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Freitag den L4. Februar IV2S Sächsische «ol!»,ettung Nr. <6. Seite 2 gesch unter Bcsoldungsordnung festgesetztes Einkommen und durch gehobene Treue, gejleigcrren Fleiß und über den Durch schnitt vermehrtes Wissen selbsttätig zu erhöhe», so mutz der Staat im eigenen Interesse, wie insbesondere auch im Interesse des werktätigen Volkes, dem Beamten eine Besoldung zuteil werden lassen, die ihn und seine Angehörigen vor Not. Hunger und Elend schützt. Hat der Staat diese Verpflichtung bisher ausreichend auögcübt? Ich erkläre nein! Ohne damit ein sub- jektives Verschulden der in Betracht kommenden verantwortlichen Persönlichkeiten der Regierung feststellen zu wollen oder auch zu können. Daher habe ich mich mich mit allem Nachdruck da. gegen ausgesprochen, als ich als Mitbeauftrayter der Fraktion an den interfraktionellen Besprechungen teilnahm, datz eine Er- Höhung der Teuerungszulage um 20 Prozent für die unterste 10 000 Mark betragende Gehaltssumme vom untersten bis zum höchsten Beamten ein brauchlmreS Mittel für die Linderung der Not in den unteren Bcamtenschichten darstelle. Auch die Ueber- teuerungkzuschläge stellen ein richtiges zur Lirwerung der Not der unteren Beamten 2»ffass>ing nach nicht dar, wennaleick di. r- ">ru„gskost«n der Bevölkerung und damit Beamten in den besonders hoch entwickelten industriel len Bezirken höher sind, und zwar nicht unwesentlich höher als in industriearmen und landwirtschaftlich hoch entwickelten Ge genden. Im HmishaltauSschutz habe ich daher bereits im April 1080 eine Industrieznlage für die Beamten in Industriegebieten gefordert. Damals erklärte der Neichsfinanzmimster, datz die Auswahl und Abgrenzung der Bezirke zu schwierig sei und Be rufungen der Beamten anderer Gegenden nicht aufhören wür den. wenn man auf den Boden solcher Vorschläge träte. Diese Ausführungen haben mich nicht davon überzeugt, datz mein Vor schlag undurchführbar sei. Die Hoffnung aus die Gestaltung des Ortsklassenverzeichnisses hielten mich dann aber von der weite ren Verfolgung der Idee ab. Nachdem nun die Ortsklassenein- stufung einen hinreichenden Ausgleich in der Besoldung der Be amten nach den Tenerungsverhältnissen nicht gebracht hat, ist man zu den Ilebertenerungszuschlägen gekommen. Ich habe den lebhaften Wunsch datz sowohl die Gewährung der lkebcrtcue- rungszuschüsse, als mich die 20 Prozent betragende Erhöhung des Teuernngszuschlages für die untersten 10 000 Mark gar bald einer gründlichen Umgestaltung des Besoldungswesens unter be sonderer Berücksichtigung der Notlage in den unteren und mitt leren Veamienschichten Platz machen. Die Unterredung mit dem Reichssinanzminister und Organisationsvertretern jener Rich tung, die auf dem BcHcn des Schutzes vom Bernfskicamtenium stehen und hock in den Deutschen Beamtenbnnd hineinragcn, gaben mir die Zuversicht, datz für die Beamten in der allernäch sten Zeit eine wirkunasvolle Hilfsaktion vollzogen wird. Und darum zum Schluß noch einmal die Warnung an die Beamten, ihre Rechte nickt durch unüberlegte Handlungen zu beseitigen ober doch zu gefährden, sondern die Entscheidung der nächsten Woche, die bet Regierung und Parlament fallen mutz und wird, abznwarten. Für meine Fraktion habe ich als Wortführer am 1. August 1010 in der Nationalversammlung das Streikreckt der Beamten abgclehnt und von da ab unentwegt und mit Wärme um Beseitigung der Notlage der Beamten gewirkt. Im einzel nen die Arbeiten reklamenhaft in die Beamtenschaft und Oeffentlichkeit zu tragen, war mir zuwider. Von den Körper schaften aber, die über mein Mandat zu verfügen haben, stand und stehe >ck mich fernerhin ein. Nunmehr fällt in kürzester Frist eine Entscheidung, die über die Interessensphäre der Be amten weit hinatisreichend das gesamte Volk mit angeht. Und haben unkluge sogenannte Führer der Beamten in weitem Um fange die Svmpathie des Gesamtvolkes gegenüber der Beamten schaft vermindert, dann bitte ich in diesem Augenblicke alle