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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981109024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898110902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898110902
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-11
- Tag 1898-11-09
-
Monat
1898-11
-
Jahr
1898
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8406 Gesetz ist ein fester Plan in den englischen KrirgSschiffbau, eine Einheitlichkeit in die Schiffstypeu und «ine Be schränkung der Sckiffsclassen erreicht worden. Seit dem sorgen in England Politiker und Fachleute dafür, daß das Ziel, die stete Sicherung der Seeberrschaft, nicht aus den Augen gelassen und daß jede Vergrößerung der Seemacht anderer Staaten, besonders Rußlands und Frank reichs, sofort durch eine stärkere englische beantwortet werde. Der Dank, den im vorigen Jahre in den Jubiläumstagen die Nation den Urhebern des Flottengesetzes zollte, und die häufige Anerkennung der guten Folgen des Gesetzes für die Marine und die Sicherheit des ganzen Reiches muß auch unserem Volke klar macken, daß wir mit unserem Flotten gesetz das Richtige getroffen haben. weder in der der Cultur der Niedersackscn 360 253 333 064 23t 60t 54 824 Kampf um die Delagoabai ist cs an den Boeren ob sie es werth sind, Hammer oder Ambos 319351 286 425 130 980 202 084 202 630 107 598 252 655 238 668 einrichtungen bewilligten Invalidenrenten Davon sind in Folge Todes oder Auswanderung der Berech- tigten, Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit, Bezuges von Unfallrenten oder aus anderen Gründen weg gefallen so daß am 1. October 1898 liefen gegen . . . am 1. Juli 1898. Die Zahl der während desselben Zeitraums bewilligten Altersrenten betrug davon sind io Folge Todes oder Auswanderung der Be- rechtigten oder aus anderen Gründen weggefallen so daß am 1. October 1898 liefen gegen . . . am 1. Juli 1898. Beitragserstattungen find bi» zum 30. September 1898 bewilligt ». an weibliche Versicherte, dir in die Ehe getreten find 258057 gegen . . . d. an di« Hinterbliebenen von Versicherten 61294 gegen . zusammen . gegen . bis zum 30. Juni 1898. * Berlin, 8. November. (Vom dritten ReickSkriegS- hafen.) Zu der Meldung des Graudcnzer „Ges." von der Errichtung eines KriegSbafenS auf der Rhede von Danzig schreibt man der „Voss. Ztg." von unterrichteter Seite: Daß schon seit geraumer Zeit mehrfach die Frage deS Ausbaues der Danziger Rhede zu einem KriegShafen erörtert worden ist, bedarf keiner Frage; daß aber heute schon dieses Riesenproject Deutsches Reich. * Leipzig, 9. November. Für das Strafverfahren gegen den „Simplicissimus" zeigt sick in der Presse andauernd ein auffallend reges Interesse, das sich kund giebt in dem Auftauckcn einer Unmenge von Notizen und Mel dungen, die einander übrigens direct widersprechen, und sogar in — Leitartikeln (der „Fränk. Kur." bat sich einen solchen im bayerisch-particularistischen Sinne geleistet). Zur Sache selbst sind beute zwei neue Facta zu melden. Der Verleger des „Simplicissimus" Albert Langen befindet sich im besten Wohlsein in Zürich, wohin er sich auf dem Umwege über Oesterreich, das ihm als nicht sicher genug bezeichnet wurde, gewandt hat. Vorderhand soll die Redaktion des „Simpli cissimus" von Zürich aus durch Wedekind besorgt werden. Später will Langen den „M. N. N." zufolge das Blatt in Zürick erscheinen lassen. Er wird jedoch dort viel Wasser in seinen „Simplicissimuswein" gießen müssen. — Nach der „Welt am Montage" soll es sich in dem Verfahren um 20 einzelne MajestätSbeleidigungcn handeln. Q Berlin, 8. November. (Transvaal und die Delagoabai.) In der Abtheilung Berlin der deutschen Eolonialgesellschaft bat Herr vr. A. Wirthmann