1. Die Farbe als Wirklichkeit und als Schein. An jede einzelne Farbe knüpft sich für die menschliche Seele irgend eine weitere Empfindungsvorstellung an. Es ist dieses eine an sich unbestreitbare Thatsache und es kann versucht werden, allen hierhin gehörigen Erscheinungen in wissenschaftlicher Weise nahe zu treten. Die Farbenlehre ist namentlich von Goethe und Schopenhauer zugleich mit unter dem ästhetischen Gesichtspunkt behandelt worden. Wir fassen sie lediglich von dieser letzteren Seite auf und versuchen zunächst unsern allgemeinen methodischen Standpunkt in Bezug auf, die Bearbeitung dieses ganzen Gebietes zu begründen. Der wissenschaftliche Begriff von der Farbe ist zunächst ein anderer als die natürliche oder populäre Vorstellung des Menschen über dieselbe. Nach dieser letzteren erscheint uns die Farbe als etwas objectiv Gegebenes oder Reales an den äusseren Dingen selbst. Wir stellen uns in ihr gleichsam einen stofflichen Ueberzug oder ein Kleid vor, welches die ganzen weiteren Beschaffenheiten der Dinge verdeckt. Wir nennen sogar einen bestimmten Farb stoff, wie etwa den Zinnober, ohne Weiteres eine Farbe selbst. Wir bezeichnen eine bestimmte Sache als grün, roth u. s. f. und sehen hierin ganz ähnliche Eigenschaften oder Inhärenzcn der Dinge selbst wie etwa darin, dass eine bestimmte Sache rund, viereckig, schwer, leicht u. s. w. ist. Anders aber ist der wissen schaftliche Begriff der Farbe. Die Wissenschaft tritt auch hier wie in so vielen anderen Fällen der unbefangenen oder natürlichen Yorstellungsweise des Menschen von den äusseren Dingen feindlich gegenüber; sie zerstört den Schein der unmittelbaren sinnlichen Anschauung und verändert hierdurch unsere ganze Auffassung der Welt. Der Mensch dachte sich die Welt noch anders als er Hermann, Aeathotisclie Farbenlehre. 1