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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.12.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981203022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898120302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898120302
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-12
- Tag 1898-12-03
-
Monat
1898-12
-
Jahr
1898
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Reklamen unter dem Rrdactionsstrich l4u«« spalten- 50^, vor den Familirnnachrichtea (6gespalten) 40^. Größere Schristeu laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellanscher uud Ziffernsatz nach höheren, Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), »ur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuu/ 60.—, mlt Postbrsörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abeud-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet« au die Expedition «u richten. Druck uud Verlag vo» E. Poltz in Leipzkst, 82. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. DecemLer. Daßin den „Gedanken und Erinnerungen" de- Fürsten Bismarck da- Centrum und seine Führer nicht als zuverlässige Stützen einer nationalen Politik erscheinen, ist selbstverständlich. Es kann auch nicht befremden, daß da rheinische Centrumsorgan, die „Köln. Volkszeitung", die Auf merksamkeit der Leser des Werke- von dem Urtheile de- Fürsten über da- Centrum durch den Versuch abzulenken trachtet, dieses Werk gegen den Hauptmitstreiter de- Fürsten und die deutsche Einheit, Rudolf von Vennt-se«, nutzbar zu machen. Die groben historischen Entstellungen diese- Versuche- fordern jedoch eine entschiedene Abwehr. WaS BiSmarck von Bennigsen gedacht, da- haben die Bemühungen de- Fürsten bekundet, Bennigsen al- Mitarbeiter im preußischen Staatsministerium zu gewinnen, trotz der Aussicht, Borurtheile de- Kaiser- Wilhelm I. mit schweren Kämpfen überwinden zu müssen. Ueber diese Borurtheile äußert sich Fürst Bismarck dahin: „Obwohl die nationalliberal« Partei in Hannover und die Wirksamkeit ihrers Führer» vor und nach 1866 die „Verstaatlichung" Hannovers wesentlich erleichtert hatte, und der Kaiser eben so wenig wie sein Vater 1805 eine Neigung hatte, diesen Erwerb rückgängig zu machen, so war der fürstliche Instinkt in ihm doch herrschend genug, um solches Verhalten eines hannoverschen Unterthanen gegen die welfische Dynastie mit innerlichem Unbehagen zu beurtheilen." Daran knüpft die „Köln. Volksztg." folgende Auslassung: „Es gereicht dem loyalen Gerechtigkeitssinn des Kaisers Wilhelm I. zur größten Ehre, daß er über die Unterthanentreue und ihre Be- thätigung so ganz anders dachte, als sein Kanzler, der große Schüler Macchiavelli's. Die von ihm an einer Stelle seiner Erinnerungen mit spöttelnder Miene erwähnte Verherrlichung Windthorst'S, „der vor und nach seinem Tode zu einemNational-Heiligen gemacht wurde", wird man sicherlich zu einem guten Theile gerade darauf zurückführen können, daß auch dieser frühere Minister des Königreiches Hannover in Sachen der Unterthanentreue ähnlichen Anschauungen huldigt«, wie Kaiser Wilhelm, und Laß er nicht geneigt war, dieser seiner mannes treuen Ueberzeugung sich bei guter Gelegenheit wie eine« Uniform- rockeS zu entledigen. Sein Ansehen bei Freund und Feind ist dadurch gewiß nicht gemindert worden, am allerwenigsten bei Wilhelm» I. kaiserlichem Enkel, der in seinem ritterlichen Sinne Windthorst noch im Tode mit hohen Ehrungen auszeichnete." ES ist noch nicht lange her, als