Suche löschen...
Sächsische Volkszeitung : 04.03.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-03-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192203046
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19220304
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19220304
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-03
- Tag 1922-03-04
-
Monat
1922-03
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 04.03.1922
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Sonnabend den 4. März I92S «»chstsche «olk»,.itnng Nr. SS. Seite r samkeit de» sozialistischen Berichterstatter» und der FraktionS- redner aus den Abbau diese» Ministerium» gerichtet, der vom ReichSrat gefordert wird. Der Mchrheitssozialist Stücklen al» Berichterstatter vertrat den Standpunkt, daß der Abbau erfolgen müsse, aber nicht innerhalb eine» halben Jahre», wie e» ein Be- schluß de» Reichsrate» fordert. Bei dieser Gelegenheit erinnerte er auch an die unverschämten Forderungen der französischen Rheinlandsbesatzung. über die zu verhandeln Aufgabe de» ReichS- schatzministeriumS sei. Die Forderung des veutschnationalen Abg. Schulz-Brom borg auf sofortige Auflösung des Reichsschatz ministerium» wurde vom ZentrumSredner Lange-Hegermann damit abgesertigt. daß er die Deutschnationalen daran erinnerte, daß sie am wenigsten Veranlassung hätten, solche Einrichtungen zu verdammen, deren eigentlich« Väter gerade bei ihnen zu suchen seien. Den Vorwurf de» Zentrumsredner», dah die Reichsvermögensverwaltung bei dem Ersatz der Besatzungkostcn an die rheinische Bevölkerung wenig erfreulich gehandelt habe, konnte der Neichssibatzminister Dauer durch seine darauffolgenden allgemeinen Ausführungen nicht widerlegen. Deutsches Reich Da« Reich «Kabinett über das Sachleistungs abkommen Berlin, S. März. Am Freitag nachmittag fand im Reichs tage eine Kabinettssitzung statt, dir sich u. a. mit dem vorläu figen Abkommen über die Sachleistungen beschäftigen wird. Aus de« Geheimakten der Eisenbahner- Reichsgewerkschaft Berlin, 3. März. DaS „Berliner Tageblatt" veröffent lich« au» den Gcheimatten der Obersten Streikleitung der Eisen- bahner-RelchSgewerkschaft Richtlinien für die Durchführung eines Generalstreik» auf der Eisenbahn. SS werden darin grnaue In struktionen über Sabotage, Pcrsonalverwcndung <u. a. zum Transport Bewaffnetrr) usw. gegeben. Bor einer neuen Brotverteuerung Berlin, 3. März. („Vorwärts.") Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion beauftragte am Donnerstag ihren Vorstand, beim Reichskanzler Dr. Wirth unverzüglich wegen der sehr be unruhigenden neuen Preissteigerung bei Brotgetreide vorstellig zu werden. Von der ReichSregicrung sollen sofort durchgreifende Maßnahmen verlangt und gefordert werden, die Brotvcrsorgung der minderbemittelten BevölkerungSkrelse zu halbwegs erträg- lichen Preisen sicherzustellen. Diätenentziehung als Straf« für Reichstags abgeordnete Berlin, 3. März. Ein Unterausschuß des Geschäftsordnungs ausschusses des Reichstages hat sich in den letzten Tagen mit den OrdnungSbestimmungen für die Vollsitzungen beschäftigt und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß diese Bestimmungen der- schärft werden sollen und daß unter Umständen über einen Ab geordneten die Strafe des Diätenentzuges verhängt werden solle. Geheimrat Wiedtfeld in London Basel, 3. März. Wie aus London gemeldet wird, ist dort der Vorsitzende der Krupp-Unternehmungen, Geheimrat Wiedt- selb in privaten Angelegenheiten eingetrofsen. Da Geheimrat Wiedtfeld zu den deutschen Vertretern für Genua gehört, bringt die französische Presse seinen Besuch natürlich sofort mit dieser Konferenz in Zusammenhang. Nochmals die Neubesetzung des Bischöflichen Stuhles in Trier Dieser Tage ging durch eine Reihe von Blättern die