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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.12.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981201029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898120102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898120102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-12
- Tag 1898-12-01
-
Monat
1898-12
-
Jahr
1898
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soso Deutsches Reich. Berit», SV. November. (Die Interpellation über die Ouebracho^oll-Frage.) Schon ietzk wird dem Reichstag bald nach semer Eröffnung eine Interpellation Über dir Ourbrachozoll-Frage in Aussicht gestellt, die von den Eonservativen mit Unterstützung eine- TheileS des CentrumS eingebracht werden soll. Auch dieser Ankündigung gegen über können wir nur den Rath erneuern, die kommende Reich-tag-sessiou, die wichtige» BerathungSmaterial genug hat, nicht uvnötbig zu belasten. Nack den vorauf gegangenen Verhandlungen dieser Frage im Reichstage in den Jahren 1895, 1896 und 1897 ist eine derartige Erörterung zum wenigsten in dem gegenwärtigen Zeitpunkte überflüssig. Nach drettägigen Verhandlungen hat der Reickstag am 26. April 1895 eine von dem Abg. Freiberrn von Stumm ein gebrachte Resolution angenommen, welche den Reichskanzler ersuchte, baldthunlichst die Einführung eines wirksamen Schutzzölle- aus Quebrachobolz und die daraus hergeslellten Extrakte und Präparate zu veranlassen. Aus diese Resolution hin bat der BundeSratb eingebende Untersuchungen über dir wirthschaftliche, die zollpolitische und die chemisch-technische Seite der Frage angestellt und den Versuch gemacht, durch Einholung von Gutachten der ausgezeichnetsten Sach verständigen die Angelegenheit nach allen Richtungen hin klarzustellen. Diese Untersuchungen schwebten noch, als am 20. März 1896 über bas Schicksal der Resolution im Reichs tag aufs Neue interpellirt und wiederum eine längere Debatte veranlaßt worden war. Erst am 25. Oktober 1896 bat der BundeSrath definitiv Stellung zu der Resolution genommen, indem er beschloß, ihr keine Folge zu geben. Dieier Beschluß wiederum veranlaßte eine zweitägige Erörterung der Ouebrackofrage am 20. und 2l. Januar 1897, in welcher der StaatSsecretair vr. Graf von Posadvwöky in eingehendster Weise die Stellungnabme des BunvesratbS begründete; daß die Einführung eines Zolles auf überseeische Gerbstoffe, speciell da- Ouebrachoholz, unter den herrschenden Verhält nissen zolltechnisch kaum zu überwindende Schwierigkeiten biete, zollpolitisch in wirksamem Umfang nickt burchzusetzen sei, wirthsckastlich den deuttchen Schälwaldbesitzern nichts nützen, dagegen der deutschen Lederindustrie unzweifelhaft schweren Schaden zufügen würde, und daß insbesondere für die Dauer der Handelsverträge die Einführung der ge wünschten Schutzzölle ausgeschlossen sei. An diesem Stande der Dinge bat sich nichts geändert. Wenn nun, um trotz dem die Agitation in Ganz zu bringen, darauf bingcw esen wird, daß die Einfuhr von Quebrachobolz im Jahre l897 die deS Vorjahres um 135 000 Toppel-Cenlner übertreffen habe, so sollte man auch nicht verschweigen, daß die Einfudr deS Vorjahre- um nicht weniger als 200 000 Doppel-E ntuer hinter der deS Jahres 1895 zurückgeblieben war. Gewiß, die Interessen der deutschen Sckälwaldeigentbümer verdienen in jeder Hinsicht woblwollende Förderung; aber eine Förderung ist es nicht, jetzt mit unfruchtbaren Erörterungen zu kommen, wo so viele dringende andere Aufgaben eine sachgemäße Erledigung verlangen. — Der „Loc.