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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981109024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898110902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898110902
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-11
- Tag 1898-11-09
-
Monat
1898-11
-
Jahr
1898
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DaS Mittel ist in beiden Fällen eigentlich ein und dasselbe; man muß von vornherein die Freisinnige BolkSpartei unterstützen. Bei den Reichstagswahlen dürfen die Social demokraten auch da, wo sie gute Aussicht haben, zur Stichwahl zu gelangen, Candidaten nicht erst aus stellen, denn in einer Stichwahl zwischen ihnen und dem Anhänger einer rechtsstehenden Partei wird der Eandidat der letzteren in der Regel gewählt. Die Social demokraten müssen deshalb sofort für den freisinnigen Be werber eintreten — so folgert wenigstens die „Freis. Ztg.". Und bei den Landtagswahlen? Man höre: „Wenn die Rechtsparteien nicht wollen, daß die Socialdemokraten im Abgeordnetenbause künftig vertreten sind, so müssen sie in allen solchen Wahlkreisen, wo dieselben ausschlaggebend sind, von vornherein die freisinnigen Eandidaten rückhaltlos unterstützen." — Wie also bei den Neichstagswahlen das Organ des Herrn Richter den Svcialdemokraten seine Dank barkeit bekundete, indem es sie zur Resignation ausforderte, so bekundet eS jetzt nach den LandtagSwablen den National liberalen, die sich verleiten ließen, den Radikalen zu Hilfe zu kommen, den Dank für diese Hilfe in derselben eigenthüm- lichcn Weise. Den richtigen Maßstab für die unerhörte Un bescheidenheit der Forderung der „Freis. Ztg." erhält man, wenn man die Machtverhältnisse prüft. Bei den Reichs- tagswahlen sei nur kurz erwähnt, daß die Svcialdemokraten, denen Resignation zugemuthet wird, vier bis fünf Mal so viel Stimmen aufgebracht haben, als die Fortschrittler. Und wenn die „Freis. Ztg." die rechts stehenden Parteien auffordert, eine „Bekämpfung der Freisinnigen in Wahl kreisen, die in Mehrheit der Bevölkerung entschieden liberal gesinnt sind, zu unterlassen", so sei nur daran erinnert, daß bei dem Abgeordnetenhause lediglich Berlin eine sichere Domaine des Fortschrittes ist. Große Mehrheiten wurden außerdem nur noch in Hagen, Frankfurt und Königsberg erzielt, die beiden erstgenannten Wahlkreise aber waren 1893 den Fortschrittlern sortgenommcn worden, so daß es geradezu Wahnsinn gewesen wäre, sie ihnen diesmal ohne Kampf zu überlassen, und in Königsberg siegten die Fort schrittler nicht für sich allein, sondern nur in Verbindung mit der Vereinigung und den Nationallibcralen. Die Mehr beit in Wiesbaden war keineswegs derart, daß der Sieg des Fortschrittlers von vornherein sicher war, Nordhausen und Görlitz sowie Thorn wurden erst bei diesen Wahlen erobert, während sie 1893 den gegnerischen Parteien angehört hatten; in Breslau endlich hatten von vornherein nicht die Fort schrittler, sondern die gegnerischen Parteien eine größere Zahl von Wahlmännern. Wenn also nirgends außerhalb Berlins eine fortschrittliche Mehrheit gewiß ist, so ist es doch ein starkes Stück, Parteien gegenüber, die unendlich viel mehr sichere Bezirke besitzen, mit derartigen Anforderungen zu kommen. Und wenn noch die Fortschrittler ihrer seits die Domainen der gegnerischen bürgerlichen Par teien respectiren wollten! Dies ist aber