aus Frankfurt a. M. einen Vortrag über Transvaal und die Delagoabai gehalten. Er bemerkte: „Die große Gefahr drohe den Boeren in der Erdrosselung ihrer Cultur durch die Engländer. Sie sollen jetzt auch noch von der Delagoabai abgeschnitten werden, die nicht nur kommerziell, sondern auch strategisch von unermeßlicher Bedeutung ist. Die deutschen Interessen sind im Transvaal sehr be- deutend. Deutsches Capital ist im Werthe von 1'/, Milliarden Mark angelegt und der deutsche Handel beziffert sich auf 60 Millionen Mark. Bei dem selbst, zu zeigen, zu sein." Gut. Aber in Afrika von England drohenden Gefahr noch in der Größe ver dortigen deutschen Interessen kann für eine deutsche Regierung der Anreiz liegen, den Engländern dabei zu helfen, wenn sie die Boeren über den Ambos legen wollen. 8. 6. Berlin, 8. November. (Rentenstatistik.) Nach der im Reichsversicherungsamt gefertigten Zusammenstellung, welche auf den Mittheilungen der Vorstände der Jnvali- ditäts- und Altersversicherungsanstalten und der zugelassenen Casseneinrichtunaen beruht, betrug die Zahl der seit dem Inkrafttreten des Jnvaliditäts- und Altersversiche rungsgesetzes bis einschließlich 30. September 1898 von den 3t Versicherungsanstalten und den 9 vorhandenen Cassen- lrg«nd «in« frsi« Gestalt angenommen hat, ist mehr wie zu bezweifeln. Vielmehr dürsten noch lange Jahre vergehen, ehe man überhaupt von der Errichtung eines dritten Reichs- kriegShafenS wird sprechen können, da der Marineverwaltung durch das Flottengesetz für die nächsten Zeiten große Aufgaben auf anderen Gebieten erwachsen sind. Der Gewährsmann des Graudcnzer „Geselligen" versichert, daß der „Militairfiscus" der doch wohl mit der Sache weniger zu thuu haben dürfte als der MarinefiScuS) sich bereits das Gelände in der Nähe von Gdingen gesichert habe. Schon aus der Bezeichnung dieses Ortes an der Danziger Bucht geht hervor, daß die „zuverlässige" Quelle deS Blattes sehr fragwürdig erscheint, denn Gdingen liegt nicht weniger als einige Meilen entfernt von Neufahrwasser, an gänzlich offenem und flachem Strande! Auch die Meldung von der Errichtung einer Torpedobootstation bei Plehuen- dorf kann bei Kennern der Sachlage nur ein bedenk liches Kopfschütteln verursachen, denn Plehnendorf liegt an dem alten Weichjeldurchbruch nur um eine gute Stunde entfernt in östlicher Richtung von Neusahrwasser. Die Strecke zwischen Neu- ahrwasser und Plehnendorf durchdampfen aber Torpedoboote viel leicht in 10 Minuten, so daß es sehr verkehrt wäre, an diesem Orte eine mit großen Kosten verbundene Torpedobootstation zu errichten, während in Neusahrwasser oder Weichselmünde die Verhältnisse für eine derartige Anlage äußerst günstig liegen und ohne bedeutende Mittel ausgeführt werden können. Außerdem hat eine Torpedo bootstation in Plehnendorf nichts zu schützen, mährend sie iu Neu fahrwasser ein wichtiges Glied in der Hafenvertheidigung zum Schutze von Danzig und der kaiserlichen Werft sein würde. — Der BundeSrath hat einen Entwurf von Be stimmungen über die Einrichtung und die Führung des Vereinsregisters und deS GüterrechtSregisters nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches angenommen. Danach erfolgen die Eiutragungcn in die Register auf Grund einer Verfügung des Amtsgerichts. Werden die Geschäfte des RegisterführerS nicht von einem Richter wahrgenommen, so soll die Verfügung den Wortlaut der Eintragung fest stellen. Für die Führung der Register bat der BundeSrath besondere Formulare vorgeschriebeu und deren Gebrauch durch beigegebene Muster erläutert. Für jeden eingetragenen Verein werden besondere Acten gehalten, in welche die zur Eintragung bestimmten Anmeldungen nebst den ihnen beigefügtcn Schrift stücken, die