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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.12.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981207027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898120702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898120702
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-12
- Tag 1898-12-07
-
Monat
1898-12
-
Jahr
1898
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DieMorgen-AnSgabe erscheint «m '/,7 Uhr. die Abend-Ansgabe Wochentag« um 5 Uhr. Filialen: ktto Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn), UniversitätSstraß« 3 (Paultnunc), LoniS Lösche, Katharlnenstr. 14, part. Lvd SösigSplatz 7. «e-action und Lrpeditlo«: Iohaniiesgasse 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Bezugs-Preis k her Haupterpeditio« oder de« t« Gtads- bezirk und den Vororten errichteten Au«- oavrstellen obgeholt: vierteljährlich^ 4.50, bei »wrtmaliarr täglicher Zustellung in» Hau« 5.50. Durch die Post bezogen sür Drutschlend und Oesterreich: vlerteljäbrllch 6.—. Direkte tägliche Kreuzdandiendung itt« Ausland: monatlich 7.50. Abend-Ausgabe. MipMer TagMM Anzeiger. AmisvM des H'öttigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nstizei-Ämtes -er Lta-1 Leipzig. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petffzeile 20 PsA? Reklamen unter dem Redactionsstrich (4u«- spalten) k>0^, vor den Faniiliennachrichten (6 gespalten) 40/iK. 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Die Thronrede ist, wie Berliner Blätter mit Recht bemerken, ungewöhnlich lang, sie bedient sich am Anfang und am Ende, indem sie den Reichstag als eine vom Kaiser „entbotene" und von ihm „entlassene" Versammlung anspricht, ungewohnter, die verfassungsmäßige Pflicht zur Einberufung des Reichstags ignorirender archaistischer Wendungen, aber sie enthält sich der nach der Orientreise besonder- lebhaft befürchteten Ueberschwänglichkeit. Realpolitiker werden über die dem Aufenthalt des Kaiser- im Orient beigemefsene Bedeutung anders urtheilen, als die Thronrede, aber sie werden Genugthuung darüber empfinden, daß die im Weißen Saale erfolgte Kundgebung von dem jüngst erlaßenen Telegramm an die deutsche Eolonialgesellschast und von dem am Tage der Reichstagseröffnung weiteren Kreisen bekannt gewordenen Wortlaute der, delicate Beziehungen der auswärtigen Politik hart streifenden, bethlehemitischen Rede sich unterscheidet. Wenn mehrfach in der Preße die Erwähnung des Drei bundes vermißt wird, so erledigt sich dieses formelle Be denken durch die Formalität, daß von Kaiser Franz Josef als dem treuen Bunvesgenofsen deS deutschen Kaisers die Red» ist, und das Befremden, daß die lippische Sache keine Erwähnung sand, ist ein geheuchelte-. Bei dem gegenwärtigen, nichts weniger als befriedigenden Stande der Dinge konnte diese Angelegenheit, die zudem in keinem Falle der Ent scheidung des Reichstags unterliegt, nicht erwähnt werden. Die Versicherung der Münchener „Allgem. Zeitung", daß die Differenzen mit dem kleinen Lande sich in Wohl gefallen ausgelöst hätten, war bestimmt da« Ergebniß einer Täuschung oder Selbsttäuschung. Daß die Befriedigung des selben bayerischen Blattes Uber die Erledigung der Krage deS ReichS-MilitairgerichtS begründet sei, kann man vorerst nur hoffen, denn di« Thronrede kündigt darüber nichts an. Manchem vielleicht unerwartet, aber keineswegs unerklärlich ist eS, daß zum ersten Male seit langer Zeit der Lage der Lanvwirthschast keine Erwähnung geschieht. ES ist diese Unterlassung Wohl auf die Ueber- zeugung der Regierungen