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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.12.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981201016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898120101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898120101
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-12
- Tag 1898-12-01
-
Monat
1898-12
-
Jahr
1898
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BezugS'Prev* k der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten AuS- vaocstellrn abgeholt: vierteljährlich ^>4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins ^auS 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich L—. Directe tägliche Kreuzbandiendiing in- Ausland: monatlich >4 7.50. Tie Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um ö Uhr. Re-action und ErveLilion: JohanneSgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geössnct von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filiale,»: Ltt» Klemm'« Eortim. (Alfred Hahtt), Universitätsskraße 3 (Paulinus), Lonts Lösche, Katbarinn»str. 14, Port, und KSAg-platz 7. 888. Morgen-Ausgabe. R'cip.ngtr Tagtblall Anzeiger. Hittlsblatt des königlichen Land- nnd Ätntsgerichles Leipzig -es Aathes nn- Nolizei-Äintes -er Lta-t Leipzig. Donnerstag den 1. December 1898. Attzeigen.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter demNedactionsstrich t4g»> spalten) 50/H, vor den Familicnnachrichte« (6gespalten) 40/^. Grössere Echristen laut unserem Preis- ve-^eichnih. Tabellarischer und Ziffernlatz nach höherem Tarif. ffxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderun- 80.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschlnß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr» Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anreisen sind stets an d.-« Srpedittpi» zu richten. Dkuck und Verlag von E. Pol» tn Leipzir, 82. Jahrgang. in Anger-Crottendorf Herr Rodert direiner, Zweinaundorfer Straße 13, Cutritzfch Herr Rodert Bitner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, Gohlis Herr Rodert 41tner, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, Lindenau Herr Albert I^nüner, Wettiner Str. 51, Ecke Waldstr., Buchbinderei, Neustadt 8ede!t'8 4nnoneen-Rxpe(1RIon, Eisenbahnstraße 1, die Filialen sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstrasre 35 Herr R. 0. Llttel, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstrahe 1 Herr Ideoü. Reter, Colonialwaarenhandlung, Brühl 53 O. r. 8edudert'8 ^uedkolxer, Colonialwaarenhandlung, frankfurter Sttaste (Thomasiusstraßen-Ecke) Herr Otto Rrunx, Colonialwaarenhandlung, Löhrstraste 15 Herr Rüuarü Retxer, Colonialwaarenhandlung, Naschmarkt 3 Herr R. 6. 8ednlLe, Nürnberger Straste 45 Herr Ll. R. Udreedt, Colonialwaarenhandlung, in Anger-Crottendorf Herr Rodert direiner, Zweinaundorfer Straße 13, - Connewitz Frau Risvlier, Hcrmannstraße 23, Für kann das Leipziger Tageblatt durch alle Postanstalten des deutschen Reiche» nnd Oesterreich-Ungarns zum Preise van 2 bezogen werden. In Leipzig abannirt man für 1 «>> mit Bringerlohn 2 nnd nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zcitungsspeditenre, die Hauvtexpeditiou: Johavnesgaffe 8, Katharinenstratze L4, Königsplatz 7 und Universitätsstratze 3, Ranftsche Gaffe S Herr Rrleür. Rlseder, Colonialwaarenhandlung, Ranftädter Steinweg 1 Herr 0. LnKelinann, Colonialwaarenhandlung, Schützenstraste 5 Herr ^ul. 8edüniieden, Colonialwaarenhandlung, Westplatz 3Ä Herr R. VRtrlek, Cigarrenhandlung, Norkstraste zz (Ecke Berliner Straße) Herr R. Ritzte, Colonialwaarenhandlung, Zeitzer Straste 35 Herr V. Rüster, Cigarrenhandlung, Plagwitz Herr 0. birlitLinann, Zschochcrsche Straße 7 a, Reudnitz Herr sV. RuZmanu, Marschallstraße 1, - Herr 0. 