47 schlechtliclie Annäherung nicht wie beim Menschen durch den geistigen Sinn des Gesichtes oder das Verständniss und das Wohlgefallen an den äusseren körperlichen Formen, sondern durch den physischen und brutalen Gerucksinstinct ihre Vermittelung findet. Wir sind im Allgemeinen dankbar für jeden Wohlgeruch und empfinden diesen als einen Luxus und eine Verfeinerung unseres Lehens. Ebenso aber werden wir peinlich berührt von jedem Uehelgeruch; der Uebel- geruch als solcher ist für uns nicht gerade ein körperlicher Schmerz, aber er hat gleichsam etwas moralisch Verletzendes und Entwür digendes an sich, indem sich hierbei unsere Seele nicht des Druckes der feindlichen und unangenehmen Materie zu erwehren vermag. Alle Wahrnehmungen des Geruches treffen ebenso wie diejenigen des Gehöres ganz unmittelbar und direct das Leben der Seele selbst. Auch der Geruch ist so wie das Gehör ein wesentlich innerlicher oder zeitlicher Sinn; es sind die feineren und intensiveren Wirkungen oder Ausstrahlungen der physischen Materie, welche durch ihn von uns aufgenommen werden. Das Gesicht und der Geschmack sind gleiclieam die beiden räumlichen oder plastischen, das Gehör und der Geruch die beiden zeitlichen oder dramatischen Sinne im Organismus des menschlichen Lebens. Wir erkennen durch das Gesicht die räumlichen Umrisse oder Grenzen der Körper, während wir durch den Geschmack die den Raum selbst erfüllende Materie in uns eintreten lassen. Die Wahrnehmungen des Gehöres und dös Geruches aber sind Folgen von zeitlichen Vorgängen und Be wegungen in den Dingen, dort einer Erschütterung der Luft durch den Zusammenstoss der einzelnen physischen Bestandtheile, hier einer Auflösung oder Verdunstung der Materie in ihre eigenen feineren Elemente oder Atome. In der Gruppe der beiden niederen Sinne ist insofern das Verhältniss des Geschmackes zum Ge ruch demjenigen des Gesichtes zum Gehör in derjenigen der höheren analog. Für den Sinn des Geruches ist namentlich charakteristisch der enge Zusammenhang desselben mit dem Ge- dächtniss oder dem Erinnerungsvermögen. Auch bildet dieser Sinn zugleich eine Art von Werthmesser für die allgemeine ästhetische Ausbildung oder Erziehung des Menschen selbst. Jeder wahrhaft gebildete Mensch ist sehr empfindlich gegen alle starken und über triebenen Gerüche. Selbst Wohlgertichc sind immer nur in sehr bescheidenem Maasse für den gebildeten Menschen erträglich. Am Wenigsten aber darf der Mensch selbst nach irgend etwas Bestimmtem