keineswegs der Fall, so daß tatsächlich das Organ des Herrn Richter beansprucht, schlagen zu dürfen, während der Gegner stille halten soll. Und diese Forderung wird erhoben unmittelbar nach Wahlen, die wiederum die Schwäche der Fortschritts partei ergeben haben, wenn auch diese Partei dank der Hilfe von rechts und links 11 Mandate erobert hat, so daß sie jetzt wirklich nahezu ein ganzes Siebzehntel der Sitze deS preußischen Abgeordnetenhauses einnimmt, während sie eS im Reichstage sogar dis beinahe auf l/iz gebracht hat. Wenn in der letzten Zeit eine größere Anzahl von Dänen aus Nordschleswig anSgewiescn worden ist, so liegt die innere Berechtigung darin, daß nicht nur die dänisch gesinnten preußischen Unterthanen, sondern auch die An gehörigen deS Königreichs Dänemark jede Gelegenheit be nutzen, ihren Haß gegen Deutschland zur Schau zu tragen. Es ist selbstverständlich, daß die Maßnahmen der preußischen Regierung in Dänemark Verdruß erregen müssen, aber wenn die „Voss. Ztg." daraus folgert, daß der Riß zwischen Däne mark und Deutschland durch die AuSweisungSmaßregeln un heilbar werden würde, so braucht diese Besorgniß die preußische Regierung nicht zu stören. Denn von dänischer Seite ist der Riß seit 1864 als unheilbar angesehen worden, und wenn Deutschland auch noch so viele Rücksicht auf dänische Empfindlichkeit nehmen würde, eS würde die auf die Schädigung Deutschlands gerichtete Politik, die am dänischen KönigShofe leidenschaftlicher betrieben worden ist, als irgend wo anders, deshalb nicht um Haaresbreite geändert werden. Ebenso gleichgiltig wie die politischen Folgen der Ausweisungen, sind deren Wirths ch östliche Folgen. Wenn der Zuzug dänischer Arbeitskräfte nach Nord- Schleswig aufbören sollte, so dürsten sich Mittel und Wege finden lassen, die aus den östlichen Provinzen auswandernden Elemente, statt nach dem Westen, nach dem Norden zu birigiren. Eventuell würde man auch ebenso wie in den Ostprovinzen die Ansiedelung deutscher Colonisten mit staat lichen Mitteln fördern müssen, was um so eher anginge, al lster nicht wie im Osten große Rittergüter zu zerschlagen wären. Es ließe sich also eine Ansiedelung mit geringeren wirthschaftlichen Nachtbeilen als in den östlichen Provinzen durchführe». In jedem Falle handelt die preußische Regierung, da das dänische Element sich seit mehr als einem Menschen alter unverändert unversöhnlich zeigt, recht daran, wenigsten» die Vermehrung dieses Elements durch Zuwanderung ab zuweisen. Man mag bei der Beurtheilung der innerpolitischen Lage OcstcrreichS darüber streiten, ob in der Obstruktion oder in der sachlichen Opposition die wirksamere Vertheidi- gung besteht; aber darüber ist kein Streit möglich, daß schlimmer als die eine und schlimmer als die andere die eine neben der andern oder gar die eine gegen die andere ist. Welchen Weg die deutsche Gemeinbürgscbaft einzuschlagen habe, das kann weder in Graz, noch in Linz, noch in Reichenberg oder Klagenfurt, sondern nur in Wien be stimmt werden, wo der Reichsrath tagt und die deutschen Abgeordneten aller Kronländer in dauern der unmittelbarer Berührung mit einander stehen. Das liegt im Wesen des Repräsentativ-SystemS, welches darauf aufgebaut ist, daß die Wähler sich der Uebereinstimmung ibreö Abgeordneten mit ihren Wünschen, Bestrebungen und Interessen versichern, dann aber die Methode, wie er am besten ihren Anforderungen gerecht