-Anz." will erfahren haben, daß Kaiser Wilhelm entschlossen sei, im nächsten Sommer England zu besuchen. Er wolle im Juli kommen und bis August bleiben und während dieser Zeit mehrere industrielle Hauptcentren Großbritanniens, wenn möglich auch Irlands besuche». — Das vom Kaiser gestiftete Jerusalem kreuz haben, wie die „PotSd. Corr." meldet, nicht alle Theilnehmer an der Palästinafahrt erhalten, sondern nur diejenigen, die gerade an dem Tage der Einweihung der Erlöserkirchc Dienst hatten oder zur Einweihung befohlen waren. Da gegen wurden sie alle von dem Sultan mit türkischen Dekorationen bedacht. Nachträglich werden die Theilnehmer der Kaiserreise auch noch eine Erinnerungsmedaille, die der Sultan schlagen läßt, erhalten. Für Len Kaiser selber wird diese Medaille in Gold, sür Officiere und StandeSpersonen in Silber und für das übrige Gefolge in Bronze herzestellt. — Nach einer Zuschrift, die dem „Hann. Cour." aus Berlin zugeht, ist auf eine baldige Erledigung der lippischen Streitfrage nicht zu rechnen. Man warte, bis durch die Verhandlungen hinter den Coulissen eine dem Kaiser genehme Form gefunden worden sei, wodurch der leidige Fall aus der Welt geschafft oder — vertagt werde. Diese Möglichkeit der Vertagung habe zur Zeit die größte Aussicht, da die Ordnung der Thronfolge in Lippe durchaus nicht dränge und somit der Bundesralb es ablebneu könne, über den Schaumburger Einspruch zu beschließen. Der Großkerzog von Baden sei jedoch bemüht, einen endgiltigen Ausgleich zu vermitteln. — Von angeblich „wohlunterrichteten Seiten" kört der „Loc.-Anz." die Meldung, Herr v. Lucanus werde dem nächst von seiner Stellung als Chef deS Civilcabinets zurück treten, um eventuell ein erledigtes Hobes Reichsamt (Präsident der Oberrechnungskammer) zu übernehmen, sei „völlig auS der Luft gegriffen". — Dem Vernehmen der „Hamb. Nachr." zufolge ist im neuen Invalidenversicherungs-Gesetzentwurf eine Aeuderuu- getroffen, daß die Ausschüsse der Versicherung«. Anstalten, welche bi-brr schon di» Beisitzer der Schiedsgerichte zu wählen hatte«, außer diesen auch die Beisitzer der örtlichen Rentenstellen und die Vertreter der Arbeitgeber und Arbeit nehmer im AnstaltSvorstande, also alle Beisitzer wählen sollen, welche sür die JnvaliditätS- und AlterS-Versichrrung als Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besonder« zu bestellen sind. — Wie zuverlässig verlautet, wird dem Reichstag eine Denkschrift über Kiautschau und seine bisherige Ent wickelung, sowie über die zur Hebung und Ausnutzung diese« Gebietes noch erforderlich werdenden Maßnahmen zugehen. — Neber den Gesundheitszustand der in Kiautschau untergebrackten Besatzungstruppen wird in einem dieser Tage eingetroffeuen Privatbriefe eines Freiwilligen des 3. See bataillons u. A. Folgendes mitgetbeilt: Der GcsundbeitS- »ustand ließ in Folge der für die Regenzeit t beilweise noch ungenügenden Unterkunft zeitweilig zu wünschen übrig, indem die Besatzung unter Dar merkrankungen und in einzelnen Fällen auch unter Malaria zu leiden batte. Jetzt, nachdem die Regenzeit aufgchört hat und die Witterung kälter geworden ist, ist bereits ein: erhebliche Abnahme des Krankenbestandes eingetrcteu. Todesfälle sind seit dem Eintreffen der Bcsatzungötruppen bis beute im Ganzen acht vorgekouimen, von denen einer in Folge eines Unglücks falles eintrat. Da die gcsammte Besatzung KiauisckauS rund 1500 Köpfe zählt, so stellt sich die Procentzahl der Todesfälle in Folge von Krankheiten auf 0,47 v. H. sür die Zeit von 10 Monaten, während z. B. der letzte Jahresdurchschnitt der deutschen Marine 0,3 v. H. betrug. — Der bisherige Director der Bersicherungsgesellichast „Germania" in Stettin, I)r. Anielung, der vor Kurrein von den Geschäften zuriickaetreten ist, Hal jetzt auch seine Stellung als Mitglied deS preußischen Versichern ngsbeiraths niedergelegt. — Hier angekommen sind der deutsche Gesandte in Bern, Frhr. v. Rolen Han, der Bevollmächtigte zum BundeSrath, Staats minister v. Strenge, aus Gotha, der deutsche Botschaster in Washington, v. Hol leben, der hiesige sächsische Gesandte Graf von Hohenthal und Bergen. (-) Harburg, 30. November. Nach der jetzt erfolgten amtlichen Feststellung wurde bei der Landtazsersatzwabl im 7. Wahlbezirke des Regierungsbezirks Lüneburg der Geheime Ober-RegierungSratb Sckweckendieck (nat.