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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.10.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981028029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898102802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898102802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-10
- Tag 1898-10-28
-
Monat
1898-10
-
Jahr
1898
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Größer« Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ztssernfatz nach höherem Tarif. Srtra-Veilagen (gefalzt), nur mit der Morgen «Ausgabe, ohne Postbeförderunx 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Äunahmeschlnß für Anzeigen: Ab end »AuSgab«: Lormitisz» 10 Uhr. Morge n-AuSgab«: Nachmittag« - Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Volz ia Leipzig 5N Freitag den 28. October 1898. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. Oktober. Das Erzebniß der prentzischcn LandtagSurwahlcn ist zwar noch bei Weitem nicht zu überseben, aber so viel steht schon fest, daß von einem politischen Ergebniß insofern nicht die Rede sein kann, als das Stärkeverhältniß der Parteien im Abgeordnetenhause so ziemlich das alte bleiben wird. Die beiden konservativen Fraktionen werden auch künftig für sich allein keine Mehrheit bilden, ja es werden den Conservativen und den Freiconservativen voraus sichtlich noch einige Stimmen mehr als früher an der Mehrheit fehlen. Bon einem „starken Zuge nach links" wird man aber trotzdem nicht reden dürfen, wenn auch die Berliner Freisinnspresse in den nächsten Tagen den Versuch machen wird, die Siege, die da und dort die „entschiedenen Liberalen" mit fremder Hilfe errungen haben, zu einem hochwichtigen politischen Ereignisse aufzubauscken. Diese Triumphgesänge werden sofort wieder verstummen, wenn sich herausstellt, daß es nach wie vor im Belieben der Regierung liegen wird, sich auf eine konservativ-klerikale oder eine konservativ - nationalliberale Mehrheit zu stützen, ohne um die Linke sich zu kümmern. Ob die Negierung das Eine oder das Andere verzieht, scheint der großen Mehrzahl der preußischen Wähler sehr gleichgiltig gewesen zu sein, denn wie die Wablbewegung eine sehr staue war, so war auch nach den bis jetzt vorliegenden Meldungen die Wabl- betheiligung eine sehr schwache. Vielleicht haben einige Procent der Wahlberechtigten mehr tbeilgenommcn, als im Herbst 1893; aber ob 12,15 oder 18 Procent der Wahlberechtigten ihrer Wahlpflicht genügten, ist von geringer Bedeutung, und daß die Belheiligung nicht bis zu 20 Procent gestiegen ist, darf man wohl als zweifellos ansehen. Was ist aber das für eine klägliche Wahl, bei der nicht ein Fünftel der berechtigten Bürgerschaft ihre Pflicht erfüllt! Kann man da überhaupt noch von einer als Verkörperung des Volkswillens gewählten Körperschaft sprechen? Und kann die preußische Regierung, die gar nicht einmal den Versuch gemacht hat, ein Ziel anfzustellen, das sie mit Hilfe einer bestimmten Gruppe von Parteien erreichen möchte, die Hoffnung hegen, mit einem solchen Abgeordnetenhaus Gesetze zu Stande zu bringen, welche die vor den Wahlen Gleichgiltigen gleich giltig lassen? Wiederholt ist in den letzten Jahren die Beobachtung gemacht worden, daß das „Deutsche Avelsblatt", das Organ der „Deutschen Adelsgenossensckaft", durchaus in ultra montanem Fahrwasser segelt. Es kann daher nicht eben befremden, wenn die genannte Zeitschrift den deutsch-vatikanischen Zwischenfall als Ge legenheit