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Größere Schriften laut unfrrem Preis- verzeichniß. Tabellarifcher und Aiffernsap nach HSher«m Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l 60.—, mit Postbefürdernng 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen stad stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig SV. Jahrgang Sonnabend den 11. April 1896. °) Instruction vor die Güthcr-Beschauer und Visitatores bez. der General-Accise vom 7. November 1703. ') Revidirte General-Confumtions-Accis-Ordnung in den Städten der Grafschaft Mansfeld vom 20. December 1715. *) Entwurf zu einem sächsischen Gcwerbegesetz. II. Auslage. 1860. S. 70. Haufirer und Haustrgesetze Bon vr. Richard Rötzger. ') Diese „nahtlosen Zeiten" könnten auch in der Gegenwart für die Gestattung des Hausirhandels angeführt werden. ") Auch dieses wurde unterm 25. März 1765 den auswärtigen Buttenträgern wieder untersagt. Am 3. September desselben Jahres wurde denselben jedoch aus Vorstellung des Rathes zu Leipzig gestattet, wenigstens während der ersten Meßwoche zu hausiren, und am 6. September, ihre Maaren in „ordentlichen Buden" aus- zuleaen. ') 22. April 1752, ebenso 4. December 1771, 28. März 1772 und 31. Januar 1799. i) 1b. September 1751. ») 22. Mai 1751. wirtl,scbastlicbcS Bedürsniß — subjektiv und objektiv — nur mit großer Beschränkung zuzugeben sein. Dagegen sind die positiven Erfahrungsbeweise für die große Verwandtschaft des Hausirens mit dem Dagabondiren und für die nachtheiligen sittlichen und wirtbsckaftlichen Einwirkungen des massenhaften Hausirens auf die Orte, aus denen die Haufirer stammen, zahlreich genug." Erst durch die Reichsgewerbe - Ordnung, die zunächst nur für das Gebiet des Norddeutschen Bundes Geltung hatte, wurde auch der Hausirhandel einer durchgreifenden Reform auf Grundlage der Gewerbefreiheit unterzogen, nach welcher schließlich dieses Gewerbe als ein dem stehenden Gewerbe gleichberechtigtes, als ein legitimes, anerkannt wurde. Durch die im Jahre 1883 eingebrachte Novelle zur Gewerbe-Ordnung wurden dann an diesen 1869 für den Hausirhandel er lassenen Bestimmungen verschiedene Aenderungen vorgenommen, die sich im Allgemeinen als nothwendige Abstellung gewisser im Laufe der Zeit hervorgetretener Mißstände darstellen. Auch für die gegenwärtige Session des Reichstags liegt eine Vorlage vor, die weitere Beschränkungen für diesen Ge werbebetrieb beabsichtigt. Dieselbe hat bereits die zweite Lesung im Plenum passirt und wird voraussichtlich bald nach den Osterferien zur dritten Berathung kommen. Dieser Entwurf verlangt vornehmlich Erhöhung von einzelnen persön lichen Anforderungen, wie z. B. Hinausschiebung der Alters grenze aus das 25. Lebensjahr; den weiteren Ausschluß von gewissen Waaren (Bäumen aller Art, Sträuchern, Sämereien und Blumenzwiebeln, Schnitt- und Wurzelreben und Futter mitteln, ferner von Bijouterien, Brillen, optischen Instru menten u. s. w.), sowie die völlige Gleichstellung der Hausirer mit den Detailreisenden. Als Grund für die Erhöhung der Altersgrenze führen die Motive an, daß es ernste Bedenken Hervorrufen müsse, wenn vielfach auch solche Personen, welche die volle Arbeits kraft besitzen und sehr Wohl in der Lage seien, eine andere Beschäftigung zu ergreifen, in jüngerem Lebensalter das Hausirgewerbe als Beruf erwählten und sich somit einer ge regelten Erwerbsthätigkeit und eines geordneten Familien lebens entwöhnten. Für