der socialdemokratische Abg. Bebel im Reichstag die Stirn hatte, Herrn v. Bennigsen der Verletzung der Unterthanentreue gegen VaS frühere hanno versche Königshaus zu berichtigen. Die Abweisung erfolgte auf der Stelle und schloß mit prägnanter Wiedergabe der Thatsache: hätte der hannoversche König den Rathschlägen Bennigsen» gefolgt, dann würde das welsische HauS noch in Hannover herrschen und nicht das HauS Hohenzollern. So oft Bennigsen, bevor die Entscheidung über die Selbstständigkeit Hannovers fiel, als Führer des Nationalvereins mit BiSmarck zusammengekommen war, stets hatte er dabei betont, daß er sich streng an seine Pflichten als Nnterthan des Königs von Hannover gebunden halte. Die Verhandlungen gingen stet- von der Voraussetzung auS, daß eS gelingen werde, Hannover zur Neutralität zu bestimmen. Und für Neutralität haben dann in der hannoverschen Kammer nicht nur Bennigsen plaidirt, sondern auch vr. Miquel, der jetzt als Finanzminister und Staat-Minister einer der verantwortlichen Berather Kaiser Wilhelm» II. ist. Sein Name steht mit einer I ganzen Anzahl treuer Patrioten unter dem schleunigen An-1 trag, der am 16. Juni in der zweiten hannoverschen Kammer eingebracht worden war: „jedes HerauStreten aus einer völligen Neutralität durch Parteinahme, sei es für Oester reich oder für Preußen, ohne die dringendste Roth- Wendigkeit zu vermeiden". Und wie berechtigt die Hoff nungen waren, daß Hannover sich neutral verhalten werde, darüber können nur noch politische Ignoranten streiten. Wir verweisen in dieser Beziehung auf die Aufzeichnungen des Grafen Münster: „Mein Antheil an den Ereignissen des Jahres 1866", der am 9. Juli zum letzten Mal im Schloß „Zur fröhlichen Wiederkunft" den Versuch machte, den von Oesterreich in Beschlag genommenen König, nachdem bei Langensalza am 28. Juni die Entscheidung gefallen war, zu bewegen, sich statt nach Wien nacy Preußen zu wenden. Der König, der auf französische Intervention hoffte, ging nach Wien, wo er am 18. Juli eintraf. „Und als Bennigsen diese Vorgänge durch den Grafen Münster erfuhr", so steht in Kiepert» Rückblick auf daS Leben Bennigsen» geschrieben, „da rief er: „Nun ist die Selbstständigkeit Hannovers für immer dahin", und konnte die Thränen nicht zurückhalteu." Als Bennigsen seine Hoffnung, die Selbstständigkeit Hannover- als Bundes staat gewahrt zu sehen, vereitelt sah, war für ihn der Weg klar vorgezeichnet; er lehnte eS ab, die provisorische Regierung zu übernehmen, um völlig frei dazustehen, die schwere UebergangSzeit für Hannover zu milder» und die Einigung Deutschlands auf der durch die Thatsache» geschaffenen Basis vorzubereiten. Und als dann die fran zösische Einmischung drohte, rief er am 30. September seine politischen Freunde zur vertraulichen Besprechung ein und sie nahmen ein Programm an, worin gesagt war: da nun die hannoversche Selbstständigkeit verloren gegangen sei, sei eS politische Pflicht, Einmischungen des Auslandes, welche zum Ruin Deutschlands führen müßten, abzulehne» und thatig an der Wiederherstellung gesunder und definitiver Zustände mitzuwirken. Wie diese Arbeit gewesen ist, das sagen Bis marck» „Erinnerungen", und was Fürst BiSmarck dabei an Bennigsen gehabt, daS sagt daS Schreiben, womit er ihn am 14. Jul: 1894 zum 70. Geburtstag beglückwünschte: „Sehr geehrter Freund I Zur Feier Ihres siebzigsten Geburts tages sende ich Ihnen meine herzlichsten Glückwünsche. Wir sind nicht immer in demselben Geleise gefahren, aber unser Ziel war das gleiche. Daß wir