8edmlüt, Kohlgartenstraße 67, - Herr Leiillr. sseber, Mützengeschäft, Leipziger Straße 11, Thonberg Herr R. üüntsod, Reitzenhainer Straße 58, Volkmarsdorf Herr kieorx Niemann, Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.). Fürst Kismarck's Gedanken nnd Erinnerungen. IV. Nach den mehr einleitenden Bemerkungen lzur Abwehr ungerechter Angriffe gehe ich zu einer Analyse des Inhalts Über. Sie ist für die Leser des „Tageblatts" nicht über flüssig, da das „Leipziger Tageblatt" zu den nicht sehr zahl reichen anständigen Zeitungen gehört, die nur den von der Verlazöhandlung ihnen zur Veröffentlichung zugesendeten Abschnitt ihren Lesern mitgctheilt und unter Beachtung deö ausdrücklich erlassenen Nachdruckverbots es verschmäht haben, die andern Zeitungen zur Verfügung gestellten Auszüge ihrerseits abzudrucken. Ich komme darum gern der Bitte der Nedaction nach, den Inhalt des Werkes nach der Folge der Capitel in Kürze wiederzugeben. Neber die Jahre der Kindheit macht Fürst BiSmarck keinerlei Mittheilungen; der Biograph wird hier auf die mehr anekdotischen Erzählungen angewiesen bleiben, die Hese kiel in der ersten größer» Lebensbeschreibung BiSmarck's, dem „Buche vom Grafen Bismarck", niedergelegt hat und die meist auf die Erzählungen des Fürsten selbst zurückzuführen sind. Das erste Capitel setzt ein mit der Entwickelung der religiösen und politischen Anschauungen, denen der Jüngling beim Uebergang vom Gymnasium auf die Universität huldigte. In religiöser Beziehung fühlte sich Jung- Bismarck als Pantheist, in politischer Beziehung als Monarchist mehr aus Gewöhnung als aus lieber- zeugung. Tas Deutsch-Nationale war in der Plamann'schen Erziehungsanstalt, die nach Iahn'schen Grundsätzen geleitet wurde, an ihn herangetreten, doch nicht nabe genug, um die angeborenen preußisch-monarchischen Gefühle in ihm auS- zntilgen. Zwar ärgerte er sich über jeden deutschen Fürsten, der vor dem dreißigjährigen Kriege dem Kaiser widerstrebte, vom Großen Kurfürsten an aber war er parteiisch genug, antikaiserlich zu urtheilen und rS natürlich zu finden, daß der siebenjährige Krieg sich vorbereitete. Immerhin war in ihm das nationale Gefühl so lebendig, daß er auf der Universität zunächst zur Burschenschaft in Beziehung trat, die die Pflege deS nationalen Gedanken- alS ihren Zweck bezeichnete. WaS ihn der Burschenschaft entfremdete, lag mehr im Bereich der Aeußerlichkeiten: die Weigerung, SatiSfaction zu geben, mochte ihm als Mangel an männlichem Muthe erscheinen, der Mangel an Erziehung und gesellschaftlicher Form beleidigte den feinfühligen Aristo kraten. Wenn auch der Glaube, daß die Entwickelung der nächsten Zukunft uns zur deutschen Einheit führen werde, in ihm mächtig blieb, so fühlte er sich doch durch tumultuarische Aeußerungen deS nationalen Gefühls nach Art der Ham bacher Feier nnd des Frankfurter PutscheS derart abgestoben, daß er mit weniger liberaler Gesinnung nach Berlin zurück kehrte. Sein Wunsch, in die diplomatische Laufbahn rin- zutreten, fand von Seiten des Ministers Aucillon wenig