84 findet überall ein bestimmter nothwendiger und organisch gesetz licher Zusammenhang statt. Bei einer jeden natürlichen Sache oder einem organischen Ganzen tritt uns zugleich ein bestimmtes System von Artcharakteren und ein anderes mit diesem verbunde nes von Verhältnissen des Maasses entgegen. Eine jede Sache in der Natur darf auf Grund ihres Artoharakters überall nur ein bestimmtes Maass in der Mitte aller anderen zu ihr gehörenden oder ihr ähnlichen Dinge erreichen. Wir prüfen und betrachten daher die Verhältnisse des Maasses wesentlich niemals für sich allein, sondern überall nur insofern als sie sich mit den Verhält nissen der Verschiedenheiten der Art verbinden und diesen gleich sam zu einem charakteristischen Ausdruck oder einer Erscheinung ihres inneren Wesens oder Werthes zu dienen scheinen. Jßei der Betrachtung der Verhältnisse des menschlichen Körpers z. B. sind es keinesweges allein die äusseren Proportionen des Maasses als solche, sondern dieselben nur in Verbindung oder als eine Inhärenz der qualitativen Unterschiede der Art oder des Wesens der einzelnen Theile, auf welche sich unser Interesse richtet, oder die den Gegenstand unseres ästhetischen Wohlgefallens an der natürlichen oder der künstlerischen Erscheinung dieser ganzen Ge stalt bilden. Der Kopf z. B. hat hier einen im Verhältniss geringen Umfang des Maasses, aber er ist in qualitativer Beziehung der bedeutungsvollste und wichtigste Theil des menschlichen Körpers und es ist darum sein Werth für die Gesammterscheinung des letzteren wesentlich der gleiche als derjenige des Ganzen aller übrigen Theile. Es sind ferner die obere und die untere Hälfte des menschlichen Körpers auch qualitativ oder ihrem inneren Wesen nach von einander verschieden und es sind insofern keinesweges allein die quantitativen Proportionen des Maasses, welche bei der Beurtheilung dieses Verhältnisses in Betracht kommen können. Das Maass ist bei allem Wirklichen überall nichts als eine Inhärenz oder eine begleitende Erscheinung der Art, und es ist insofern ein einseitiges und ungerechtfertigtes Verfahren, die Dinge in Rücksicht des ästhetischen Charakters ihrer äusseren Erscheinung allein unter dem Gesichtspunct der äusserlichen Maassverhältnisse ihrer einzelnen Theile auffassen und wissenschaftlich begreifen zu wollen. Hieran scheinen auch die im Uebrigen verdienstvollen Untersuchungen Zeisings über den goldenen Schnitt die Grenze ihrer Wahrheit und Berechtigung zu finden. Das wirkliche Ganze oder das