zurückzuführen, daß die Reichs gesetzgebung — bis znr Erneuerung der Handelsver träge — auf diesem Gebiete gethan hat, was zu thun möglich war. Umgekehrt ist auch nicht von dem im Allge meinen so überaus günstigen Stande der industriellen Ent wickelung die Rede, obwohl der Hinweis auf die gesteigerten Einnahmen des ' Reiche- einen Anknüpfungspunct ge boten hätte, deS zeitlichen Glückes und der Folgen, die ein Umschwung zum Schlimmeren für die Finanzen und die — Volkswirthschaft nach sich ziehen muß, zu gedenken. Warme Anerkennung verdienen die Verfaßer der Thronrede für die Art, wie sie die Militairvorlagen und die russische Abrüstungskonferenz gruppirt haben. Zunächst wird die Nothwendigkeit der Ver vollständigung unserer Wehrorganisation hervorgehoben und erst später findet die Anregung deS Zaren Er wähnung und zwar nicht ohne die verstandnißvolle Wendung, daß der Conferenz-Vorschlag, da er den Frieden befestigen solle, auch der „bestehenden Ordnung der Dinge" dienen müsse. Die „bestehende Ordnung der Dinge", darunter ist Die Lettelmaid. 23s Roman von Fitzgerald Molloy. Nachdruck vert.tkn. Capri sah dankend zu ihrem Verlobten auf und bewunderte die herrliche Fassung de» Juwel«, was Harrick große Freude be reitete. Durch die Erregung und schlaflos verbrachte Nacht war ihr Gesichtchen ganz bleich; die Augen schienen größer und leuch tender als gewöhnlich, das einfache, Weiße Kaschmirtleid stand ihr vorzüglich, und der verliebte Lord verschlang sie fast mit den Blicken. Die lebenskluge Mrs. 'Lordson brachte dem Brautpaare ihre Glückwünsche dar und lud den Bräutigam zum Gabelfrühstück ein; dann entfernte sie sich unter einem passenden Vorwande und ließ die Beiden allein. Capri blieb ernst und still, während er sie in seine Arme schloß und leidenschaftliche Worte in ihr Ohr flüsterte. Sie hörte die Pläne, die er für ihre gemeinsame Zu kunft schmiedete, mit einer Ruhe an, als ob sie gar nicht daran betheiligt wäre und es sich um eine dritte, ihr fremde Person handelte. Sie äußerte keine Wünsche und machte keine Vor- schfiige, sondern wunderte sich nur im Stillen darüber, daß die Vorsehung gerade diesem Manne so rothes Haar und so aus druckslose Augen verliehen. Er bedeckte ihre 'Hand mit der seinigen, wie an jenem Morgen in dem Hinterzimmer der Euston- Road, als sie ihm mittheilte, daß sie nach Mayfair übersiedele. Ein kalter Schauer durchriesrlte ihren Körper, sie starrte wie geistesabwesend vor sich hin und ließ alle seine Liebkosungen mit innerlichem Widerwillen über sich ergehen. Der Gedanke, was Phillips zu ihrer Verlobung sagen werde, verließ ' sie leinen Augenblick und machte ihr da« .Herz schwer. Das Alleinsein mit ihrem zukünftigen Gatten bedrückte sie. Ein andermal wird sie seine Näh« besser ertragen können, aber heute machte diese sie namenlos unglücklich. „Dies Geffihl wird natürlich vorübergehen", beruhigte sie sich selbst, „ich wrrde mich nach und nach an ihn gewöhnen. Die Zeit und da» eheliche Leben wird un» aneinander fesseln, aber jetzt ist er mir unerträglich." Sie beantwortete seine Fragen so gut sie konnte, duldete sein« Küsse, die ihr wie empfindliche Nadelstiche vorkamen, und saß " wie ein Opferlamm da. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hinautgelaufen. Er empfand ihre Kält» gar nicht, denn die auf den Frankfurter Frieden gegründete Ordnung gemeint, wa» d,e auf europäischen Umsturz sinnenden Bundesgenossen derZar-Anregung hoffentlich verstehen und auch nach Schluß der Pariser Weltausstellung noch beherzigen werden. Unsere Demokraten werden finden, daß das sonst von ihnen so ge nannte barbarische Rußland wärmere Worte verdient hätte. Aber da- hat nicht» zu sagen. Sie sind in der Angelegenheit der Militairvorlagen unverrückbar in die Minderheit gedrängt. DaS wird hoffentlich auch die Zusammensetzung deS Prä sidiums zeigen, in dem, wie es scheint, ein Natwnalliberaler (Bassermann) anstatt eine- Freisinnigen den Stuhl des zweiten Bicepräsidenten einnehmen wird. Die Linke hatte eS freilich ander- vor. Socialdemokraten, süddeutsche und frei sinnige Volk-Partei, sowie die freisinnige Vereinigung — diese wird behufs PluSmacherei vorläufig auch „dazu" ge zählt — wollten als ihren Mann ein Mitglied der freisinnigen Volkspartei nicht etwa als zweiten, sondern als ersten Bicepräsidenten in den Reichstagsvorstand bringen. Daraus wird allerdings nichts werden; aber die Wahl eines frei sinnigen zweiten Bicepräsidenten ist nicht ganz unmöglich. Sie wäre zu bedauern, weil die Entsendung eines Radikalen ins Präsidium nicht im Entferntesten den Erfolg haben würde, der Linken ein Bewußtsein der Verantwortlich keit an der sachlichen und gewissenhaften Behandlung der Reichstagsgeschäfte beizubringen. Der „Vorwärts" sagt es heute mit dürren Worten, daß der Reichstag sür dte Socialdemokratie nur dazu da sei, unter Mißbrauch der Immunität „inS Land hinauSzurufen". Die bürgerlichen Demokraten sagen das nicht, aber sie werden thatsächlich dem Reichstag auch keine andere Zweckbestimmung zuerkennen, als die Socialdemokratie. Um so dringlicher ist die Aufgabe der anderen Parteien, ihrerseits Verschleppungen zu vermeiden. Die der Leitung des Bundes der Landwirthe angehörigen Reichstagsabgeordneten haben bekanntlich bereits durch das Einbringen von drei unnützen Interpellationen den Herren Bebel und Richter erwünschte Präcedenzfälle für das Treiben parla mentarischen Unfugs geschaffen. Die freisinnige Bolkspartei ist auch schon mit gleichfalls drei Interpellationen nachgefolgt, die nicht nur dieselben Gegenstände wie die bündlerischen Anfragen behandeln, sondern auch deren Wortlaut — mit entgegen gesetzten Vorzeichen — in vermuthlich für witzig gehaltener, in Wirklichkeit kindischer Weise nachäffen. Ein guter Anfang für — die Verächter des Parlament». Ernster — leider — ist der mitgetheilte Beschlußantrag der Volkspartei über die lippische Angelegenheit zu nehmen. Es ist sehr empfindlich, daß der Antrag an erster Stelle den Namen des Abgeordneten für Lippe-Detmold tragen kann. Es bleibt ab zuwarten, ob der Abgeordnete aus Schaumburg-Lippe mit Professor Zorn und der „Köln. Ztg." den Standpunkt ver tritt, daß der lippische Streit ein Streit zwischen zwei Bundesstaaten sei. Sehr charakteristisch für das Eentrum ist die Art, wie die Presse dieser Partei die parlamentarische Campagne ein leitet. Dies geschieht durch eine Vorlesung mit vertheilten Rollen. Die Rolle eines wohlwollenden und entgegen kommenden BeurtheilrrS der Vorlagen der Regierung über nimmt die „Germania", während die „Köln. Volks zeitung" die deS Warner- und Drängers übernimmt. Die „Germania" schreibt z. B.: „Wenn in der Presse bisher die Militairvorlage und der „Gesetzentwurf zum Schutze de» gewerblichen Arbeits verhältnisses" besonders hervorgehoben wurde, so geschah dies wohl mit Rücksicht darauf, daß gerade diese beiden Vorlagen einen „Conflictsstoff" in sich schließen sollen. Man wird jedoch gut thun, seine Gemiithsbewegung und Leidenschaft war so heftig, daß sie ihn blind machte und in den Glauben versetzte, sie erwidere seine Liebe. Was Wunder, wenn er sich in seinem eingebildeten Para diese glücklich 