Nachricht, das Trierer Domkapitel habe den Welhbischof von Köln, Dr. Borne- wasser, Propst des Stiftskapitel« zu Aachen, zum Bischof von Trier gewählt. Gegenüber diesen Meldungen müssen wlr feststellen, daß sie nur auf Vermutungen beruhen tönnen, da da« Trierer Dom kapitel da« Eraebnis der Wahl erst dann bekanntmachen wird, wenn der von ihm gewählte Bischof in Rom seine Bestätigung gesunden hat. Iagow rührt sich Wie der .Lokalanzeiger" berichtet, beabsichtigt der frühere Staatssekretär und Polizeipräsident von Berlin Iagow, der augen- llickticti seine FestungSstrase verbüßt, die Wiederausnahme seine» Prozesse« beim Reichsgericht zu beantragen, weil er in der Lage sei, neue« Beweismaterial bcizubrlugen, das seine strasbare Hand lung, nämlich die Beteiligung am Kapp-Pntsch, in einem neuen Lichte erscheinen läßt. — Bei dieser Ztachricht wird man an die Geste der Unschuld erinnert, die Iagow und Genossen vor dem Reichsgericht gemacht haben, als sie. die Hände in den Hosentaschen, behaupleten, nichis gewußt zu haben von dem, was in Berlin am Morgen de- Kapp-Pnftckes schon jeder Schulbube wußte. Wenn cs von Iagow gelingen sollte, formell das Urteil des Reichsgerichte« anzugreifen, was wir bei der gewissenhaften Pflichterfüllung oeS Reichsgerichtes nicht anznnehmen geneigt sind, so ist Iagow in den Augen des größten Teile« des deutschen Volkes durch die oben erwähnte Haltung dennoch moralisch gerichtet. Al Ml SlMtkWIi M8 4. B«rtra, des Herrn Bisch^S Dr. Schreiber im HSrsaal 40 der Leipziger Universität Zweiter Hauptteil Das Brauchbare in den oben dargelegten Gedanken- yängen Kants ist folgendes: Es schlummert tief in der mensch lichen Natur ein zweifacher fundamentaler Trieb, der Trieb nach Glückseligkeit und der Trieb nach Sittlichkeit. Beide Triebe stehen in einem unlösbaren naturhaften Verhältnis zu einander: der Mensch, der im Zustande der Sittlichkeit dieses Leben ver läßt, muß im anderen Leben zum Lohne seiner treuen Pflicht- erfüllung ein ewiges Glück bekommen. Die Verleihung diese» Glückes an den Menschen im Jenseits aber ist Sache Gottes. So weist der SitUichkeits- und GlückseligkcitStrieb de» Menschen auf ein Jenseits und aus einen Gott jm JenseitS hin. Der thcistischen Philosophie sind diese Tatsachen niemals entgangen, sie sind ihr lange vor Kant bekannt gewesen. Aber sie hat in der Verwendung dieser Tatsachen zum Erweise der Existenz und Eigenschaften Gottes eine glücklichere Hand gehabt als Kant. Sie hat vor allem jeden dieser beiden genannten Triebe für sich ins Auge gefaßt und auf jedem der beiden einen selbständigen GottcsbeweiS aufgobaut. Durch beide Beweise hat sie sodann das Dasein und die Eigenschaften Gottes in ein ein heitliches. al>gerundeteS Licht gerückt. Wir wallen diese Gedankcngänge der thcistischen Philo sophie im folgenden kurz darlcgen. Sic konzentrieren sich in dem deontologischcn und in dem eutämonologischen Gottesbeweis. 1. Der deontologische Gottesbeweis der thelstischen Philosophie a) Unser Bewußtsein nimmt in unserer Seele sittliche Bindungen unmittelbar wahr, sittliche Bindungen von grundlegender Bedeutung, fundamentale Moralgesehe, zum Bei spiel halte Ordnung; tue daS Gute, meide das Böse; jedem das Seine; was du nicht willst, das man dir tue, das füge auch keinem anderen zu und dergleichen. b) Diele sittlichen Bindungen oder Moralgesctze tragen fol gende Ä-e s e n s m e r k m a l e an sich: sie sind allheilig: alles, was ihnen widerspricht, muß unsere Vernunft notwendig als unheilig anerkennen; sie sind allvernünftig: jeder Verstoß gegen sie wird von der Vernunft notwendig als töricht bezeichnet: sie sind allgcrccht: jede Abweichung von ihnen wird von der Ver nunft als Ungerechtigkeit gebrandmarkt; sie sind allmächtig: sie üben eine unwiderstehliche sittliche Macht