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Nr. 47. Freitag, den 26. Februar IV64 6. Jahrgang. SWsche WlksMng »scheint titaltch »ach«, «tt SuSnahme der S»nn. und Festtage. > ! .. ... . Unabhängiger Lageblan für Aabrbeit. ftecbt u. freibeit. Inserate werden die 6gespaltene Pelltzeile oder deren Raum m >L Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Buchdrullrrrl. Redaktioi, und ««rschästdstelle, LreSde», Pillniyrr Strafte 4». - Fernsprecher! ttn» I Rr. >86«. An die christlich und national gesinnten Arbeiter, Arbeiterinnen, Gehilfen, Bediensteten und Angestellten Deutschlands! Am 13. Dezember v. I. hat die vom Deutschen Arbeiterkongreß gewählte Deputation dem Kanzler des Deutschen Reiches, Grafen v. Bülow, die Beschlüsse des Kongresses überreicht. Der Verlauf der Audienz, sowie die Erklärung des Reichskanzlers ermutigen uns durchaus zum entschiedenen Voranschreiten auf der vom Kongreß be tretenen Bahn. Die Erklärung, die der Staatssekretär Graf Posadowsky am 30. Januar 100-1 im Reichstage namens der Negierung gab, und die zwar die Berechtigung unserer Forderungen anerkannte, jedoch nichts über die Zeit ihrer Erfüllung enthielt, verpflichtet die christlich-nationale Arbeiterbewegung mit mehr Nachdruck für die baldige Durchführung ihrer Forderungen einzutreten. Dies geschieht am besten dadurch, daß die noch abseits stehenden hundert tausend gleichgesinnter Kollegen sich unserer Bewegung an- schließen. Der vom Frankfurter Kongreß eingesetzte Aus schuß hat sich nunmehr konstituiert. Er will bis zum nächsten Kongreß als Zentralstelle für die gesamte christlich-nationale Arbeiterbewegung wirken und eine umfassende Propaganda in die Wege leiten. Erhebliche Widerstände stehen unseren Bestrebungelt noch entgegen. Diese müssen überwunden werden. Vor allen Dingen gilt es in der Arbeiterschaft gründliche Auf klärung über die Bedeutung der auf dein Kongresse aufgestellten Forderungen zu verbreiten Und überall Tatsachenmaterial zur Begründung derselben zu sainmelu. Wir fordern Euch deshalb auf, dem Ausschuß zu berichten über: a) Alle Euch bekannten und etwa noch verkommenden Schwierigkeiten bei Ausübung des Koalitionsrechtes; b) alle Hindernisse, die durch die einzelstaatlichen Vereins- gesetze der Arbeiterbewegung und besonders der Be teiligung der Frauen an derselben entgegentreten. Jeder, der sich an dieser Materialsaimnlung beteiligt, hilft unserer Sache vorwärts. Zur Durchführung ihrer großen Aufgaben bedarf die christlich-nationale Arbeiterbewegung der kraftvollen äußeren Erstarkung und des gesunden inneren Ausbaues. Hieran muß unermüdlich gearbeitet werden. Dies muß geschehen: ») in den einzelnen Vereinen durch praktische Schulung und Erziehung der Mitglieder mittelst Unterrichtsknrse, Diskutierklubs, geeigneter Vorträge und Ausbau der Arbeiterpresse, sowie durch Heranbildung tüchtiger Führer. b) in den einzelnen Städten durch Zusammengehen aller auf dem Boden des deutschen Arbeiterkongresses wirkender Gruppen bei Lösung der allgemeinen, sowie kommunalen sozialpolitischen Ausgaben, besonders bei Wahlen der Arbeitervertreter (Krankenkassen und Ge werbegerichten); e) mittelst einer lebhaften örtlichen Werbearbeit zwecks Ausbreitung der christlich-m tionalen Arbeiterbewegung. Es sollen zu diesem Zwecke Versammlungen abgehalten und Flugblätter verbreitet werden; vor allem aber ist zu diesem Zweck ein Ausschuß, zusammengesetzt aus deu Vertretern der verschiedenen, auf christlich-nationalen Grundlagen stehenden Organisationen, erforderlich. Suchet das Gemeinsame, schaltet das Trennende möglichst aus! Konfessionelle Vereine und Gewerkschaften müssen sich gegenseitig als solche anerkennen, ergänzen und unterstützen. Insbesondere sollen erstere darauf bedacht sein, ihre Mit glieder den auf christlichem und nationalem Boden stehenden Berufsorganisationen zuzuführen. Kollegen! Der Frankfurter Kongreß hat die Möglich keit des Zusammenwirkens der verschiedenen auf christlich nationalem Boden stehenden