den Ausschluß der genannten Waaren war nach den Motiven nur der Wunsch, das Publicum vor Uebervortheilung zu schützen, und nicht die Rücksicht auf das seßhafte Gewerbe maßgebend. Bezüglich der Bestimmung über die Detailreisenden ist sich die Regierung getreu ge blieben. Dieselbe war bereits in den Entwürfen von 1869 und 1883 und erscheint sonach zum dritten Male. Da die Detailreisenden, heißt es in den Motiven, darauf ausgingen, unmittelbar beim Publicum Waare abzusetzen, ständen sie den Hausirern näher als den Handlungsreisenden und dürften deshalb nicht länger vor diesen begünstigt bleiben. Auch diese Vorlage ist durch Petitionen, die sich seit Jahren mit großer Regelmäßigkeit und steigernder Dringlichkeit wieder holten, veranlaßt worden, genau so wie die Erlasse der früheren Zeiten. Und ebenso sind auch die Gründe, die man gegenwärtig für eine Einschränkung dieses Gewerbe betriebes anführt, dieselben wie in früheren Jahrhunderten. Es ist kaum ein neuer Punkt hinzugekommen. Man hält also jetzt die Gründe, die s. Zt. nicht stichhaltig waren, um eine Befreiung des Hausirhandels von den ihn um gebenden Schranken zu verhindern, jetzt für gewichtig genug, um eine völlige Rückwärtsbewegung der Gesetzgebung zu Gunsten der seßhaften Gewerbtreibenden zu rechtfertigen. Soweit nun die Interessen und Wünsche des seßhaften Gewerbestandes berechtigt und erreichbar sind, haben sie auch dieses Mal eine Majorität im Reichstage gefunden. Selbst zur Vertretung der extremsten Wünsche haben sich Parteien gemeldet. Schon seit mehreren Jahren hat nämlich das Centrum einen darauf abzielenden Antrag beim Reichstage eingebracht und denselben noch im vorigen Jahre wiederholt. Er war mit der Regierungsvorlage, über welche er weit hinauSgeht, zugleich zur Berathung ge stellt worden. In ihm sind folgende neue Punkte enthalten. Leute) gleich anfangs und nach ihrer Ankunft so viel Geld, als ohngefäbr die AcciS für alle ihre Waren" aus tragen würde, hinterlegen §) ,c. Und zwar hatte zu bezahlen „von allerhand Kauffmannsgütern und Waren ein fremder Kauffmann oder Hausirer inn- oder außerhalb denen Jahrmärkten ohne Unterschied, vom Th al er der Losung einen Neugroschen. ?) In der 1749 „verwilligten" allge meinen Kopfsteuer, die neben der Vermögenssteuer ^erhoben wurde, sind die Hausirer und Tabuletkrämer mit 2 -«-Haler eingeschätzt, ebenso in der 1764 ausgeschriebenen Personen steuer. . Während in Preußen durch Einführung der Gewerbe freiheit (1810) und durch das Gesetz vom 2. November 1811 schon frühzeitig der Anfang zu einer freieren Behandlung dieses Gewerbes gemacht und in Bayern das formelle Hausirverbot 1825 aufgehoben wurde, dauerte in Sachsen dieser Zustand der Verhältnisse noch bis weit in^das neue Jahrhundert hinein, streng genommen bis zum 21. Juni 1869. Bis dahin hatte das Gesetz vom 15. Oktober 1861 ge golten, welches zwar auch eine Regelung der Gewerbe in der Richtung zur Gewerbefreiheit vornabm, das für die Hausirgesetzgebung bestehende Grundprincip, jedoch so gut wie unverändert ließ. Trotzdem ist durch dieses Gesetz ein Schritt nach vorwärts gemacht worden. Während es bei den Polizeiverordnungen des vorigen Jahrhunderts oft vor kam, daß eine Bestimmung kurze Zeit nach ihrem Erlaß zurückaenommen oder sehr eingeschränkt wurde und dadurch im Allgemeinen eine große Unsicherheit in den Verhältnissen hervorgerufen wurde, war jetzt eine Grundlage geschaffen worden, auf welcher