di« annähernde Erreichung noch Beide er lebt haben und ich Ihnen heute meinen Glückwunsch und meinen Dank für Ihre Mitarbeit »och lebend übermitteln kann, gereicht mir zu besonderer Freude. Ich bitte Sie, mir auch in der Zukunft, dir jedenfalls kürzer sein wird, al« di« 70 Jahre, die wir gleichzeitig lebten, daS Wohlwollen zu bewahren, welches gemeinsame Arbeit und als Ergebniß deS Verlebens gegenseitige Werth- schätzung geschaffen hat. Der Ihrige v. Bismarck." Man ist in Deutschland längst daran gewöhnt, daß eS an einem einmüthigrn Zusammenstehen der Presse in nationalen Fragen fehlt. Der Dr-Hrede de- Grafen Thun gegenüber aber hätte man immerhin ein gemeinsames Wort der Abwehr erwarten dürfen. Auch hier hat eS jedoch «in Theil der klerikalen und der link-liberalen Preffe nicht über sich gewinnen können, wenn sie sich schon nickt auf den deutschen Standpunkt stellen wollte, doch wenigstens den Mund zu halten. Die „Köln. VolkSztg." vertheidigt in einem längeren Artikel daS Vorgehen deö Grafen Thun und liefert damit wieder einmal den Beweis, WaS eS mit dem „nationalen" Centrum für eine Bewandtniß hat. Immerhin ist der Ton, den das klerikale Blatt in seinem Artikel anschlägt, verhältniß- mäßig ruhig. Ganz anders aber gebärdet sich das „Ber liner Tageblatt", daS im Auölande viel gelesen wird und dort als maßgebendes deutsche- Blatt gilt. Kaum war die Rede des Grafen Thun bekannt geworden, so wurde sie, wie wir bereits mitgetbeilt haben, vom „Berliner Tageblatt" als correct und maßvoll gelobt, und daS Blatt mußte dem Grafen „leider durchaus Recht geben". Damit gab sich aber daS „Berliner Tageblatt" noch nicht zufrieden, sondern cs ging am Donnerstag Abend nochmals auf die Sache ein und kanzelte die „Voss. Zeitg." ab, weil sie den nationalen Standpunkt vertreten hatte. „Bedauerlicher Weise tritt selbst in liberalen Blättern ein gewisser hochmüthiger Zug hervor . . . Wir lehnen es nach wie vor ab, für die reaktionären Maßnahmen des Herrn v. d. Necke darum eine Lanze zu brechen, weil die österreichische Regierung mit Repressalien droht." — In diesen und ähnlichen Redewen dungen ergeht sich daS Blatt. Aber eS stellt sich nicht nur auf die Seite des Grafen Thun, sondern eS sucht auch die deutschen Bundesstaaten gegen Preußen auf- z »hetz en. Es seien vorwiegend preußische Blätter, die den Grafen Thun angriffen. „Was haben die nichtpreußischen Bundesstaaten für ein Interesse daran, ihre Haut für den reactionairen preußischen Minister v. d. Recke zu Markte zu tragen? Denn nicht blos Preußen, sondern das ganze deutsche Reich muß die Kosten zahlen, wenn durch die reactionairen Maßnahmen der preußischen Regierung das deutsch-österreichische Bündniß und damit auch der Dreibund erschüttert würde. Wir müssen den preußischen Reactionairen ausschließlich alle Verantwortung überlassen." Es wird also den Bundesstaaten vorgeredrt, daß Preußen eine Verschlechterung der äußeren politischen Be ziehungen deS Reiches verschuldet habe. Erfreulicher Weise finden diese Versuche in den nationalen Kreisen der Bundes staaten keinen Anklang; die Artikel der „Münch. Allgem. Ztg." uud deS „Hamb. Corresp.", also eines süddeutschen und eines norddeutschen nichtpreußischen Organs, liefern den Beweis dafür. Im Uebrigen geht gerade aus den Artikeln dieser Zeitungen hervor, daß in diesem Falle wenigstens Für st Hohen lohe hinter Herrn v. d. Recke steht. Der Fürst aber ist nicht nur preußischer Ministerpräsident, sondern auch deutscher Reichskanzler. Schon daraus kann man ent nehmen, daß