Be- völkeriinaSkreise. diese Aniinotbie gegen die Beamten fallen und weiten Schichten unseres Volkes die Aufmerksamkeit und zutref fende sachliche Bewertung zuteil werden lassen ztt wollen, die für den Wiederaufstieg des deutschen Volkes ans dem Elend er forderlich ist. Preußischer Landtag Schcn am Dienstag abend war das Haus in die Beraknno über die Universitäten und Technischen Hochschulen bei Gelegen heit der Behandlung des Kultusetots eingetrcten und der Zen trumsabgeordnete Schwcring halte die Stellnngnahnw des Zen trums därgelegt. Am Mittwoch setzte man die Beratung fort. In ihrem Mittelpunkte stand die Verfassung der Studenten und ihre organische Eingliederung in den Organismus der Hoch schulen. Minister Bölih lietz eS sich nicht nehmen, auch bei diesem wichtigen Abschnitt seine Stellnngnabmc gegenüber dieser Frage dorzulegeu. Er erklärte, datz er sich etwas zurückhalten müsse, weil die Sache nicht nur Preutzen, sondern ganz Deutsch land angehe. Er erklärte die Voraussetzung für die staatlich anerkannte Selbstverwaltung der Studenten wäre gewesen, datz die Studentenschaft sich jeglicher politischer Kämpfe enthalten würde, da aber die Praxis die Unmöglichkeit der Erfüllung dieser Forderung gezeigt habe, habe man die Mttinger Notverfassung geschaffen, in der jeglicher Anlatz zu einer politischen Auseinan dersetzung vermieden worden wäre. Deshalb begrüße er per sönlich diese neue Verfassung und er werde darüber mit den Stiidenten in Verhandlungen treten. Mk WW WWW in «Mliln Bon Pater Joseph »reuter. St. Johns Univerfity. Lollegeville, Minn. Wie der ganzen Welt, so hat der letzt« große Krieg auch Amerika nichts Gutes gebracht, auch die Vereinigten Staaten haben in verschiedener Hinsicht schwer gelitten. Ein großer Segen ist jedoch indirekt der katholischen Kirche in den Bereinig ten Staaten durch de» Weltkrieg erstanden, nämlich eine groß, zügige, einheitliche Organisation ^>ller Katholiken des Lande» ohne Rücksicht aus ihre —nonale Abstammung. Diese gewaltige Bewegung' zum Susamenschlutz der katholischen Elemente «me- rikas ist d»- erste dieser Art m der Geschichte des Landes und trägt den Namen ^National Cathotir Welfare Council". Während de» Krieges erkannte man mehr noch aiS zuvor, datz der geätzte Fehler der amerikanischen Katholiken im Mangel a» Organisation liege. Um einheitlich und mit Erfolg Vorgehen zu können in Wahrung der Interessen der fast 20 Millionen Kathol'ken des Landes und in Förderung gemeinsamer Arbeit, organisierte die Hierarchie das sogenannte KriegSbureau der amerikanischen Katholiken. Die herrlichen Erfolge dieser neuen Organisation bestimmten die Erzbischöfe und Bischöfe, dieselbe auch nach Friedensschlutz beizubehalten und weiter auszubauen. Im September 1019 begann die glänzende Friedenstätigkeit der neuen Bewegung am Wiederaufbau, eine Tätigkeit, die heute nach 2)4 Jahren zu der Hoffnung berechtigt, datz die neue Or ganisation der Kirche und dem Lande zu größerem Segen ge reichen wird als irgend eine andere Bewegung in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Die deutschamcrikanischcn Katholiken waren bereits vor der Gründung des Wohlsahrtsburcaus ziemlich gut organisiert in ihren verschiedenen Pfarr und Siandesvereinen. die meist dem sehr segensreich wirtenden Deutsch-römisch-katholischen Zentralverein angcgliedert waren. Dieser Zentralverein hat Großes geleistet in der Stärkung des deutsch-katholischen Ele mentes hierzulande, hat ein gut Teil der Arbeit, die in Deutsch land der Volksvcrein leistet, hier bewältigt; er hat so in ge. wissem Sinne der neuen großen Landesbewegung vorgearbeitet und den Weg bereitet ist deshalb auch sofort dem WohlfahrtS- burean beigetreten und hilft eifrig mit bei der Verwirklichung der Ziele desselben, ohne jedoch seine eigene Selbständigkeit einzubützen. Nunmehr gilt es. die Katholiken des ganzen Landes, ob deutscher, irischer, polnischer, englischer oder sonstwelcher Ab stammung. zu gemeinsamen Vorgehen im Interesse der Kirche und des Landes zu