wird, seiner Einsicht überlassen. Versucht es eine Partei, ein anderes Princip bei sich einzusübren, dann leidet nicht das Repräsentativ-System, sondern die Partei. Ihr ist eine Schwächung in Graz wider ¬ fahren, wo die VertrauenSmännerversammlunH der deutschen Volkspartei in Steiermark sich als ein Zwischenglied zwischen die Wählerschaft und die Abgeordneten eingeschoben und den Anspruch erhoben hat, im Namen dieser Wähler schaft den Abgeordneten die Marschroute vorzuschreiben, während eS doch unbestreitbar ist, daß, wenn die Abgeordneten das Vertrauen ihrer Wähler verloren haben, dies nur durch die letzteren selbst festzustellen ist. Wie wenig eine fern vom parlamentarischen Kampfplatze tagende Versammlung geeignet ist, Fragen zu lösen, wie die, ob Obstructiv«, ob Opposition, daS beweist die sonderbare Behauptung deS Vorsitzenden der steierischen Vertrauensmänner, Vr. v. Derschatta'S, eS habe sich seit dem vorigen Jahre nichts geändert. Wenn die Vereinbarung der österreichischen Regierung mit dem ungarischen Ministerium, welche ihr gestattet, was ihr im vorigen Jahre unmöglich war, nämlich den Ausgleich ohne Zustimmung des ReichSrathes in Kraft zu setzen, keine Aenderung des Angriffes ist, die eine Aenderung der Ver- theidigung notbwendig macht, dann muß man wohl fragen, was denn in Graz als Veränderung angesehen wird. Es hat sich nur zu viel seit dem vorigen Jahre geändert! Die verderblichste Aenderung aber scheint die zu sein, daß die auch in Graz als arg bedroht zugegebenenen nationalen Güter des deutschen Volkes nunmehr überdies durch den Ver lust der Einmüthigkeit in ihrer Vertheidigung, die im vorigen Jahre noch bestand, bedroht werden. Die Deutschen werden in CiSleithanien nie zu der ihnen gebührenden Stellung ge langen, wenn sie es an Geschlossenheit den Magyaren nicht gleichzuthun verstehen. Diese haben Oesterreick dadurch ein nationales Zugeständnis nach dem anderen abzutrotzen ge wußt und erst jetzt wieder, wie dieser Tage auSgeführt wurde, mit der Beseitigung des Hentzi-DenkmalS einen Triumph des nationalen (es hätte besser heißen sollen: magyariscken) Ge dankens erlebt. Ein jeder nationale Erfolg der Magyaren ist ja freilich eine neue Gefahr für das Deutschthum in Ungarn, aber die Deutschen in Oesterreich können nichts destoweniger daraus lernen, wa« ihnen fehlt, um gleiche Er folge zu erringen. Die von dem neuen französischen Cab in et abgegebene Erklärung, die Politik solle von der Armee fern gehalten werde», fordert zu einer Betrachtung darüber auf, ob die- in Frankreich unter den bestehenden Verhält nissen überhaupt möglich ist. Einen Monarchen als obersten Kriegsherrn besitzt die französische Armee nicht, der Präsident der Republik verfügt nach der Verfassung über Heer und Flotte, der eigentliche Kriegsherr mit der vollen Commandvgewalt im Frieden ist der Kriegsminister. Mit den Majoritäten im Parlament wechselnd, stehend und fallend mit dem jedesmaligen Cabinet, ist aber der Kriegsminister in Frankreick ohne jeden Zweifel ein politische Persönlichkeit. Schon durch den Wechsel im Kriegsministerium, davon wir in vier Monaten fünf er lebt haben, übt die Politik einen Einfluß auf die Armee, der Kriegsminister, der oberste Kriegsherr, kann sich den Einwirkungen der Politik nicht entziehen. So ist der Politik auch in die Armee ein Eingangsthor erschlossen, daS sich nicht zuriegeln läßt, so lange man dem