bis 5000 »—> 40 8.0 12,0 16,0 30 0«/. 5 000 - 10000 0,5 4.S 8,5 12,5 17,0 32 0 7» 10000 . 50000 i.o 5.0 9,0 13,0 18,0 35,07 50000 - 100000 1.5 5.5 95 13,5 20,0 4007» 100 000 - 150000 2,0 60 10.0 14,0 220 45,0 7» 150000 - LOO000 2,5 6.5 10.5 14,5 24,0 5007» 200 000 - 300000 3.0 7.0 11,0 15,0 26.0 55 07» 300000 - 400 000 3,5 7,5 11 5 15,5 280 6007» 100 000 und darüber 4.0 8,0 12,0 16,0 30,0 65,0»/» Man kann gespannt sein, welche Sätze und Be stimmungen über die Rcichserbschaftssteuer vorgesehen sind. Jedenfalls wäre es zu bedauern, wenn tatsächlich, wie verlautet, die direkte Linie ohne Rücksicht auf die Höhe des Anfalls freibleiben sollte, denn gerade die glotze Mehrzahl aller Fälle würde damit auSscheiden. Im Interesse eines wirklich angemessenen Ertrages — und einen solchen muß die Steuer doch einbringen, da fern sie nicht lediglich als dekorative Umkleidung der den breiten Volksschichten als Steuerträgern erklär licherweise wenig willkommenen Bier- und Tabaksteuer erhöhung gedacht ist —- bleibt daher zu wünschen, daß in diesen» Punkto noch eine Aenderung eintreten möchte, ninso mehr, als jetzt die ganze einzelstaatliche Erbschafts- steuer in Deutschland kaum mehr als 30 Millionen Mark einbringen dürfte, ein Betrag, der sich im Rahmen der Relchtzfinanzreform recht dürftig ausnehmen würde Vielleicht gibt der Entwurf selbst bald Veranlassung, auf diese, wie noch andere Seiten der geplanten Erb schaftssteuer näher zurückzukommen, für heute mag es genügen, auf einige hauptsächlich in Frage kommende (ft-sichtspnnkte vorläufig hingewiesen zn haben« Deutsches Keich. t-'cipjtg, 9- November. * Reue Kämpfe tn Lftaftika. Bon einem erfolgreich ab- gescklaHenen Angriff rebellischer Eingeborener auf die ost- afri'amfche Ortschaft Kilossa berichtet folgender Kabel- ber cht des „L.-A.": Am 8. November fünf Uhr morgens wurde rie Staiion Kilossa von größeren Massen Aufstänvuckec angegriffen. BesirkSamtmann Lambreck» ichtug »rotz geringer Besatzung den Angriff nach heftigem Gesecht zurück. Der F-ind erlitt große Verluste. Zwischen 5 und 8 Uhr sprach Kilossa wi verholt televbonisch mrt Morogoro; um 8 Uh wurde die Leiiung unterbrochen. *' Afrikanische Verlustliste. Ein Telegramm aus Wind huk meldet: Am 2. November beim Ueberfall eines Wagens bei Uibib gefallen: Unterossisier Otto Oelzner, geb. zu Bock und Teich (Kreis Saalseld), früher Pionier-Bataillon Nr. 1l; Unteroffizier Heinrich Lorein, ßed. zu Pogegen, früher Ulanen-Regiment Nr. >2; Unleroffizrer Gustav Jedamzik, geb. zu Snopken, früher Infanterie-Regiment Nr. 65; Reiter Albert Koch, geb. zu Baverslebrn, früher Telegraphen-Ba- taillon Nr. 2. Am l. November im Felolawrett 3 in Kalk- lontein an Ruhr gestorben: Reiter Rudolf Labusck», geb. zu Sianowo, früher Feldartillerie-Regmrent Nr. 35. Am 1. No vember im Lazarett zu Dawlgnab an TyphuS gestorben: Reiter Jobann Meyer, geb. zu Quickborn, früher Feldarlillerie- Regiment Nr. 9. * König Alpha»»» tn Berlin. Der König von Spanien besichtigte gestern vormittag noch die Sammlungen des Zeug- Kaufes. Um 12 Uhr sand Frühstückstaset im Schlosse statt. Um 1 Uhr begaben sich der Kaiser und der König im offenen Auiomobil nach dem Truppenübungsplatz Döberitz. In drei weiteren Automobilen folgten die Umgebungen und die Herren des Ehrendienstes. Der Kaiser hat dem Könige von Spanien die Kette zum Schwarzen Adler-Orden verlieben, die dem Könige bei seiner Ankunft überreicht wurde. Der König von Spanien hat den Staatsmiuistern v. Tirpitz, v. Bethmann-Hollweg und dem Staatssekretär v. Richihofen das Großkreuz deS Orden» Karl ID., dem Kriegsminister v. Einem das Großkreuz