einen. Schon sind über 45 Diözesen im Wohlfahrtsbnircau zusammengeschlossen worden. Die U>ee ist erstens, die Katholiken zusammenzufiihren in einem nationalen Bund mit Diözesan-, Distrikts- und Gemeinde-Verbänden, denen hinwiederum die katholischen Vereine, sowie mich einzelne Personen als Mitglieder angehören, so daß alle Katholiken, ob sie einem Vereine angehören oder nicht, für die große Sache ge wönnen werden können; zweitens sollen die Katholiken zu ge meinsamer Loienarbeit unter Leitung der Bischöfe und Priester herangezogen werden. Der Einzelne soll lernen, über die Gren zen der Heimgemeindc und Diözese hinauszublicken und sich zu betätigen im Interesse der Kirche, wo immer es nötig und nütz, lich erscheint. Da ist zum Beispiel das weite Gebiet der katho- lischen Erziehung, anif dem gemeinsames Vorgehen erforderlich wird, denn die Feinde der Pfarrschulen stehen vor der Tür! Dann das Gebiet der sozialen Arbeit in Stadt und Land, auf dem die Katholiken bisher von den Protestanten weit überflü gelt wurden. Ferner die unbedingt notwendige Verbreitung und Befstigung der katholischen Presse, die Ileberwachung und Beeinfluss»»« der Gclelzcicl'nng für das ganze Land, sowie in den einzelnen Staaten der Federation usw. Um nach allen diesen Richtungen hin leichter und erfolg reicher arbeiten zu können, wurden fünf gesonderte Abteilungen im Wohlfahrtsburea» eingerichtet: für Erziehung, soziale Tätig keit. Gesetzgebung, Presse und Laienorganisationen. An der Spitze einer jeden Abteilung steht ein Erzbischof Ä»er Bischof mit einige» Bischöfen, einer Reihe von Priestern und prominen ten Laten als Mitarbeiter. Jede dieser fünf Abteilungen hat mif ihrem Gebiete bereits schöne Resultate erzielt während der zwei kurzen Jahre der Tätigkeit. Darüber später vielleicht ein mal Genaueres. Diesmal nur noch einige Worte über die Or. ganisation der katholischen Männer und Frauen durch die Ab teilung für Laienorganisation. Vom Dezember 1020 bis Dezember 1921 wurde das Bu reau der katholischen Männer in 30 Diözesen des Landes or ganisiert und Pläne vorbereitet für dieselbe Arbeit in 41 an deren Diözesen. Mehr als 1000 Vereine wurden dem Bureau einqegliedert mit einer Vertretung von weit über eine Million katholischer Männer und Iungmänner. Die großen Verbände der KolumbnSritter, des Deutsch-römisch-katholischen Zentralver» eins, der katholischen Förster, der Irländer, der katholischen Jungmänner, der Ritter vom heiligen Johanne«, der vom hei ligen Gerra. der bäli-nisiben Ko'boliken, der Vinzenzverein und ! andere mehr haben ihre volle Mitarbeit und Angliederung be- l schlossen. Eine große Anzahl führender Männer der Industrie, des Gewerbes und sonstiger Berufszweig« sind an der Organi sation beteiligt. Flottenadmiral a. D. Wilhelm L. Benson steht dem Männerbund als Präsident vor. Der LrganisationS. plan des Männerbundes ist folgender: Jede KirchengemeinLe or» aanisiert ein Gemeindebureau, bestehend aus allen Männern der Pfarrei mit einem ExekutivauSschuß. bei dem alle angegliederten Psarrvereine eine eigene Verteerung haben. Jedes Gemeinde bureau schickt einen oder mehrere Delegierte ins DistriktSbureau, da» sich aus den Gemeinden eines Distrikts zusammensetzt. Die verschiedenen DiftriktSbureauS einer Diözese bilden daS Diöze- sanbureau. die DiSzesanbureauS das nationale Bureau der ka tholischen Männer. Trotz der kurzen Zeit seines Bestehens hat das national« Bureau der katholischen Männer bereits außer- ordenrliche» geleistet. So hat es zum Beispiel im vergangenen Jahre den Kampf gegen die unsittlichen Kinotheater mit bedeu tendem Erfolg geführt. Der Zusammenschluß der katholischen Frauen tn dem nationalen Frauenbureau, an dessen Spitze Bischof SchrembS steht, begann bereits im März 1920. Zurzeit find diesem Bureau augegliedert 12 Staatsverbände, 11 LandeSvereinigungen, 81 Diözesa,iverbändc. 