benutzt, dem UltramontanismuS ihre Reverenz zu erweisen. BeachtcnSwerth aber ist der Eifer, mit dem sie dieses adligen Dienstes sich entledigt; sie druckt nämlich folgende Zuschrift ab: „Daß Nampolla ein Fran zosenfreund ist.., glaube ich gern. Die Curie befindet sich aber in einer sehr unbequemen Zwickmühle. Nimmt sie nicht wenigstens in der Theorie Rücksicht ans die dem Atheismus zusteucrnde Republik, so kündigt diese das Concordat und der gesummte Klerus, der nebenbei noch mancherlei für Rom gefährliche gallikanistische Sympathien hegt, ist brodloS. Die Besorgniß, Ereignisse, Culturkämpfe von unberechenbarer Tragweite zu entfesseln, bindet der Curie die Hände. Im Nebrigen ist die ganze Protecto- ratsfrage eine rein theoretische, aber gleichwohl FeuiHetsn. Die kleine Lulu. 231 Seeroman von Clark Russell. VtaAdruck »»rSoten. Vierzehntes Capitel. Während der ganzen Zeit war der Rum durch die Unter bettung in das Schlagwasser abgelaufen. Ich rechnete, daß das Faß in einer Habben Stunde leer sein muhte und wünschte danach noch so viel Zeit zu gewinnen als möglich, um den Geruch sich etwas verziehen zu lassen. Viel war in dieser Hinsicht übrigens nicht zu fürchten, da der Raum ohnedies schon von starken Gerüchen so erfüllt war, daß, wenn dieselben auch den Rumgeruch nicht gerade ganz übertäubten, er jedenfalls doch auch nicht hervorstechend sein würde. Ich ging auf Deck und fand, datz der Nebel sich verzog. Der Wind blies stark und gleichmäßig, während die langen Wogen manchmal so starke Wassergüsse über den Wetterbug schleuderten, daß das Vorderdeck wie Eis im Hellen Sonnenschein glitzerte. Die Leute waren im Dordercastell beim Frühstück, Welchy stand am Rad« und Banyard trottete auf der Mndsrite einher. Ich rief Deacon durch das Oberlicht zu, er möchte auf Deck kommen und dem Koch befehlen, da- Frühstück für uni zu bringen, denn der Kerl war im Dordercastell und wir standen in Gefahr, nichts zu essen zu bekommen. „Schüttle es rau-, Welchy!" rief ich, als ich bemerkte, daß das Gaffelsegel zu viel Wasser schöpfte, „wir werden gleich daS Oberbramsegel setzen. ES ist eine weite Fahrt nach dem Cap Horn und wir müssen un- beeilten. Ich will Vie alt« Wasser tonn« schon tanzen machen; der Teufel soll sie an die Bugstrleine nehmen, wenn sie ihre Fersen nicht zeigt." „So Is recht, wi wull'n sei schon dörchtrecken", lachte er und sah dabei wirklich wie der richtige Pirat au- in seiner Pelzmütze, seinem kodderigen Anzug und seinen behenden Bewegungen, wenn er in die Radspeichen faßte. „Old Windwärts ward scharp raudern möten, wenn hei unS inhaken will; in desen Agrnblick warden sei woll Beid schon tämlich seekrank sten, un all' ehre Sünd'n warden sei dorbi infollen." Während er so sprach, blickte er nach hinten, und Vie rachsüchtigste Freud« leuchtete in seinen Augen. „Sag' 'mal, Welchy, habt Ihr schon darüber nachgedacht, geeignet für die Heißsporne büben und drüben, Capital daraus zu schlagen. Glücklicherweise wird durch die correctc. die veulsche Auffassung vertheidigende Haltung der katholischen Presse unseren „Bündlern" (gemeint ist der Evangelische Bund. Die Redaction des Deutschen Adelsblattes) daS Ver gnügen des Zwischenfalles sehr getrübt." — Das „Deutsche Adels blatt" bemerkt hierzu lakonisch: „Er (nämlich der Schreiber deS Vorstehenden) wird Recht haben." Damit billigt das „Deutsche Adelsblatt" ausdrücklich, daß sein Gewährsmann den deutsch - vatikanischen Zwischenfall lediglich vom päpstlichen Standpunkte aus beurtheilt! Kann