Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981125026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898112502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898112502
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-11
- Tag 1898-11-25
-
Monat
1898-11
-
Jahr
1898
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
88S0 Deutsches Reich. 8. v. verlta, 24. November. Der BundeSrath erledigte m seiner heutigen Plenarsitzung außer den schon «itgetheiltrn Arbeiten noch folgende Angelegenheiten. Er «rtdrilte einem Antrag, betr. die Feststellung de» Rübe» gehalt» von Reichsbeamten seine Zustimmung. Den zuständigen Ausschüssen wurden überwiesen die Vorlagen, vetr. die Beförderung von Auswanderern durch den Norddeutsche» Lloyd und durch die Hamburg-Amerika-Linie; betr. die Denkschrift über die Ausführung der seit dem Iabre 1875 erlassenen Anlei he gesetzt; endlich betr. den Entwurf zum BesoldungS- und PrnsionSelat der Reichsbank- beamteu, mit Ausnahme der Mitglieder dcS ReichSbank- directoriumS, für 1899. Schließlich wurde über einen dem Kaiser zu machenden Vorschlag für die Besetzung einer Rathsstelle beim Reichsgericht und über eine Reihe von Eingaben Beschluß gefaßt. U Berlin, 24. November. (Für die Kaiser-Wilhelm- Bibliotbrk) geht in diesen Tagen von der königlichen Bibliothek in Berlin aus eine neue Sendung von 2l Kisten nach Posen ab. Abgesehen von de» Geschenken Privater und einzelner kleinerer Verleger, ist darin der erste und kleinere Theil der außerordentlich zahlreichen Doppel exemplare der königlichen Bibliotbek enthalten. An der genannten Berliner Centralstelle treffen täglich Doubletten- verzeichnisse von Gymnasien und höheren Lehranstalten fast au- allen Provinzen Preußens ein, die in gar nicht seltenen Fällen — erwähnt seien in der Hinsicht z. B. die Gymnasien von Neuruppin, Bromberg u. s. w. — sehr wertbvolle ältere Werke und Zeitschriften, sowie Schul programme aufweisen. Wie schon erwähnt, werden jetzt auch die deutschen Großindustriellen und Kaufleute um Spenden für das große nationale Unternehmen angegangen. Auch hier hat das Comitö schou schöne Erfolge zu verzeichnen. Dem Vorgänge der Stadt Leipzig, die außer einer werthvollen Büchercollcclion aus der von ihr erworbenen Bibliotbek Heinrich von Treitschke'S 500 -4! spendete, folgend, hat jetzt auch die Stadt Dortmund 100 der Kaiser-Wilhelm-Bibliothek überwiesen. So ist auch nach der Richtung hin ein erfreulicher Anfang gemacht. Entgegengenommen werden diese Beträge entweder von der Allgemeinen Deutschen Creditanstalt in Leipzig oder aber von der Cafse der Generalverwaltung der königl. Bibliothek in Berlin (Berlin L., am Opernplatz). * Berlin, 24. November. Der Entwurf eines NeichS- versicherungSgesetzeS ist, wie die „Gothaische Ztg." aus angeblich zuverlässiger Quelle erfährt, im Reichsaint des Innern nunmehr sertiggcstellt. Bei den vorbereitenden Be- rathungen mit Autoritäten des Versicherungsfaches haben die grundsätzlichen Bestimmungen des Entwurfs im Wesent lichen die Billigung der Sachverständigen gefunden. Die Bundesregierungen haben den Entwurf mit Erläuterungen nunmehr erhalten, um zu demselben Siellung zu nehmen. Wie daS Blatt hört, beschränken sich die Besrimmuiiqen auf die öffentlich rechtliche, d. h. gewerbe- und verkehrspolizeilicht Seite Les Versicherungswesens, während die privatrechtliche Regelung des Ver sicherungsvertrags als minder dringlich einem späteren Acte der Reichsgejetzgebung Vorbehalten bleibt. Für private VersicherungS- unternehmen aller Art ist Concessiouspflicht und Staatsaufsicht vor gesehen. Die Aufsicht über solche kleineren Anstalten, deren Arbeitsfeld auf da- Gebiet eines einzigen Bundesstaates beschränkt ist, soll den Behörden dieses Bundesstaates obliegen, die Aufsicht über die größeren Anstalten soll dagegen unmittelbar durch daS Reich