-lib.) mit 194 von 246 Stimmen gewählt. Der Gegenkandidat Amtsrichter Hottendorf (Bund der Landwirthe) erhielt 52 Stimmen. * Hannover, 30 November. Die Oberpostdireclion in Hannover erklärt in Berichtigung einer Meldung deS „Vorwärts", daß in Hildesheim und Hannover keine Ent lassung von Po st unterbeamten statlgefunden hätten. Der „Vorwärts" halte behauptet, daß in Hildesbeim 12 und in Hannover 50 Beamten gekündigt worden sei, weil sic der Tbeilnabme an dem Verbände der Postumer- beamten verdächtig gewesen seien. — Der „Hannoversche Courier" meldet: Heule Vormittag wurden sechs anarchisti scher Umtriebe verdächtige Personen, die aus Berlin, Ham burg und Italien kamen, infolge hierher gesandter Photo graphien verhaftet, lieber den Zweck des Hierseins dieser P.rsonen bestehen vorläufig nur Vermuthnngeu. Weiler wird der „Frkf. Zkg." noch von hier berichtet, daß bei sämmtlicheu als Anarchisten bekannten hiesigen Personen heute die Polizei Haussuchungen abgehallen hat. Neber die Ergebnisse sei nichts zu erfahren. brefcld, 30. November. Sämmtliche hiesige mechanische Stoffwebereien trafen event. Streikbewegungen gegen über eine Vereinbarung in Bezug auf den Lohntarif und die Einstellung der Arbeiten. * Bonn, 30. November. Zu einer studentischen Bismarck- Trauerfeier, die gestern in der würdig geschmückten Beethovenhalle stattfand, hatte sich, der „K. Z." zufolge, eine auSerwäblte Versammlung eingesunden, an ihrer Spitze Prinz Friedrich Wilhelm, die Spitzen der Universität und der Behörden und viele Officiere. Die verstärkte Kölner städtische Capelle unter Professor Wüllner'S Leitung spielte den Trauermarsch aus der Götterdämmerung und die Sin- fonia Eroica. Ltuä. tireol. Böliy sprach einen von Prosessor Moldenbauer in Köln gedichteten Prolog. 8tuck. meck. Prorock hielt die Getächinißrede. Ein starker studentischer Gesangchor sang MendelSsvhn-Bartholdy'S Lenti mortui unter Leitung des stellvertretenden akademischen Musikdirektors Köhler. * Karlsruhe, 30. November. Die amtliche „Karlsruher Zeitung" meldet, daß der Kaiser und die Kaiserin unmittelbar nach ihrer Ankunft in Potsdam und dann noch mals am Sonntag früh an den Grobherz og und die Großherzogin von Baden gedrahtet haben, um auSzu- sprechen, wie sehr sie erfreut waren, bei dem großberzoglicheu Paare zu verweilen. DaS Kaiserpaar hat binriigesüzt: „Diese Rückkehr ins Vaterland und der warme Empfang Eures Landes wird uns stets im Herzen bleiben. Ja, wir werden nie den schönen und so ungemein warmen Empfang vergessen, den Ihr und daS Land uns bereitet." Oesterreich U«gar«. Griff Guleubur, teil» Grafen G«l»ch*l»«kt. * Wie«, 30. November. Der deutsche Botschafter Graf zu Eulenburg und der deutsche Militair-Attachs Graf Moltke fuhren, nachdem sie da« Geschenk Kaiser Wilhelm'« Kaiser Franz Josef überreicht hatten, bei dem Minister de« Auswärtigen Grafen GoluchowSki vor. Negterungs-Autiläu«. * Wie«, 1. December. (Telegramm.) Die „Wiener Zeitung" veröffentlicht ein Handschreiben de« Kaiser« an den Justizminister, in dem der Kaiser anläßlich seine« RegierungSjubiläumS volle Amnestie für Verbrechen der MajrstätSbeleidiaung und der Beleidigung von Mitgliedern deS kaiserlichen HauseS, die bis zum 2. December begangen sind, ertheilt, und