49 Bilder. Wir übersetzen Alles innerlich in eine Wahrnehmung des Gesichtes, was sonst in uns entsteht oder uns irgendwie von Aussen her zugeführt wird. Das Leben unserer Seele ist an sieh genommen wohl ein zeitliches und insofern dem Wesen des Tones oder der Gehörwahrnehmnng zunächst verwandt. Da aber die Seele zunächst gebunden ist an den Körper und sie insbesondere durch das Organ oder den Sinn des Gesichtes mit der räumlichen oder körperlichen Welt in Verbindung steht, so muss Alles was zu ihr gehört, zugleich in die Gestalt dieser Gattung von Wahrnehmungen eintreten. Alles was in uns ist, ist unmittelbar genommen eine Erscheinung oder Vorstellung von Farbe und es wird selbst das ganze Seelenleben und Vorstellen des Blinden nichts sein können als ein innerliches oder eingebildetes Sehen. Das Lehen der Seele ist an sich ein ewiger Wechsel oder ein zeitliches Fliesscn von Vorstellungen, aher diese einzelnen Vorstellungen sind sämmtlich an sich genommen von räumlicher oder sichtbarer Art. Unsere Seele lebt actuell überall im Raume oder in der Anschauung von räumlich ausgedehnten und sichtbaren Bildern. Es ist wesentlich immer ein bestimmtes Zugleich, welches wir innerlich vor uns haben oder zu sehen glauben; die einzelnen Puncte dieses Zugleich aber werden von uns immer nur durch innerliche oder eingebildete Farbenwahrnehmungen unterschieden. Es ist also überhaupt wesentlich und in erster Linie die Vorstellung der Farbe, welche in uns lebt. Hierdurch steht uns die Farbe wiederum näher oder sind wir unmittelbarer und wesentlicher an sie gebunden als an den Ton. Ist aber die Farbe zunächst für uns ein blosses Mittel für das Erkennen und innerliche Vorstellen aller anderen räumlichen Dinge, so gewinnt sie doch auch rein als solche für uns eine bestimmte geistige Bedeutung, und eben nach dieser Richtung hin ist es, dass sie hier von uns untersucht werden soll. 7. Das wissenschaftliche Prinzip der ästhetischen Farbenlehre. Alles Räumliche tritt uns zunächst entgegen durch das Medium des Lichtes oder der Farbe. Unser Interesse hierbei ist überall mehr gerichtet auf die Dinge, die uns durch die Farbe gezeigt werden, als auf diese letztere rein an sieb oder als solche. Aber Hermann, Aestlietisclie Farbenlehre. 4