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L* : qq rW O ^ )XV \ .2 » — 39 — Neben dieser, in ihrer Logik so strengen und in ihren feinen Details so ca- priciösen ornamentalen Kunst des Mittelalters, 1011 uelchei die Glasmaleiei, die Paramenten, Email-Arbeiten und Fliesenpflaster, die Belief-Sculptur auf Stein, Holz oder in Eisen die hauptsächlichen und beinahe ausschliesslichen Äusseiungen gewesen sind, erblühte in jenen zahlreichen Handschriften, welchen die moderne Liebhaberei so hohen Werth beilegt und die in der Geschichte der nationalen Künste eine so wichtige Solle einnelmien, eine reizende Kunstweise, geschöpft aus der Beobachtung und dem Gefühl der Wirklichkeit, aus der naiven Nachahmung der Natur. Italien, die Niederlande, Frankreich liefern hierin die eigentümlichsten Proben dieser neuen Kunst, welche, indem sie der Malerei ein ausgedehnteres und in dem Bereiche des Ornaments abwechslungsvolleres Feld öffnet, das grosse Aufblühen des sechszehnten Jahrhunderts vorbereitete. Diese Miniaturen sind nach dem Ausdruck von Didron Glasmalereien auf Per gament, Cartons zu Glasgemälden und bilden eine neue Dichtung neben der Poesie der mächtigen steinernen Cathedralen. Die Unabhängigkeit und die Naivität bilden den Hauptreiz dieser Erzeugnisse der malerischen Ornamentik. Im fünfzehnten Jalu- hundert sind die hauptsächlichsten Elemente derselben der Flora entnommen, in welcher die einheimischen Arten einen bedeutenderen Platz einnehmen als der, welcher ihnen bis daher angewiesen ward. Der Epheu, die Zaunrebe, die Weinrebe, das Fünfblatt, die Seerose, das Eicli- blatt, die Erdbeerpflanze, das Schilfrohr, die Malve, der Kohl, die Distel, die Stech palme, die Wegwarte, die Gänseblume, die Bose, die Nelke, das Stiefmütterchen, schmücken die Bänder der Handschriften (siehe die Tafeln XLVIH und LI). „Mit den gezackten, flachen oder dreizahnigen Blättern mischen und verschlingen sich die eingeschnittenen, lappigen, flüchtigen, gefiederten Formen“ (siehe les Instruc- tions du Coinite des arts et monuments) „zu einfachem Astwerk oder zu mehr oder weniger leicht erkennbaren Früchten. Schmetterlinge und Insekten beleben manchmal diese" Blumenwelt mit ihren vielfarbigen Beflexen, und sinnreiche Combmationen von Bändern (Anklänge an das keltische Genre) entwickeln oft ihre breiten Falten, welche mit Inschriften bedeckt werden.“ Ein reizender und erfinderischer Geist belebt diese halb phantastische, halb wirkliche Welt, welche sich in dem Laubwerk dieser Verzierungen bewegt, in i\ eichen in den letzten Epochen der Geschmack die einzige Begel bildet, wie man sich 111 unsern Tafeln XLIX, L. und LI, welche diese Serie des Mittelalters schliessen, über zeugen kann.