nach dem 548 anderen Sträflingen der Rest der Freiheitsstrafe erlassen wird. Spanien. Die «arltstengefahr. I. 0. Madrid, 30. November. Eine halbamtliche Mit- theilung erklärt die umlaufenden Gerüchte über massenhafte Einschmuzgelungen von Waffen für unrichtig. Alle Führer und Agitatoren der carlistischcn Partei in den nördlichen Provinzen würden sehr scharf bewacht, und eS seien bisher nur bei einem Agitator zehn neue Gewehre gefunden und bescklagnabmt worden. — Gleichwohl sieht auch die Negierung die Lage als eine sehr ernste an, da Mittbeilungen darüber eiuzegangen sind, daß Vertreter deS Don Carlos mit aus ländischen Waffenfabriken in Unterhandlung stehen. * Bordeaux, 1. December. (Telegramm.) In den letzten au- Bilbao hier eingetroffeuen Zeitungen wird von dortigen Umtrieben der Car listen berichtet. Wie es darin heißt, sollen in der Umgebung Bilbaos Vorsichtsmaßnahmen getroffen sein und namentlich die Klöster überwacht werden. Ferner wird erzählt, daß die Bilder Don Carlos' und Don Jaima's unter Briefumscklägen verbreitet werden. In der Provinz Castillo» habe sich bei Alcala eine kleine Bande ge bildet, die von der Gendarmerie verfolgt werde. In carlistischen Kreisen behauptet man, der Prätendent verfüge über gewisse Hilfsquellen. Die Blätter bestätigen indes), daß keine Anleihe zu Stande gekommen ist. Verstimmung gcgeu Amerika * Madrid, 1. December. (Telegramm.) Tie Ameri kaner hatten den Wunsch zu erkennen gegeben, daS durch den spanisch-amerikaniichen Krieg außer Kraft gesetzte Protokoll von l877 wieder erneut zu sehen, da- amerikanischen Staatsangehörigen besondere Vergünstigungen in allen spanischen Territorien einräumt. Die spanische Regierung lehnte jedoch die Ratification ab. Großbritannien, kaiscrbesuch? * Louöou, 30. November. Der „Birmingham Poft" zu folge soll Kaiser Wilhelm im Juli nächsten JahreS nach England kommen und noch einen Theil de-Monats August hier zubringen wollen, um in der Zeit größere Industrie städte zu besuchen und vielleicht auch nach Irland zn reisen. (Frkf. Ztg.) Orient Tentsch-türkische Beziehungen. * Konstantinopel, 29. November. DaS kaiserliche Jrade, durch welches der türkische Botschafter in Berlin, Divisions general Tewfik Pascha, zum Marschall ernannt wird, besagt, seine außerordentliche Beförderung gereiche dem Sultan zur Freude und sei eine gnadeuvolle Belohnung für seine M twirkung und erfolgreiche patriotische Thätigkeit auf dem Berliner Posten, bei dem Ausbaue der engen freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland, die beiden Neichen zum Woble gereichen. Die Bestallungsurkunde, Menschur genannt, wird Tewfik Pascha durch eine große OsficierSdeputation in Berlin über reicht werden. (Frkf. Ztg.) Kreta. * koustautiuopel, 29. November. Die Notifikation der Mächte an die Pforte wegen der Ernennung des Prinzen Georg zum Obercommissar sür Kreta ist ebenso kurz als kategorisch und bat folgenden Wortlaut: Oes quatrs kuissanees, la ku^io, I'^nxleterre, la kranoe et l'ktalie ont fuge, quo les eireoostaoces leur inäiquaient la oöeessils cle nommer ä Orets un klaut Oommissaire. Olles ont par conrisqueut ässigne pour ces konctions le prinee 6eorges cke (krsco, eonune staut la persouno, qui leur paraissait Stre le mieux iuüiqus pour oecuper ce poste. Olles ont lckouuour cle porter cette Nomination ä la couuaissaves cke la Sublime körte. (Zu Deutich: Die vier Mächte Rußland, England. Frankreich und Italien sind der Ansicht, daß die Umstände ihnen die Noth- Wendigkeit ameigten, aus Kreta einen Obercommissar zu ernennen. Sie haben daher für dieses Amt Len Prinzen Georg von Griechen land bestimmt, da diese Persönlichkeit ihnen am geeignetsten erscheint, Liesen Posten