man sich eine weitergcbende nationale Selbst entäußerung denken? Zur Beschwichtigung bedenklicher Gemüther wird die Finte vorgebracht, die ganze Protectorats- frage sei eine rein theoretische. Als ob nicht sehr ernste Ver wickelungen aus ihr hervorgehen könnten! Aber freilich, diese träfen nicht die Curie, sondern nur das deutsche Reich, und das ist dem Gewährsmann des „Deutschen AdelSblattcS", dem dieses vollständig Recht giebt, „Hekuba". Wahrlich, es bedürfte weder deS Lobspruchs auf die „corrccte" Haltung der „katholischen" Presse, noch des Anwurfs wider den Evan gelischen Bund, uni erkennen zu lassen, in welchem Lager die Autorität des „Deutschen Adelsblattes" und dieses selbst zu suchen ist! Die Ausführungen des Berichterstatters BarV und des Generaladvocaten Manan in der gestrigen Sitzung des, Pariser CassationShofcS sind ein niederschmetterndes Urtheil für die Richter, welche den Capitain DreysuS zu lebensläng licher Deportation verurthcilten, sowie für den ehemaligen Kriegsminister Mercier und den Generalstab, welche aus den Gerichtshof einen unerhörten Druck dcchin auöübten,daß er ein so folgenschweres Urtheil ohne eine auch nur im Entferntesten zu reichende Begründung fällte. Anö dem Bericht über den Ver lauf der Sitzung des obersten Gerichtshofes, dessen Fortsetzung sich an anderer Stelle findet, geht hervor, daß die Referenten genügende Anhaltsp uncle haben, nm die Revision zu begründen. Sie constatiren zwei neue Facta: 1) LaS abweichende Urtheil der Schreibsackverständigen im Esterhazy- proceß deS JabrcS 1897, welche die Möglichkeit einer Durch- pausung der Schriftzüge Esterhazy's zugaben, von dem der Experten deS DreyfuSproceffes vom Jahre 1891, von denen drei auf das Bestimmteste erklärten, daß Trcyfus der Verfasser sei; 2) die Fälschung deS Oberstlieutenants Henry, aus dessen nachträglicher Herbeischaffnng angeb lichen Belastungsmaterials gegen DreysuS hervorgcbe, daß die Beweise für die Schuld des Letzteren im 1891cr Proceß un zureichend gewesen seien, und dessen Handlungsweise alle seine Drcyfus so schwer belastenden Aussagen als höchst verdächtig erscheinen lasse. Im Einzelnen halten die Referenten eö für nahezu oder für so gut wie erwiesen, daß Esterhazy der Verfasser des Bordereaus ist. Dafür spricht vor Allem sein Brief an den General BoiSdcsfre: „Wenn Sie der Experten nicht sicher sind, werde ick sagen, daß meine Schrift durchgepaust ist", und der andere Brief Esterhazy's an einen General, in welchem er diesem für seine „Errettung" dankt. Jetzt interessirt vor Allem dir Frage, ob der Cassationshof sich der Auffassung seiner Berichterstatter anschließen wird. Man meldet unS darüber: * Parts, 27. October. In politischen Kreisen glaubt man, der Cassation-Hos werde sich wegen der daraus entstehenden Folgen weder für die Revision mit einer Enquvte, noch für die Nichtigkeitserklärung aussprechen, sondern sich nur dahin entscheiden, daß unter den vorliegenden Umständen was mit der Brigg werden soll und wohin wir sie bringen werden, wenn wir das Gold verladen haben?" In diesem Augenblick trat Banyard zu uns. „Pah", antwortete Welchy in der richtigen sorglosen See mannsart, „wat kümmert uns dat up Stunn's, dat tümmt späder taurccht. Laten Sei uns blot ierst up de Insel sien, dann wull'n wi wider äwerleggen. Dat is 't, wat all Lüd denken." „Angenomm'n wi finn'n da ein Kriegsschipp?" meinte Banyard. - „Angenomm'n, wi finn'n dat nich, tum Henker mit dien „Annahm"!" „Wenn die Insel unbewohnt ist, dann ist