eS sick hier nicht um preußische, sondern um deutsche Politik handelt. In der That ist man auch in nationalen außerpreußischen Kreisen längst zu der Erkenntniß gekommen, daß die Verhinderung der Slawistrung der Ost mark ein eminentes Reichsinteresse darstellt. Selbst wenn die- aber nicht der Fall wäre, so giebt eS dem AuSlande gegenüber keine einzelnen deutschen Staaten, sondern nur ein deutsches Reich. Wenn die bayerische Regierung aus irgend welchen Gründen Oesterreicher ausweisen würde — sagen wir beispielsweise wegen des Verdachts des Wilderns oder Schmuggels — und wenn dann Graf Thun mit Repressalien drohte, so würde dadurch Preußen ebenso ver letzt werden, wie jetzt Bayern durch den Angriff auf die preußische Regierung verletzt sein muß. Es ist gerade genug an den bedauerlichen inneren Reibungen, die öfter, als es sein sollte, zwischen den deutschen Einzelstaaten vor kommen; wenn Regierungen, Volk und Presse in Deutsch land aber nicht einmal ausländischen Angriffen gegenüber Zusammenhalten wollten, so wäre eS schade um den niedrigsten Bauernknecht, der 1870 sein Leben hat lassen müssen. Ueber die Artikel des „Berliner Tagebl." dürfte außer dem Grafen Thun nur noch Ür. Sigl Freude empfinden, weil ihm dadurch Material zu einer Preußenhetze geliefert wird. Man muß aber bekennen, daß vr. Sigl als Preußenhetzer immerhin respectabler ist, als das „Berl. Tagebl." in der gleichen Rolle: Sigl bat wenigstens die Entschuldigung für sich, daß er nicht Preuße ist und daß er sich als Feind des deutschen Reiches vom Tage der Be gründung des Reichs ab bekannte; das „Berl. Tagebl." aber erscheint in der Hauptstadt der Hohenzollern und hat sich jederzeit so aufgespielt, als ob eS mit jeder Herzensfaser zum Reiche hielte. Unter dem Krieg auf Cuba haben auch deutsche Unter nehmer schwer zu leiden gehabt. So ist am 18. Februar d. Js. die große Zuckerfabrik Cannamabo der deutschen Firma Schmidt L Fischer zu Trinidad in der Provinz Santa Clara auf Cuba durch die Aufständischen völlig zer stört worden. Bei dieser Gelegenheit ereigneten sich trotz der Anwesenheit der auS 25 spanischen Soldaten und 17 Schutz leuten deS Gutes bestehenden Besatzung die entsetzlichsten Scenen: vier der Vertheidiger wurden getödtet, zehn verwundet und der eine Chef des Hauses, Herr Wilhelm Schmidt, schwebte ebenfalls in größter Lebensgefahr. Sehr erheblich ist der verursachte materielle Schaden. Die beiden bejahrten Plantagenbesitzer — deutsche Staatsangehörige — haben nahezu ihr gejammtes Vermögen, die Frucht eines langen, arbeitsvollen Lebens, eingebüßt. (Wilhelm Schmivt stammt auS Hagen in Schleswig-Holstein. Er hat sich als Cavallerie-Officier an dem ersten schleswig-holsteinischen Kriege 1848—49 betheiligt.) Am 19. Mai ließen die Herren Schmidt und Fischer vor einem öffentlichen Notar in der Stadt Trinidad unter Heranziehung von Zeugen der Vorgänge ein Protokoll über den Sach verhalt ausnebmen, welches sodann mit den die Schadens ansprüche näher begründenden Dokumenten dem kaiserlich deutschen Consul in Havanna zugestellt worden ist. Am 23. Juni bestätigte der Consul telegraphisch den Eingang der betreffenden Schriftstücke. Letztere dürften wahrscheinlich an da« Auswärtige Amt in Berlin übermittelt worden sein. Schon vorher aber wird die deutsche ReichSregierung den Vor gängen ihre Aufmerksamkeit zugewendet haben, da in der deutschen Presse bereits am 1. April auS Madrid berichtet wurde, daß der spanische Ministerpräsident sich dem deutschen Botschafter gegenüber zur