gerichtlichen Verfügungen, die Mittheilungen anderer Behörden und die Nachweise über die Bekanntmachungen aufzu nehmen sind. Für die ein Ehepaar betreffenden Eintragungen in daö Güterrechtsregister kommen außer den Familiennamen und Vornamen der Ehegatten besonders in Betracht: die Be schränkung oder Ausschließung des der Frau nach § 1357 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zustehenden Rechts, sowie die Auf hebung einer solchen Beschränkung oder Ausschließung (nämlich des Rechts der Frau, innerhalb ihres häuslichen Wirkungs kreises des Mannes Geschäfte für ibn zu besorgen und ihn zu vertreten), ferner die Ausschließung oder Aeuderung der Verwaltung und Nutznießung des Mannes, sowie der etwaige Einspruch des ManneS gegen den selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts der Frau oder der Widerruf seiner Einwilligung, sowie die Zurücknahme des Einspruchs oder Widerrufs. — Von dem Reliefbild Kaiser Friedrich's III., welches die große, an der Villa Zirio in Sau Remo an gebrachte Gedenktafel ziert, hat die Kaiserin Friedrich sechs Eopien bei dem Verfertiger des Bildes, dem Bildhauer Franz OchS in Wilmersdorf, bestellt, um dieselben dem Kaiser, dem Prinzen Heinrich und ihren vier Töcktern zum Geschenk zu machen. — Die deutschen Privatpostanflalten, 70 an der Zahl, hatten mit Rücksicht auf die geplante Ausdehnung deS Postregals Vertreter entsandt zu einer Conferenz, die am 6. November in Berlin tagte. Man kam den „Berl. N. N." zufolge überein, die Wahrung der Interessen der Privat anstalten gegenüber den Plänen der NeichSregierung einer ausführenden Commission mit dem Vorort Berlin zu über tragen, und wählte zu Mitgliedern derselben Anstaltsver treter aus Berlin, Hannover, München, Dresden, Stettin, Frankfurt a. M. und Magdeburg. — Ueber Aenderungen am Börsengesetz schreibt man der „Franks. Ztg." aus Berlin: „In letzter Zeit sind Gerüchte aufgetaucht, nach denen angeblich schon bald eine wesentliche Abänderung des Börsengesetzes erfolgen soll und man bereits eifrig mit den Arbeiten hierzu beschäftigt sei. DaS wird in unterrichteten Kreisen als unzutreffend bezeichnet. Nichtig ist allerdings, daß man für später au eine Aendcrung des Gesetzes denkt, da auch die maßgebenden Kreise sich nicht verhehlen, daß das Gesetz sehr empfindliche Mängel ergeben hat, die beseitigt werben müssen. Die etwa zu machenden Vorschläge dürften in einigen Puncten sogar noch Ver schärfungen beabsichtigen, in anderen sollen sie Erleichterungen bringen. Keinesfalls läßt sich schon heute etwas Bestimmtes darüber sagen, und eS wird noch geraume Zeit dauern, bis man mit der Bearbeitung positiver Vorschläge beginnt." — Die preußische CentralgenosfenschaftScasse hat ein übersichtliches Gesammtverzeickniß der eingetragenen Genossenschaften in Preußen erscheinen lassen. Darnach giebt es 8300 selstständige Genossenschaften mit rund 1 118 000 Mitgliedern, di« «in« Gefammthaftsumme von rund 204'/, Millionen vertreten. — Der socialdemokratische Reichstagsabgeordnete Wilhelm Schmidt in Frankfurt a. M. hat am 4. d. M. eine drei monatige Gefängnißstrafe angetrcten, die ihm wegen Be leidigung eines OfficierS zudictirt worden ist. In Folge dessen kann der Genannte den Verhandlungen zunächst nicht beiwohnen. Bekanntlich wird Abg. Stadthagen (Md.) beim Beginn der Session und während eines großen TheilS der selben ebenfalls im Gefängniß sitzen. — Gegen den Anarchisten Schriftsteller Gustav Lan dauer ist die strafgerichtliche Untersuchung wegen ver leumderischer Beleidigung beim Landgericht I eingeleitet worben. Landauer bat absichtlich diese Verfolgung bervor- gerufen, weil er den Fall Ziethen noch einmal vor Gericht bringen will. Er hat den Polizeicommissar Gottschalk, früber