'fühlte? Während ihres Alleinseins erhellte sich Capri's Antlitz nur einmal, und das war, als Mrs. Lordson in den Salon trat, um die Verlobten zu Tisch zu bitten. Lord Harrick verließ feine Braut höchst zufrieden, ihre mädchenhafte Schüchternheit — so deutete er ihre Kälte — ent zückte ihn. Nach Tisch mußte Capri, wie gewöhnlich, ihre Herrin zum Corso begleiten. Als sie sich für die Ausfahrt umkleidete und einen Blick in den Spiegel warf, erschrak sie selbst über die Blässe ihres Gesichts und den traurigen Ausdruck ihrer Augen. „Niemand, der mich sähe, würde glauben, daß mein sehn lichster Wunsch in Erfüllung gegangen und daß ich heute ein großes Glück gemacht!" Sie versuchte zu lächeln, aber zwei Thränen straften diese erzwungene Heiterkeit Lügen. Erst ln der Dämmerstunde gelang eS ihr, sich unter dem Vor wande, ihrem Vater die Ereignisse des Tages mittheilen zu müssen, von MrS. Lordson sreizumachen. Sie lenAe trüben Sinnes ihre Schritte in die Fitzrvystraße und blieb zögernd einen Augenblick vor dem Hause stehen, in welchem Marcus Phillips wohnte, ehe sie den Klopfer in Bewegung setzte. Das Dienst mädchen öffnete und sagte, Capri erkennend: „Mr. Phillips ist zu Hause. Darf ich Sie anmelden?" „Ich danke, ich werde mich schon selbst anmelden." Sie rannte nicht, wie sie früher zu thun pflegte, die Treppe hinan, sondern blieb bei jedem Absatz aufseufzend stehen. Nur schüchtern pochte sie an und wartete, bis Marc „herein" rief. Am liebsten wäre sie wieder umgekehrt. Der Maler stand vor seiner Staffelei, die Pfeife in der einen, die Palette in der anderen Hand und drehte sich gar nicht um. Erst al» er Capri'» Stimme vernahm, warf er Beide» auf den Tisch und eilte ihr entgegen. „Aber Mädchen, ich habe Deinen Schritt gar nicht mehr erkannt!" rief er in seiner alten vertraulichen Weise. „Ich freue mich wie ein Kind, daß Du doch Wort gehalten. Mir scheint, Hu warst noch gar nicht bei mir, seitdem Du nach Mayfair entflohen bist?" „Nein!" „Und ich fürchtete. Du wurdest Dein Versprechen von gestern Abend vergessen haben." „Du siehst, daß dies nicht der Fall ist", entgegnete sie und ließ ihre Blicke im Stübchen umherschweifen. Er hatte sie augenscheinlich erwartet, denn ein großer, frischer Blumenstrauß stand auf dem Tisch, die Staffeleien waren an die Wand, die Farben- und Oeltöpfe in die Ecke gerückt, kein einziger erst die Vorlagen selbst abzuwarten, um über dieselben rin Urlheil zu fällen. Auch die Thronrede giebt für die Beurtheilung keine genügende Unterlage. Wenn eS darin heißt, daß das Coalitions« recht der Arbeiter unangetastet bleiben soll, so wird sich ja die Erwägung nicht absolut von der Hand weisen lassen, zu prüfen, ob nicht bei voller Wahrung der Coalitionsfreiheit dem Streik- Terrorismus durch schärfere Strafbestimmungen entgegengetreten werden kann." Die „Köln. VolkSztg." dagegen führt, an eine Mahnung der „Nordd. Allgem. Ztg." anknüpfend, aus: „Ein gutes Verhältniß kann nur bestehen, wenn die Regierung die Beschlüsse des Reichstages nicht bei Seite legt oder abweist. DaS Jesuitengesetz, das Vereinsgesetz und die Diätenforderung werden wiederum der Gegenstand der Berathung und Beschluß fassung des Reichstages sein. Wenn die Regierung vom Reichs- tage ein freundliches Entgegenkommen sjir ihre Wünsche erwartet, so muß sie auch ein Gleiches für die Wüusche des Reichs tages zeigen." Es wird sich bald genug Herausstellen, daß beide Blätter trotz ihres scheinbaren Gegensatzes genau die Richtschnur für das Verhalten der Partei vorgezeichnet haben: Wohlwollen gegen eine gefügige, da- Gegentheil