und zwar durch eine besonders zu diesem Zwecke zu schaffende Reichsbehörde ausgeiibt werden. Zur Mitwirkung bei der Aussicht soll der zu bildenden Reichsbehörde ein aus Sachverständigen und Praktikern des Versicherungswesens zusaininengesetzter Versicherungs beirath beigegrben werden. Wie weiter verlautet, beschäftigt sich der Entwurf nur mit den Rechtsverhältnissen privater Bersicheruiigs- untcrnehmungen; öffentliche Versicherungsanstalten, namentlich die öffentlichen Feuersocietätrn und die in einzelnen Theilen des Reichs vorhandenen öffentlichen Hagel- und BiehversicherungSanstalten, sollen in ihrer Rechtsstellung unberührt und nach wie vor dem Landesrecht unterstellt bleiben. In gleicher Weise soll die auf Landesrecht be ruhende steuer- und stempelrechtliche Behandlung der Versicherungs anstalten, des Geschäftsbetriebes ihrer Agenten und der Versicherungs abschlüsse unberührt bleiben. — Dem verstorbenen Vice-Admiral Bätsch widmet im Namen des See-OfficiercorpS der Admiral v. Knorr folgen den Nachruf: In ihm verliert die Marine einen Flaggofsicier von ungewöhn licher Befähigung für seinen Beruf, der während einer 3öjöhrigen activen Dienstzeit in allen Stellungen, zu denen er berufen wurde, mit vollster Hingebung für den allerhöchsten Dienst ganz Hervorragendes geleistet und die Entwicklung der Marin« in hohem Maße gefördert hat. Er war rin Muster ernster militairischer Pflichtausfassung, streng im Dienst, aber vor Allem gegen sich selbst, dabei warmen Herzen», von vornehmster Gesinnung, ein Vorbild aller militairischen Tugenden, insonderheit rücksichtsloser Thatkraft und Entschlossenheit. Sein Andenken in der Marine wird daher unauslöschlich sein. — Der EnltuSminister vr. Bosse ist, wie wir der „Kreuz-Ztg." entnehmen, aus der Rückreise von Palästina über Athen, Neapel, Rom, Florenz und Venedig in Wien angrkommen; er gedenkt, in diesen Tagen nach Berlin zurück- zukehren und die Geschäfte seine« Ressort« wieder zu über nehmen. I)r. Bosse hat auf der Hin- und Rückreise iu Genua, Haifa. Athen, Neapel, Rom die Schule» der deutschen Colonien besichtigt und, wo irgend thunlich, von dem Unter- richtsbetriede Kenntniß genommen. Im Orient hat er namentlich auch die Krankenanstalten, insbesondere da- „Leprabeim IesuShilfe" der Brüdergemeinde einer eingehenden Besichtigung unterzogen. Die archäologischen Institute in Alben und Rom sind von ihm ebenso, wie da« preußische historische Institut im Palazzo Giustiniani in Nom eingehend in Augenschein genommen. — Der kaiserliche Gesandte iu Bern, Wirkliche Geheime Rath Freiherr von Roten ban hat einen kurzen Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit sungirt der etatS- mäßige LcgationSsecretair LegalivnSrath von Bülow als Ge schäftsträger. — Der deutsche Botschafter in London, Gras Hatzfeldt, wird diese Woche von seinem Gute Sommerhof bei Wies baden nach England zurllckkehren. Ehe er sich nach Brighton für den Winteraufenthalt begiebt, wird er die Königin in Windsor besuchen. — Der Reichstagsabgeordnete KammergerichtSrath a. D. vr. Müller bat die freisinnige Landtag-candivatur im 2. Berliner Wahlkreis abgelehnt. — Bon agrarisch-conservativer Seite wird eine Inter pellation in der Quebrachozollsrage angekündizt, die dem Reichstag gleich nach seiner Eröffnung zugeben soll. — DaS NeichSversicherungSamt soll durch die Bil dung einer neuen Spruchkammer eine Erweiterung erfahren, da die einlaufenden Recnrse innerhalb der bisherigen Organi sation sich nicht mehr erledigen lassen. Die entsprechende For derung wird im Etat für 1899 zum Ausdruck kommen, ebenso eine Forderung für die Gliederung des ReichSgesundbeitS- amteS in mehrere Abtheilungen mir besonderen Abtbeilungs- vorstehern. Diese Gliederung ist, wie die „Voss. Ztg." schreibt, durch die Errichtung einer biologischen Abtheilung in Verbindung mit dem sonstigen