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— 1"4 — doch ein frommer Mann sein willst. Siebst dn denn nicht, was er aus Erden noch alles gut zu machen hat? Denk au Frieda und ihren Vater. Wäre es nicht Gottes Wille, daß er sein Verbrechen an diesen beiden bier auf Gottes Erde und nicht mit dem Tode sülmen sollte, wie hätte er wohl seine schützende Hand über ihn gehalten? - Und daß er verwundet worden, daß er ein Ge brechen mit sich herumträgt jahrelang. daS scheint dich nicht im geringsten zu rühren ..Höre mal. Bester." fuhr nun Eisold los, „predige von deiner Kanzel herab und wo es sonst angebracht ist. Hier aber befindest du dich in meinem Hause »nd ich bin zu alt, um mir in dieser Weise den Tert lesen zu lassen — denn du bist nur mein Freund und Kamerad - aber nicht mein Seelsorger." ..Nun. denn lebe wohl." sagte der Pfarrer, nachdem er sich von seinem Erstaunen erholt hatte, während Marie und Frieda ganz starr dasaßen, ohne jede Empfindlichkeit. ..Ich werde deinem Sohn sagen, was du mir für ihn aufgetragen hast." Da aber sprang Maria auf. trat ihm in den Weg und hielt ihn am Arme fest. ..Nein. Herr Pfarrer." rief sie erregt. „Sie werden nicht so gehen. Sie dürfe» nicht, ich lasse Sie nicht fort." „Aber Frau Eisold, Sie sehen doch „Daß mein Mann Sie verletzt bat, das sehe ich und bitte Sic deshalb um Verzeihung, und auch mein Mann wird eS tun! Sicher wird er eS tun! Sehen Sie ihn nur an, in welcher Verfassung er sich befindet. Ist er nicht um Jahre gealtert? So hat ihn die Aufregung der furchtbaren Szenen erschüttert, die er während Fines Besuches durchleben mußte." Der i» üch zniammengesunkene Mann, der jetzt wirklich zehn Jahre älter anssah als Heberlein, hob langsam den Kopf und schien von seinem Stuhle aufstehen zu wolle». Aber der Pfarrer wehrte ab. „Laß nur." sagte er. „bemühe dich nicht! Ich bin weit davon entfernt emptindlich zu sein. Deshalb auch gehe ich nicht. Ich gebe nur. weil ich lebe, daß ich dir unwillkommen bin." „Ach. das bist du nicht." rief Eisold halb in entschuldigendem, halb in ungeduldigem Ton, „natürlich bleibst du! Das würde ich nie im Leben ver winden. Ich bitte dich, habe Nachsicht mit mir. du siebst, ich bin ein alter ge brochener Mann " „Schon gut ich bleibe es bedarf keiner weiteren Erklärung." unter brach ilm der Pfarrer, „ich bleibe sogar auch über Nacht, wenn du erlaubst, denn ich fühle mich doch »och abgespannt." Nun nalnn Heberlei» seinen unterbrochenen Bericht wieder auf. aber es schien Eisold wenig zu trösten, als der Pfarrer ihm berichtete, er gebe auch »ach Groß Aß hach und daß er Illlrich so gewmermaßen unter den Augen be halte. Dann entwickelte Heberlein seinen Plan bctrens Friedas. Sie solle einer Diakonissenanslalt übergeben werden und als Krankenpflegerin dem irage entgegen warten, bis Ullrich sie werde hcimsübren können. Da stieß er aber auf entschiedenen Widerstand von seiten des alten Eisold. „Willst du mir den letzten Sonnenstrahl aus meinem freudlosen Dasein rauben?" rief er erregt, „ich habe sie lieb gewonnen wie eine Tochter, und seit dem ich keilten Sohn mehr habe Ludwig!" rief Marie vorwurksvoll, fast srreng. — IN, — ..Nein. Herr Hauptmann!" sagte Ullrich ruhig und bescheiden. Tie Anerkennung iür meine dienstlichen Eigenschaften ehrt mich zwar sehr, aber >ch spüre nicht den geringsten Beruf dazu in mir - " . Wie? was? und Ihr Vater - Soldat mit Leib und Seele?" „Ich habe 'mal gehört, Herr Hauptmann, daß die Söhne meistens nicht die Veranlagung der Väter ererben, sondern . Nanu." fuhr der Hauptmann auf, „wie kommen Sie denn zur Per- crvungstheorie? - Ach so! nun ja - erinnere mich hätten ja wohl bei nahe Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst erlangt." ..^ju Befehl, Herr Hauptmann." „Na. dann war'S ja geradezu ein Glück, daß man Sie rechtzeitig vor her geschwenkt hat. Aber eins begreife ich dann nicht. Warum Sie kapi tuliert?" „Aus Wunsch und Befehl meines Vaters, Herr Hauptmann. Ich war damals noch nicht mündig. Ich hatte aber fest vor. den Herrn Hauptmann zu bitten, die Kapitulation rückgängig zu machen. Nun bat mich die Bombe der Mühe livcrhoben." „Na, das müssen wir erst noch abwarten." Mil dien?» Worten erhob sich der Offizier von dem Schemel, der ilm, au das Bett des Kranken gesetzt worden war. und schickte sich zum Geben an. An düse beiden Begegnungen dachte Ullrich jetzt, drei Wochen später, als er zum eisten Male das Bett verlassen durfte und in den Lazarettgarten lünansblickte. Die Sommcrfäden schimmerten im Hellen Sonnenschein und schlangen ück, um das Laub der Bäume und Sträucher. Nachdenklich stand er am Feinter und dachte über sein bisheriges Leben nach. Nichts Erfreuliches, soweit er auch zurückblickte. Die paar sonnigen Schuljahre! Aber auch sie nicht wolkenlos durch die eiserne väterliche glicht. Festlich waren für ilm die Stunden, die er außerhalb des Elternhauses zubrachte. Festtage gab es. wenn der Vater verreiste ach. und wie selten geschah das. Aber doch tat er dem Schicksal nicht unrecht? Hatte er nicht Glück genossen, wenn auch nur kurze Stunden die Stunden mit Marie?" Ja Glück war es gewesen, überschwängliches, unaussprechliches Glück. Und doch durste er daran denken, ohne zugleich an den herbsten, tiefsten Sckmierz p ines Lebens gemalmt zu werden? Und so heftig, so brennend war der Schmerz gewesen, daß er ihn hatte übertäubcn müssen. Aber wie batte er das getan? Instinktartig batte er empfunden, daß es noch eiwas Höheres gab als Weibcsliebe, daß wir noch zu etwas ander», geboren werden, als zum Ringen um das tägliche Brot! Wer um sich schaute, wnßte leben, daß vieles nicht ,'o sei, wie es sein könnte, und alles nicht io. wie es sein sollte. War das nun nicht zu ändern? Es gab ja Leute, die es ändern wollten, und sicher glaubten, es ändern zu lennen. lind diese waren ja seine Freunde, mit ihnen war er ja gegangen, seit den, er die Schulbank verlassen. Er almie, was sie wollten, wie sic cs meinten, aber er kühlte auch dunkel, daß er nicht wahllos mitlausen könnte in der Herde ihrer Gefolgschaft, daß ihm höhere Gaben verliehen waren als all de» Tausenden, die, von Hunger und Verzweiflung getrieben, sich um die rote Fabne scharten, daß er also auch ganz anders arbeiten müsse kür die heilige Sache als ne. Und doch kehlte ilm. o.'> Aenianbcilagc nir Lösch. 2-eÜsag