Entschädigung für die Zerstörung der Zuckerfabrik Schmidt <L Fischer bereit erklärt habe und daß die Verhandlungen einen sehr freundlichen Verlauf nähmen. Leider fehlt eS nun seit der Zeit völlig an Nach richten über den weiteren Gang der Angelegen heit. Insbesondere hat nach den Informationen der „Nord- Ostsee-Ztg." die genannte Firma nichts über den Stand der Dinge zu erfahren vermocht. Allem Anscheine nach kann nach dem Kieler Blatte ein Zweifel darüber nicht obwalten, daß die Schuld an der Vernichtung deS gedachten Etablisse ments lediglich in einer groben Nachlässigkeit der spanischen Truppen bei Bewachung und Vertheidigung des Besitzthums Die Lettelmaid. 20j Roman von Fitzgerald Molloy. Nachdruck vrrbotm. „Wenn sie nur schon sein angebetetes Weib wäre!" Sein Athen, ging schwer, seine Brust drohte zu zerspringen, das Blut raste in seinen Adern und er mußte seine ganze Selbstbeherrschung aufbitten, um sie nicht in die Arme zu schließen. Zum Glück fuhr er gerade in den Park von Richmond ein und Capri konnte ihr Entzücken nicht länger verbergen. „Wie wunderbar ist doch die Natur! Sehen Sie diese alten ehrwürdigen Eichen und dort, weit entfernt, die Themse von den goldenen Sonnenstrahlen beleuchtet! . . Ist eS nicht seltsam, daß all' diese Pracht so viele Jahre einen Katzensprung entfernt von mir gelegen hat und ich ni« Gelegenheit fand, sie zu be wundern. ... In unserem Riesenbabel London mag es Hunderten, nein, Tausenden so ergehen wie mir. Das ist doch traurig, nicht?" „Ich scbähe mich glücklich", entgegnete Harrick, sein Gesicht dem ihrigen nähernd, denn er mußte vor einem tief herab hängenden Zweig da» Haupt beugen, „der Erste sein zu können, der Sie in diese« kleine Paradies eingeführt; Richmond ist ein solcher." „Wie gut Sie find!" sagte sie dankbar. „Ich werde den heutigen Tag nie vergessen." Er lächelte ihr beglückt zu und dachte: „Wie entzückend, natürlich und frisch sie ist! Es muß ein kaum zu ertragendes Glück sein, stets an ihrer Seite zu leben und in ihre Augen zu blicken, die Einem bis ins Innere rühren. Sie, m u ß die Meinige werden." Laut sagte er: „Wenn eS Ihnen recht ist, Fräulein, wollen wir unter dieser Baumgruppe unser Lunch rinnehmeiz, hier hat der Dichter Thomson, wie man sagt, den größten Theil seiner „Jahres zeiten" geschrieben." Sie nickte ihm bejahend zu, er zog die Zügel an und die Pferde blieben mit einem Ruck stehen. Sofort sprangen die SroomS von ihrem Sih und rissen den Wagenschlag auf. Harrick ließ e» sich natürlich nicht nehmen, Capri herunterzuhebeN. Die Gesellschaft machte eine Promenade, um den Dienern Zeit zu lassen, da« mitgebrachte kalte Frühstück zu sserviren, dann gruppirten sie sich auf dem teppichbelegten Rasen und ließen plaudernd Speise und Trank Gerechtigkeit widerfahren. „Zu wissen, daß ich setzt unter demselben Daum, mein Früh stück einnehme, unter welchem einst ein berühmter Dichter ein Gedicht schrieb, wie mir Herr Marrix versichert! Capri, mein Herz, finden Sie das nicht romantisch?" „Gewiß", entgegnete diese kurz. Eine Pause drohte zu ent stehen. Newton, ein Meister der Konversation, citirte mit viel Gefühl und noch mehr Pathos die ersten Strophen der „Jahres zeiten". „Wundervoll!" rief Mrs. Lordson aus, als er geendet. „Ich schwärme für Dichter, wenngleich manche von ihnen recht seltsame Leute find. So habe ich einmal unseren Longfellow gesehen; ich versickere Sie, er trug einen Rock, der mindestens zwanzig Jahre zählte, und einen Südwester auf dem Kopf." Lord Harrick lachte, was