Ermuthigung. Ancillon war der Meinung — und Bismarck hat sie durch spätere Erfahrungen bestätigt gefunden —, daß der preußische Landadel in seiner hausbackenen Gediegenheit nicht die für die preußische Diplomatie erwünschten Kräfte bervorbrachte und daß die dieser Classe entnommenen Aspiranten sich aus dem engen Gesichtskreise ihrer mehr provinziellen Anschauungen schwer loslösen ließen. Diese Leute waren allenfalls als preußische Bureaukraten inner halb der deutschen Diplomatie Preußens zu verwenden, nicht aber al- Vertreter Preußens an den europäischen Höfen; zu solchen wählte man damals lieber Männer aus ländischer Herkunft oder Diplomaten, die vor ihrem lieber» tritt in preußischen Dienst an kleinen Höfen sich die erwünschte „assnrtwce" in höfischen Kreisen erworben batten. Unter diesem an sich nicht unberechtigten Vorurtheil mußte auch BiSmarck leiden: Ancillon rieth ihm, zunächst das Examen als Regierungsassessor zu machen und dann auf dem Umwege durch die Zollvereinsgeschäste Eintritt in die deutsche Diplomatie Preußens zu suchen. Diesem Rathe folgend, trat BiSmarck als Auscuttator beim Criminal- gerichte ein, führte dort vier Monate lang daö Protokoll und wurde alsdann an das Stadtgericht versetzt zu selbstständiger Thätigkeit. Aus einer unglaublichen Gedankenlosigkeit allein läßt sich's erklären, daß gerade die Ehescheidungs-Angelegen heiten den jüngsten AuScultatoren überwiesen wurden. Der dirigirende Rath der Abtheilung Prätorius war ein bequemer Herr, der am liebsten ungefragt blieb und jede Bitte um Rath, den die jungen Leute in diesen ihren» Gesichtskreise so fern liegenden Dingen an ihn richten, als lästige Störung seiner Ruhe empfand. Köstlich liest sich die Schilderung eines Sühneversuchs, für den sich der rathlose Auscultator BiSmarck die Unterstützung seines Vorgesetzten erbat; aber man wird auch der Bemerkung BiSmarck's beipflichten, daß für die Verordnung Friedrich Wilhelm'S IV. über daS Verfahren in Ehescheidungen, durch welche in den Provinzen des Allgemeinen Landrechts der Staats anwalt als <1efou8or matrimouü cingeführt wurde, eine unbe streitbare Nothwendigkeit vorhanden war. Nach Absolvirung des dritten Stadiums der Vorbildung, der Bagatellprocesse, suchte nnd fand Bismarck Aufnahme als Referendar in der Aachener Regierung, deren würdiger Oberpräsident, Graf v. Arnim- Boitzenburg, sich des ihm anvertrauten jungen Mannes mit väterlicher Freundlichkeit annahm, wenn eS ihm auch nicht gelang, ihm einen vortheilhafteren Eindruck von Institutionen und Personen beizubringen, als er ihn in Berlin hatte gewinnen können. Auch die Mitglieder der Potsdamer Regierung, zu der sich BiSmarck 1837 versetzen ließ, um in das Wesen der indirecten Stenern Einblick zu erhalten, machten ihm in ihrer Gesammtheit den „Eindruck von Zopf und Perrücke". Als er dem nächst unter Aufgabe seiner anfänglichen Pläne aus dem Staatsleben schied, nahm er eine nur geringe Meinung von dem Werthe der preußischen Bureaukratie und eine — wie er selbst meint — vielleicht zu große Neigung zur Kritik mit in das Landleben hinüber. Indem Bismarck von dieser inneren Wandlung erzählt, die auS deut Referendar einen praktischen Landwirth machte, kann er nicht umhin, in einem Excurs seine Gedanken über die Bureaukratie überhaupt zu entwickeln und der Bureaukratie der Vergangenheit die der Gegenwart vergleichend gegenüberzustcllen. Der Vergleich fällt nicht zu