ständigen GeschäftszuwachS dcS ReichSgesundheitSamts erforderlich geworden. Der Etat für 1899 fordert die Schaffung einer medicinischen Abtheilung und die Einstellung eines ärztlichen Hilfsarbeiters; auch für die Stelle eines Botanikers zeigt sich die Anstellung eines geeigneten Fachmannes für die Zukunft unentbehrlich. — Wie die „N. A. Z." erfährt, besteht im ReichSamt deS Innern die Absicht, dem BnndeSratb eine Vorlage betr. die Verbesserung der Erntestatistik zu machen. Es bandelt sich um die Beseitigung folgender beiden Mängel: 1) Die Zahlenreiben der vorläufigen und der endgiltigen Ernte-Ermittelung weichen regelmäßig ganz erheblich von einander ab. 2) Die endgiltigen Ergebnisse kommen regel mäßig für die Zwecke, denen sie dienen sollen, zu spät. — Neber weitere Entlassungen von Post-Unter beamten wird dem „Vorw." mitgetbeilt, daß neuerdings auch in Hildesheim und in Hannover einer großen Zahl von Unterbeamten gekündigt worden ist. Es bandelt sich in allen Fällen um Beamte, die noch nicht fest angestellt waren. In dem einen Falle soll eS sich um etwa rin Dutzend, im andern um ca. 50 Beamte handeln. — Ein Fall von TerroriSmuS, wie er von „zirlbe- wußten Genossen" so häufig bei Streiks auSgeübt wird, beschäftigte wieder einmal das Gericht. Vor der 6. BerofungS- straskammer des Landgerichts I standen die Anstreicher Karl Graßmann, Albert Miederjahn und Adolf Lindner. Sie waren wegen Vergehens gegen den tz 153 der Reichs gewerbeordnung vom Schöffengericht verurtheilt worden und zwar die beiden Erstgenannten zu je drei, Lindner zu zwei Monaten Gefängniß. Es war folgender Tkatbestand als er wiesen angenommen worden. Im Juli d. I. waren die An geklagten nebst noch etwa 30 anderen Arbeitern im Dienste deS Malermeisters Plodki mit dem Anstreichen der Bahn hofshallen auf dem Schlesischen Bahnhofe beschäftigt. In der Mittagspause deS 19. Juli kamen mehrere Arbeiter dahin überein, daß sie einen höheren Lohn erzielen oder die Arbeit niederlegen wollten. Als ihr Meister die Mehrforderung ablehnte, legte der größte Theil der Arbeiter die Arbeit nieder. In einem benachbarten Schanklocal sand eine Besprechung statt. Miederjahn, der zumeist daS Wort führte, erklärte: „Wer von den anwesenden Arbeitern die Arbeit wieder ausnehme, könne von den College« nicht mehr geachtet werden und bekäme seine ordentliche Reinigung." Der Anstreicher Wille hatte sich an der ArbeitS- einstellnng nicht betheiligt. Als er am Abend die Bahnhofs halle verließ, wurde er am AuSgange von Graßmann, Lindner und Anderen erwartet. Er wurde überfallen und geschlagen, obgleich er sich nach Kräften wehrte. Am folgenden Morgen wurden Wille und die übrigen Arbeitenden wieder von den Ausständigen belästigt und bedroht. Miederjahn rief ihnen zu: „Wer beute die Arbeit wieder aufnimmt, dem schlagen wir die Knochen entzwei, und dem Ersten, der arbeitet, wird die Leiter unter den Füßen fortgezogen." An diesem und dem folgenden Tage hielten sich die Ausständigen vsr der Bahnhofshalle auf, so daß der Meister e« für gr- ratben hielt, sich umi Schutze der Arbeitende« polizeiliche Hilfe zu erbitten. Hierdurch wurde denn auch weiteren Aus schreitungen vorgebeugt. Während Graßmann sich bei dem schöffengrrichtlichen Erkenutniß beruhigte, hatten Miederjahn und Lindner Berufung eingelegt und behauptet, daß sie nicht in dem Maße bei den Vorfällen betheiligt gewesen seien, wie eS vom Vorderrichter angenommen war. Die Beweisauf nahme hatte indessen dasselbe Ergrbniß wie in der ersten Instanz, so daß der Vertheibiger sich nur gegen die Höhe deS Strafmaßes wenden konnte. Der GercchtShof setzte da« Strafmaß auf je sechs Wochen Gefängniß herab. — Gegen die neuen, am 1. September d. I. in Kraft getretenen Bestimmungen, betreffend die Abfertigung und Be förderung von unverpackt aufgegebenen Zwei rädern auf den preußischen StaatSbabuen, hat