die Amerikanerin veranlaßte, fort zufahren: „Horace Greelv wieder schrieb all' seine Artikel mit selbst geschnitzten Hornfeoern und mit der Nachtmütze auf dem Kopfe; ohne diese war er keines Gedankens fähig." „Jedes Genie hat seine Eigenart", erklärte Newton. „Mr. Kuskin erzählt selbst, daß er eine» Tages in seinem bunt geblümten Moraenrock auf dem Markusplatz in Venedig umher spazierte und erst durch die erstaunten Blicke der Passanten darauf aufmerksam wurde. ... Ich selbst bin mit einem bedeutenden Mathematiker befreundet, der im vorigen Sommer aufs Land ging. Als ich ihn an einem regnerischen Tage dort besuchte, fand ich ihn am Kamin mit geöffnetem Regenschirm sitzen, denn der Regen drang gerade dort durch den Plafond, während da» ganze übrige Zimmer trocken war. Ich machte ihn darauf auf merksam, er schüttelte daS Haupt und gestand, daß er ni» aus dir Idee gekommen wäre, weiterzurücken." „Der arme Kerl", rief Lord Harrick. Di« Amerikanerin wurde nicht müde, von Schriftstellergewohnheiten zu plaudern, bis Capri endlich das Gespräch auf ein anderes Thema lenkte. „Ich habe noch selten im Leben einen so angenehmen Tag genossen wie heute", wandte sie sich an Lord Harrick. „Lieben Sie dar Landleben?" fragte dieser und dachte dabei, wie ihr der große rothe, im elisabethinischen Stil gebaute Landsitz in Aorkshire oder gar der wildromantisch gelegene Harrickhof in dem schottischen Hochgebirge gefallen würde. Capri erwiderte, daß sie deS StadtlebenS schon müde sei, und daß sie sich glücklich schätzen würde, wenigsten» einige Monat« im Jahre auf dem Londe verbringen zu dürfen. Unter solchen Gesprächen beendeten sie^das Mahl und Lord Harrick machte den Vorschlag, noch nach Hampton - Court zu fahren, welcher keine von den Damen kannte. „Da» wäre ja himmlisch!" rief Mr». Lordson begeistert. „Um sieben Uhr sind wir wieder In Richmond, ich habe mir erlaubt, im Hotel „Star and Garter" ein kleines Diner zu be stellen", bemerkte Harrick. „Eine wunderbare Idee! Im Mondschein heimzufahren, wird köstlich sein", meinte Newton. „Noch köstlicher als die Herfahrt?" fragte Capri. „Bei Weitem", entgegnete der Lord rasch. „Ich hoffe, daß Sie auch diese Fahrt im Mondenschein niemals vergessen werden", fügte er so leise hinzu, daß nur sie es hören konnte und drückte ihr verstohlen die Hand. Ein eigenthümliches Gefühl durchrieselte bei seinen Worten ihren Körper. Die Erfüllung ihrer kühnsten Träume stand bevor; in wenigen Stunden schon würde er die Frage an sie richten, ob sie sein Weib werden wolle. „Darf ich mir eine Cigarre anstecken?" fragte der Lord, während er sie auf den Kutschbock hob. Sie nickte nur stumm mit dem Kopfe, denn die freudige Erwartung schnürte ihr die Kehle zu. Als Alle wieder ihren Platz im Wagen eingenommen hatten, ließ er die Pferde im Trab gehen, damit Capri den herr lichen Park bewundere. Diese kam aus dem Entzücken gar nicht mehr heraus, denn bald erblickte sie eine weidende Heerde von Rehen, dann wieder sammetgrüne Rasenplätze, die von schattigen Bäumen umrahmt waren, auf denen Eichhörnchen ihr munteres Spiel trieben. Nun sollte sie gar noch das historische Hampton- Court kennen lernen, von dem sie schon so viel gehört! Auf dem ganzen Wege sprach sie kein Wort, auch der Lord begnügte sich, ruhig seine Cigarre zu rauchen und ihr hier und da in das freudestrahlende Antlitz zu blicken. Es hätte ihr «ine Entweihung gedünkt, den wunderbaren Zauber, der sie gefangen hielt, durch ein Gespräch zu brechen. Sie ließ alle Naturschönheiten still