Gunsten des heutigen Zustandes aus, und überaus lehrreich ist der Nachweis, daß die moderne „Selbst verwaltung" nur zu einer Verschärfung der Bureaukratie, zur Vermehrung der Beamten, ihrer Macht und ihrer Ein mischung inS Privatleben geführt habe, diese Entwickelung aber begünstigt worden sei durch die Umgestaltung des Land- rathsamtes in eine Unterstufe der staatlichen Hierarchie, während früher der LandrathSpostcn von KrciSeingesessenen verwaltet wurde, deren einziger Ehrgeiz darin bestand, daS Amt lebenslänglich zu verwalten. Und eine recht ernste Mahnung enthält der Satz: „Die alten RcgierungSbeamtcn zeigten sich, wenn sie mit der regierten Bevölkerung in unmittelbare Berllh rung traten, pedantisch und durch ihre Beschäftigung am grünen Tische den Verhältnissen deS praktischen Lebend entfremdet, hinterließen aber den Eindruck, daß sie ehrlich und gewissen haft bemüht waren, gerecht zu sein. Dasselbe läßt sich von den Organen der heutigen Selbstverwaltung in Landstrichen, wo dieParteien einander schärfer gegenüberstchen, nicht in allen Stufen vorauS- setzen; das Wohlwollen für politische Freunde, die Stim mung bezüglich deS Gegners werden leicht ein Hinderniß unparteiischer Handhabung der Einrichtungen." Es war in den Zeiten der liberalen Hochfluth, die dem Sturme deS Jahres 1848 vorauSging, und in den Zeiten des Conflicts unter der Herrschaft der Fortschrittsphrase üblich, Herrn v. Bismarck die Vorurtheil« seines Standes anzuheften und als Ausgangspunkt und Triebfeder seiner innern Politik die Erinnerung an die frühere Bevorrechtigung des Adels zu bezeichnen. DaS Wort „Junker" war in liberalem Munde eine Art Brandmal, das den davon Be troffenen als „beschränkt" im weitesten Sinne des Wortes kennzeichnen sollte. Bismarck macht darauf aufmerksam, wie wenig die Eindrücke seiner Kindheit geeignet waren, ibn zu verjunkern. Der Rittmeister Ferdinand v. Bismarck, sein Vater, war von aristokratischen Vorurtheilen frei, und seine Feuilleton. In Sonne und Eis am Kilimandscharo. Won vr. Hans Meyer. II. Diesem früher so übermäßig gefürchteten Nomadenvolk ist eS freilich in den letzten Jahren schlecht ergangen. Viehseuchen haben ihre Heerden, auf denen ihr ganzes Leben sich aufbaut, so furchtbar gezehntet, daß sie aus Hunger notgedrungen etwas Ackerbau treiben mußten und sich zu diesem BehUfe seit drei J-ahren am Nordfuß des Kilimandscharo angesiedelt haben, wo etwa in der Mitte zwischen Mawensi und Kibo das Flüßchen Ngare Rongai und einige Nachbarbäche aus dem Urwald in die Steppe treten. Hier haben sie ein paar ihrer runden Kraale ge baut und Bohnen- und Maniokfelder angelegt, deren Ertrag sie kümmerlich nährt. Es ist ein schmutziges, diebisches, unver schämtes, schamloses Geschlecht, diese ersten Besiedle! des nörd lichen Kilimandscharo, denen gegenüber die Wadschagga der Süd seite ein vornehmes Herrenvolk sind. Keine Schmuhkrankheit ist den Massai von Leitokitok fremd, und am meisten sind sie vom Sandfloh heimgesucht, jenem kleinen von West- und Mittelafrika nach Ostafrika vorgedrungenen Jnsect, das sich unter die Haut, namentlich der Zehen, einbohrt, dort ein bösartiges Geschwür hervorruft und ganze Volksstämme einfach bewegungslos macht. Man muß gesehen haben, wie die armen vom Sandfloh be fallenen Kreaturen schmerzvoll stöhnend auf allen Bieren zu kriechen versuchen, um zu verstehen, daß die Eingeborenen den Sandfloh für die schlimmste Plage