der Verein deutscher Fahrradfabrikantcn eine Petition in Umlauf ge setzt, welche an das preußische Abgeordnetenhaus gerichtet werden soll und die Aufhebung jener Vorschriften bezweckt. Die Petition weist darauf hin, daß unausgesetzt Klagen deS radfahrenden Publikums über die Erschwerung des Eisen bahntransportes mitgeführter Fahrräder, der sick früher glatt und mühelos vollzog, da die Fahrräder als Paffagiergut be handelt wurden, laut werden, und daß eine solche Erschwe rung de» Verkehrs die Einschränkung deS FahrradverkehrS und damit unmittelbar die Schmälerung des Absatzes der Fahrradfabriken zur Folge haben muß. — Der Präsident deS Evangelischen OberkirchenrathS, Wirkliche Geheime Rath v. vr. Barkbausen, ist von der Reise nach Jerusalem zurückgekehrt. — StaatSsecretair v. PodbielSkt ist zur Jagd in Santomischel, Reg.-Bez. Posen, einqetrofsen. * stiel, 24. November. Den „Berl. N. Nachr." zufolge bestätigt eS sich, daß der bisherige Chef des Stabes deS ObercommandoS der Marine, Contreadmiral Barandon, die Oberleitung der von der Firma Krupp erweiterten und durch die Verlegung der Tegeler Maschinenbauwerkstätten zu einem der bedeutendsten Etablissements werdenden Germaniawerft übernimmt. Herr Barandon hat bereits seinen Wohnsitz in Kiel genommen. * FriedrtchSruh, 24. November, lieber den Besuch der Deutsch-Oesterreicher in FriedrichSrub enthält die „Magd. Ztg." noch folgenden Bericht: Unter Führung des ReichSrathSabgeordneten Schönerer hatten sich am 19. b. M. die „BiSmärcker" aus Niederösterreich, Oberösterreicb, Salz burg, Böhmen, Mähren und Steiermark mit dem MittagS- zuge in FriedrichSruh eingefunden. Die Theilnehmer, sämmt- lich in schwarzer Kleidung, die weichen Hüte mit Sträußchen anS Heidekraut und Kornblumen geschmückt, wurden am Bahn hose im Auftrage deS Fürsten Herbert vom Oberförster Tietze herzlich begrüßt und sofort in den Park geleitet. An der Spitze deS Zuges schritten die Abgeordneten Schönerer, Iro und Kittel, dahinter die anderen Herren, sämmtlich prachtvolle Kränze und Palmenzwcige tragend. Von den ersteren fiel besonders ein Riesenkiaur auS frischem Edelweiß auf, der auf den in den alldeutschen Farben gehaltenen Schleifen die In schrift trug: „Dem eisernen Kanzler — die Deutschnationalen Salzburgs", ebenso ein mächtiger Kranz aus Eichenlaub und Heidekraut mit der Widmung: „Heil Bismarck — deutscher Turngau Nordböhmen." Im Park angelangt, nahmen die Tbeilnebmer vor dem Fenster von BiSmarck'S Sterbezimmer Ausstellung, von wo auS man einen sehr guten Ueberblick über die Aufbahrung und das ganze Zimmer nehmen konnte. Die Abgeordnete» Schönerer und Iro, sowie Herr Gagstatter aus Salzburg traten nunmehr in das Zimmer und legten die mitgebrachien prachtvollen Blumenspenden am Sarge selbst nieder. Schönerer gab in kurzen, aber zu Herzen gehenden markigen Worten im Namen der Dentschnationalen Oesterreichs den Gefühlen der ewigen Treue und Dankbarkeit an den großen Tobten Aus druck und umarmte und küßte Iro und Gagstatter. Nach der Rückkehr dieser Herren traten die BiSmärcker mit ver schlungenen Händen im Halbkreise zusammen und sangen, von der Weihe dieser Stunde zu Thränen gerührt, das BiS- marcklied: „Hast Du dem Lieb der alten Eichen". ES bot einen eigenartigen und tiesergreifenden Anblick, als diese Gruppe ernster, kampferprobter Männer an solch historischer Stätte thränenden Auges dieses herrliche Lied sang, umrauscht von den letzten trockenen Blättern, die der leichte Herbstwmd von den Eichen schüttelte. Den Rest de« Nachmittags ver brachten die Oesterreicher im Sachsenwalde, um AbendS wieder nach Hamburg zurückzukehren. * vraunschweig, 24. November. Der Landtag bat einen Antrag angenommen, wonach schulpflichtige Kinder im Gastwirthsaewerbe während des Winter» nicht über 8, während des Sommers nicht über 9 Uhr hinaus beschäftigt werben