auf den Menschen aus. Zrvar hat der Mensch die physische Freiheit, sie zu übertrete». Aber jede Uebertretung wirft ihm sein eigenes Ich als Unrecht vor, er empfindet Gewissensbisse darüber, er hat das Bewußt sein, ein« für ihn zu Recht bestehende Schranke unrechtmäßiger weise überschritten zu haben. c) Sofort entsteht die Frage: Woher stammen diese sitt lichen Bindungen, diese Moralgesetze? Wo liegt der hin reichende Grund für sie? Antwort: Dieser hinreichend« Grund liegt nicht im Subjekte selber, denn, hätte das Subjekt sich diese Bindungen selber gegeben, dann würde es dieselben jederzeit auch wieder abstreifen können, ohne sich darüber die ge ringsten sittlichen Vorwürfe machen zu müssen. Das ist aber nicht der Fall, vielmehr stößt jeder Versuch dieser Art ans di« moralischen Vorwürfe und Einsprüche des eigenen Gewissens, wie jedem Menschen seine ausnahmslose Erfahrung zeigt. Der hinreichende Grund für diese sittlichen Bindungen liegt auch nicht in der äußeren Erziehung durch Eltern, Lehrer und Priester, denn waV reine Erziehung ohne innere Vernunft. Notwendigkeit uns auferlegt, das können wir jederzeit ungestraft wieder von uns werfen. Diese Freiheit räumt uns aber die Vernunft und da» Gewissen niemals ein gegenüber den genann te» sittlichen Bindungen. Der hinreichende Grund für die erwähnten Moralgesetze liegt auch nicht in Sitten und Gewohnheiten der Umwelt, die wir bewußt in uns ausgenommen hätten, denn mich das, was Sitte und Gewohnheit ohne innere Vernnnftnotwendigkeit zur Herrschaft bringt, kann von uns jederzeit abgelegt werden, ohne daß wir darob den begründeten Tadel der Vernunft und de» Gewissens zu fürchten brauchen. d) Man weise nicht hin auf die große Verschiedenheit, ja Gegensätzlichkeit der sittlichen AnsclMiungen der Völker unter einander nnd in verschiedenen Zeiträumen der Menschheitsge schichte. Diese Verschiedenheit und Gegensätzlichkeit ist allerdings vorhanden, aber sie betrifft nur die abgeleiteten Sittenaesctze, nicht aber jene obengenannten fundamentalen sittlichen Bindun gen. In diesen letzteren stimmen alle normal denkenden Men- schen miteinander überein, ihnen gegenüber fühlen sich alle Menschen gleicherweise unweigerlich gebunden, sic werden von allen Menschen ohne Verschiedenheit oder Gegensätzlichkeit der Auffassung als allhcilig, allveruünftig, allgerccht und allmächtig anerkannt. Nur in den praktischen Anwendungen dieser Funda- mentalgesetze ans die konkreten Einzcifälle gingen und gehen Menschen oftmals in die Irre; hier offenbart sich die Unsicher, heit der Vernunft, die Stärke der Leidenschaften» die Schwäche de» Willens, der Einfluß der Erziehung, Gewohnheit und Sitte, die Einwirkungen der Umwelt, erbliche Belastung und derglei chen. Um so überwältigender tritt demgegenüber die Klarheit und Entschiedenheit hervor, mit welcher Vernunft und Gewissen die erstgenannten obersten Moralgesetze erkennen, anerkennen und zur Geltung bringen, trotzdem dieselben dem Menschen schwere Fesseln aufcrlegen. e) Man sieht, es handelt sich hier um Gegebenhei ten. die jeder menschlichen Willkür entzogen sind, die ein Höherer der menschlichen Seele eingepflanzt hat, die von einem außer, menschlichen und außerweltlichcn Wesen herrübren. Dieses Wesen muß, nach dem Grundsatz, daß wle die Wir- kung so die Ursache ist, notwendig ein allheiliges, allvernünf- tigeS, allgerechtes, allmächtiges Wesen sein: es ist der unend liche Gott als Urheber und Geltendmacher des sittlichen Ge setze». Also existiert ein Gott. 2. Der eudämonologische Gottesbeweis der thelstischen Philosophie a) Tief in der menschlichen Seele schlummert das Ver- langen nach Glück. Von diesem Verlangen gibt daS Be wußtsein jedem Menschen fortwährend Kunde. b) Dieser GlllckseligkeitStrieb hat folgende WesenSmerk- male: es ist