halten, die Ostafrika je heim gesucht hat. Unter solchen Umständen drängte eS meine Leute nicht weniger als mich, baldigst wieder aus Leitokitok hinauszukommen, obwohl sie wußten, daß ihnen nun eine harte Zeit in den unbekannten oberen Regionen des Nord« und Westkilimandscharo bevorstand. Von der Hochregion der Nordseite, die da in dunstiger Ferne über uns lag, war ja weiter nichts bekannt, als daß dort oben durch di« grasigen kalten Einöden ein selten begangener Pfad von Useri im Nordosten nach Kibonoto im Südwesten umläuft und daß unterhalb desselben die Urwaldzone liegt. Der Botaniker Professor Volkens hat diesen Pfad 1894 mit Haupt mann Johannes und vr. Lent durchwandert und später in seinem Kilimandscharo-Buch eine gute Schilderung der Vegetationsver hältnisse jener Zone gegeben; die Regionen oberhalb und unter halb des Pfades, das vegetationslose Hochland und den nörd lichen Urwald hat er aber nicht kennen gelernt. Der Augen schein lehrte uns in Leitokitok, daß die Urwaldzone hier auf der Nordseite des Gebirges kaum weniger ausgedehnt ist als auf der Südseite, und da kein Weg hindurchfllhrt, mußten wir uns einen machen. Zwei junge Massai, die den Wald vom Holzhauen und Honigsuchen theilweise kannten, zeigten sich erbötig, uns zu führen. , Unsere Lage war aber etwas bedenklich, denn zur Er leichterung der Karawane auf der Bergtour hatte ich alle schweren Waffen in Moschi zurückgekassen und nur zwei leichte Jagd flinten mitgenommen, so daß wir fast wehrlos waren, wenn es die Massai von Leitokitok, ausgehungert und beutelüstern, wie sie waren, auf unsere Proviantvorräthe und unsere Ausrüstung abgesehen hatten. Ich brach deshalb einen halben Tag, bevor Johannes nach Useri zurückkehrte, vom Lager auf, denn seine Anwesenheit hielt auch die Massai im Lager fest; und war ich erst einen Tag weit in den Urwald hinein, so hatte ich genügend Vorsprung und war durch die Nachtkälte der oberen Region vor unerwünschtem Besuch der Steppenbewohner geschützt. Was mich aber am meisten besorgt machte, war, daß mein Begleiter, Herr Platz, am Nachmittag vor unserm Aufbruch von einem heftigen Fieberanfall gepackt wurde. Schon auf der Reffe zum Kili mandscharo war er fieberkrank gewesen, hatte sich aber in Moschi wieder erholt. Versagten ihm jetzt die Kräfte, so mußte ich die Besteigung des Kibo von Norden her aufgeben, denn den Kranken allein bei den Massai» -urückzulassen, war ebenso unmöglich, wie ihn mit wenigen meiner Leute nach Dschagga zurück zuschicken; ich hätte mit der ganzen Karawane zurückkehren müssen. Ein einzelner Europäer kann eine Kraterersteigung des Kibo ohnehin nicht ausführen. Glücklicherweise fühlte sich aber Herr Platz beim Abmarsch am nächsten Morgen wohl genug, um die Bergtour zu versuchen. Er wie ich erhofften vom kühleren Höhenklima schnelle Besserung seines Zustandes. Diese Erwartung erfüllte sich auch für die ersten Tage; dann aber kam es leider um so schlimmer. Der Urwald der Nordseite zeigte sich uns in einem wesentlich anderen Charakter, als jener der Süd- und Ostseite. Schon beim Ueberschreiten der unteren Waldgrenze, die in scharfer Linie gegen die Steppe absetzt, sehen wir, daß wir hier in einem anderen Klima sind, als auf der Südseite. Steppengräser, Mimosen, Baumeuphorbien und viele andere Vertreter der Steppenflora stehen hier neben Agaurien, Podocarbus, hohen Juniperus bäumen und anderen Gewächsen der oberen