dürfen. liV. Posen, 24. November. vr.WladiSlau« SzuldrzyuSki, früheres Reichstagsmitglied, ist gestern im Alter von 70 Jahren auf seinem Rittergut Sierniki gestorben. Derselbe gehölte der polnischen Fraction a n. Er war ein Mitbegründer und einer der Haupt- actionaire d-S hiesigen Partei-officiösen „ Dziennik PoznanSki". D Köln, 25. November. (Telegramm.) Cardinal Krementz veröffentlicht in der „Köln. VolkSztg." unter Hin weis auf die hochherzige Schenkung d«S Kaiser« einen Aufruf an die Katholiken Deutschland« zu Beiträgen für di« Er richtung einer Mariakirche auf dem Grundstücke der Dormitiov äs la 8aints Viorge. * Gotha, 24. November. Die Hande l«kammer deS Herzogkhum« übrrwie« nach der „Magdeb. Ztü " ein Gesuch hiesiger Firmen, Schritte „gegen d,e massenhaften Aus weisungen von Dänen au« Deutschland" einzuleiten, dem Ministerium zur Erwägung. * veuthen, 24. November. DaS hiesige Schwurgericht verbandelte gestern gegen sechs Angeklagte, darunter eine Frau, wegen LandfriedeuSbruchS, den sie in Bogutschütz am ReichStagSwahltage verübt haben sollten. Die Tumulte waren dadurch hervorgerufen worden, daß die Angeklagten behaupteten, e» seien Unregelmäßigkeiten bei der Stimmen zählung vorgekommen. Verurtheilt wurden Furgol zu neun Monaten Gefängniß, Kischka zu 1>/, Jahren Zuchthau S, die Anderen wurden freigesprochen. Der Staatsanwalts- antrag lautete: Furgol vier Jahre Gefängniß, Kischka drei Iabre Zuchthaus. (D Vaden-Baden, 25. November. (Telegramm.) DaS Kaiserpaar ist gestern AbendS um 9>/, Uhr hier ein getroffen und von dem Großherzog und der Groß herzogin am Bahnhofe begrüßt worden. Die Fahrt durch die reichgeschmückten, illuminirten Straßen der Stadt nach dem aroßherzoglichen Schlosse fand unter dem Jubel der Bevölkerung statt. Oesterreich-Ungar«. Mintsteranklage. * Wien, 24. November. Abgeordnetenhaus. (Fortsetzung.) Abg. Byk (Polenclub) mißt die Schuld an den Excessen der anti- semitischen Agitation bei. Abg. Karat ntcki (polensreundlicher Ruthene) erklärte, er sei kein Anhänger der Ausnahme» Verfügungen, doch sei die Verhängung deS Ausnahmezustandes aolhwendig geweie». Die Regierung habe nur ihre Pflicht erfüllt. Hieraus wird rin Antrag auf Schluß der Debatte angenommen. Generalredner contra Abg. Milewski (Polenclub) wir- die gegen die polnische Verwaltung in Galizien erhobenen Vorwürfe zurück und stellte an der Hand von Daten das Bild der fort» schreitenden Entwickelung des Schulwesens in Galizien dar. An einer ungenügenden Entwickelung der Industrie sei nicht die herrschende Partei, sondern seien ander« Verhältnisse deS Lande-Schuld. Redner wies nach, mit welchen Schwierigkeiten jede Reform in Galizien zu kämpfen habe, und schloß, seine Partei werde trotz deS Hasses, der ihr von den Socialdemokratrn und anderen Parteien im Lande rntgrgengebracht werde, für den weiteren Fortschritt in Galizien sorgen. Die Rede wurde beifällig ausgenommen. — Nachdem der Generalredner pro Ok uniewski (radikaler Ruthene) ausgrführt hatte, daß die Boraus- fetzung für die Verhängung des Ausnahmezustandes, nämlich die Gefährdung der persönlichen Sicherheit, nicht gegeben war, erklärte der Abg. D aSzy nski, daß in 18 der 33 betroffenen Bezirke nicht der allergeringste Grund für dieVerhängung deS AuSnahmrzustandeS war.