auch die Anwesenheit eines Kriegsschiffes nicht zu befürchten", bemerkte ich. „Un denn", schrie Welchy, „wer will seggen, dat Sei nich de Schipper sünd, un dat wi Ladung hädd nah <— nah —" „Vancouvers-Insel", half ich ihm ein. „Un ut uns' CurS verslagcn siind! Wat kiinnt natürl'cher sien? Jk segg, wi brüten blot All'ns Jack äwerlaten, de ward sik schon utfinn', d« iS nich von gistern." „Da haft Du recht. Du Bösewicht", dachte ich, „und wenn ich Euch nicht noch Alle überliste, so " Ich wußte nun, daß die Leute sich noch keinen Plan gemacht hatten; nach Deacon's Weigerung, mir klaren Wein einzuschän- ken, hatte ich mir das auch schon gedacht. DaS Frühstück In der Vorderluke schien jetzt beendet, denn nach und nach kam die Mannschaft auf Deck und lungerte herum. Ihr Benehmen zeigte deutlich, daß st« große Sehnsucht nach der Vertheilung des RumS und Branntweins hatten. Ich that, als ob ich daS ga^ nicht bemerkte, sondern rief, mir vergnügt die Hände reibend und thuend, als ob ich vor Eifer brenne, meine Pflicht al- Capitain zu erfüllen: „Na, alte Kerle, nun aber mal schnell anS Werk, Vorbram-Segel und Grobstag- Segel los! Immer frisch dran! Wir wollen daS alte Mädchen drücken, daß es quietscht! Hurrah!" Mein lustige- Geschrei verfehlte seine Wirkung nicht; da durch angefeuert, vergaßen dir Leute ihre lüsternen Gedanken und legten sich scharf in» Zeug. Nach wenigen Augenblicken schlappte die Leinwand von oben schwer nieder und eine Stimme rief: „Holt an!" Auf diesen Anruf griffen alle Hände kräftig in die Brassen und Schoten, und unter dem üblichen Gesang kamen die Rasen herum und die Segel in den Wind. Die Brigg spürte sogleich den Druck der verstärkten Segel und holte stark über. Der hoch aufspritzende Schaum zog auf der Leeseite einen so breiten Streifen, al» wenn «in Schaufelrad ihn aufwllrfe. DaS Deck stand schräge wie der Abhang eines Hügels, ein Verbrechen des Verraths nicht vorhanden sei und die Verurtheilung DreysuS' daher nicht weiter be stehen dürfe. Wenn der Cassationshof wirklich sich in dieser Weise resolviren sollte, würde er nur zu erkennen geben, daß er zwar den Muth bat, die Wahrheit auf- zudccken, daß er aber zu feige ist, die Conscquenzen daraus zu ziehen, denn er würde mit einem solchen Votum lediglich ein Gulachten dahin abgeben, daß die Revision be gründet sei, nicht aber die Revision selbst einleiten, waS doch seines Amtes ist. Er würde sich mit einem non liguot an der Asfaire ziehen und DreysuS, das Opfer einer schmählichen Asterjustiz, weiter auf der Teufelsinsel schmachten lassen. Am Tage deS Zusammentritts des Cassationsbofes suchte die Autifemitenpresse die Mitglieder desselben mit allen Mitteln persönlicher Bedrohung und Angeberei zu erschrecken. „Gaulois" führt kirchenseindliche Aeußerungen Vard's vom Jahre 1872 an, beschuldigt ihn, ein wüthender Feind der Katholiken zu sein, und schließt: „Unsere Anführungen genügen, um Liefen Menschen zu verurtheüen." „Jntransigeant" ist temperamentvoller, er schreibt: „In einer Frage, wo Fran kreichs Schicksal ans dem Spiel steht, ist Frankreich vor diesem verblüffenden Gerichts hof gar nicht vertreten. Niemand wird Frankreich gegen die scheußlichen Angriffe dieser Schurken ver» theidigen, die es Deutschland überliefern wollen. Die erbärmlichen Richtermützenträger bilden sich ein, Brisson's Sturz werde nicht auch ihren Sturz nach sich ziehen, obschon sie in diesem gräßlichen Anschlag nur seine Angestellten nnd Knechte waren. Nun denn, mögen sie sich doch