de- Mititärverdienstorden» verliehen. * Von der deutsch»russische,« Grenze. Die König-berger Eiienbahn-Direkiion macht bekannt: Der Personen- und Güter verkehr ist auf folgenden Allschlußstrecken der Linien Wir- ballen-Petersburg eröffnet: auf der Libau—Romuyer Bah» über Koschedary, auf der Riga—Oreler Babu über DwiuSk, auf der Windau—Rybinsker Bahn über Rjeshitza, mit der Nicolai-Babn über Pskow — Gatschma—Petersburg. Die übrigen Anschlußstreckea sind noch gesperrt. Grajewo über nimmt zurzeit Güier nach Stationen der Südwestbahae» außer Odessa und Kiew, sowie nach Stationen der Pot- jässjeschen, der Moskau—Brester und der Charkow—Niko- lajewer Bahnen. Der Personenverkehr über Grajewo ist nur mit den Stationen der russische» Südwestbahne» wieder aus genommen. * Landesverrats-Prozesse. Am 18. November kommen vor dem vereinigten zweiten und dritten Strafsenat de» Reichsgerichts zwei LandeSverraiSprozeffe zur Verhandlung. Unter Anklage der Spionage steht in dem einen Prozeß der Student Wladislaus Pawlowski auS Warschau, der im Mai b. I. dabei betroffen wurde, als er bei Posen vo» Fort V Zeichnungen anfertiate. Die andere Anklage richtet sich gegen eine weibliche Person, deren Personalien noch gebeim gehalten werden. Die Verhandlungen werden unter vollständigem Ausschluß der Ocffenllichkeit stattfinden. * Ttrahendemonstrattonkn i« Teutschlund. Zu dem schon in der gestrigen Morgennummrr kutt gemeldete» Beschluß der Breslauer Sozialdemokratie zu Gunsten einer politischen Straßendemonftration wird »nS aus Brests» folgende» Nähere berichtet: Am Schluffe einer am Montag abend abgehaltenen stark besuchte» Versammlung d«S Breslauer Sozialdemokratischen Verein« — BreSlau ist bekanntlich der Wahlkreis des Adg. Bernstein — regte der Chefredakteur der hiesigen sozialdemokratischen „DollSwacht" Löbe an, beim Parteioorstand in Berlin vorstellig zu werden, um in allen größeren Städten Preußen», am 21. November, am Tage de« Zusammentritts des preußischen Abgeordnetenbauie«, große Straßenvemonstrationen in den Skadt-Zentren zu gunsten eines besseren LanvtagSwahlrecbtS zu veranstalten. Bisher habe die deutsche Sozialdemokratie als die Pionierin der internationalen Arbeiterbewegung gegolten. Angesichts der Vorgänge in Rußland, Oesterreich und Ungarn bestehe die Gefahr, daß Vie deutsche Sozialdemokratie inS Hiuter- trrffcn gerate. — Tischler Preikart, der Vorsitzende der Filiale der Holzarbeiter, wandte sich gegen den Antrag Lobes. Die Zahl der politisch organisierten Arbeiter sei in Deutsck- land noch zu gering. Wenn die Mehrheit der deutschen Arbeiter noch nicht einmal zum Lesen der Parttipresse und zum Eintritt in die politische Organisation zu bewegen sei, so werden sie sich auch zur Teilnahme an Straßendemonstrationen nickt bereit finden lassen. Wir würden ein Fiasko sondergleichen machen. — Andere Redner meinten, die Frage sei sür Deutschland noch nicht spruchreif. — Redakteur Klüß: Wenn wir etwa- derartiges beschließen wollen, dürfen »vir die BeschUißigstung nickt hmauSschieben. Der geeignetste Tag sür die Stragrndemonstralion wäre der Bußtag, der Tag nach dem Zusammentritt de» Landtags. Es wird also höchste Zeit, daß wir unsererseits die Vor bereitungen treffen. Uebrigen« brauchen »vir wirklich nichts zu fürchten, denn bei der Schwerfälligkeit unseres Partei- vorstandeS ist nicht zu erwarten, daß er die Sache gleich in die Hand nimmt. (Heiterkeit und Zustimmung.) — In der Abstimmung wurde mit großer Mehrheit beschlossen, beim Parteivorstand Slraßendemonstrationen iür den 22. November (Bußtag) anzuregen. — Eine politische Diraßendemonstraiion, die in dieser Weise angekünvigt wird, ist von