Kriegs minister nickt eine andere Stellung anweist. Wie soll dies aber geschehen? Einen dauernden Obercommanvirenden für die Armee zu schaffen, neben dem der Kriegsminister nur VerwaltungSgeschäfie und die Vertretung im Par lament bedielte, erlaubt, so schreibt man dem „Hamburger Correspondent", die Verfassung und erlauben die poli ¬ tischen Verhältnisse nicht. Bonlanger und Thibaudin, Billot, Mercier, Bvisdeffre, Pellieux und Gonse tragen die Signatur politischer Persönlichkeiten, eine solche ist Nenouard, der Nachfolger Boisdeffre's als Ches deS General stabes der Armee, der jetzt durch Brault ersetzt wird, von dem die Fachblätter berichten, daß er der antiklerikalen Rich tung und dem politischen Glaubensbekenntniß Freycinet's an gehöre. Von den Civilkriegsministern, die selbstverständlich Parteimänner sind, braucht nicht erst geredet zu werden. Wie oft hat man eS in Frankreich erlebt, daß auS politischen Gründen, oft auS Gefälligkeit gegen einflußreiche Senatoren und Deputirte, Truppenverschiebungen stattfanden, wie oft hat man politisch verdächtige Officiere versetzt, wie oft ist nach dem politischen Glaubensbekenntniß der Officiere ge forscht worden! Tie Politik au« der Armee zu entfernen, wird auch Herrn de Freycinet, selbst wenn er ernstlich daran dächte, nicht möglich sein. Die englischen Marineschriften fahren in ihren Kriegsdrohungen gegen das schon anscheinend recht nach giebige Frankreich fort. Unter der Ueberschrift „Damals und jetzt" beginnt die „Army and Navy Gazette" eine längere, hier im Auszuge wiedergegebene Abhandlung mit den Worten: „Wiederum, nach einer Pause von dreizehn Jahren, rüsten wir zum Kriege." „Damals", so fährt die Zeitschrift fort, „galten unsere Rüstungen Rußland. Im Jahre 1885 war bei der Mobilmachung wohl für jedes im Ausland» befindlich« russische Kriegsschiff eine mehr als genügende englische Streitmacht zur Hand, während für das gewählte Haupl- kriegstheater, die Ostsee, noch ein Geschwader ans zwölf Schlacht schiffen, Rammschiff, Kreuzern, Kanonenbooten und einigen Torpedo booten vorhanden war. Aber eine kriegsbereit», vereinigte Schiffszahl hat selten mehr ungleiche Typen und GrfechtSeigeu- schasten aufgewiesen, und nach Entsendung dieses Geschwader ware in der Heimath keine verfügbare Reserve für den Schutz der Häfen und des Handel-, sowie zum Ersatz von Verlusten zurück geblieben. Dieser bedenkliche Zustand war da» Ergebniß der jahre lang an der Marine geübten Sparsamkeit»- und Einschränkungs politik. Jetzt rüstet England zwar gegen die ihm als Seemacht zunächststehende Nation, aber keinerlei Unruhe quält deshalb da» Volk, denn eS weiß, daß die Flotte stark und kriegsbereit ist. Unsere Geschwader, von denen da» Lanalgeschwader wohl nicht ohne Grund am Eingang de« Mittelwelle» verweilt, befinden sich in den besten Stelluygey, um im Kriegsfälle handeln zu können. Nach Verlauf einer Woche sind wir weiter fortgeschritten in der kriegsrüstnng, als 1885 nach der Arbeit eine» Monats. Unsere Geschwader bestehen jetzt auS gleichartigen Schlachtschiffen mit guten militairischen Eigenschaften, die damal» dem Geschwader des Admirals Hornby fehlten. Wir haben außerdem jetzt die uns 1885 fehlende Reserve an Schiffen und Mannschaften. Dieser Unterschied unsere- heutigen Bestandes der Flotte gegen den damaligen ist nicht ohne viel Mühe und Arbeit erreicht, aber Alle, die in den letzten, dreizehn