sich die Rechte des Einzelnen, so gering sie auch zunächst noch waren, für das ganze Land und für längere Zeit sicherstellen ließen. Materiell war der Hausir- betrieb durch dieses Gesetz allerdings kaum günstiger gestellt worden. Denn noch immer war er ein ConcessionSgewerbe, noch immer war er im Allgemeinen verboten und nur für eine bestimmte Art von Waaren gestattet. Die Regierung hatte freilich — und dies deutet darauf hin, daß man bei Veränderungen des Gesetzes vorwärts und nicht wieder rückwärts schreiten wollte — sich die Ert Heilung weiterer Hausirbefugnisse Vorbehalten, doch war noch immer^ das Hausiren, außer mit den Produkten des Land-, Garten- und Waldbaues, der Fischerei und der Vieh zucht, für welche es allerdings nicht mehr einer besonderen Erlaubniß bedurfte, nur noch gestattet mit Besen, Sieben, ordinären Holz-, Stroh- und Flechtwaaren, Handspinngeräth- schaften, Sensen, Sicheln, Futterklingen, Wetzsteinen, Wagen schmiere u. s. w. Dies sind alles Gegenstände, an denen nicht viel verdient werden konnte und deren Verkauf der seßhafte Händler daher dem umherziehenden überließ. Dazu wurden im Gesetze vom 23. Juni 1868 und in der Verordnung vom 15. Oktober 1868 persönliche Beschränkungen vorgenommen, von denen die früheren Erlasse nichts wissen. Es hat sich sonach der Gesetzgeber nicht zu der Auffassung bekannt, in dem Hausirhandel ein dem seßhaften gleichberechtigtes Gewerbe zu sehen, wie dies durch die R.-G.-O. geschieht. Dieses Gewerbe war vielmehr im Allgemeinen noch genau so wenig anerkannt und berechtigt wie im vorigen Jahr hundert. Die Motive zu diesem Gesetze«) lassen darüber auch nicht einen Augenblick im Zweifel. In denselben be findet sich über diesen Handelsbetrieb Folgendes: „Was das Hausiren insbesondere anlangt, so dürfte in einem Lande mit so dichter Bevölkerung, wo der Handel auch auf dem platten Lande so dichtgesäete Etablissements hat, die für den Westen Amerikas giltige volkswirlhschaftliche Auf fassung der Hausirer kaum ganz zutreffend und ein wahres Durch die Hausirverbote war dem Gewerbe- und Handels stande, ohne Rücksicht auf den Consumenten und den nicht zunftgemäßen Gewerbefleiß, ein beträchtlicher Schutz gewährt worden. Es begreift sich daher sehr leicht, daß die dadurch in der Ausübung ihrer gewerblichen Thätigkeit gehinderten ländlichen und anderen nicht zünftigen Gewerbtreibenden, meist Hausindustrielle, welche beim Vertrieb ihrer Waaren auf den Handel im Umherziehen angewiesen waren, alle An strengungen machten, um sich ihr altes Recht zu erhalten. Auch sie wandten sich an die maßgebenden Faktoren, und ihre Wünsche fanden vielfach Berücksichtigung. Das erste Beispiel einer solchen Berücksichtigung berechtigter Interessen anderer als der bisher privilegirten Unterthanen enthält der Lock, ^uxust für das Jahr 1720. Unterm 10. Juli 1719 war, wie oben wiederholt erwähnt, das Hausiren durchaus untersagt worden; aus Vorstellung bei der Regierung wurde jedoch unterm 4. Juli 1720 im Erzgebirgischen Kreise und in der Lausitz bis auf Weiteres dieser Erlaß suSpendirt, weil den Einwohnern, „die sowohl mit Spitzen, Kräutern und Olitäten" handeln und solche zum Verkaufe im Lande herumzutragen pflegen, zumal bei jetzigen ohnehin sehr nahrlosen Zeiten* *) ihr Bewerb und Nahrung entzogen würde. Als dann am 15. September 1750 das Verbot vom 10. Juli 1719 „erneuert uud verschärft" wurde, hob man ausdrücklich hervor, daß das Hausiren „zur Messe und auf Märkten2) und das Herumtragen und der Verkauf derer Olitäten, Siebe, Mulden, Sensen - Bäume, Laden, Schachteln, hölzernen Schippen, Schindeln und Teller serner erlaubt sein solle, jedoch daß es hierbei verbleibe und sie sich ein mehreres hierbei nicht anmaßten". Vorausgesetzt wurde aber dabei immer, daß die Hausirer Unterthanen und die Waaren im Lande gefertigt seien.