vornberein dem Fluch, oder zagen wir in diesem Fall lieber: rem Segen der Lächerlichkeit anbeiiisgesallen. Nur daß leider die Mög lichkeit eine- solchen Beschlüsse» zugleich beweist, «ie politisch verwirrend der Jenaer Parteitag in Zusammenbang mit den russischen Boraängcn auf sozialvemokratisckt Köpfe grwirkt , bat. Unsere Scharfmacher werken vielleicht nun aus den I.Bußtag- für Konzentrierung de» Militär» in den Kaser«« I Plaid,«ren, vir empfehle» »Nr Löklihtuag «ttvaig« «rpgter selbst gehalten, noch haben es diejenigen der Stellung eines einfachen Professors,^zu ^der eines Lpiridu^ rootor der ganzen russischen P ' ' lebten VierteljahvkiUnoertS erhoben. Der denke achter kann bissen Mann aber nicht anders wahren Revolutionär bezeichnen. Es ist wahr, er war kein roter Revolutionär, er gehörte nicht zu den Leuten, welche, wie die Akkoucheure die Geburt der Freiheit durch blutige Operationen zu beschleunigen versuchen, sobald sie erkennen, daß die zu erioarlende Frucht allzu lange mit ihrem Er scheinen zögert. Er war ein Ivener Revolutionär und Win geistiges Änlitz ist durch die vollständige Verachtung aller Gesetze der Evolution, wie durch sein Streben, das Be stshende gewaltsam zu zerbrechen, gebrandmarkt. Die Roten schreiten sprungweise vor, er schritt ebenso sprungweise rück wärts und suchte Rußlands Entwickelung zurückzubremsen. Pobjedonoszefs ist aus demselben Teige geknetet wie ein Robespierre. Der Advokat aus Arras Ivar ein aufrichtiger Gegner der Todesstrafe und schickte trotzdem, um Frankreich zu retten, Tausende seiner Landsleute aus die Guillotine. Der Moskauer Professor hingegen ist ein überzeugter Jünger Christo und ein glühender Verteidiger des ruffichen Reiches, allein im Namen Christi hat er alles geistige Leben im Lande erwürgt und dem rMschen Staate mehr Feinde gemacht, als die flammendsten Reden aller extremsten Elemente zusammen. Er lieh die Menschen nicht öffentlich hinrichten, wie ein Robespierre, aber als Minister der geistigen Angelegenheiten führte er ein Regime, bei dem die Menschen sich selbst bei lebendigem Leibe in der Erde be gruben. Man denke nur an den Altgläubigen Feodor Ko- waleff aus Tiraspol! Der halb vergessene Leontjeff sagte einmal, baß Rußland vor dem Zerfall nur dadurch zu retten sei, daß man es — eiiifriersn lasse. PobjodonoSzsff ging noch weiter. WS Pedant der Revolution wollt« er Rußland auf den Stand- puwkt de« 16. Jahrhundert» zurücksühren und strebte danach, dem Volke einen ihm fremden KlerikaliSmu» aufzumötigen und s«Mt die Rolle «ineS Patriarchen Nikon m Zivil- unfform zu fielen. GS wurden kirchliche Parochialschulen überall einaeführt, und zwar mit der Absicht, dem Volke Unbildung und Schein heiligkeit geradezu einzuimpfen. Di« russische Geistlichkeit mußte notgedrungen nebenbei da» Ami der Geheimpolizei übernehmen, und die griechische Religion selbst wurde zu einer Handhabe der weltlichen und dabei niederträchtigen Politik mißbraucht. Der negative Pol de» wirklichen russischen Sein» und Lebens nahm den Krieg mit dem positiven aus, und Lev Tolstoi ward mit dem Bann der griechisch-rechtgläubigen Kirche belegt. Die Schatten eine» Giordano Bruno und eine» Svinoza tauchten wieder aus. Die Mönche deS Ssolowezki- schen und des Ssusdalschen Masters wurden zu Kerker- meistern herabgewürdigt. Welch firistere Abgründe bargen sich in der Seele eines solchen Menschen, dem man weder Verstand noch Willens kraft a-bfprochen kann. Welch ein Rätsel für den Psycho logen. Wie schade, daß so reiche Begabung nur zum Ver nichten und Zerstören mißbraucht wurde! Der verstorbene Philivpvff erzählte: „Pobjedonoszeff wandte sich eines