Arbeitnehmerorganisationcn in den gemeinsamen Angelegenheiten bewiesen. Nunmehr gilt cs, die großen Ideen der christlich-nationalen Arbeiterbe wegung praktisch zu verwirklichen. Die Aufnahme der Ver handlungen des Frankfurter Kongresses in der Oeffentlich- keit hat deren außerordentliche Bedeutung dargetan. Wir verkennen nicht die zn überwindenden Schwierigkeiten. Aber wir sind von der Ueberzeugung durchdrungen, daß eine Durchführung möglich ist. wenn alle auf dein Boden des Christentums und der Monarchie stehenden Arbeitnehmer unter Anwendung gesetzlicher Mittel, insbesondere der Selbst hilfe, gemeinsam kraftvoll sich betätigen. Der Frankfurter Kongreß darf kein Strohfeuer sein. Unsere Aufgabe ist nun mehr, die geweckte Bewegung in die weitesten Kreise hinein zu tragen und die große bisher gleichgiltige und uns fern stehende Masse aufzurütteln und zn begeistern. Dazu rufen wir alle deutschen Arbeiter, Arbeiterinnen, Gehilfen, Bediensteten und Angestellten ans' Suchen wir mit Mut und Entschlossenheit das so hoffnungsvoll begonnene Werk fortznsetzen, um das vielfach harte LoS der arbeitenden Stände zu bessern und ihre Gleichberechtigung in: praktischen Leben zur Geltung zu bringen. A uf zur Arbeit! Hoch die christlich-nationale Arbeiterbewegung! Mit Gruß der Ausschuß des deutschen Arbeiterkongresses. Franz Behrens, Berlin, Vorsitzender. Adam Steqerwald, Köln, Schriftführer. Wilh. Schack, Hamburg. Kasicnführcr. Marg. Behi», Berlin. Ioh. Giesbcrts, M.-Gladbach. A. ilirchbcrq, Mülheim n. Rnhr. Friede. Kloos, Berlin. Peter Motz, Trier. Martin Ncnmrhcr, München. Alle Zuschriften und Einsendungen für den Ausschuß sind an Franz Behrens, Berlin X. LP, Auguststraße KL. Geldsendungen sind an W. Schack, Hamburg, Große Reichen- straße 30 zu adressieren. Mustersatzungen eines örtlichen Ausschusses versendet der Berliner Ausschuß für Arbeiter- Vertreterwahlen und soziale Angelegenheiten (Franz Behrens! Berlin X. LP. Auguststraße KL postfrei 20 Stück 50 Ps.. 100 Stück L Mk. Die Ref-rm des Börsengesetzes. Das Sehnen der Börsenleute ist endlich gestillt; gestern abeird ist die Novelle zum Börsengesetz erschienen. Die Vorlage ist ein sehr umfangreiches Aktenstück von IIP Seiten, wovon allerdings auf die Begründung allein 100 entfallen. Der wesentliche Inhalt der Novelle ist schon länger bekannt, so daß Ueberraschungen ausgeschlossen sind; sie beschränkt sich auf den -1. Abschnitt des Börsengesetzcs, der den Börsen- terminhandel betrifft. Die hier geltenden Bestimmungen werden nun insoweit geändert, als der Kreis der Personen, denen die Berufung auf ihre Nichteiutragnng inö Börsen- register versagt sein soll, wesentlich erweitert wird. Es wird deshalb bestimmt, daß außer deu berufS- mäßig Börsen- und Bankiergeschäfte Betreibenden und den regelmäßigen Börsenbesuchern auch alle in das Handels register eingetragenen Kaufleute sich zum Zwecke der Er hebung des Difserenzeinwandes nicht aus ihre Nichteintragung in das Börsenregister berufen dürfen. Auf der anderen Seite aber wird die Institution des Börsenregisters dadurch noch gekräftigt, daß die Eintragungsgebühr herabgesetzt wird. Weiter wird durch Einfügung eines neuen Absatzes an den t? PK des geltenden Gesetzes die Definition des Börsentermingeschäftes nach der negativen Seite erweitert und bestimmt, daß als Börsentermingeschäft nicht gilt der Kauf oder die sonstige Anschaffung von Waren, wenn der Abschluß nach Geschäftsbedingungen erfolgt, welche der Bnndesrat genehmigt hat. und wenn es sich um Geschäfte zwischen Erzeugern, Perarbeitern und Händlern handelt, zu deren Geschäftsbetrieb der Kauf oder Verkauf von Waren der bezeichneten Art gehört. Eine weitere wichtige Bestimmung, von der allerdings ebenfalls bekannt war, daß sie sich in der Novelle finden würde, beschränkt die Frist zur Anfechtung vou Verbindlich keiten aus Börsentermingeschäften ans 0 Monate und beseitigt dadurch den Uebelstand, daß kein Bankier und kein Kalif mann mehr den Stand seines Geschäftes