«) Frühzeitig waren vom Hausirverbote aber die Victualien ^), wie über haupt alle diejenigen Esculenta ausgeschlossen worden, welche nicht unter die „Materialwaaren der Kraamer und Materialisten" «) gehörten. Es bildete fick nun immer mehr der Brauch heraus, hinter jedem Verbote die, seit Alters durch Hausirberechtigung bevorzugten, gewissermaßen privi legirten Waaren aufzuführen, was schließlich zu einer Concessionirung derselben führen mußte. Dies brachte cs niit sich, daß man allmählich anfing, jenes Gewerbe mit etwas günstigeren Augen anzusehen. Schon 1772 scheint man das Hausirgewerbe an sich nicht mehr bloS als „Anlaß zu vielem Unfug und Dieberey" angesehen zu haben; denn unterm 28. September dieses Jahres verordnet die Regierung, nachdem sie allerdings das Hausiren mit ausländischen Glas- waaren untersagt hat, daß „inländische Glassabrikanten eigne verpflichtete Leute mit ihren gefertigten Glaswaaren auSschicken sollen, um dieselben bester verkaufen zu können." Also schon damals erkannte die sächsische Regierung im Hausirhandel ein durchaus gesetzliches Mittel, um den Erzeugnissen der heimischen Industrie einen größeren Absatz zu verschaffen. Auch über den Steuerbetrag, zu dem diese concessionirten Hausirer herangezogen wurden, finden wir Angaben. Es sollen nämlich „Juden und Hausirer (oder andere ungewisse Zunächst soll der Hausirhandel am Niederlassungsorte des seßhaften Gewerbtreibenden, wo er bisher als em Ausfluß dieses Gewerbes angesehen worden war, dem Handel außer halb des Ortes gleichgestellt werden; ferner soll der Kreis der erlaubten Waaren durch das Verbot, Material-, Colonial- und Manufacturwaaren im Hausiren zu verkaufen, wesentlich verengt werden, und schließlich soll die Hausirerlaubniß nur für einen bestimmten Verwaltungsbezirk Giltigkeit haben. Es ist zur Zeit kaum anzunehmen, daß die verbündeten Regierungen diesen übertriebenen Forderungen eines gewerb lichen Schutzes ihre Zustimmung ertheilen werden. Dafür ist den ungestümen Drängern durch den Minister von Berlepsch eine zu deutliche Absage geworden. Dieser hält es mit den Verwaltungsbehörden für unmöglich, die Bedürfnißfraqe in der vom Centrum gewollten Weise zu regeln. Außerdem ist er der Meinung, daß durch dieselbe dem Detailreisenden und großen Hausirer wenig geschadet, der kleine jedoch ruinirt werden würde. Es sei sonach das Gegentheil von dem zu befürchten, was die Antragsteller, die immer den Schutz des Schwachen betonten, erreichen wollten. Bezüglich des Aus schlusses der Material-, Colonial- und Manufacturwaaren hatten schon die Motive die ablehnende Haltung der Re gierungen begründet. In ihnen wird darauf hingewiesen, daß durch dieses Verbot zwar der seßhafte Kaufmann gegen die Concurrenz geschützt, dafür aber berechtigte wirthschaftliche Interessen (z. B. die Hausindustrie ganzer Gegenden mit vor wiegend ärmerer Bevölkerung) ernstlich gefährdet würden. Im Reichstage wies der preußische Handelsminister nochmals auf die UnauSfllhrbarkeit dieser Forderungen hin und führte zum Beweise dafür