ein Trieb nach zeitlich nie endendem und inhaltlich unbegrenztem Glück: der Mensch will glücklich sein, er will immer glücklich sein, er will niemals unglücklich sein, mit anderen Worten: er verlangt nach einem ewigen und unbegrenzten Glück, nach einem Glücke, das nie endet und das alle Wünsche erfüllt und keinen nur denkbaren Wunsch unerfüllt läßt. Dieser Glückseligkcitstrieb der Mcnscheiiseele ist ein natnr- hafter Trieb, denn in allen Menschen ohne Ausnahme ist er vorhanden, er ist mit der Natur eines jeden Menschen verwachse», er gehört zur normalen Ausstattung der menschlichen Natur als solcher. Auch der Selbstmörder steht im Banne dieses Triebes, den», warum anders nimmt er sich das Leben, als weil er auf der Welt das Glück, nach dem er verlangte, nicht gesunden hat und durch den Selbstmord das ersehnte Glück für immer einzu tauschen hofft, das Glück des ewigen Freiseins vom Erdenleid. Dieser Glückseligkeitstrieb ist weiterhin ein fundamen- taler Naturtrieb, d. h. er ist keinem anderen Naturtrieb unter geordnet. Das geht daraus hervor, daß der Glückseligkeitstrieh nicht bloß das leibliche Glück des Menschen zum Ziele hat, sondern darüber hinaus auch das geistige Wohlsein des Menschen, oie restlose Erfüllung seiner geistigen Wünsche und Sehnsüchten. c) Aus diesen Wesensmerkmalen des Glückseligkeitstriebes ergibt sich sofort die Folgerung, daß er notwendig gestillt werden muß und letztlich nicht ungestillt bleibe« darf. Wir sehen nämlich in der gaiizen Natur, daß kein natur- hafter Trieb umsonst vorhanden ist; jedem naturhaften Trieb hält die Natur ein Ziel und zwar ein erreichbareres Ziel bereit: Die Pflanze lechzt nach Regen und Sonnenschein, und die Natur stillt dieses ihr Verlangen; das Tier verlangt nach Nahrung und Kleidung, Fortpflanzung und Vermehrung, und die Natur stellt ihm alles zur Verfügung, was zur Erreichung dieser Ziele notwendig ist. Gewiß kann in Einzelfällen bei Einzelwesen durch EinzelnmstSnde ein naturhaster Trieb ungestillt verkümmern. Aber im Ganzen der Natur ist solches nicht der FaN; vor allem sorgt die Natur für die Sättigung jener naturhaften Trieb«, denen eine fundamentale Bedeutung zukommt. Das lehrt un» die Naturbetrachtung auf Schritt und Tritt. Es liegt aus der Hand, daß der Mensch von diesem weisen und wohltätigen Grundgesetz der Natur nicht ausgenommen sein kann, denn er ist die Krone der Natur, in ihm muß deshalbt die Ordnung, Zweckmäßigkeit und Zielstrebigkeit der Natur Ihren höchsten Ausdruck sinden. Würden bei ihm die naturhasten funda mentalen Triebe nicht gestillt, dann würde die gesamte Natur in ihrer Krone einen Mißklang, eine Unordnung, einen Wider streit mit der gesamten übrigen Natur auswetsen. Das würde aber gar nicht stimmen zu dem in der ganzen Natur restlos feststellbaren Gesetze der Einheit und auswärtsschreitenden Voll endung. Also muß, wenn irgend ein naturhaster fundamentaler Trieb in der Natur gestillt wird, der Glückseligkeitstrieb des Menschen seine Stillung finden, d. h. es muß der Mensch letzt lich einmal in den Besitz eines ewigen und unbegrenzten Glück» gelangen. d) Diese Glückserreichung ist aber nicht möglich, wenn nicht ein Gott existiert, denn nur ein Gott ka m den Menschen ein unbegrenztes Glück beschaffen und di« ewige Dauer dieses Glück» gewährleisten. Noch mehr: das höchste Glück, wonach der Mensch verlangt, ist schließlich niemand anderes als Gott selber, denn ein ext- tirrendes Glück will der Mensch erreichen, nicht einen chemenhaften Schatten ohne Wirklichkeit und Leben. Ein exi lierendes unermeßliches Glück will er besitzen; zwar nicht ein voll unendliches, denn ein solches übersteigt die Ausnahme- iähigkeit seiner Seele und seines Leibes, wohl aber rin Glück, das alle begrenzten geschöpflichen Erdengüicr übersteigt. Ein