in Elberfeld, öffentlich der Fälschung von Beweis stücken und deS Meineids beschuldigt. — Russische Protestnote? Davon, daß Rußland, wie der „Daily Telegraph" meldet, eine Note an den Vatikan und an die Pariser Regierung gerichtet habe, des Inhaltes, daß cS für die Aufrechterhaltung deS französischen Protekto rates über die Katholiken im Orient eintrete, ist nach Ber liner Blättern an hiesiger unterrichteter Stelle nichts bekannt. — DerReichskanzleristheuteAbcnd 11 Uhr hier ein getroffen. — Der russische General-Lieutenant und Generalstabs-Chef beim Militair-Obercoiiimando in Warschau v. Pouzerefsky hat sich nach mehrtägigem Aufenthalte hier nach Dresden begeben. — Der schaumburg-lippische Staatsminister Frhr. v. Feilitzsch ist aus Bückeburg hier eingelroffen. — Der Oberpräsident von Ost preußen, Graf Wilhelm Bismarck, ist von Schönhausen nach Königsberg zurückgekehrt. — Der langjährige älteste vortragende Rath ii» Staatsministerium, Wirkt. Geh. Oberregierungsrath v. Kurowsky hat gesundheits- halber sein Abschiedsgesuch eingereicht und bewilligt erhalten. Er war als junger Regierungsassessor kurze Zeit im Auswärtigen Amte beschäftigt und wurde dann dem Bureau des StaalsministeriumS überwiesen, dein er seitdem ununterbrochen als Vortragender Rath an gehört hat. (-) Flensburg, 8. November. Im Kreise Sonderbnrg wurden neuerdings fünf bei dänisch gesinnten Einwohnern dienende dänische Unterthanen ausgewiesen. Die Zahl der in den letzten Tagen in CbristianSfeld und Um gegend auSgewiesenen Dänen beläuft sich jetzt auf 36. * Hamburg, 8. November. Die „Hamb. Nachr." schreiben: „DaS österreichische Blatt „Unverfälschte Deutsche Worte" enthält das Programm einer „Fahrt zum Grabe BiS- marck'S". Daß unsere deutschen StammeSgenossen aus Oesterreich dem verewigten Helden durch ihren Besuch Friedrichsruhs eine Huldigung darbringen wollen, ist gewiß erfreulich und die Tbeilnehmcr an der Fahrt werden be sonders auch in Hamburg auf ein herzliches Willkommen rechnen können; andererseits aber glauben wir ihnen einen Dienst zu erweisen, wenn wir sie darauf aufmerksam machen, daß der Zweck der Reise insoweit nicht erreicht werden kann, als ein „Grab" Bismarck s über haupt noch nicht existirt. Der Sarg befindet sich noch im Sterbezimmer und wird dort bis zur Beisetzung verbleiben; die Gruftcapelle im Mausoleum wird aber ebenso wenig bereits als „Grab" angesehen werden können, da sie unvoll endet ist und noch längerer Zeit zu ihrer Fertigstellung bedarf. Es wird unter diesen Umstanden in Friedrichsruh leider schwer sein, den Wunsch der österreichischen Herren zu erfüllen." * Spandau, 8. November. Ein Streik und seine Folgen. Der Spandauer Bauardeiterstreik vom vergangenen iLommer, der in seinem Verlauf die allgemeine Aufmerksam keit auf sich lenkte, ist reich an Zwischenfällen gewesen, durch die wieder ein schlagender Beweis erbracht wurde für den Terrorismus der Streikenden gegenüber den Arbeitswilligen. Es sind schon mehrere Streikende wegen Gewaltthäligkeiten, die sie in der Zeit des Ausstandes gegen arbeitende Berussgenossen verübten, zu Gesängniß- strafen verurtheilt worden. Auch in dieser Woche hat wieder ein gerichtliches Nachspiel zu diesem Aus stande stattgefunden. Zwei Zimmergesellen, Perlewitz und Grün, die am Streik bethciligt waren, hatten mehrfach Collegen, die weiter arbeiteten, roh mißhandelt, schwer be leidigt und mit Todtschlag bedroht. Wegen der Rohheit und Gefährlichkeit seiner Handlungsweise wurde Perlewitz vom Schöffengericht in Spandau zu neun Monaten Gefängniß verurtheilt, auch seine sofortige Verhaftung beschlossen. Grün kam mit zwei Monaten Gefängniß davon. DaS schwerste Verbrechen aus der Zeit des Streiks, die gegen italienische