übersehen konnte, weil Geschäfte, welche jahrelang zurücklagen und seit Jahren abgewickelt waren, bis zum Ablauf der 30 jährigen Ver jährungsfrist der Anfechtung unterlagen. Die guten Seiten am Entwurf sind aber auch jene, die hier gar nicht erwähnt sind; so bleibt vor wie nach der Terminhandel im Getreide verboten, was sowohl im Interesse der Landwirtschaft, wie der Konsumenten zn begrüßen ist. Den Berliner Blättern gestillt allerdings gerade deshalb die Novelle nicht; so meint das „Berliner Tageblatt", „die Regierung des Herrn v. Bülow wird die Wissenschaft und Glaube. In protestantischen Kreisen wird häufig der Glaube lediglich für Gefühl- und Herzenssache gehalteil. Man kann daher auch nicht verstehen, was der Glaube mit dem Ver- stände zu tun hat. In Nr. Pl mußten wir erst das „Leipz. Tageblatt" über das Wort „Verstandesunterwerfung" belehren, welches in dem päpstlichen Rundschreiben vor kommt. Es ist deshalb angezeigt, einmal auf den Gegen stand Wissenschaft und Glauben näher einzugehen. Was heißt denn überhaupt Wissen? Nun, nichts anderes als eben wissenschaftliche Erkenntnis, d. h. die sichere Erkenntnis einer Sache aus ihren Gründen, also nicht bloß daß etwas ist. sondern auch, wie und warum es ist und nicht anders sein kann. Glaubeil hingegen heißt etwas für wahr annehmen auf die Autorität eines andern hin. So steht das Wissen absolut gesprochen als Erkenntnis form höher als der Glaube, weil cs den inneren Kern eines Erkenntnisgegenstandes durchdriugt, und befriedigt daher den Erkenntnistrieb des Menschen in einer vollkommeneren Weise, als der Glaube. Gleichwohl besteht kein Gegensatz zwischen beiden. Denn die Gegenstände auf die sie sich beziehen, sind sehr verschieden. Dem menschlichen Wissen sind Grenzen gezogen, über die cs nicht herausdringen kann, hier setzt der Glaube ein, um dein wahrheitssuchenden Menschengcist einen Blick tun zu lassen in die höheren Gebiete, die sonst dem Menschen- geisto verschlossen wären und die kennen z» lernen doch ein unausrottbarer Naturtrieb ihn zwingt. Deshalb ist dieser Glaube nicht un- und nicht widecvernünftig, sondern über- vernünftig, und er bleibt die Erkenntnitzform des Menschen für die Dinge der Uebornatur so lange, bis in der ewigen Vollendung diese unvollkommene Erkenntnißform ersetzt wird durch die vollkommenere des klaren nild sicheren „Schauens": „Unser Wissen ist Stückwerk; jetzt sehen wir durch einen Spiegel rätselhaft, alsdann aber von Angesicht zu An gesicht." (1. Kor. 13. 12.) So stehen sich Glauben und Wissen nicht entgegen. Das Wissen geht dem Glauben voraus, ermöglicht denselben und bildet seine Unterlage. Denn, wenn Glauben ein Fürwahrhalten einer Sache aus grund der Mitteilung eines andern ist. so ist die Tatsache dieser Mitteilung Gegenstand des Wissens. Ich muß wissen, daß mir dieser oder jener eine Mitteilung macht, ehe ich die Mitteilung als wahr hinnehme. Hat der Glaube, der christliche Glaube, eine solche durch die wissenschaftliche Erkenntnis konstatierbare und konstatierte tatsächliche Mitteilung als Unterlage? Ja, denn diese Unterlage ist ja nichts anderes als eben die Tatsäch lichkeit der Natur und die Geschichtlichkeit der Erscheinung Christi. Erster« weist in verschiedenen Richtungen auf Gott als ihren Urheber. Gedankengänge, die in den verschiedenen Gottesbeweisen zusammengestellt sind. Anläßlich der Kant- Feier mußte man wiederholt die Ansicht lesen, daß er in seiner „Kritik der reinen Verminst" alle angeblichen Beweise der Erislenz Gottes als das erwiesen, was sie seien — als Sophismen. Damit wiederholt man eine den tatsächlichen Umständen garnicht entsprechende Legende, als habe der Denker von Königsberg die Unhaltbarkeit der Gottes beweise dargeta». Diese Legende ist so weit verbreitet, daß viele mit Hinweis auf Kants Kritik der reinen Ver nunft, die sie freilich nur vom Hörensagen oder vom Titel blatt kennen, der Meinung huldigen, die Frage nach der Beweisbarkeit Gottes sei ein wissenschaftlich abgetanes