solches Glück aber ist nur in Gott zu sinden, denn nur Gott ist bas unermeßliche höchste Gut. So wird also aus dem Glückseligkeitstrieb, wie er in Seele des Menschen lebt und strebt, mit aller Sicherheit Dasein Gottes als des höchsten Gutes dargetan. in der das Sächsische Volkszoitung — Nr. 53 — 4. März 1022 Aus Altenhammer Roman einer Ehe bon Dina Ernstberger lL. Fortsetzung.) Schluchzend erzählte der Hanni, daß er nie schlecht gewesen sei in seinem Leben. Schon als Knabe sei er seiner Mutter der. Liebste gewesen und in der Schule der Bravste, man soll nur den Brief lesen, den sie ihm schrieb, als er bei den Soldaten war. Und immer hat er dem Herrn Lehrer beim Krämer seinen Schnupftabak geholt, weil er so brav war. — Und nun sagte der Cchusterjürg, er sei schlecht! Er heulte so lange, bis der schwere Kopf auf die Schultern seines Nachbarn sank und das Schluchzen in Schnarchen überging. An einem anderen kleineren Tisch saßen die Ratsherren beisammen. Nur der Webcrmichel hatte sich seinen Platz unter den gewöhnliche» Sterblichen gesucht, weil er sich nicht neben den Schlossershciner setzen wollte und kein anderer Platz am Nats- herrcntisch frei war. AIS der Schlossershciner sagte, die Gcineindebcschlüste soll ten in Zukunft nicht mehr in ösfeutlicher Wirtsstube gemacht »»erden, da schrie der Michel über den Tisch hinüber, darüber hätte der Heiner allein nicht zu beschließen. Da müßten auch die anderen erst gefragt werden. Und was den Groß- und Ur großeltern gut genug war, das könnte ihnen auch passen und diese Neuerungen taugten alle nichts, die kosten nur Geld. — Als ob eS wo anders schöner sein könnte wie in der Wirtsstubei Heiner mußte mühsam an sich halten. Aufgeregt nahm er daS volle Glas seines Nachbarn und trank es bis zur Neige leer. Der Kleinbauer klopfte ihm beruhigend mif die Schulter: „Laß den Dummkopf red'n, Heiner, der versteht'S net besser. Wenn amol a anderer Bnrgcrmasier iS, werd alles andcrsch und dann hat a der Michel nix mehr zu sag'n." Die Wirtsstube war so voll, daß es Fritz schwer wurde, Wieder einen Platz zu finden. Wo er zuerst gesessen war, bevor er den Peter halte, saß jetzt der MaurerS-AnoreS.' Seit Mo naten hatte der sein HanS nicht mehr verlaßen, so sehr plagte ihn das Zipperlein. Heute kam er mit zwei Stöcken ächzend cmgehumpelt und ließ sich daS Freibier schmecken. Tr hätte gar nicht mehr daran gedacht, daß ihm daS Biertrinken vom Doktor streng verboten war, wenn ihn nicht der neidische Cchnsterjörg daran erinnert hätte. Aber gerade deswegen blieb er erst recht sitzen. Wenn es in den Deinen recht riß,dann ächzte er höchstens mal dazwischen, aber er trank weiter. „Wärst halt da Ham blicb'n, wenn'S dich so reißt. > Kran ker ghSrt allmal in» Bettl" rief ihm der Görg zu. «DeS könnt dir pass'n« gelt. Mögst halt alles allei saustn, du Lumpl" : „Wir sitzen so fröhlich beisammen und haben einander so lieb!" gröhlte nebenan der lange Heiner. „Bst, Lump, derfst net sag'n. Kaner von uns ist a Lump," begütigte der alte Franzenbauer, den das Bier immer weich herzig machte. „Nnd du bist a kei Lump net, Michel, wenn ich dich a oft so gheitzn hob. Friedliebend streckte er in seiner Bicrseligkeit dem Todfeind die breite Hand entgegen. Der schob den Kautabak von einer Wange zur anderen. Dann spuckte er in die Stube und faßte die dargcboten« Hand. „Des geht a kein Mensch» was an, ob ich a Lump bin oder net. Des ist mei Sach," sagte er trotzig. Immer lauter wurde cS in der Wirtsstube. Ruhig schritt der Löwenwirt durch die Reihen. Ihn bekümmerte es nicht, wenn sie miteinander zankten. ' Schon vier Kannen mußte die Löweuwirtin hinab in den Keller schleppen. „DeS iS mei Teil vom Freibier," sagte der Löwenwirt, als er das klare Wasser in das Bierfaß goß. «Die Lumpn sauss und der Schulznbauer