ciiizunehmen. Sie haben die Ehre, diese Ernennung der Hohen Pforte zur Kenntniß zu bringen.) Aste«. Die Gff«,,e«en a«f tze« Vhtltpptue«. I. 6. Madrid, 28. November. Sehr traurig lauten di« Meldungen, welche über die Lage der spanischen Gefangenen auf den Philippinen «inlaufen. Die Aufständischen haben seit Beginn deS Kriege« den Grundsatz befolgt, alle spanischen Einwohner derjenigen Städte, welche in ihr Gewalt fielen, als Gefangene in da- Innere der Insel zu bringen. Hiervon nahm man bisweilen nur diejenigen auS, welche sich durch Geld loSkaufen und sofort weiter reisen konnten. So befinden sich im Innern der Insel Luzon gegen 7000 gefangene Spanier, darunter etwa 500 Frauen und Kinder, welche in elenden Tagalendörfern ein Hungerdasein fristen. Lebensmittel müssen sie sich selbst beschaffen, und fordern die Einwohner dafür die denkbar höchsten Preise. Um hierfür daS Geld zu bekommen, ist den Gefangenen ge stattet, an ihre Angehörigen oder Freunde zu schreiben und sich Geld schicken zu lassen; doch können sie von Glück sagen, wenn von eintreffenden Geldsendungen ihnen die Hälfte ausgeliefert wird. Die Spanier in Manila haben bisher ver- sucht, soweit es in ihren Kräften stand, da« LooS der Gefangenen zu lindern; nunmehr aber haben sich auch in Barcelona und Madrid Hilfsausschüsse gebildet, welche bereits größere Geldsummen telegraphisch nach Manila für die Ge fangenen angewiesen haben. Da indessen jede Bürgschaft dafür fehlt, baß die Unterstützungen auch wirklich den Ge fangenen zugeben, hat man in Madrid die Frage aufgeworfen, ob wohl eine neutrale Macht bereit sein würde, die Ver- theilung der Unterstützungen durch Entsendung einiger Ex peditionen zu überwachen. Unruhen in vrttisch-Jn-ie». * Bombay, 1. December. (Telegramm.) Wie hierher berichtet wird, hält der Mullah die Berge besetzt, die die Straße Pandsckkora-Tschitral beherrschen, und bedroht dadurch den Verkehr auf dieser Straße. ES geht daS Gerücht, er beabsichtige, Tschakdara und Alalakand anzugreifen. Amerika. Tcccntralisation in Eentral-Amerika. * New Vork, 1. December. (Telegramm.) Eia Telegramm aus Managua besagt: Die Begründer der Ver einigten Staaten von Central-Amerika erklären die große Republik von Central-Amerika für aufgelöst. Nicaragna und die anderen Staaten nehmen wieder den Charakter als vollkommen selbstständige Staaten an. Der Frieden scheint bisher nicht bedroht zu sein. Brasilianische Finanzpolitik. * Rio de Janeiro, 30. November. In den Finanz ausschüssen des Congrcsses legte heute Präsident Campo- Salles die Finanzpolitik der Regierung dar. Es wurde ein vollständiges Einvernehmen erzielt. Die Ausschüsse nehmen cs auf sich, die Annahme eines Budgets burchzusetzen, das aut Verminderung der Ausgaben und Vermehrung der Einkünfte gegründet ist. Hierfür wurde bereits die Zu stimmung des CongresseS gesichert. Der Arbeilsminister hat eine Auögabenvcrminterung in der Höhe von 10 000 ConloS Reis angcsetzt. Militair und Manne. U Berlin, 30. November. Die Schiffe „Hohenzollern" und „Hela" haben am 24. d. M. Pola verlassen. Beide Schisse Werde» Cadix anlaufen, die „Hohenzollern" wird dann nach Kiel zurückkehren, „Heia" bis zum 2. December bleiben und am 8. December i» Wilhelmshaven eintresfen. — Das Artilleriefchul- schiff „Mars" wird in nächster Zeil in einem Trockendock der Werft zu Wilhelmshaven docken. Die alte» Schiffskessel sind bereits aus dem Schiff entfernt. — Das Linienschiff „Kaiser Wilhelm II." erhält jetzt ans derselben Werst die letzten Platten des Panzer gürtels. — Zugleich mit den, ersten Geschwader wird auch das Küsteupanzer>chiff „Aegir" morgen Kiel verlassen, um eine mehr» tägige Nebungssadrt zu unternehmen, auf der das Schiff auch Kopenhagen