Jahren daran mitgearbeitet haben, können mit Recht auf den Erfolg stolz sein." Als HauptsörderungSmittel der englischen Seemacht und als Grund der Befestigung der englifchen Seeherrschaft ist die Durchführung des im April 1889 durchgebrachtea und am 31. Mai desselben Jahre» bestätigten Flottengesetze», der >'nval vefeucs ^Vet, anzuseben. Di» deutsche Press« hat in den Tagen der Kämpfe um unser Flotteugrsctz oft genug auf die Anval Lokouea -scet, hingewiesen. Erst durch letzteres Feuilleton. Die kleine Lulu. 32s Seeroman von Clark Russell. Nachdruck vkrioten. „Sie haben sich zu viel zugemuthet", hörte ich sie sagen; dann verließ sie mich schnell, kam aber gleich wieder zurück und hielt mir ein Glas Branntwein an die Lippen. Der stärkende Trank war gerade, was ich bedurfte. Ich dankte ihr und küßte die Hano, die sie ausstreckte, um das Glas wieder in Empfang zu nehmen. Nunmehr holte sie ihr Kopfkiffen, legte es auf den Kasten und bat mich, mich niederzulegen. „Ich habe etwas aromatischen Essig", sagte sie, „und werde Ihren Kopf damit baden. Ich werde Sie bald wieder gesund machen. Sie haben so lange, lange Zeit für mich gesorgt, — nun bin ich an der Reihe." Alle ihre Neugier, zu hören, was geschehen, war vorüber oder wurde unterdrückt; sie hielt mich für krank, und zum ersten Mal erkannte ich an dem erschreckten, angstvollen Blick, mit dem sie mich ansah, daß meine Liebe erwidert wurde. Ihr, die ihr das lest und an das Langboot und seine Be satzung von Meuterern denkt, an die fragliche Treue der beiden auf der Brigg verbliebenen Leute und an die Schwierigkeiten, die meinem Unternehmen entgegenstanden, diese Brigg von drei hundert Tonnen mit nur drei Männern und einem Knaben in den Hafen zu führen, — ihr werdet denken, daß dies nicht der richtige Moment war, eine Liebeserklärung zu machen; aber ich konnte dem Zauber nicht widerstehen, der mich ergriffen hatte. Sie stand bei mir und sah mit sinnenden Augen zu mir nieder. Mit meinen beiden Händen faßte ich ihre Hand. „Sie sollten mein Antheil des Schatzes sein, kleine Lulu, wenn wir die Insel erreichten und das Gold gefunden wurde", flüsterte ich ihr zu. „Wir haben die Insel erreicht, aber da ist kein Gold und die Leut« sind enttäuscht. Ist auch mein Antheil Täuschung? — oder habe ich meinen Schatz gefunden? — darf ich ihn nehmen, darf ich ihn behalten, den mein Herz schon so lange ersehnt?" „Ich gehörte schon Ihnen, lange bevor die Leute mich Ihnen zusprachen", sagte sie. Und was dann geschah? — Ich will e» euch in einem Satz «zählen: sie lag in meinen Armen und mein« Lippen waren auf die ihren gepreßt. Ich hatte sie gewonnen und sie schien glücklich, daß sie mein eigen war. „Nun aber fröhlich an die Arbeit, mein Liebling!" sagte ich, ihre Hand haltend, und führte sie aus der Cajüte auf das Deck. Zwanzigstes Capitel. Die Insel lag nur noch als ein schwarzer Schatten hinter uns am Horizont, die untergehende Sonne dicht darüber. Im Osten, wohin unser Bugspriet zeigte, war der Himmel dunkel violett, und rings umher erstreckte sich die unbegrenzte Wasser fläche des Stillen Oceans. Wir segelten schnell unter der warmen beständigen Brise, obgleich das Hauptsegel noch gerefft war und auch die Reuls und der Außenklüver noch nicht stunden. Die „kleine Lulu" würde bei diesem Winde ein Dampfschiff überholt haben; welche Aussicht blieb da dem breitbugigen Langboot, falls es seinen Insassen