unterstehen, an dem von ihrem Herrn geplanten Verrath theilzuncbmen, mögen sie beschließen, daß der Mensch im Käfig von der Teufelsinsel hierher zurückgeführt werde — sie werden bald wissen, welche betäubenden Schreie das Volk für sie bereit hält. DreysuS aber wird gelyncht werden. Sollten die Mitglieder des obersten Gerichtshofes sich tbatsächlich durch die schon beim Sturz des Ministeriums Brisson zu Tage getretene Volksstimmung haben beeinflussen lassen? Wir können cs noch nicht glauben. Sollte Dupuy, wie eS den Anschein bat, mit der Bildung deS neuen Cabinckö betraut werden, so würde der Cassationshof anscheinend an ihm wenigstens eine Stütze für sein schwaches Rückgrat haben, denn Dupuy erklärte gestern, über den DreysuS-Proceß befragt, die Angelegenheit gehöre jetzt der Justiz an und jeder rechtschaffene Mensch werde sich dem Urthcilsspruchc beugen. Dupuy erwartet also einen UrtheilSspruck und kein Gutachten und ist, da das erstere nur auf Revision lauten kann, entschlossen, derselben keine Hindernisse zu bereiten. Ties ist um so höher anzuschlagen, als Dupuy früher ein Gegner der Revision und von der ^schuld Dreyfuö' über zeugt war. In den vlämisch-nationalen Kreisen Belgiens herrscht zur Zeit eine ebenso große wie berechtigte Erbitterung gegen die Jesuiten- und Klosterschnlen, die sich nun mehr in offener Weise als die wahren Pflanzstätten der französischen Bewegung entpuppen. Wie man weiß, hat das belgische Parlament in seiner diesjährigen FrübjahrS- tagnng nach langen und schweren Kämpfen ein vlämischcs Sprachengesetz angenommen, das in den Volksschulen der Provinzen Brabant, Antwerpen, Ost- und Westflandern und Limburg die Ertheilung des Unterrichts in der und die unteren Naanocken der Leeseite hingen dicht über dem Wasser. Es lag mehr in meinem Interesse als in dem der Leute, diesen Theil der Reise so schnell als möglich hinter uns zu brin gen. Bei dem Curs, den wir jetzt halten mußten, hatten wir nicht allein starke conträre Winde und schwere Seen zu erwarten, sondern es war auch auf dieser ganzen Seite des Horns keinerlei Aussicht auf Befreiung oder auf eine Gelegenheit, die Meuterei zur Anzeige zu bringen, während westwärts des Caps, auf den sanften Gewässern des Stillen Oceans, eine Windstille uns viel leicht nahe genug an ein Schiff bringen konnte, um mir die Möglichkeit zu gewähren, mich insgeheim mit ihm in Verbindung zu setzen; außerdem war auch der Fall nicht ausgeschlossen, daß wir einem Kriegsschiff begegneten. Mein Welchy gegebenes Versprechen, den alten Wafferkübel vorwärts zu treiben, war daher ganz aufrichtig gemeint. So lange Wind war, sollte die Brigg alle Segel führen, die sie tra gen konnte, und wenn ich das Cap nicht in vier Wochen umsegelt hatte, sollte die Schuld nicht an mir liegen. Die Arbeit, an welche ich die Leute gestellt hatte, kostete Zeit. Als Alles festgemacht und die Taue zusammengerollt waren, schickte ich sie an die Pumpen. Einige sahen sehr überrascht und finster aus bei diesem Befehl, aber demungeachlet griffen ste nach den Schwengeln und hielten die Pumpen in Gang, bis kein Wasser mehr kam. Es war allerdings wenig genug in der Brigg; sie war so dicht wie ein Suppenkessel, und da» wenige Wasser, was drin war, war unzweifelhaft von oben hineinge- kommrn. „Nu also", rief Blunt vortretend, als da- Pumpen vorüber war, „wo steiht dat mit dat Gedränt?" „Wir hier hinten haben noch nicht gefrühstückt", antwortete ich, „Du hast es ja schrecklich eilig, Maat. Deacon!" rief ich, „treibe