anloufen wird. — Das Schulschiff „Carola" hat am 28. d. M seine Schießübungen mit Schnellladekanonen nördlich von Alsen wieder ausgenommen. — Das neue Kanonenboot „JUis" wird morgen auf der Werst zu Kiel in Dienst gestellt werden. Tie Besatzung sür „Iltis" stellt die Nordseeslaiion. tk Die Stimmung der Fachleute und älteren Seeofficiere in Amerika gegen den Neubau von Monitors, und speciell gegen den Bau der kürzlich bewilligten vier einthürmigen Monitors „Wyoming", „Connecticut", „Florida" und „ArcansaS" von 2700 t Deplacement, scheint jetzt den Secretair des Marine departements zu Aenderungcn in den Bauplänen zu bestimmen. Obwohl der Bau dieser Schiffe schon an Pr vatwerften contractlich vergeben war, hat Mr. Lang, der Marinesecretair, letztere jetzt zur Aeußerung über die Mehrkosten ausaesorderr, die bei nachstehenden Aenderuugen der Abmessungen derSchiff« und Anforderungen entstehen würden. E- sollen dabei die Monitor; statt 2700 t jetzt 4000 t Deplacement, slatt Kohlenräume sür 200 t jetzt solche für 400 t Kohlen, statt eines Thurms mit 2—12"gen Geschützen jetzt zwei Tdürme mit je 2- 10"gen Geschützen erhalten. Ebenso sollen die Maschinen statt 2200 bei den umgeünderten Schiffen 3200 Pferde kräfte indiciren. Eine Abänderung der Baupläne ist noch möglich, da der wirkliche Rau der „Monitors" noch aus keiner der Wersten begonnen hat. — Eines dec für die amerikanische Marine Neue Aufträge werden Dir zuströmen, und Du wirst, wie ich Dir so oft prophezeit, Reichthum und Ruhm ernten." „Das ist nicht das Höchste, was ich mir vom Schicksal erbitte. Meine Wünsche versteigen sich höher, Capri", entgegnete er ernsten Tones, — seine liebestrunkenen Worte sprachen beredt. „Reichthum und Ruhm werden mit der Zeit alles Andere nach sich bringen", entgegnete sie leise. Sie wollte ihn eben nicht verstehen. „Was ich mir wünsche, ist so wenig, und doch so viel!" ent gegnete er, ihr immer näher rückend. „Das klingt ja widersprechend!" meinte sie, und ließ ihre Blicke unruhig im Zimmer umherschweifen. „Uebrigens hast Du mir noch gar nicht gesagt, wie Dir der Salon meiner Gönnerin gefällt? — Findest Du nicht, daß die grellen Farben dem Auge wehe thun? — Wenn ich für Augenblicke meine ermüdeten Augen schließe, glaube ich doch noch große gelbe Flecke vor mir zu sehen, die Farbe verfolgt mich sogar bis in meine Träume." Marcus lehnte sich enttäuscht und mißvergnügt in seinen Stuhl zurück. Die Worte erstarken ihm auf den Lippen. — Wie vermochte Capri gerade heute auf seine ernste Bemerkung eine so leichtfertige Entgegnung zu geben! Fühlte sie denn nicht, wie sein ganzes Sein zu ihr hinstrebte? Vor einem Augenblick war er nahe daran, ihr zu Füßen zu fallen, sie zu bitten, sein starkes, treues Herz und feine unendliche Liebe anzunehmen und sein Weib zu werden, dem er den Himmel auf Erden bereiten wollte, und sie hatte leichtfertig das Gespräch auf Mrs. Lordson's ge schmacklose Möbel gelenkt! Das that ihm weher, als er sich selbst eingestand. „Die Stühle bereiten mir Kopfschmerz", fuhr sie in demselben Tone fort. „Zuerst überwältigte mich ihre Pracht, aber jetzt finde ich sie entsetzlich. Wenn ich allein hier bin, kommen sie mir mit ihren Ebenholzarmen, den gepolsterten Rücken und Seiten wie reiche, dicke Cityherren in Hellen Atlaswesten vor, die mir entgegenschreien: „Komm, komm, Du bescheidenes Kind des Volkes, sieh' uns nur an, und rathe, wie viel wir Werth sind!" — Ich weiß, daß sie ein kleines Vermögen gekostet, und doch ziehe ich unsere alten Roßhaarstühle zu Hause vor, und gäbe viel darum, wenn ich mich an ihrem Anblick ergötzen könnte." Eapri sprach wie Jemand, der nur spricht, um zu sprechen, weil sie fürchtete, Marc könnte die Frage an