einfallen sollte, uns zu verfolgen? Bamyard, der Koch und Savings unterhielten sich in der Nähe des Hauptmaste«. Alle Drei rauchten ihre Pfeifen und sahen ganz zufrieden aus. Ich rief sie heran. „Na, SavingS", sagte ich, „was denkst Du nun von der Sache? Bist Du nicht froh, aus der Meuterei heraus zu sein?" . „Nu jo, Mister, dortau will ik nich ne seggen", erwiderte er, während er sein« Pfeife aus dem Munde nahm. „Blot äwcr Deacon's Garn, doräwer känn'n Banyard un ik nich einig wardjen; denn Banyard seggt: 't iS gor kein Insel da, un ik segg: dat is sei ja", und dabei deutete er nach hinten auf die Insel. Aus dieser einfachen Bemerkung war zu erkennen, daß der Mann glaubte, wir überließen das ganze Geld den glücklichen Spitzbuben im Langboot und brächten ihn aus diese Weise um den ihm, nach seiner Meinung, von Rechts wegen zustehenden Antheil. Es war leicht möglich, daß auch der Koch diese Ansicht hegte, und deshalb war «S nöthig, daß ich mir die Mühe nahm, ihr« Köpfe von dem Unsinn zu befreien. Ich schickte daher Banyard nach der Karte der Südsee, worauf der Cur« der Brigg angegeben war. Nachdem ich sie aufgefordert hatte, die mit Bleistift gezeichnete Linie zu betrachten, erklärte ich ihnen, daß neunundneunzig Chancen gegen eine beständen, daß, wenn Deacon'S Insel überhaupt existirte, sie auf der Karte verzeichnet sein würde. „Aber angenommen auch", fuhr ich in meiner Belehrung fort, „sie wäre von den unzähligen Schiffen, die diese Breiten durchfurcht haben, wirklich übersehen worden, so hätten wirste unter allen Umständen bemerken müssen; denn wir haben unseren CurS genau nach Deacon's Angaben ge nommen." Die» zeigte ich ihn«n auf der Karte. „Aber", sprach ich weiter, „selbst vom höchsten Ausguckspunct der Brigg aus ist auf der Stelle, wo sie hätte sein müssen, nur Himmel und Wasser zu sehen gewesen. Welcher vernünftige Mensch kann da noch anders glauben, als daß Deacon's ganze Geschichte einfach die Ausgeburt des kranken Gehirns eines Wahnsinnigen war?" Auf diesen, zuletzt doch ganz ausgesprochenen Wahnsinn legte ich besonderen Nachdruck und suchte den Leuten durch Bei spiele (von denen eins wahr, die anderen erfunden waren) ver ständlich zu machen, daß Deacon wirklich ein total Verrückter war und das Gold und die Insel seine fixe Idee bildeten. „AuS dieser hat er sich allmählich seine Geschichte zusammengesetzt", sagte ich, „und zwar mit der Schlauheit eines Wahnsinnigen, so folgerecht, daß man sie wohl für möglich halten tonnte, er selbst aber unzweifelhaft an das Gespmnst seiner Einbildung glaubte und dadurch auch leicht bei Anderen Glauben dafür erweckte." Der Koch schien ganz überzeugt von meinrx Auseinander setzung und meinte, daß er, für sein Theil, nie recht gewußt hätte, ob er Deacon's Garn für wahr oder falsch halten sollte. „Mit mi was 't ümmer ein Tag so, den annern so. Wenn de Lüt dor- Dcm redten, wat sei an Land all'ns mit dat vele Geld maken würd', dünn packt' mi jo ok d« DUwel un rk glöwt' an de Sak, wenn ik äwer wedder allem in mien Bedd läg, dünn glöwt' ik nich mihr daran. Ik hew von Deacon nich vel Hollen, hei hadd wat Falsch's in sien Ogen, 's wieren mihr Hunns- als Minschen- ogen. Ik blln taufreden, mit de ganze Sak nicks mihr tau dauhn tau hewwen, un all'ns, wat ik seggen kann, is, dat ik hoffe, dat wi en gauden Fohrt maken Warden." Saving« sagte nur: „Sei mügen all recht hewwen, Mister; denn