31 ästhetische Formgesetz selbst ein unendlich dehnbares, mannich- faltiges und vielgestaltiges und es ist bis jetzt wenigstens nicht gelungen, den allgemeinen Charakter desselben an gewisse unzweifel haft feststehende empirische Merkmale zu binden. Die kritische Beurtheilung des einzelnen Schönen kann hiernach nicht blos in einer einfachen Subsumtion desselben unter irgend ein allgemeines Gesetz oder Prinzip der Form bestehen, sondern es wird noth- wendig das allgemeine Gesetz der Form durch die besondere Be schaffenheit des Inhaltes in einem jeden einzelnen Falle in einer anderen Weise abgewandelt und modificirt. Ein jeder wirkliche Schein setzt sich überall zusammen aus seiner formalen Einheit oder ordnenden Idee im Ganzen und aus dem besonderen materiellen Inhalt oder Wesen seiner einzelnen Theile. Keines dieser beiden Elemente für sich allein hat einen reinen ästhetischen Werth oder kann den Anspruch erheben, als schön und befriedigend zu gelten. Das Verhältniss dieser beiden Elemente aber ist wesentlich dasselbe als dasjenige des formellen und materiellen oder des grammatischen und des lexicalischon Bestandtheilcs in der sprachlichen Rede oder im Satz. Die Grammatik ist das System der allgemeinen gesetzlichen Formen, das Lexicon ist das Verzeichniss der sämmtlichon einzelnen materiellen Bestand teile der Sprache oder der Worte. Eine jede einzelne wirkliche Rede aber enthält theils immer irgend ein allgemeines gramma tisches oder syntaktisches Formgesetz in sich, theils besteht sie aus gewissen Gliedern oder Elementen des materiellen oder lexicalischon Wortschatzes der Sprache. Jene Lehre aber, dass der Charakter und Eindruck des Schönen an einer Sache sich lediglich auf das Element der Form oder das Verbindungsgesetz ihrer einzelnen Theile gründe, ist zuletzt eine ebenso einseitige und unzureichende, als wenn gesagt werden wollte, dass unser Interesse und Verständniss eines sprachlichen Satzes sich allein auf die grammatische Form desselben unabhängig von dem materiellen Inhalt oder der Be deutung der einzelnen in ihm enthaltenen Worte beziehe. Die ganze Wissenschaft von der Sprache setzt sich zusammen aus Grammatik und Lexicon oder aus einem formellen und einem materiellen Theile; ebenso aber kann auch in der Aesthetik einmal eine Lehre von dem formalen Gesetze der Ordnung und Verbindung oder gleichsam eine ästhetische Grammatik und Syntax, andererseits aber eine Bearbeitung des materiellen Werthes oder Bedeutungs-