sie richten, ob sie bereit sei, künftig Freud' und Leid mit ihm zu theilen und ihn al» ihren natürlichen Beschützer zu betrachten. Sie hätte ihm heute nicht zu antworten vermocht, denn wilde Wünsche und ehr geizige Pläne erfüllten ihr Herz und erstickten in demselben alle besseren Gefühle. So plauderte sie denn, ohne selbst zu wissen was, und ohne ihm Zeit zur Antwort zu lassen. „Du müßtest Mrs. Lordson im rothen Atlaskleide hier sitzen sehen, — wenn Du dann nicht Kopfweh bekommst, hast Du Ner ven von Stahl. — Bunte Farben und Juwelen." Ein leiser Seufzer Marc's unterbrach ihr Geschwätz, sie blickte zu ihm auf, mußte jedoch sofort vor seinem vorwurfsvollen Blick das Haupt zu Boden senken. „Capri", fragte er nach einer kleinen Pause, „Capri, möchtest Du mich nicht dieser Tage nach Hampton oder Kew begleiten?" „Wie kann ich?" „Mrs. Lordson wird Dir schon einen Tag Urlaub gewähren. Du weißt, daß wir uns schon längst vorgenommen haben, zu sammen einen Landausflug zu unternehmen. In Gottes kreier Natur wollen wir alle Amerikanerinnen und Lords, ja sogar die Bettelmaid vergessen und als echte Bohemiens einen frohen, freien Tag genießen. — Wenn es Dir lieber ist, führe ich Dich nach Twickenham", fuhr er zärtlich fort. „Ich rudere Dich bis Ken sington; stelle Dir vor, wie köstlich es sein muß, unter dem Schatten der Bäume lautlos dahin zu gleiten. Nur das Ge zwitscher der Vögel, das Murmeln der Wellen und Deine süße Stimme werden die Stille unterbrechen. — Du wirst am Steuer sitzen und mir eine Deiner lieblichen Barcarollen Vorsingen, das Wasser, der blaue Himmel über uns, der tiefe Friede ringsum, — Alles wird Dich in Deine Heimath zurückversetzen und Du wirst wieder die lebensfrohe, heitere Capri sein. — Zur Ab wechselung kann ich Dir auch daS Ruder überlassen, Deinen Platz am Steuer einnehmen und eine Cigarre rauchen." — Das Mädchen saß wie versteinert da und lauschte seinen Worten. „Darf ich Dich Mittwoch abholen? Paßt Dir der Tag?" „Sein hübsches, offenes Gesicht strahlte vor Vergnügen, in seinem ganzen Wesen offenbarte sich eine freudige Erregung, die sich am deutlichsten in seinen treuen Augen widerspiegelte. Sie warf ihm unter ihren gesenkten Lidern einen sehnsuchtsvollen Blick zu und seufzte tief auf. O, wenn sie nur Lord Harrick niemals gesehen und gekannt, wenn dieser wahnsinnige Ehrgeiz, sein Weib zu werden, sie nicht erfaßt hätte, wie glücklich könnte sie jetzt sein! Noch vor wenigen Wochen würde sie, bei der Aussicht, mit dem Künstler einen Ausflug machen zu können, vor Freude in die Hände geklatscht haben und ihm dankbar um den Hals gefallen sein. Aber seither hatte sich so Vieles geändert; der Strom ihres Daseins hatte eine neue Richtung eingeschlagen, die sie nicht mehr in» alte Bett zu leiten vermochte. Eitelkeit und Ehrgeiz übertönten die warnenden Stimmen ihres besseren Jchs; ein wildes Fieber raste in ihren Adern und raubte ihr die Ruhe, den Frieden und die kindliche Unbefangenheit ihrer früheren, glücklichen Tage für immer. Aus dem frohen, übermüthigen Kinde war über Nacht ein vom Sturm der Leidenschaften bedrängtes Weib geworden, in dessen Innerem die guten und bösen Geister um die Ober herrschaft kämpften. „Du vergissest, Marc", entgegnete sie so sanft wie möglich, um ihm die Enttäuschung nicht so fühlbar zu machen, „daß ich jetzt nicht mehr über meine Zeit verfügen kann." Mistreß Lordson wird Dich einen Tag entbehren können." „Das weiß ich nicht, denn die Saison steht jetzt auf ihrem Höhepunkt, und ich muß meine Herrin täglich an einen anderen Vergnllgungsort begleiten." „Frage sie nur, Capri, sie wird nicht so grausam sein, Dir dieses Vergnügen zu wehren! Du sollst sehen, wie glücklich wir sein werden, wir