Maurer gerichtete Brandstiftung, harrt noch der gericht lichen Aburtbeilung; der Thäter, Bauarbeiter Engel, befindet sich in Untersuchungshaft. Während so der Streik über ver schiedene, bis dahin meist ordentliche Arbeiter schweres Unglück gebracht hat, ist auch der Erfolg deS Ausstandes völlig negativ gewesen. Die Arbeitgeber setzten die bisher ge zahlten Löhne, mit denen die Gesellen nicht mehr zufrieden waren, herab und haben die ihnen als Anstifter bekannten Leute dauernd von jeder Beschäftigung in ihren Betrieben ausgesperrt. Von diesen Gesellen hat ein Theil die Stadt verlassen, um sich anderswo einen neuen Broderwerb zu suchen, und Noth und Elend sind in ihre Familien eingezogen. Und noch eine andere Folge wird dieser von den Gesellen mit großer Gebäsfigkeit geführt« Lohnkampf hab«». Di« Mehr zahl der BaugewerkSmeister übte den Brauch, während des Winters, wenn die Bautbätigkeit ruhen mußte, die älteren verheiratheten Gesellen mit Nebenarbeiten zu beschäftigen, um ihnen einen Verdienst zukommen zu lassen, den die Meister durchweg aus ihrer eigenen Tasche bezahlten, weil sie einen Gewinn davon nicht haben konnten. Diese Fürsorge, welche auS der Zeit herstammte, wo zwischen beiden Theilen noch ein mehr patriarchalisches, auf gegenseitigem Vertrauen be gründetes Verhältniß bestand, wird aufhören. Sobald die Witterung die Bauarbeit nicht mehr gestattet, werden die Bauplätze geschloffen. Gerade diese Maßregel werden die alten Gesellen mit zahlreicher Familie sehr bitter empfinden. * Kirchhain, 7. November. Der Reichstagsabgeordnete vr. Böckel hatte hier als Organ des Bundes der Landwirthe den bereits früher hier erschienenen, vor etwa drei Jahren aber wieder eingegangenen „Reichsherold" neu erstehen lassen, nur mit dem Unterschiede, daß daS früher täglich erschienene antisemitisch gefärbte Organ jetzt als ackt- seitige Wochenschrift herauSkam. Diese Wochenschrift hat bei den Bundesmitgliedern in den Kreisen Marburg, Kirchhain und Frankenburg so wenig Anklang und Unterstützung ge funden, daß sie bereits nach vierwöchigem Bestehen am 1. No vember zu erscheinen aufgehört hat. * Erfurt, 8. November. Wie der „Hall. Ztg." mitgetheilt wird, ist der Oberpräsidialrath v. Bethmann-Hollweg in Potsdam, der früher Landrath deS Oberbarnimer Kreises war, als Regierungspräsident in Erfurt in Aussicht genommen. (-) Breslau, 8. November. Hiesige Oesterreicher slawischer Abstammung erhielten von der Polizei die Aufforderung, binnen 14 Tagen daS preußische Gebiet zu verlassen. * Wiesbaden, 8. November. Der famose vi. Jameson reiste gestern nach Paris ab. Er unternimmt eine Kreuzungs fahrt im Mittelmeere mit dem bekannten Capitalisten aus Transvaal, Alfred Beit. Nach Berlin scheint er also doch nicht gehen zu wollen. * Straßburg, 8. November. DerEisenbahnminister Thielen ist hier eingetroffen. Der Besuch in Straßburg, dem auch demnächst ein solcher in Metz folgen wird, ist der Besichtigung der Eisenbabulinien inElsaß-Lothringen gewidmet. Die Anwesenheit deS Ministers in Straßburg ist von der Handelskammer dazu benutzt worden, um dem Minister ver schiedene Wünsche des Handelsstandes bezüglich des Eisenbahn wesens persönlich vorzutragen. Die Handelskammer hat außer dem eine Denkschrift überreicht, in welcher insbesondere die Tariffrage deS HafenverkehrS behandelt wird. Gestern Abend veranstaltete die Handelskammer zu Ehren deS Ministers im Hotel „Zur Stadt Paris" ein Festessen, an welchem außer den Spitzen der Eisenbahnverwaltung noch andere hiesige Be hörden theilnahmen. Oesterreich-Nngarn. Maria Antonia, Großherzogin von Toscana -st. Wie gemeldet wurde, ist die Großherzogin Maria Antonia von ToScana in der vorvergaugenen Nacht an Altersschwäche gestorben. Die