— ES folgte nun eine Reihe thatjächlicher Berichtigungen. Abg. Pattai wendete sich gegen bieAussührungen des Ministerpräsidenten in der letzten Sitzung bezüglich der Juden und sagte u. A.: Der Ministerpräsident bade vor den Juden ein Compliment gemacht, um den Ausgleich mit Ungarn zu erleichtern. Abg. Engel erklärte Namens der Tschechen, dieselben werden gegen den Antrag stimmen. Redner wünscht eine baldige Aushebung deS Ausnahme» zustandes. Nachdem Abg. Pferche sich Namens des deutschen BürgerstandcS dagegen verwahrt hatte, daß Graf Thun sich als Staotsrelter vorder Socialdemokratie aufspiele, beantragteAbg. Wolfs Schluß der Sitzung und darüber namentliche Abstimmung. Der Antrag auf namentliche Abstimmung wurde nicht unterstützt und der Antrag aus Schluß der Sitzung abgelehnt. Die Sitzung dauert fort. - Unter den weiteren thalsächlichru Berichtigungen bemerkt der Abg. Herold gegenüber dem Abg. Pferche, welcher gesagt habe, daß die Prager Unruhen von den Jungtfchechen anqestistet seien, derAbg.Pferche möge daS beweisen. Abg.Pferche erklärt, die Jungtschechen haben die Prager Excesse angestistet und bezahlt. (Widerspruch bei den Tschechen. Große Unruhe.) Abg. Pferche beruft sich auf Zeitungsstimmen. Abg. Herold constatirt, Abg. Pferche brachte nicht dir geringsten Beweise für seine Behauptung. Die that- lächliche Untersuchung habe nach keiner Richtung hin etwa» ergeben, daß Redners Partei Unruhen angestiftet hätte. DaS HauS schreitet zur Abstimmung. Ter Anklageantrag des Abg. Daszynski wird, wie schon telegraphisch gemeldet, mit 189 gegen 96 Stimmen ab gelehnt. Der größte Tdeil des verfassungstreuen Mroßgrund» besitzes, Italiener und rin Theil der Mauihlerpartri, war abwesend. Die Forderungen der Majorität. * Wien, 25. November. (Telegramm.) Im Abgeord netenhaus« brachte Hochenburger (Dtsche. Volksp.) eine Inter pellation ein, in der er auf die Gerückte hinweist, daß die Regierung die Erfüllung der 26 Forderungen der Jungtschechen und der feudalen Großgrundbesitzer zugesichert Hobe. Da dir Erfüllung dieser Forderungen nur unter abermaliger Schmälerung des Besitz standes der Deutschen durchführbar wäre, so fragt die Interpellation, ob die betreffenden Gerüchte begründet seien. Li« Obstructiv» tu Ungarn. * Pest, 24. November. Ministerpräsident Baron Banffy gab in der heutigen Conferenz der Liberalen Partei die Erklärung ab, eS sei leider zu besorgen, daß die Geduld der Partei auch noch iu nächster Zeit durch Ausdrücke der Leidenschaft aus eine harte Probe gestellt werde. So begreiflich auch «ine ener gische Abwehr der Majorität wäre, so müsse er doch bitten, die bisherige würdevolle Ruhe zu bewahren. Das Vertrauen der Krone bleibe der Regierung unver ändert erhalten. Er fühle sich nothgedrungen zur Hervorhebung ermüden mußten, „und es ist ja für uns arme Sterbliche so schwer, diesen zu erreichen". Er lachte über seinen eigenen Scherz. „Padre" Pallamari, der Liebling aller Kinder in der Straße, hatt« stets ein freundliches Lächeln, ein liebes Wort für sie und es machte ihm Vergnügen, ihnen italienische Brocken beizubringen. 'Wenn sie ihm in ihrem harten englischen Accent nachriefen: „buona zourn», doonu 'sura, puckrv mio", dann strahlte sein gutes, altes Gesicht vor Freud«. Sein Dachstübchen bildete seit oielm Jahren seine ganz» Welt. Hier empfing er mit der Hoheit eines Prinzen und der Einfachheit eines Künstlers seine Schüler; hier schlief er und bereitete auch seine einfachen Mahl zeiten zu. In dem kleinen, stets spiegelblanken Kamin brannte Sommer und Winter Feuer. Dieses war ihm ein Freund, dessen erwärmenden Anblick er nicht missen wollt«. Der alte Padre kochte selbst, wusch seine Wäsche, besorgte sein« Einkäufe und strickte sogar seine Strümpfe, kurz, er war in allen seinen Be dürfnissen so unabhängig von der Außenwelt wie Robinson Crusoe auf seiner einsamen Insel. Zum großen Glück Capri's wohnt« ihr Vater, als er sie als zehnjähriges Kind nach London brachte, in einem Hause mit dem alten Pallamari, der sich seiner kleinen Landsmännin warm annahm. Die arm« Kleine kannte kaum ein Dutzend englische Worte; Alles in der ungeheuren Stadt erschien ihr fremd und ab schreckend, ohne den guten Padre, mit dem sie in ihrer Sprache und von ihrer geliebten Insel sprechen konnte, hätte sie sich gar zu einsam und verlassen gefühlt. Sie war überzeugt, wenn die gütige Vorsehung ihr ihn nicht als Retter geschickt hätte, sie wäre