an, daß selbst in den Kreisen der Kauf leute d'ie Anschauungen darüber, welche Waaren vom Hausirhandel ausgeschlossen werden sollten, ganz verschieden, oft sogar geradezu entgegengesetzt seien. Diese Bemerkung findet ihre volle Bestätigung in den Berichten einer Anzahl deutscher Handelskammern, in denen gleichfalls gegen eine zu weitgehende Beschränkung des Hausirhandels und Detail reisens energisch Verwahrung eingelegt wird. Auch die Vertreter der nordwestlichen Gruppe deutscher Handels- und Gewerbekammern hatten bei ihrer Berathung über das „unlautere Geschäftsgebaren" (Braunschweig, am 18. und 19. Sept. 1894) die Behandlung dieses Gegen standes mit auf die Tagesordnung gesetzt. Es lagen hier aus GoSlar Anträge vor, nach denen im Umherziehen nur der Verkauf von Erzeugnissen der Land- und Forstwirthschaft, der Fischerei und des Gartenbaues, sowie von groben Töpfer-, Glas- und Holzwaaren, von grob en Stroh-, Rohr und Holzzeflechten, aber nicht einmal der Vertrieb von selbst erzeugten (Leinen- und anderen) Waaren erlaubt sein sollte. Also noch weniger Freiheit in der Auswahl der Waaren als zur Zeit der Polizeiverordnungen wollte man ihm gewähren. Diese Anträge sanden nicht nur keine Annahme, sondern es wurde sogar darauf hingewiesen, daß man vielfach das als unlautere Concurrenz bezeichne, was nur unbequeme Concurrenz sei. Gegen die letztere soll man nicht die Hilfe des Gesetzes anrufen. Bezüglich der ersteren einigte man sich zu der Resolution: „Die Versammlung erkennt eia Be- dürfniß, die schwindelhaften Vorkommnisse auf diesem Gebiete durch besondere Bestimmungen zu regeln, nicht an" u. s. w. Die vorstehende Skizze der Entwicklung der Hausirgesetz gebung bis zur Gegenwart läßt erkennen, daß wie überall im Leben so auch hier eine Kreisbewegung stattfindet. Das bekannte Wort: „Alles schon dagewesen" hat auch hier seine volle Geltung. Nachdem das Hausirgewerbe im langsamen Processe die vielen Erschwerungen abgestoßen und gerade 25 Jahre, wenn auch unter vielen Anfeindungen, als legitim gegolten hat, will man es wieder zum Stiefkind der Gesetz gebung machen. Da aber gerade auf die Zeiten vor 1869, nach deren Schutz man sich jetzt zurücksehnt, die oben an geführten Klagen sich beziehen, ist es sehr zweifelhaft, ob Veilchen. Bon Obergärtner P. Lehmann. Nachdruck verboten. Du liebes erstes Veilchen, ' Wie lächelst Du mich an; Ach, blühe noch ein Weilchen, Daß ich mich freuen kann. In heil'ger Frühlingsstille Bin ich durch Dich beglückt; Aus der bescheid'nen Hülle Mich süßer Duft erquickt. Wenn die ersten wärmenden Sonnenstrahlen die Erde aus ihrer Winterruhe wecken, wenn Eis und Schnee zerrinnt unter der beginnenden Herrschaft des Lenze- und Feld und Wald sich zu schmücken anheben, da stellt sich dann bald auch als Herold des LenzeS in bescheidener Schönheit und Lieblich keit ein kleines Blümlein ein: das Veilchen. Aus der sich mit frischem Grün färbenden Wiese lächelt eS uns entgegen, gleichsam, als ob eS mit uns den langersehnten Frühling willkommen heißen wolle. Unter allen Kindern Flora'S sind wohl dem Veilchen feiten« der Dickter die meisten Huldigungen dargebracht worden. Auch seine Geschichte hat daS bescheidene kleine Blümelein, daS Kaiser Friedrich zu seiner Lieblingsblume erkoren hatte, aufzuweisen. Während der LeidenSzeit deS unvergeßlichen Kaisers durste da- Veilchen bekanntlich m seinen Gemächern nie fehlen. Bei näherem Besichtigen der Blumen erregte