verstorbene Großherzogin entstammte dem Königshause von Neapel, Las einen Zweig des Hanfes Bourbon bildet. Als Prinzessin beider Sicilie» wurde sie am 19. Tecember 1814 zu Neapel geboren, ist also kurz vor Vollendung des 84. Lebensjahres verschieden. Seit dein 7. Juni 1833 mit dem Großherzog Leopold von Toscana aus dem Hause Habsburg vermählt, lebte sie, nach dem dieser lange vor ihr gestorben, seit Jahrzehnten auf Schloß Orth bei Gmunden in Oesterreich. Von ihren Kindern sind die bekanntesten der verschollene Johann Orth und Erzherzog Ludwig Salvator, der sich als Schriftsteller einen Namen gemacht hat. Kurz vor ihrem Tode sagte die Verstorbene zu ihrer Umgebung: „Ich sterbe gern, denn dann werde ich erfahren, ob mein Sohn Johann noch lebt, oder ob ich ihn im Jenseits finde." Duelle. * Pest, 8. November. Der Zwischenfall Karolyi- Gajary droht größeren Umfang anzunehmen. Da Graf Karolyi über 70 Jahre alt ist, unterliegt er den Pflichten des Zweikampfes nicht; dagegen verlautet, daß mehrere jüngere Parteigenossen Karolyi'S sich für ihn schlagen wollen, so daß Massenduelle mit Gajary entstehen können Italien. Aiiarchistenconferenz * Rom, 8. November. Die Conferenz zur Berathung von Maßnahmen gegen die Anarchisten wird am 24. d. M. zusammen treten und ihr« Sitzungen der „Jtalie" zufolge im Palais Corsini abbalten. Die „Jtalie" fügt hinzu, die italienische Regierung werde fünf Puncte Vorschlägen, die den Mächten bereits mitgetheilt seien. Die Mächte hätten sie im Allgemeinen angenommen; eS erübrige noch, diese Punkte für ein internationales Gesetz fest- zustellen. Luxemburg. * Luxemburg, 8. November. Die Tagung der Kammer wurde heute eröffnet. Zum Vorsitzenden wurde der bisherige Präsident Simons wiedergewählt. Bei der Wahl für den Posten deS Vicepräsldenten wurde eine Stichwahl erforderlich, in welcher v. Blochhaujen mit 23 Stimmen gegen den Regierungscandidaten Hemmer gcwähltt wurde, welcher 19 Stimmen erhielt. beweglich wie das Schiffsbilv. Er steuerte das Schiff mit der ihm eigenen pedantischen Gewissenhaftigkeit, manchmal auf den Compaß, manchmal ins Takelwerk blickend. Ich saß neben der kleinen Lulu auf dem Oberlicht, unsere Hände waren verschlungen. Mitunter legte sie den Kopf an meine Schulter und verrieth ihre Liebe und ihr Glück durch ähn liche Zärtlichkeiten. Banyard nahm aber nicht mehr Notiz von uns, als wären wir niet- und nagelfeste Deckutensilien gewesen, wie etwa Jumpen oder Ohrhölzer. An der Cajütcnthür stand der Koch mit bis über die Ellbogen aufgekrempelten Hemdärmeln, Savings mit verschränkten Armen neben ihm. Hardy lehnte sich über die Schanzkleidung. Nur gedämpft erreichte uns das Murmeln ihrer Stimmen. Der sanft« Wind hielt die Segel voll und ruhig, im Takel werk war Alles still; die See war glatt und nur ein leises Plätschern bezeichnete dir Furche, die unser kupferner Vorder steven in die dunkle Wasserfläche schnitt. Es war wie ein Traum, das Deck entlang zu blicken, nur die drei Männer dort zu sehen, die tiefe Stille zu empfinden und dann zurück an die Vergangen heit zu denken mit all' den Scenen, die darauf gespielt hatten. Gedankenvoll auf die kleine weiße Hand starrend, welche wie eine Schneeflocke in der meinen lag, versank ich in eine Träumerei, aus welcher die kleine Lulu mich weckte, indem sie ihre Lippen an mein Ohr legte und mich fragte: „Woran denkst Du?" „Ich dachte an Bayport", sagte ich, „an ein kleines Gasthaus dort mit einem Balcon, an ein reizendes, kleines Dämchen, welches einst aus jenem Balcon saß." „Meinst Du mich?" „Wen sonst, Du Schelm? — Was für ein armer Mensch war ich damals! Keine Seele in der ganzen weiten Welt besaß ich, die sich nur einen Strohhalm darum gekümmert hätte, ob ich kam oder