Waldregionen. Was auf der Südseite regional getrennt ist, wächst hier in mannig facher Mischung neben- und durcheinander. Ueber uns wölbt sich kein geschlossenes tiefschattiges Blätterdach, wie auf der Süd seite, sondern allerwärts blitzt das Sonnenlicht durch die ziemlich offenen Bestände. Moose giebt es in der lichten, trockenen unteren Waldregion nicht, aber desto mehr Flechten. Lianen von Faden bis Schenkelstärke und meist mit Dornen und Widerhaken be setzt, schlingen sich in dichter Verflechtung von Baum zu Baum und machen das Vordringen zu schwerer Arbeit. Aexte und Buschmesser werden von den Führern, Boys und Niampara emsig gehandhabt, während sich die Träger, lauter kräftige Waniamwesi, mit erstaunlicher Geduld abmühen, ihre 60 bis 65 engl. Pfund sckweren Lasten, oft kniend und kriechend, durch das Dickicht und über oder unter gefallenen Baumstämmen weg zuschleppen. Oft stoßen wir auf einen Elephantenpfad, dessen ausgetretener Spur wir ein Stück folgen können, aber ebenso oft sind diese Herren der Wildniß. die hier von keinem Jagd gewehr gestört werden, mit ihrem Wegebau so radical verfahren, daß der Mensch, und namentlich der belastete Träger, vor den ge knickten Stämmen, aufgerissenen Wurzeln, mannstief gestampften Löchern Halt machen muß. Wir kommen langsam vorwärts, aber es geht. Am lang samsten geht es mit unserer kleinen Viehhecrde, deren klägliches Geschrei als einziger Thierlaut durch den stillen Wald schallt. Die Steigung des Terrains, lauter lang und breit ausg.?flofsene, tief verwitterte Lavaströme, ist nirgends steil; die Nordseite fällt noch langsamer als die Südseite und ohne so ausgebildete Stufen wie jene zur Steppenebene ab. Je höher wir allmählich hinauf kommen, desto mehr gewinnen im Wald die Gewächse der Hoch region die Oberhand über die Steppenflora. Der Wald wird merklich feuchter und schattiger. Von 2000 Meter Höhe an über ziehen sich die Bäume immer mehr mit langen wehenden Bart flechten, und gleichzeitig erscheinen die ersten Trupps des schönsten aller afrikanischen Affen, des Colobus Guercza, dessen weißer, langer Behang mit den Bartflechten der Bäume eine wunderbare Schuhähnlichkeit hat. Die prachtvollen Thiere sind in dieser abgelegenen Gebirgsgegend nicht im Mindesten scheu und lassen sich leicht schießen, wenn man sie erst einmal zwischen den flechtenbehangenen Baumwipfeln entdeckt hat. Wenn die Thiere springen, breiten sich die weißen Haarmäntel wie Flügel ausein ander, und man meint wirklich, fliegende Thiere von Baum zu Baum schweben zu sehen. Merkwürdig ist die große verticale Verbreitung dieser Affenart, die man an waldigen Plähen der heißen Niederungen bei 700 Meter Höhe ebenso findet, wie am obersten Urwaldrand der Südwestseite bei 3000 Meter. Sie werden darin nur übertroffen vom Elefanten und von der Elen antilope, von denen ich die ersteren noch auf den GraSfluren über dem Urwald bei 3500, die letzteren aber sogar bis nahe zu den höchststehenden Blüthenpflanzen der Westseite bei 4600 Meter gesehen und gespürt habe. Welche außerordentliche Anpassungs fähigkeit des thierischen Organismus an klimatische Extreme! Als wir am Nachmittag aus dem Halbdunkel des Urwaldes an seinem Oberrand bei 2300 Meter heraustraten und uns wie eine Erlösung der klarste Sonnenschein mit einer Fülle von Licht und strahlender Wärme empfing, glaubten wir da» Wegschlagen
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