Tages an mich mit der Bitt«, einen Mewschen bei der Reichskontrolle onzustellen. „Sehr gern", sagte ich ihm, „allein Ihr Proteg6 ist ein Gauner." „Ja, wer ist denn heutzutage kein Gauner?" antwortete er mir ganz kaltblütig . . ." Welche tiefe Verachtung seiner Um- aübnng und seiner selbst klingt einem aus diesen Worten entgegen. Um seine Zwecke zu erreichen, scheute PobjedonoSzsff kein Mittet. Man braucht nur einmal- in dem „MoLrowfki Ssbornick" zu Mttern, up» sich davon zu überzeugen, daß di« hier vorhandenen, von ihm selbst redigierten Berichte und Erlasse de» ProkureurS de» heiligen Svnod» an Bosheit und Verschlagenheit seM einen Mephistopheles übertreffen. In emem Privataespräche äußerte dieser bisher allmächtig« Mann einem noch lebenden Redakteur gegenüber folgende Ansicht über die Press«: „Zeitungen sind nichts anderes als Koketten. Wie diese seilen Frauenzimmer versuchen di« Or- gane der Presse durch allerlei Listen die Leser anzulocken... Diese Damen schminken sich rot, verdrehen die Augen, stecken sich künstliche Federn in die Hüte ... das geht noch an, aber im Interesse der allgemeinen Gesundheit müssen sie stets unter ärztlicher Aufsicht gehalten und die erkrankten, dec Ansteckungsgefahr wegen, sofort isoliert werden. Sehen Sla gernde so verfahren wir mit den Zeitungen: ihr kokettiert mit dem Publikum, liebäugelt mit den Liberalen und Frei- sinnigen und sogar mit den Sozialisten . . . Nun, sobald dann der Verdacht aünteigt, daß irgend eine dieser Zeitungen „krank" ist, daß sie derartige politische Ideen am Ende im Ernste zu verfassen gedenkt, da treten wir zur rechten Zeit dazwischen und sagen: „Bitte in die Quarantäne!" . . .Wir suspendieren das Watt dann bis zu acht Monaten oder verbieten «s ganz!" ... Pobjedono-MS «Leitfaden des bürgerlichen Rechtes" gilt sür «in vortreffliches Werk, allein die abstrakten juristi schen Gedan-ken haben das H«P dieses hoben Staatsbeamten vollkommen au-gedörrt. In seinen Augen haben die Men schen guiaehört, noch lebende Wesen zu sein, und müssen in allen Stucken in seine Formeln hineinpassen. Den lärmen den Strom der lebenden, schaffenden Bolkskraft wähnt« er vom grünen Tische ans durch Maßregeln und Verordnungen eindämmen zu können . . . Und so fiel er denn endlich selbst wie «ine Eiche im Walde durch die unsichtbaren Kräfte eine» jungen Nachwuchses, dem sie Luft und Licht benahm. Die Eiche liegt m,n am Boden. Nicht mehr werden giftige Dünst« sich unter ihr bilden und nicht mehr unter ihrem Schatten wilde Tiere Zuflucht finden. Im April de» Jahr«» 1881 gelana «S PobjedonoSzeff, die freiheitliche giewegung für eine lange Reihe trauriger Jahre aufzu- kalten. Auf jeinc Veranlassung wurde Loris-MetikosfS Projekt verworfen und di« Konstitution nicht proklamiert. Aushalten aber heißt noch nicht au» der Welt schaffen! Di« historisch« Notwendigkeit und die zwingend« Wabrkeit brachen sich endlich doch Babn. und der Sieg ist um so kost barer, al» dadurch auch «in so mächtiger Gegner wie PobsedonoSzew beseitigt wurde, und die schöpferischen VolkS- kräst« über die verderblich« Rsocktum diSse» weis,«» Revo lutionär» «üblich doch trmmpdier«^ pobsräonorrekk, Oer ^evolutionär. In ihrer «rsten Nummer, welche nach den Streiks in Petersburg endlich wieder erschien, widmen die „Blüh. Wed." dem von seinem Amte zurückgetrctenen Prokurnrr de» heiligen SynodS, dem vielgchaßten rüsiffchen Papste, folgenden Nachruf: Für «inen Revolutionär hat sich Pobjedonoszesf weder selbst asbaltaii. noch haben es diejenigen getan, welche ihn aus Politik" während des Der denkende Beob- als einen
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