Problem. Aber wissen denn diese Leute nicht, daß Kants Leugnung der Beweisbarkeit Gottes nur eine Folge seiner subjektiven Erkenntnistheorie ist? Will man deren Unhalt barkeit erkennen, so genügt es. daran zu erinnern, daß bei Kantscher Anschauung die Ursache und das den Ursachcn- znsammenhang der Natur zum Ausdruck bringende Gesetz der Ursächlichkeit nichts ist, als eine subjektive Geistessunktion, und nicht ein Gesetz mit allgemeiner, objektiver, wirklicher Gültigkeit. Daß aber eine solche Anschauung unhaltbar ist, zeigt eben die Anerkennung, welche dieses Ursächlichkeitsgesetz (nichts ohne Ursache! in alleil Wissenschafteil findet, weil seine Leugnung eiufachhin den Tod aller wissenschaftlichen Erkenntnis bedeuten würde. Woher aber hat die Mensch heit dieses Gesetz oder zunächst den Begriff der Ursächlich keit? Der Fundort dieses Begriffes ist die innere Erfah rung. Oder ist der Mensch sich nicht klar bewußt, daß er selbst das hervorbringende Prinzip zahlreicher und ver- schiedener Aenderungcn ist. indem er seine Gedanken und WillenSentschlüsse an der ihn umgebenden Außenwelt ver wirklicht? Auf dem Wege dieser Selbsterfahrung kam die Menschheit zum Begriff der Ursächlichkeit, und die Bctrach- tung der Außenwelt bestätigte diese Gedanken als ein all gemein und objektiv gültiges Gesetz, dessen Leugnung heute aufgegeben ist. Aber eben dieses Gesetz der Ursächlichkeit weist den menschlichen Wissenstrieb auf einen Weg. an dessen Ende der Thron Gottes steht; so ist der Glaube an Gott »ich Gefühl- und Herzenssache einzig und allein und in erster Linie, sondern Sache klarer, bewußter Erkemitnis, und erst die Erkenntnis des seienden Gottes gibt dem Menschen leben und Menschenherzeii jene innere Befriedigung, welche manche als das Wesen der Religion betrachten. Noch eine andere Tatsache, die Gegenstand des Wissens ist, ist Grundlage des christlichen Glaubens, das ist die Offenbarung Gottes durch Christus und dessen Auferstehung. Diese — hier mir als historisches Ereignis betrachtet — legitimiert das Christentum in vollkommenster Weise. Des halb haben die Apostel diese Tatsache als Gegenstand der geschichtlichen Erkenntnis, des Wissens, bei ihrer Missions- predigt an die Heiden in den Vordergrund gestellt: sie appellierten an die Vernunft, „der Glaube kommt vom An hören" (Röm. lO. 13—17>. Wer also meint, der Glaube bedeute den Verzicht ans das eigene Denken, blinde Unter werfung unter die Lehrantorität, der hat keine Ahnung von der Bedeutung des rat><m:>bist- oI>m><>iii>n,i, der Verstandes- nnterwerfnng. die aus den klar erkannten Tatstichen, die Gegenstand der wissenschaftlichen Erkenntnis find, hervorgeht. Daß das Christentum als Glaube, kraft seines Beweises ans der Kraft des Geistes und der Wahrheit, Annahme fand bei Griechen und Römern, widerlegt allein schon die romantische Schrulle Schleiermachers: Religion sei Sache des Gefühls und Herzens, also schließlich der Phantasie und Autosuggestion. Bot denn die altheidnische Götterwelt, welche die ganze Natur, Luft und Meer, Quellen und Haine mit Göttern und Göttinnen füllte, dem Gefiibl nicht mehr Anregung als das Christentum mit seinen schweren sittlichen Anforderungen an jeden? Schiller hat. in dieser romantisch-schwärmerischen Gesühlswertnng der Religion, seine „Götter Griechenlands" geschrieben und mit der Klage: „Einen einzigen zn bereichern, mußte diese schöne Götter- weit vergehn" eine Bestätigung geliefert für den eben aus- gesprochenen Gedanken. Nein, der Glaube ist nicht Sache des Gefühls, sondern Sache der Vernunft, er bedeutet eine Bereicherung des menschlichen Wisscnstriebes, ein Emporheben desselben auf eine Höhe, die ihm sonst nie zugänglich geworden, einen Ausschluß über die letzten Ziele des Menschen. Aus diesem letzteren folgt die Berechtigung de« Religionsunterrichts in den Schulen, welche der Judendemokratie, von der man ja nicht erwarten kann, daß sie Verständnis hat für das Neue Testament, ein Stein des Anstoßes ist. VV. N > " L -.4