einst «ine gefüllte Blüthe sein Interesse in besonderem Maße, so daß er zu wissen wünschte, ob dies Zufall oder ob die Entstehung dieser BlÜthe einer Kreuzung zu verdanken sei. Die angestellten Ermittelungen ergaben, daß ein Potsdamer Gärtner schon längere Zeit solche gefüllt blühenden Veilchen in ziemlichen Mengen cultivirt hatte. Der Kaiser ließ sich hierauf während der wenigen Tage, welche ihm zu leben noch beschieden waren, stets gefüllte Veilchen besorgen und ertheille auch dem Züchter auf dessen Wunsch die Erlaubniß, diese Art „Kaiser Friedrich- Veilchen" benennen zu dürfen. Kaiser Alexander I. von Rußland hatte in seinem Garten eine besondere Veilchenzucht angelegt und ihm zu Ehren gab man später einer bestimmten Sorte den Namen „Zarveilchen". Wie das zuging, davon errählt man sich folgende Episode aus dem Leden des Kaisers. Als großer Blumenfreund batte sich der Herrscher zu seiner persönlichen Bedienung einen Gärtner erwählt, dessen Obhut nicht nur die Blumen auf seinem Schreibtisch und in seinem Arbeitszimmer anvertraut waren, sondern der ihn auch auf seinen Ausfahrten und Spazier gängen zu begleiten hatte, damit er die botanischen Kennt nisse des Kaisers durch die in Feld und Wald gegebenen Erläuterungen bereicherte. Als der Kaiser an einem herrlichen Frühlingstage einst eine Ausfahrt in die Umgegend von Petersburg unternahm, bemerkte das scharfe Auge des blumenliebenden Fürsten am Waldessaum einige kleine blaue Flecken. Der Zar ließ seinen Wagen halten, der Gärtner forschte nach den Befehlen seines Herrn und fand ganz in der Nähe einige Beilchenbüsche, die in der Thal geeignet waren, ein hervorragendes Interesse bei jedem Botaniker wachzurufen. Es waren Veilchen von un gewöhnlicher Große und ganz besonders intensivem Duft, wie man sie zuvor nirgends gesehen. Als der Kaiser ins Schloß zuruagekehrt, wurden sofort einige Gärtner an die betreffende Stelle entsandt, mit der Ausgrabung der Veilchen- büsche beauftragt und die Pflanzen hierauf zur Pflege in die kaiserlichen Gewächshäuser gebracht. Der Zar zog regel- mäßig Erkundigungen nach seinen Lieblingen ein und hatte Useude, im darauf folgenden Frühjahr dieselben durch künstliche Vermehrung bereits auf das Doppelte angewachsen zu sehen. Nach de« Kaisers Tode gab man dein Veilchen eine weitere Verbreitung. Auch die Einsiedlerin von Chi-lehnrst, die Kaiserin Eugenie, liebt LaS Veilchen in besonderem Maße. Bei ihrer ersten Begegnung mit Napoleon war sie mit frischen Veilchen geschmückt. Die gärtnerische Kunst bat im Lauf« der Jahre «ine große Zahl sogenannter Veilchen-Varietäten gezüchtet, sie alle aufzuzählen, müssen wir uns jedoch versagen, da dies den Rahmen unserer Plauderei zu sehr überschreiten würde. Von den während des Winters seilgebotenen Veilchen haben große Mengen die Reise aus «üdfrankreich und Italien zu uns gemacht. An der Riviera stehen, während wir grimmige Kälte haben, Veilchenfelder von großer Aus dehnung in üppigster Blüthe, und Tausende von fleißigen Südländerinnen sammeln von früh bis spät die aufgeblähten Blumen, welche dann, sorgfältig in Kisten und Körbe verpackt, dem rauhen Norden zuwandern. Der größte Theil der bei uns zum Verkauf gelangenden Veilchen ist jedoch aus einheimischen Gärtnereien, welche sich fast ausschließlich mit der Anzucht und Treiberei dieses viel begehrten und beliebten Blümleins befassen, berrorgeganzcn. Große Treibhausanlagen sind eigens für diese kleine