zahItS." Und die Läwen- wirti'n. die sonst eine brave Frau war, meinte, wenn man den Leuten das starke Bier verdünnt geben würde, da gäbS Räusche. Und slillzufrieden füllte sie immer wieder die Kanne. Die ein- zig Nüchternen der Versammlung waren Fritz und Peter. Sein Glas stand noch immer zur Hälfte gefüllt auf dem Tisch. „Peter, so trink doch; heut kostö nixl" rief einer der Bur schen über de» Tisch herüber und schob ihm sein frischgesüllteS GlaS bin. Peter wehrte ab. „ES schmeckt dem Peter net des Bier," rief ein anderer dazwischen. „Die Hochzeit liegt ihm in Magn, und da will er des Hochzeitbier net a noch drin hobn, gelt, Peter?" Die anderen Burschen lachten. Peter ballte die Fäuste. Gewaltsam zwang er seinen Zorn hinunter. „Geh beim, HanS. und schlaf deinen Rausch aus. Morgn geb ich dir Antwort," sagte er ruhig. „Wer kann sag», daß ich an Rausch hob?" rief der ander« und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Gläser tanz, ten. „Manst, weil ich dir 1l)<) M. schuldig bin, deswcgn derfst mich bsoffn beiß»? Kann ich was dafür, daß die Stine an andern g'heirat bot?" „Dst, ner kan Streit net," lallte der alte Franzenbauer, sich von seinem Platz erbebend. An den Rücken der anderen hielt er sich fest, daß er das Gleichgewicht nicht verlor. So tappte er sich vor. bis an den Tisch -der Streitenden. „Mach dir net so viel aus der Stine, Peter," sagte er und klopfte dabei dem Peter gutmütig die Achsel. Dann schaute er zu den anderen hinüber. „Und von un» Hot kaner an Rausch. Gor kaner. der Peter a net. Und wer nochamal sagt, dem Peter iS Recht gschehn, daß die Stine an andern gnomm Hot, der iS a Lump. Und wer dem Peter noch» amol an verliebt» Narrn heißt, dem schlag ich die Knochn ent zwei! Und wer sagt, die Stine . . Peter sprang so heftig empor, daß er fast den Franzen- bauern, der sich an seinem Arm festgehalten hatte, umgerissen hätte. Aus seinen leergewovdenen Platz setzte er den erschrocke, neu Franzenbauern nieder. „So, Franzenbauer. setzt euch. Jm Sitz» könnt ihr leich- ter redn. DeS Stehe geht heut net recht bei euchl" Der Franzenbauer riß die Augen «ms. „Und du, Peter?" lallte er. Peter riß seinen Hut vom Nagel. „Ich geh zur Hochzeit »auf in Schulznhof," sagte er ruhig. An der Türe stand Fritz. Er ging mit Peter hinaus. Wortlos gingen sie eine Zeitlaug nebeneinander her. „Gehst wirklich jetzt noch auf die Hochzeit?" fragte Fritz. Peter antwortete nicht sogleich. Er hielt de» Kopf gesenkt; die Hände ruhten in den beiden Taschen seiner Joppe. „Zweifelst dran?" sagte er dann finster. „In aner Stund weiß da drin jeder, ob ich wirklich cnif der Hoheit drobn im Schulznhof bin oder net. Natürlich geh ich hin. Es war bester gewesen, ich hätt deS heut mittag sckw gemacht; die be- sofiene Metten bätt ich mir dann gespart. Wenn i«b net wegen der Stine Streit vermeiden wollt, den verliebten Narrn wollt ich ihnen heimzahlenl" ^ , „Was a Desoffner sagt, des derf an net ärgern; die wissen net. was se sagen/ „Sonst haben wir immer gesagt: ,m Rausch verraten sich die Leut. Grad der Dcsoff'n sägt offen, was er denkt." Die beiden waren bis nahe an den Schulzcuhof herange- kommen. Die Fenster oben und unten waren noch hell beleuch. tet. Fritz blieb nun stehe». „Ich geh etzt nochamal minier ins Wirtshaus, und fällt ner a Wort, so kannS was geben!" sagte er, sich zum Fort gehen wendend. Peter hielt ib» am Arm fest. „Du gehst heut nimmer hin, Fritz," sagte er ernst. „Was willst mit Belassene machen? Da hast immer du Unrecht. Sie haben ja überhaupt recht die d'run n. Die Stine hat mich net gemocht, und a Narr war ich a." Leise raschelte es neben ihnen. Die Lnmpenkitndl bumpelt« vorbei und nahm ihren Platz im Lausgang des Hochzeitshause» wieder ein. ^ .... ^Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)