gegen eine nicht gefügige Regierung. Der Rücktritt des Ministers für Kroatien, Iosi- povich's, ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein wichtigeres Ereigniß, als es an sich ein Personenwechsel in diesem Amte wäre. Der Rücktritt ist erfolgt, weil voraussichtlich am 1. Januar in Folge der durch die Obstruction herbei geführten Arbeitsunfähigkeit deS ungarischen Reichstags ein gesetzloser Zustand in Ungarn eintreten wird. Iosipovich behauptet nun, die Einigung zwischen Ungarn und Kroatien könne nur auf dem Boden der Verfassung aufrecht erhalten werden, und er könne daher nicht Mitglied einer Regierung sein, welche beim Eintritt eines gesetzlosen Zustandes weiter regiere. Gegen diese Motivirung seines RücktrittSgesucheS kann man Herrn Iosipovich wohl einwenden, daß er ja nur der Vermittler zwischen der Regierung und Kroatien ist und daß seine eigentliche Aufgabe darin besteht, die Einigung zwischen Ungarn und Kroatien unter allen Umständen auf recht zu erhalten, daß er also eine Art von Fahnenflucht be gebt, wenn er fetzt die Flinte inS Korn wirft. Gerade des halb aber ist die Iosipovich-Krise wahrscheinlich wichtiger, al» sie unter normalen Verhältnissen sein würde. Sie muß als ein Anzeichen dafür betrachtet werden, daß dem ungarischen Ministerpräsidenten Baron Banffy derBoden doch stärker unter den Füßen zu schwanken beginnt, als man bisher vielfach annabm. Er bat nicht sowohl den Abfall der vierzig, bisher zur liberalen Partei gehörigen kroatischen Reichstagsabgeord neten zu fürchten — die Herren lassen sich sowieso in Pest so selten wie möglich sehen —, als den directen oder indirecten Widerstand gegen den „Staatsstreich" am 1. Januar, der durch das Beispiel Iosipovich'S wahrscheinlich sehr gekräftigt werden wird. Bekanntlich hat auch der Präsident des Ab geordnetenhauses Szilogyi seinen Rücktritt angekündigt und Vicepräsident Lang dürste ihm folgen. DaS Motiv ist auch hier der Widerspruch gegen den gesetzlosen Zustand, den Ministerpräsident Banffy herbeizusühren entschlossen ist. Bei der gestrigen Feier des 25jährigen Bestehens der englische» Handelskammer in Parts hielt der englische Botschafter Sir Edward Monson eine Rede, in der er Folgendes sagte: „Die zahlreichen in England in letzter Zeit gehaltenen Reden Pinsel lag auf der Erde und Marcus selbst hatte mehr Sorgfalt als gewöhnlich auf seine Arbeitstoilette verwendet. Er trug ein hellblaues Flanellhemd, dessen offenen Kragen eine dunkel- rothe Cravatte ü, la Byron zusammenhielt und sah darin malerischer und hübscher aus denn je. Seine glückstrahlenden Blicke drangen Capri bis ins Innerste der Seele und verursachten ihr ein schmerzliches Gefühl. „Ich wäre früher gekommen, aber ich konnte mich nicht frei machen." „Setze Dich auf dieses Ungethüm", sagte er heiter und rückte ihr einen hochlehnigen, seltsam geschnitzten Stuhl zurecht, der einst mit rothem Sammet überzogen war, aber infolge seines hohen Alters die Farbe verloren hatte. „Wie schön der Stuhl ist!" rief sie bewundernd, nur um ihre Beichte möglichst lange hinauSzuschieben. „Wann hast Du ihn gekauft?" „Heute in aller Frühe. Er stammt aus der Zeit Ludwig'» XI." „Sin Prachtstück!" sagte sie und ließ sich darauf nieder. „Ich dachte, als ich ihn kaufte, wie gut Du Dich darin aus nehmen würdest und ich sehe, daß ich mich nicht getäuscht . . . Jetzt erzähle mir aber, weshalb Du so spät gekommen. Weißt Du, daß ich bereits anfing, die Hoffnung aufzugeben. Dich heute noch begrüßen zu können?" sagte er, sich auf einen niedrigen Feldstuhl vor sie hinsetzend und ihr