wenn kein Insel dor i«, denn kann ok kein Gold vor sien." Ganz überzeugt schien er aber, trotz dieses Ausspruchs, nicht zu sein. Indessen seine Ansicht war jetzt von keiner Bedeutung mehr, da der Koch zu uns stand und wir dadurch vier Mann gegen einen waren. Außerdem, welchen Nutzen hätte er davon haben können, uns vielleicht zu ermorden, wenn er auch wirklich ein mal Gelegenheit dazu fand. Er würde dann allein auf der Brigg zurückgeblieben und selbst verloren gewesen sein. Ich theilte darauf den Leuten mit, daß eS meine Absicht sei, nach Valparaiso zu steuern; dies war uns der nächste Hafen. Hierbei erwähnte ich gleichzeitig, daß, wenn SavingS es wünsche, er dort das Schiff verlassen könne, ohne daß ihm irgend etwas geschehen solle. Dies war ein Versprechen, welches ihn sehr ver gnügt machte; er grinste, schüttelte aber mit dem Kopf und sagte: „Ik ward för Sei arbeiten. Wenn ik will, schaff il so vel as twei anner. Sei süll'n seihn, wo flink ik sien kann." Es blieb nichts weiter zu sagen, daher gab ich dem Koch den Auftrag, das Küchenfeuer anzuzünden und den Thee zu bereiten; und Savings befahl ich, um vier Glasen Hardy am Rad« ab zulösen. „Ich werd« Euch nicht alle Arbeit allein aufladen, Maats", sagte ich, „ich werde mein Theil auch redlich thun. Wir sind fünf, wenn Jeder zwei Stunden am Rade steht, werden wir Schlaf genug haben, falls nur das Wetter aushält; und das wollen wir hoffen, denn wir sind in den richtigen Breiten für schöne» Wetter." Sowie die Leute gegangen waren, sprang meine kleine Lulu von ihrem Platz auf, nahm meinen Arm und bat mich, mit ihr auf dem Deck spazieren zu gehen. Zum ersten Mal seit vielen langen Tagen glänzte etwas wie Glück in ihren Augen. Sie sah mich mit einem wunderlieblichen, triumphirenden Blick an, und, wenn sie nicht stolz auf ihren Bräutigam, den Seemann, war, dann muß sie eine geschickte Schauspielerin gewesen sein. Ja, die getheilte Gefahr hatte uns einander sehr thcuer ge macht. Wären wir nicht ein Liebespaar geworden, so hätten wir wenigstens Freunde für das ganze Leben werden müssen. Wir waren uns gleichmäßig zu Danke verpflichtet: sie hatte mir das Leben gerettet und ich hatte sie Iveiß Gott welchem Schicksal ent rissen. Wir zogen auf dem Deck umher wie ein paar fröhliche Kinder. Ich mußte mit ihr da» Wasser ansehen, welches kräuselnd vorüberglitt, dann den Compaß, wo Hardy, der Bengel, seinen Kopf abwandte, um sein verschmitztes Lachen zu verbergen, und die ganze Zeit über schwatzte sie den entzückendsten Unsinn. Kurz und gut, sie war eigentlich der richtige Kobold; eine schrecklich« kleine Memme in der Gefahr, keck und Ubermiithig, wenn nichts zu fürchten war, mit einem Temperament wie Quecksilber im Thermometer: sehr tief, wenn der Wind kalt blies, sehr hoch, wenn die Sonn« warm schien. Und war solcher Geliebten zu trauen? fragst Du. „Ja, Maat." An diesem Abend erglühte der westlich« Horizont in einem herrlichen Sonnenuntergang. Die rosafarbenen Wolken standen am Himmel wie die Berggipfel eine« Zauberreiche«, und zwischen diesen hervor schoß die Sonne Strahlen, welche da« Wasser in eine Fluth von Gokd verwandelten. Die Wolken sanken mit der Sonne nieder, und bald war das fleckenlos blaue Himmelsgewölbe mit leuchtenden Sternen bis in die weitesten Fernen übersät. Der alte Banyard stand am Rade, sein Gesicht war so un»
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