den Koch doch etwa» an; Blunt, der eben einen Eimer Thec heruntergegossen hat, behauptet, er wäre am Verdursten." Meine gute Laune, welche trotzdem mit einem Ton der Auto rität gemischt war, hielt die Leute hin. Ich sagte ihnen, sie möchten sich inzwischen ihre Pfeifen anstecken, wenn der Koch unser Frühstück gebracht und wir e» verzehrt kstitten, sollte das Getränk gleich zur Vertheilung gelangen. Nach einiger Zeit er schien der Koch, und weil die Leut« selbst Schinken bekommen hatten, erregten die zischenden, gebratenen Speckschnitten, die jetzt für un» über da» Deck getragen wurden, keinen Neid. Banyard und ich gingen nach unten, Deacon im Dienst auf Deck lassend. Die Leute kamen nach hinten, legten sich auf da» Oberlicht oder da und dort hin; ste benutzten jetzt die ganze Länge vlämischen Muttersprache vorschreibt. Die Staats- und Gemeindcschulen in den erwähnten Provinzen haben vom 1. September ab ihren Lehrplan dem vlämischen Sprachengesetz angcpaßt. Aber die Jesuiten- und Klofter- sckulen, deren Anzahl die der Staats- und Gemeindeschuleu weit übertrifft, die namentlich auf dem flachen Lande fast das ganze Volköschulwesen in der Hand haben, haben ihren ausgesprochen französischen Lehrplan beibehalten und weigern sich, ibn im Sinne des vlämischen Sprachengesetzes abzu ändern. Ter Ausschuß der vlämischen Nationalpartei hat sich an die Regierung gewendet, damit diese dem Gesetz Geltung verschaffe. Aber die Regierung hat ihre Ein mischung unter dem Vorwand abgelehnt, daß die Jesuiten- und Klosterschulen „freie", d. h. Privatschulen seien, die nach Belieben ihren Lehrplan festsetzen können. In der Form ist diese Behauptung richtig, in der That aber nicht. Denn die Jesuiten- und Klostersckulen beziehen derzeit in Belgien einen Zuschuß von etlichen 20 Millionen jährlich aus der Staatskasse, nnd dieser Zuschuß erfährt von Jahr zu Jabr eine erhebliche Steigerung. Für diese gewaltige Summe sollte die staatliche UnterricktSverwaltung doch wenigstens das Recht haben, von den unterstützten Klosterschulen die Beob achtung des Gesetzes zu fordern. In Wirklichkeit lehnt die klerikale Regierung die Einmischung ab, weil eS sich um ihre guten Freunde, die Jesuiten, handelt. Die ganze Angelegen heit beweist wieder, wie aufrichtig es die belgischen Klerikalen mit der vlämischen Bewegung meinen, der sie zum großen Tkcil ihren ganzen Bestand als Regierungspartei zu danken haben. In dem letzter Tage in Stockholm abgehaltenen schwcdisch- norwcgischcn Staatsrath, dem das Gutachten der schwedisch norwegischen Uuionöcommission vorlag, haben die schwedischen Minister die Erklärung abgegeben, daß jeder Vorschlag, der in der Leitung der auswärtigen Angelegen heiten eine Gleichstellung zwischen beiden Reichen herbeiführen wolle, von der Voraussetzung auszugehen habe, daß sowohl in der Außenreichsleitung wie in der Diplomatie und im Consnlatswesen stete Gemeinsamkeit herrschen müsse. Hierauf erklärte die norwegische StaatSratbs- abtheilung, sie bedauere den Au-spruch, daß das gemein same CousulatSwesen eine Bedingung für die Union sein solle; dieser Ausspruch zeuge nicht von staatsmännischer Klug heit, und eS finde sich dafür nicht eine einzige norwegische Stimme in der Unionscommission. König Oskar erklärte sodann auf Grund der Meinungsverschiedenheiten der ge nannten StaatSräthc, daß die Sache nun bis auf Weiteres ruhen solle, da weitere Verhandlungen zwischen den StaatSräthen fruchtlos bleiben würden. Damit ist daS Schicksal der schwedisch-norwegischen