Pflanze errichtet, und was uns im Frühling die freie GcttcSnatnr in urwüchsiger Pracht beut, das wird in den Glashäusern des sachkundigen Gärtners hervorgezaubert, während draußen Eis und Schnee ihr Scepter führen. Einen besonderen Ruf wegen seiner Veilchenzucht genieße das ,m Holsteinswen ge legene Dörfchen Lockstedt in der Nähe von Hamburg. Dort befindet sich eine Veilchengärtnerc: neben der andrrcn, und die dort gezogenen Veilchen können in Bezug auf Duft und Färbung unseren FrühjahrSveilchcn würdig zvr Seite gestellt werden. Nicht uninteressant dürfte ein Ucberblick über die Zahl und den Werth der während eines Winters in dem Lockstedter Revier gezüchteten Veilckenbliitben sein. Eine jede Gärtnerei dort treibt durchschnittlich 5000 Veilchenpflanzen. Rechnen wir auf jede Pflanze nur ungefähr vier Dutzend Blumen, so ergiebt dies die sehr respektable Zahl von 240 000 Blühten, welche von einer Gärtnerei cultivirt werden. In Lockstedt befinden sich aber wenigstens 20 solcher Institute; eS gelangen also von dort während eines Winters, d. h. während 3 bis 3'/, Monaten circa 4 800 000 Veilchenblumen zur Versendung, und eS wird hierfür eine Einnahme von wenigsten 25 000^er zielt, immerhin ein erkleckliches Sümmchen, welche« dieser eine Ort umsetzt. Nun beschäftigen aber di- Gärtner der größeren Städte, wie Berlin, Frankfurt a. M., Dresden noch in er- höhterem Maße sich mit der Veilchenzucht, ja einige Gärt nereien ziehen in den Treibhäusern bis zu 15 000 Töpfe. Hieraus vermögen wir uns ungefähr einen Begriff zu machen, welche Ausdehnung die Veüchencultur angenommen, und welche Summen für dieses unscheinbare Blümchen ver ausgabt werden. Auch in der modernen KoSmetik nimmt daS Veilchen einen hervorragenden Platz ein. Man verwendet jedoch darin ausschließlich nur die im Freien erstandenen Blumen, die man vor dem Entfalten der Blüthe pflückt und so an die Fabriken versendet. Dort wird der Saft auf dem Wege der Destillation zu Seifen, OdeurS u. s. w. verarbeitet. Der Veilchen liebenden Leserin dürsten auch einige An weisungen zur Pflege im Zimmer, besonders in Rücksicht auf die Blüthezeit im Winter nicht unwillkommen sein. Gar vielfach schon bin ich von dieser und jener Blumenfreundin gefragt worden, warum denn ihre Veilchen trotz aller Sorg falt in der Pflege im Winter nicht blühen. Meine Nach forschungen haben stets dasselbe Resultat ergeben, und dies war „falsche Behandlung". Wollen wir unser Waldveilchen im Winter in üppigem Blüthenflor sehen, so müssen wir es jetzt, und zwar während der Blüthe, aus der Erde nehmen und in Töpfe verpflanzen; wir müssen weiter, so leid es uns thut, die sich zeigenden Blüthen sämmtlich entfernen, damit die Pflanze erstarken kann. Lassen wir dieselbe im Frühjahr weitrrblühen, so werden die Reservcstoffe vorzeitig verbraucht, und sie hat nicht die Kraft, während des WmterS Blüthen zu erzeugen. Die in Töpfe gesetzten Pflanzen bringe man zunächst in einen luftigen kühlen Raum und im Sommer aufs Blumenbrett oder in den Garten. Bei Eintritt deS Herbstes stellt man alsdann die Pflänzchen — nachdem die Töpfe sauber gereinigt und die etwa durchgewachsenen Wurzeln abgeschnitten sind — in ein lnäßig warmes Zimmer ans Fenster oder auf den Blumen tisch. Hier wird man bald die Freude haben, seine Pfleglinge in vollstem Flor zu sehen, der noch erhöht wird, wenn man zum Gießen l auwarmes Wasser verwendet, dem man jedes Mal eine Prise Salz hinzufügk.