erwartungsvoll ins Gesicht blickend. Sie antwortete nicht gleich, sondern nahm ihren Hut ab, legte ihn neben sich auf die Erde, lehnte ihr Haupt gegen die Lehne, kreuzte die Hände im Schooße und schloß die Augen, um nachzudenken, wie sie beginnen sollte, ihm Alles zu erklären. So oft sie die Lippen öffnen wollte, fing ihr Herz an so heftig zu schlagen, daß sie kein Wort heivorbrachte. Endlich nahm sie ihren Muth zusammen: „Lieber Marc, Du warst stet» so lieb und freundlich" „Was fällt Dir ein?" unterbrach er sie verwundert und er schwerte ihr dadurch das Gefländniß. „Daß ich fürchten muß. Dir wehe zu thun, wenn ich Dir Alles erzähle", fuhr sie leise fort. „Nichts, was Du mir zu sagen hast, wird mir wehe thun .... Vertraue mir Deine Sorgen an, und wenn ich irgend kann, will ich sie Dir tragen helfen", rief er, mit einer Welt von Zärtlichkeit in seinen Worten. „Nein, nein!" entgegnete sie abwehrend und wagte eS gar nicht, den Blick zu erheben. Seine Liebe beschämte sie und sie machte sich Gewissensbisse. Er mußte jetzt Böses ahnen, denn er fragte plötzlich ganz barsch: haben die Franzosen mißgestimmt, aber zu Unrecht. Die Parla mentsmitglieder gaben während der Ferien über die Aus übung ihres Mandats Rechenschaft. Dabei mußten sie die durch die Ereignisse im Suda» geschaffene Lage besprechen. Das war vielleicht nicht opportun, aber Europa und Amerika erhielten dadurch den Beweis, daß die Ne gierung in dieser Frage nicht eine Partei, sondern das ganze Volk vertrat. Sagen wir frei heraus, daß Niemand jetzt mehr daran glaubt, Laß wir noch bereit sind, entgegenkommende, aber unpolitische Zugeständnisse zu machen!" Der Redner sprach seine Freude über die handelspolitischen Vereinbarungen mit Frankreich aus, dessen schutzzöllnerische 'Politik er indessen bedauert. Er begrüßte beifällig das neue italicnijch-sranzüsische Handelsabkommen, das nur der Sache des Friedens, der Aus dehnung Les Handels überhaupt und dem Gedeihen jeder der Nationen förderlich sein könne. Ebenso werde die Pariser Aus stellung im Jahre 1900 ein mächtiger Factor des Friedens sein. Der Vorschlag des Zaren, bemerkte der Botschafter ferner, werde in England gut ausgenommen, einem Lande, das, obgleich es gegen einen Landkrieg geschützt sei, keinen aus An griffe gerichteten Wunsch nähre. „Wir freuen uns", sagte der Redner alsdann, „im Interesse des allgemeinen Handels der colo nialen Ausdehnung Frankreichs. Wir wollen, daß die Franzosen glauben, daß wir keine Animosität gegen sie empfinden, wie wir glauben, daß sie keine gegen uns hegen. Unser Verlangen ist, daß die Franzosen über die schwebenden Streit fragen mit uns ohne den Hintergedanken verhandeln, einen diplomatischen Sieg zu erringen. Ich hoffe, daß die Regierungen diese Anschauungen theilen, und verlange, daß sie die für eine stolze Nation unduldbare Politik der Nadelstiche einstelle». Ein Manöver dieser Art sehe ich in dem neuerdings gemachten Vor schläge, Unterrichtsanstalten zum Wettbewerbe mit den unsrigen im Sudan zu gründen. Derartige Herausforderungen könnten uns zu Maßnahmen bewegen, die, wenn sie auch von einem sehr großen Theile Englands günstig ausgenommen würden, nicht eben den Empfindungen Frankreichs entsprechen." Herr Monson bildet sich natürlich ein, er habe eine Bc- schwichtigungsrede gehalten und sei das Entgegenkommen und die Versöhnlichkeit selber gewesen; er müßte kein Engländer sein. Die Franzosen werden — und man kann sie nicht darum verdenken — darüber gerade ent gegengesetzter Ansicht sein und den Eindruck nicht los werden, die Rede sei arrogant und