Unionsvrrhandlungen ent schieden. In den norwegischen Blättern wird die Haltung der schwedischen Minister scharf getadelt. „Morgenbladet" meint, früher hätte die Regierung getrenntes Consulatswesen nicht für unvereinbar mit der Union gehalten. Die ver änderte Haltung sei wohl dem Umstande zuzuschreiben, daß die norwegische Linke früher angedeutet babe, man werde das eigene Consulatswesen als Handhabe benutzen können, um die gemeinsame Außenreichsleitung zu untergraben. Die Rechte in Norwegen, meint „Morgenbladet", werde aber nie anerkennen, daß die Union die rechtliche Nothwendigkeit für gemeinsames Consulatswesen mit sich führe. Daß Ministerchef Boström seinen Standpunkt geändert habe, könne schicksals schwer für beide Reiche werden. „Dagbladet", das Organ der norwegischen Negierung, spricht sich natürlich am schärfsten der Brigg nach ihrem Gefallen. Bis jetzt ließen sie nur die Cajüte frei; aber ich war nicht sicher, daß sie auch bald in Liese ein dringen würden. Dem ersten Schritt in der Meuterei tonnte leicht der zweite folgen, alle getroffenen Vereinbarungen konnten plötzlich mißachtet und über den Haufen geworfen werden. Ich setzte das Frühstück für Miß Franklin auf rin Theebrett und trug es ihr hin. Sie schüttelte den Kopf, al- sie das Essen sah, dankte mir für meine Güte, es ihr zu bringen, aber in einem so zurückhaltenden Ton, daß ich sehr schmerzlich davon berührt war. „Mir scheint", sagt« ich traurig, „daß es mir doch nicht ge lungen ist, Ihr Vertrauen zu gewinnen; ich hatte gehofft, Sie zuversichtlicher gestimmt anzutreffen. Wenn Sie in meinem Her zen lesen könnten, würden Sie mir gegenüber ein weniger furcht sames Wesen zeigen." „Ach ich weiß ja, Sie sind gut", erwiderte sie, mir ihre Hand reichend, beurtheilen Sie mich nicht falsch; ich bin aber augen blicklich nach allem Vorangegangenen noch nicht im Stande, Angst und Furcht zu bannen; jeden Augenblick horche ich, was auf Deck vorgeht, und als Sie soeben die Thüre öffneten, überkam mich «in Zittern; ich fürchtete, es könnte rin Anderer «intreten." „Sic haben recht, ich bin thöricht, es kann ja eigentlich nicht anders sein, Sie werden den nöthigen Muth in Ihrer Lage erst allmählich finden lernen. E» ist eine angstvolle, schwere Zeit für Sie wie für mich; indessen ich blick« trotzdem mit leichtem und frohem Herzrn in die Zukunft; denn ich bin überzeugt, daß zu letzt doch Alles gut enden wird." Mit diesen Worten verließ ich sie, in der Hoffnung, sie einiger maßen beruhigt zu haben; aber doch quälte mich da» Gefühl, sie möchte mich nicht für so ehrlich und ihr ergeben halten, wie ich es wirklich war. Hegte sie hierin auch nur den leisesten Zweifel, so that ste mir Ätter unrecht; denn ich empfand allen Kummer tief mit ihr, sogar den Schmerz, der sie erfüllen mußte, wenn ste an ihren Bruder dachte. Ja, e» gab in der That nicht-, wa» mich nicht in ihrer Seele mit bewegte, nicht», wa» ste in ihrer Lage hätte denken können, wa» ich mir nicht auch schon ausge malt hatte. Ich verstand vollkommen ihr Gefühl der Verlassen heit und die Gedanken an Schande und Tod, die ihr in ihrer mädchenhaften Angst wohl vorschweben mochten. Al» ich mit Banyard beim Frühstück saß. fragte ich ihn, wie ei gekommen fei, daß «r an der Meuterei theilgenommen hob«. „Ich hätte Sie nie für einen Mann gehalten, der bereit sein konnte, sich in eine solche Sache «inzulaffen", sagte ich. „Jk ok nich", erwiderte er in feiner dummen Art.
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