damals vor Heimweh gestorben. Er ward ihr Freund und Vater, der sie tröstete, wenn sie zu verzweifeln drohte, ihr gütig zusprach und sie allmählich mit ihrer neuen Heimath befreundete. Wenn sanftes Zuredtn den Schmerzensausbruch des eigen willigen, ungestümen Kindes nicht zu beruhigen vermochte, nahm er seine geliebte alte Geige vom Nagel und begann heimische W«isen darauf zu spielen, das wildpochende Herz Capri's be ruhigte sich nach und nach, die Thränen versiegten und sie lauschte andächtig, bis dir letzten Töne wie in einem Seufzer verklangen. Dann nahm« sie auf sein Knie, erzählte ihr von der gemeinsamen Hennath, an der er noch mit jeder Faser seines Herzens hing, aber auch von England, das ebenfalls seine Vorzüge habe, und lehrte sie spülend Englisch. Er gewann dieses impulsive Kind de» Süden« so lieb, als ob es sein rigen Fleisch und Blut gewesen wäre, denn e« rief tausend glückliche Erinnerungen auS seinem kicheren Leben in ihm wach, die er für imm«r in der Tiefe teine« H»»M»S bv-eabev geglaubt hatte. An all' Das dachte Capri, als sie ihre Schritte auf Nr. 13 lenkte. Der alte Padre sollte der Erste sein, dem sie heute ihr Herz ausschütten wollte, denn er würde am aufrichtigsten ihre Freude theilen, sie am besten verstehen; stand er ihr doch näher als ihr eigener Vater. Wie wird er sich freuen, wenn er von dem großen Glück hört, das ihr heute zu Theil geworden! Si« sieht im Geiste sein überraschtes Gesicht, hört seine Glückwünsche und Segnungen! Schon ist sie am Hause und kann es kaum er warten, daß man ihr öffnet. Als ob sie gejagt würde, fliegt sie di« vier Treppen hinauf und klopft an Padre Pallamari's Thür«. „Herein!" ruft er mit seiner wohlklingenden Stimme. Gerade als Capri das kleine, viereckige, dunkle und dürftig eingerichtete Zimmer betrat, breitete er ein grobes, aber schnee weißes Linnen über den Tisch. „Ah!" rief er freudestrahlend aus und hielt ihr beide Hände entgegen, um sie zu begrüßen. Ihr Besuch war ihm jederzeit sehr willkommen. Sie schlang ihre weichen Arme um seinen Nacken und küßte ihn zärtlich auf beide Wangen, was dem alten Manne ein großes Vergnügen bereitete. „äst, mm tiglin, Du wirst doch dem alten Padre die Freude bereiten, sein bescheidenes Mahl zu theilen. Es schmeckt ihm dann doppelt so gut." „Gerne", rief sie heiter, legte Hut und Jacke ab und nahm auf einer Kiste Platz, dir die Stelle eines Stuhles vertrat. Der Alt« ließ sich in seiner Beschäftigung nicht stören, brachte Teller und Löffel herbei und stellte dann ein kräftig riechendes Ragout auf den Tisch. Es war ein Gericht, wie es nur Italiener so leicht und wohlschmeckend zu bereiten wissen, bestehend aus allerlei Gemüsen, diel Oel und wenig Fleisch. Capri fand es, trotzdem sie es aus einem gesprungenen, irdenen Teller und mit einem ge wöhnlichen Metalllöffel aß, köstlicher als daS reiche Frühstück das ihr bei Mrs. Lorbson auf Silberplatten gereicht worden. „Am Ende", dachte sie, während sie dem armen, aber zu friedenen Italiener gegenüber saß, „am Ende ist das Künstler leben doch ein sehr glückliches und Bohemia ein Land, in dem man ein sorgloses, angenehmes und freies Leben führen kann, ein Leben voller Wonne, wenn man den Versuchungen der Welt und seines eigenen, thörichten Herzens widerstehen kann." Sie fragte sich, ob sie wirklich dieses fröhliche Land und seine leichtlebigen, aber gutherzigen Bewohner für immer verlassen könne. Sie hatt« eS sich so oft gewünscht, doch nun, da die Er füllung dieses Wunsches in Aussicht stand, fiel eS ihr sehr schwer, und sie machte sich Vorwürfe. So sehr sie da« An erbieten der Amerikanerin noch vor einer Stunde entzückt hatte, so bedrückt fühlte sie sich jetzt davon. Der Gedanke, ihre goldene Freiheit zu opfern, erfüllte sie mit Bangen, und dieses verlieh ihrem Wesen eine Weichheit, die sie liebenswürdiger und ge winnender erscheinen