ging, ob ich schiffbrüchig, ertrunken oder ermordet war. Dir junge Dame ahnte nicht, mit welcher Bewunderung ich sie betrachtet«. Mir gefiel ihr Gesicht, ich war bezaubert von ihren prachtvollen, schönen Augen und dem Ausdruck der Güte, der in denselben lag. Hätte ich die freche Stirn einer Landratte gehabt, würde ich mich ihr aufgedrängt haben, nur um ihre Stimme zu hören, von welcher ich überzeugt war, daß sie mein Herz erwärmen und sympathisch berühren muffe. Wie wenig ahnte ich damals, daß jenes liebliche Mädchen und ich einst Reisegefährten sein und dieselben großen Gefahren theilen würden, daß «S meine Aufgabe sein würde, über sie zu wachen, sie zu beschützen, und daß ich einst an einem herrlichen Abend, im fernen Stillen Ocean, mit ihr auf dem Deck eines kleinen Schiffes sitzen würde, glücklicher als je in meinem ganzen Leben, weil ihre Hand in der meinen ruht und ihre Liebe mir gehört. Das sind meine Gedanken, kleine Lulu." „Und die sind so nett; erzähl' mir noch mehr." „Nein, mein Kind, jetzt bist Du an der Reihe; ich will auch etwas hören." „Dann werde ich Dich etwas fragen: wirst Du auch meiner nicht überdrüssig sein, ehe wir England erreichen?" „Na, so eine Frage; das zeigt mir, wie wenig Du den Charakter eines Seemanns kennst. Du Liebling." „Wirklich?" rief sie kokett. „Ich weiß aber, daß Seeleute die allerflatterhaftcsten Geschöpfe unter der Sonne sind. Denkst Du, ich hätte nicht gehört, wie sie immer gesungen haben: „Jack hat ein Weib in jedem Hafen"? Und sie sind nicht blos flatterhaft, nein, sie sind auch Meuterer und Mörder. — Geh weg! — Ich mag Dich nicht!" Sie riß chre Hände aus den meinen und gab mir einen kecken Stoß; im nächsten Augenblick nestelte sie sich aber schon wieder an mich, und ihr melodisches Gelächter zwitscherte in meinen Ohren. Dann kam wieder ein plötzlicher Wechsel über sie, der mich immer so ahnungslos traf wie das Umschlagen einer Brise. Sie verbarg ihr Gesicht in ihren Händen, schüttelte den Kopf und schluchzte. „Nun kommt wieder der Bruder Lucius", dachte ich; und richtig, so war es auch. „Mein armer, armer Bruder! — O Gott!" stöhnte sie. Nun ja, das war gewiß ein trüber Gedanke, aber wenn er ertrunken war, dann hatte er eben den richtigen Seemannstod gefunden und ruhte in Frieden. Er war von ihr genommen, ja, aber an seine Stelle war ein anderer, zärtlicherer, treuerer, in jeder Beziehung liebreicherer Lebensgefährte getreten. Und wenn die Leute ihn nicht im Boot ausgesetzt hätten, würden wir dann hier als glückliches Brautpaar Hand in Hand sitzen, uns neckend und miteinander kosend? In dieser Weise etwa suchte ich die plötzlich über sie ge kommene trübe Stimmung zu verscheuchen, und mit meinen letzten Worten hatte ich auch glücklich den Nagel auf den Kopf getroffen. Ihre Augen guckten traurig über ihre Fingerspitzen ! hinweg, und sie flüsterte: „Nein, er würde mir nie erlaubt haben, Dich zu lieben." Dieser Gedanke schien ihr eine Quelle des Trostes zu sein, denn bald lachte und schwatzte sie wieder. Soll ich hier mit meiner Geschichte aufhören? — Eigentlich mein« ich, wenn ich die beiden Liebenden da auf dem Oberlicht betrachte und die stillen Segel, welche sich in die Dunkelheit der Nacht strecken, und die Gestalt am Steuer und das verödete Deck, da könnte ich keinen passenderen Moment wählen, den Vorhang fallen und die „kleine Lulu" ruhig in den dichten Nebel > segeln zu lassen, welcher die Zukunft verhüllt. Ist denn der Held der Geschichte verpflichtet, von seiner Verheirathung zu sprechen, von dem Ort und dem Haus, wo er als glücklicher Gatte lebt, von dem Hausstand und dem Zeugniß, welches seine letzte Köchin ihm ausgestellt hat? Das sind doch Dinge, die auf der anderen Seite des Braut standes