beleidigend durch und durch und dies umsomehr als der englische Botschafter dir Rücksichts losigkeit gehabt hat, sie ihnen sozusagen im eigenen Hause zu halten. Der Rede kurzer Sinn ist der: England ist zwar bereit, sich mit Frankreich wegen der afrikanischen Fragen in Verhand lungen einzulassen, aber sie haben eigentlich keinen Zweck, da eS in London von vornherein feststrht, auch nicht einen Schritt zurückzuweichen. Der ganze Sudan gehört England; zurück zuweichen hat nur Frankreich! Und dabei leistet sich der Redner noch die Bemerkung voll blutigen Hohnes, England freue sich der colonialen Ausdehnung Frankreichs! Sehr lehrreich ist dabei Herrn Monson's Empfindlichkeit über die von Deloncle in Aussicht genommene Errichtung französischer Seminare in Chartum und Faschoda. Sie beweist, daß wir Recht hatten, als wir das für Cbartum geplante „Gordon Memoria Colleg" als ein politisches Institut zum Zweck der Anglisirung des Sudans bezeichneten. Aber nicht nur die Etablirung dieser Schulen wird die englische Regierung Frankreich verbieten; wie der „Daily Mail" aus Kairo „HerauN mit der Sprache, was hast Du mir zu sagen?" Jede Spur von Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Sie holte tief Athem und begann leise, wobei jedes Wort ihr einen eigenartigen Schmerz bereitete: „Ich habe versprochen, Lord Harrick's Weib zu werden!" „O Capri!" schrie er auf, wie Jemand, der eine tödtliche Wunde empfangen. Er bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen und in dem Gemach herrschte eine Stille, die dem Mädchen ent setzlicher dünkte als die bittersten Vorwürfe. „Marc, Marc, beruhige Dich", flehte sie, als sie die Thränen bemerkte, die zwischen seinen Fingern rieselten. Der starke Sturm in seinem Innern erschütterte ihn so heftig, daß er wie ein kleines Kind weinte. „O Marc, sprich ein Wort, nur ein einziges Wort", bat sie, am ganzen Körper zitternd. „Ich weiß, daß ich schlecht und un dankbar bin; aber sprich nur ein einziges Wort! . . . Tag', daß Du mir vergeben kannst." Er blieb stumm. Seine Brust hob und senkte sich kon vulsivisch, sie sah, wie seine Stirnadern anschwollcn und hörte die Seufzer, die sich seinem gepreßten Herzen entrangen, als er den Versuch machte, sich zu beherrschen. Daß ihn die Nachricht so niederschmettern würde, hatte sie nicht erwartet. Sie konnte das Stillschweigen nicht länger ertragen, erhob sich von ihrem Sitz und trat an seine Seite. „Ich bitte Dich, Marc, sage mir, daß ich ein eitles Ding bin, daß Du mich hassest, nein . . . daß Du mich verachtest .... aber brich diese» Schweigen." Sie schlang in ihrer Verzweiflung den Arm um seinen Nacken. Er erbebte bei ihrer Berührung und sprang auf. In dieser kurzen Spanne Zeit war eine große Veränderung mit ihm vorgcgangen; sein Gesicht erschien leichen blaß, die Augen tief eingefallen und di« Lippen bebten, als er sie fragte: „Gestehe mir . . . gestehe mir aufrichtig, ob Du — ihn liebst? Um Alles in der Welt, jetzt keine Lüge!" Jetzt war'» an ihr, ihr Gesicht zu verhüllen, denn sie getraute sich nicht, Marc anzusehen. „Ihn lieben", sagte sie nachdenklich, als ob dieser Gedanke ihr zum ersten Mal aufgetaucht wäre. „Ihn lieben? . . Nein, das kann ich nicht." „Und Du hast doch versprochen, diesem Manne an den Altar zu folgen? Wie kannst Du schwören, ihn zu lieben, zu ehren und ihm zu gehorchen, wenn Du es nicht thust, und so den heiligen Act entweihen?" Sie antwortete nicht und stand gesenkten Hauptes vor ihm. »Wirst Du bi» an Dein Ende an seiner Seite leben, ihn alt
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