ließ, als dieses seit vielen Monaten der Fall gewesen. Sie erwähnte dem Alten vorläufig kein Wort von Dem, was ihre Gedanken beschäftigte; erst als dieser sein Mahl beendet, begann sie: „Padre, ich habe ein großes Glück gemacht, und Sie sind der Erste, der es erfährt; Papa weiß noch nichts davon." „d'iglia mia! „Ich hoffe — nein, ich weiß es, daß Sie sich mit mir freuen werden, denn Sie sind mein treuester Freund." „Ja, Capri, das bin ich", entgegnete er liebevoll und strich ihr zärtlich durchs Haar. „Schütte nur vor mir Dein kleines Herz aus, ich bin verschwiegen wie das Grab." Dabei schmunzelte er verständnißinnig. „O Padre, ein großes Glück steht mir bevor!" „Ich weiß, ich weiß! Du hast Deinem alten Freunde zwar noch nichts erzählt, und doch hat er Augen, um zu sehen, und Verstand, um zu errathen, und ein Herz, um sich mit seinem Töchterchen und deren Zukünftigen, dem braven, tüchtigen und schönen Künstler, zu freuen." „Nein, nein, daS ist cs nicht!" rief Capri erbleichend. Sie war dem alten Manne beinahe böse, daß er ihr Glück mit Marcus Phillips, den er hoch schätzte, in Verbindung brachte. „Nicht?" fragte er erstaunt. Er konnte es gar nicht fassen, daß er den Nagel nicht auf den Kopf getroffen haben sollte. „Jetzt habe ich's!" rief er mit listigem Augenzwinkern nach einer Weile. „Nun?" „Du hast die groß« Entdeckung gemacht, daß Du verliebt bist, aber der alte Pallamari hat eS längst gewußt. O, er hat scharfe Augen, sehr scharfe Augen." „Wieder falsch gerathen!" Sie mußte über seine enttäuschte Miene lachen, wenngleich ihr sehr wehmüthig ums Herz war. „Spanne mich also nicht länger auf di« Folter, denn jetzt bin ich mit meiner Weisheit zu Ende." „Nun denn, ich verlasse Papa und gehe als Gesellschafterin zu einer reichen Amerikanerin." „Du gehst fort?" rief er aufspringend. „Das ist unmöglich, Capri!" „Doch, packre mio. Aber ich verlasse dir Euston Road und Papa nur, um nach Mayfair Lberzusiedeln. ... Ist das keine gute Neuigkeit?" fragt« sie sich, darüber wundernd, daß er fie nicht beglückwünschte. „Ist die Dame reich?" erkundigte er sich nach einer Weile tiefen Nachdenkens. „Sie hat mir 100 Pfund jährlich angeboten." „8L0I-6! 100 Pfund!" Das dünkte ihm eine fabelhafte Summe, ein Vermögen! Er umarmte das Mädchen und lachte und weinte in einem Athem. „Du wirst eine große Dame werden", sagte er mit Thränen in den Augen, „meine kleine Capri wird eine feine Dame!" „Nein, puäre wio, nur eine menschliche Maschine ohnr eigenen Willen." „Aber Du wirst reich fein und hundert Pfund jährlich ver dienen!" „Die Papa mir wieder abnehmen wird", entgegnete sie bitter. „Du wirst in einem vornehmen Hause wohnen!" „Das nicht mir gehört." „Sehe Dich wieder, mein Kind, und erzähle mir der Reihe nach, wie Alles gekommen ist", bat er, sie in den einzigen Lehn stuhl drückend und an ihrer Seite Platz nehmend. Sie erzählte ihm, wann und wo sie die Amerikanerin kennen gelernt, wie gut dieser die Bettelmaid gefallen, wie sie ihren ersten Besuch in Mayfair abgestattet und vor Mrs. Lordson aufs Liebenswürdigste empfangen worden sei, von der kostbaren Ein richtung des Salons, von dem herrlichen Flügel. . . „Spielt sie?" unterbrach er Capri, deren Worten er mit vor Verwunderung weitgeöffneten Augen gelauscht. „Ich glaube kaum . . . Ach, ich wünschte, Sie hätten das reizende Schränkchen, das einst Caterina di Medici gehörte, ge sehen." „O, wie herrlich!" „Und den antiken Koffer." — „Die Beneidenswerthe!" „Und di« tropischen Blumen auf dem Balcon!" „Wenn sie Blumen liebt, muß sie gut sein." „Und den neuen Lakai in der Vorhalle." — „Sie besitzt ja den Himmel auf Erden!" Bei jedem Ausruf des Entzückens gesticulirte er lebhaft, selbst seine Augenbrauen bewegten sich, und die Augen drückten das höchste Erstaunen aus. (Fortsetzung felgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)