liegen und die in meiner Erzählung, deren Faden sich nur um Liebeswerbung, Liebesgeflüster und Küssen rm Licht der Sterne dreht, keinen Platz finden sollten. Aber ich will doch noch sagen, daß, wenn ich auch als blutarmer Mann die „kleine Lulu" betrat, ich doch aus ihr als ein glücklicher und vielleicht reicherer Mann hervorging, als Deacon mich in seinem Wahn sinn zu machen versprach. Und dann will ich auch nicht auf hoher See abschließen. Der Stille Ocean, der berühmt ist wegen seiner ruhigen Wogen und seines herrlichen Klimas, ließ uns nicht im Stich. Das Schicksal hatte seine Tücke verloren und war uns jetzt freundlich gesinnt. Während der ganzen drei Wochen, welche wir brauchten, um Valparaiso zu erreichen, refften wir kein Segel. Ab und zu ein Zug an den Brassen war Alles, was wir zu thun hatten, um gute Fahrt zu haben. Und das war ein Segen; denn der Koch war im Takelwerk absolut nicht zu brauchen, er wurde schwindlig und klammerte sich nur stets, ohne etwas zu thun, krampfhaft an. Bei einer Bö oder einem Sturm würde die Brigg nur die Arme von vier Mann gehabt haben, um die Segel zu kürzen, und das wäre vielleicht ihr Untergang gewesen. Nur einem Schiff begegneten wir während der ganzen Fahrt. Es war ein amerikanischer Walfischfänger mit plumpen Booten, die an seinen Seiten hingen wie Säuglinge an der Mutter Brüst, und ungeschlacht waren seine runden Backen, kurz seine Bram- stengen, schmutzig sein Takelwerk. Es war nicht zu erwarten, daß er uns auf unsere Bitte einige Mann abgetreten hätte, und deshalb fuhren wir mit wehender Flagge so stolz an ihm vorüber, als wenn unser Vorderdeck von Menschen gewimmelt hätte. An einem Sonnabend-Morgen kamen wir nach Valparaiso, — drei Wochen und einen Tag, nachdem wir Teapy den Rücken gekehrt hattem Als wir langsam hineinfuhren, wurden gerade Kanonen auf dem Fort abgeschossrn und der Donner derselben erschien uns wie ein Salut zu Ehren unserer Abenteuer und unseres endlichen Sieges. Am Lande fragte ich sogleich nach der Wohnung des eng lischen Konsuls und fand in ihm einen sehr höflichen, liebens würdigen Gentleman. Er kam mit mir nach der Brigg, wo ich ihm Miß Franklin vorstellte. Nach kurzer Unterhandlung be stand er darauf, daß sie sein Haus als das ihrige betrachten solle, so lange sie sich noch nicht darüber entschieden hätte, in welcher Weise sie nach England zurückzukehren wünschte. Er fragte, ob sie schon einen Plan gemacht hätte, und schlug dann vor, sie möchte mit dem Dampfschiff nach Rio und von dort nach England fahren. „Aber die Brigg?" fragte sie, „was soll aus ihr werden?" „Ei nun", entgegnete er, „da steht ja nichts im Wege, daß diese, unter Führung eines bevollmächtigten Capitains, mit neuer Mannschaft zur Löschung ihrer Ladung nach Sydney segelt." „Der Capitain muß ich sein", sagte ich. „Das ist gewiß", stimmte der Konsul bei. „Und Sie meinen, daß ich allein nach Hause reisen soll?" fuhr meine kleine Lulu auf einmal lebhaft heraus. „Sie werden vollkommen sicher sein", bemerkte der Consul. „Daran zweifle ich nicht; aber ich will Mr. Chadburn heirathen", erklärte sie, plötzlich ganz tapfer geworden. „Ich werde mich nicht von ihm trennen; wohin er geht, gehe auch ich." „Ihr Entschluß scheint mir ebenso natürlich wie den Ver hältnissen entsprechend", entgegnete der Consul mit freundlichem Lächeln. „Wenn Sie mir erlauben, einen Vorschlag zu machen, möchte ich fragen: warum wollen Sie nicht hier heirathen, ehe Sie absegeln? Meine Dienste stehen Ihnen hierzu nach jeder Richtung zur Verfügung." Diese Idee erschien unS tbenso großartig wie wunderbar gescheidt. Nach Ablauf einer Woche war die kleine Lulu meine liebe Frau geworden. Ende.
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