wollen die ganze thörichte Welt um uns ver gessen" — „Ich fürchte, daß dies nicht mehr möglich ist", sagte sie, zum Fenster hinausblickend. „Seit ich mein neues Leben begonnen, weiß ich, daß „die Welt" sich von Denjenigen, die sich ihr einmal in die Arme geworfen haben, nicht vergessen läßt ... Du bist zu sehr Bohemien, um das zu begreifen. Ich, die ich unserem fröhlichen Lande erst seit Kurzem den Rücken gekehrt habe, empfinde schon ganz anders, als ich empfunden habe, so lange ich seinem sorglosen Stamme angehörte." Die heitere Miene erstarb während des Sprechens allmählich auf seinem Gesichte, um einem düsteren Ernste Platz zu machen. „Vor einem Monat noch hätte ich mit tausend Freuden Deinen Vorschlag angenommen und wäre wie ein frei gewordenes Foh len mit Dir um die Wette umhergetollt, dabei Alles vergessend, nur Dich nicht; aber heute muß ich bei jedem Schritt, den ich thue, an das wachsame Auge der bösen Fama denken und Alles vermeiden, was ihr Veranlassung geben könnte, später kein gutes Haar an mir zu lassen. Vor einem Monat wäre ich bei der Aus sicht, einen ganzen Tag im Freien zubringen zu können, vor Freude beinahe toll geworden; die ungebundene Freiheit, der frische Odem der göttlichen Natur, die Schatten spendenden Bäume, der Helle Sonnenschein, der Anblick des Wassers, eine Bootfahrt mit Dir allein, nur den blauen Aether zum Zeugen, würde für mich ein Paradies auf Erden bedeutet haben." „Und warum hat eS heute an Bedeutung verloren?" fragte er traurig. „Weil ich in „der Welt" lebe und diese es unschicklich fände, wenn eine junge Dame mit einem jungen Manne ohne Garde dame einen Ausflug unternehme. Das wäre ein schrecklicher Ver stoß gegen die gute Sitte", schloß sie mit einem ironischen Lächeln um die Lippen. „Hol' der Teufel die sogenannte gute Sitte!" „Amen, Marc! Aber so lange der Mann mit dem Pferde fuß unseren frommen Wunsch nicht erfüllt, muß ich mich schon Mistreß Lordson zu Liebe fügen." „Legst Du denn so viel Werth auf das Urtheil der Welt?" „Muß ich nicht, so lange ich in ihr lebe! O, mein Freund, sie ist sehr weise." „Wie eine Schlange!" entgegnete er bitter, erhob sich und trat an das Fenster. „Höre, Marc, ich habe in den goldenen Apfel gebissen, den mir Mistreß Lordson gereicht, und besitze jetzt die Erkenntniß, das Gute vom Bösen zu unterscheiden. Der Preis war hoch, denn zur Strafe mußte auch ich für immer mein Paradies ver lassen." Sie folgten ihm mit den Blicken und mußte sich gestehen, daß sie Marc nie schöner und männlicher gesehen habe. Wie lächerlich mußte sich neben dieser Erscheinung jene andere, die sie im Wachen und im Traume verfolgte, auSnehmen.« „Macht Dich Deine neugewonnene Erkenntniß glücklich?" „Vielleicht, vielleicht auch nicht; ich habe noch nicht reiflich darüber nachgedacht; aber das weiß ich, daß ich, selbst wenn ich wollte, in mein Paradies nicht mehr zurückkehren könnte." „Meinst Du damit, daß Du nicht mehr glücklich werden könntest?" fragte er, drehte sich rasch vom Fenster um und blickte sie ängstlich gespannt an. „Nein, das meinte ich nicht. Ich wollte damit nur sagen, daß ich mein früheres Leben nicht mehr führen könnte, nachdem ich einmal in den goldenen Apfel gebissen. Du weißt am besten, wie ich unter den Verhältnissen gelitten. Sie mögen zwar für die Stählung des Charakters ganz gesund sein, aber mir schmeck ten sie zu bitter." „O, Capri, ich fürchte, daß die neuen Verhältnisse Dich sehr verändert haben!" sagte der Künstler traurig. „Du irrst", entgegnete sie leichthin. „Du weißt, daß ich immer praktische Ideen entwickelte und Dir immer versicherte, ich sei nicht so gut, wie Du glaubst." (Fortsetzung folgt.)
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