und entzückend auf sich einwirken. Erst als sie den Park verliehen und auf d« Landstraße einbogen, sagte sie: „Ich habe noch niemals so viel Stunden hiniereinander ein so ungetrübtes Glück genossen wie heute." „Sind Sie nicht immer glücklich?" fragte er und richtete die Decke auf ihren Knien zurecht. „Nein, mein Leben ist sehr wechselvoll gewesen und ich könnte die Stunden des Glückes zahlen. Es wird wohl immer so bleiben." „Weshalb?" „Weil ich nicht zum Glück geboren bin." „Das können Sie nicht wissen." „Ich fühle eS und ein solches Gefühl täuscht selten." Lord Harrick hätte ihr gerne gesagj, daß er e» versuchen wolle, ihre Zukunft glücklich zu gestalten, wenn sie ihm das Recht dazu gebe, aber die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Vielleicht weil er noch immer nicht ganz klar war, ob es für einen Vicomte Harrick auch paffend sei, ein Kind aus dem Volke zur Frau zu nehmen. Selbst während sie den alten, schönen Garten in Hampton durchschritten, blieben Beide schweigsam. Der Lord ärgerte sich über sich selbst, daß er zu keinem Entschluß kommen konnte, und Capri fühlte sich in der köstlich-frischen Luft glücklich wie ein sorgloses Kind. Alle wilden Wünsche schienen plötzlich aus ihrem Herzen gewichen zu sein und sie dachte an nichts als an die herrliche Umgebung, die sie entzückte. Dieser eine Tag ungetrübten Glückes wog all' die Kämpfe ihres bisherigen Lebens auf und sie nahm sich vor, der Vorsehung nicht mehr zu zürnen. Während sie wie im Traum an der Seite des Lords einherschritt, bemühte sich Newton, in seiner sarkastisch ruhigen Weise der begeisterten Amerikanerin alle historischen Puncte zu zeigen. Sie wollte durchaus die Lieblingsallee Heinrich» VIII., den Baum, unter welchem Maria Stuart gesessen, das Fenster, von welchem aus Elisabeth nach Lord Essex ausheschaut und den Rasenplatz, auf welchem Karl I. mit seinen Kindern gespielt, sehen. Der Anblick so vieler durch Könige geheiligter Puncte verwirrte die Republikanerin und veranlaßte sie zu begeisterten Ausrufen, während Newton ihr alle Details erzählte. Nachdem man die historischen und interessanten Stellen besichtigt, fuhr die Gesell schaft nach Richmond zurück. Im „Star and Garter" harrte ihrer bereits ein auserlesenes Diner, bei dem natürlich auch der Champagner nicht fehlte; trotz dem wäre die Stimmung ohne Newton Marrix eine sehr gedrückte gewesen. Mrs. Lordson fühlte sich durch den langen Aufenthalt rm Freien etwas abgespannt, Harrick und Capri waren mit sich selbst beschäftigt. Die Letztere kostete kaum von der Schild krötensuppe, die Seezunge berührte sie ebenso wenig, wie die ver schiedenen Entrßes und den Rehbraten, sie nahm nur etwas Obst und Eisspeise. Die ungewohnte Aufregung des Tages hatte sie überwältigt, sie lehnte sich matt in ihren Stuhl zurück und über ließ Newton Marrix und der Amerikanerin dir Kosten der Unter haltung, die nach jeder Schüssel lebhafter wurde. Der gute Rhein wein und der Champagner lösten dem Schriftsteller die Zunge, so daß dir geistvollen Mot« und witzigen Bemerkungen nur so von seinen Lippen strömten. Lord Harrick war ihm sehr dankbar da für, daß er da» Gespräch, welches sonst unfehlbar gestockt hätte, im Gange erhielt und nahm sich vor, den witzigen jungen Mann öfter zu seinen Diner« zu laden. Während Harrick und Newton nach Tisch draußen auf der Veranda ihre Cigarren rauchten, trat Capri an da» geöffnete Fenster und blickte träumerisch in dir stille Nacht hinau». Der
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