000 Lokalorganisationen, sowie 7000 einzelne Frauen. Das Programm der Frauen entspricht in etwa dem der Männer. Frauen wie Männer arbeiten an der Lösung des Einwandcrervrot'lcm im katholischen Sinne und im Kampfe gegen Unsiltlichkeit in Wort und Bild, an der Unterdrückung ge fährlicher Gesetzesvorlagen usw. Die Frauen sind außerdem noch in der Mädchenfürsorge tätig und zur Anbahnung einer inter nattonalen Vereinigung der katholischen Frauen der ganzen Welt. Aas allen diesen Gebieten wurde im letzten Jahre bereits Erstaunliches geleistet. In diesem Jahr« soll das Errungene gelesttgt und weitere Ziele verfolgt werden. Eine ausgezeichnete Schule für die Heranbildung sozialer Arbeiterinnen würbe in der Bundeshauptstadt von dem Fvauenburea» gegründet. So wirb die Arbeit am Wiederaufbau der Gesellschaft auf die feste Grundlage des Christentums gestellt werben, und die Lehren Christi wieder mehr und mehr Geltung erlangen im öffentlichen Leben zur Rettung der zerrütteten Menschheit. Aus dem Ausland Zur Exploston des Marineluftschiffes „Roma" Rom. 23. Februar. In Norfolk (Virginia) ist das lenkbare Lustschiss der amerikanischen Marine „Roma", da» kürzlich von Italien an Amerika geliefert wurde, verbrannt. Es wird gesagt, das Luftschiff sei an eine elektrische Stromleitung gestoßen, wo bei das Steuer Feuer fing. Der Gasbehälter wurde in Brand gesetzt. Ursprünglich war das Luftschiff mit nicht explodierbarcm Helium gefüllt. Aber die «asbehäter wurden wieder geleert und mit gewöhnlichem Gas versehen. Die Besatzung des Luft schiffes bestand während dieser ersten Fahrt aus 50 Personen. Bon dieser Besatzung sind 35 umgekommen. Die 15 anderen Mannschaften wurden schwer verletzt. Die Lustschiffkatastrophe in Amerika Paris, 23. Februar, lieber die Katastrophe, die das ameri. kanische Luftschiff vernichtete und 36 Menschen das Leben kostete, bringen die Pariser Zeitungen lange Berichte. Die „Noma" versuchte anscheinend, einen neuen Rekord aufzustellen. Zu schauer sahen, datz plötzlich eine kleine Flamme ausblitzte, der ein dichter Rauch folgte. Die »Roma" neigte sich zur Erde und sank mit großer Schnelligkeit. Als sie den Dächern der Baracken nahe war, sprangen mehrere Männer aus der Gondel. Einige hatten Fallschirme, andere sprangen aus Angst, ihr Leben zu verlieren, ohne Sicherheit zur Erde. Von denen, die auf dem Luftschiff blieben, sind die meisten verbrannt, nur wenige kamen mit Verletzungen davon. Das Luftschiff fiel wie eine brennende Ricsenfackel zur Erde und steckte die nächste» Holzhäuser in Brand. Es war zuerst nicht möglich. Rettungsversuche zu unter nehmen. da es den Rettungsmannschaften nnniögtich war, sich dem Brandherde zu nähern. Von den 43 Mann, die die Be satzung bildeten, sind nur acht Mann am Leben geblieben, aber auch diese sind schwer verletzt. Die .Noma" ist ein brennender Trümmerhaufen, dem sich niemand nähern kann. DaS Schiff war 137 Meter lang und hatte einen Durchmesser von 27 Metern. ES war mit sechs Motoren von 400 Pferdekräften auS- gestattet. Ihre Schnelligkeit betrug bei der Versuchsfahrt 100 Kilometer in der Stunde. Der Botschafterrat «nd die Vorfälle in Petersdorf Paris, 23. Februar. Der Botscbafterrat hat am Mittwoch vormittag die ersten Berichte eingesehen, die von der Inter alliierten Kommission in Oppeln über die Vorfälle in Petersdorf gegeben wurden. Der Botschofterrat hat daraufhin in Oppeln die llebcrsendung der rechtlichen Protokolle in extenso verlangt, eine Entscheidung, aus der der „Temps" folgert, daß vermutlich eine Verantwortung der Reichsregierung für die Ereignisse in Obcrschlesien besteht. Sächsische Volkszeitung — Nr. 46 — 24. Februar 1022 Das Nosenhans Originalroman von Felix Nabor (56. Fortsetzung.) Jmma reichte dom Vater die Hand und schmiegte sich trau lich an seine Schulter. »Hab keine SorgeI" sagte sie. „Ich gebe dir mein Wort, daß ich unserem Namen Ehre machen werde." »Davon bin ich überzeugt, Jmma. Die Trennung ist ja nur kurz, bald werden wir ein frohes Wiedersehen feiern." Jmma wurde wieder froh und heiter und plauderte lebhaft von den kommenden Tagen. Al» der Dampfer in Bon» einlief, gingen sie zur Lan. dungsbrücke, wo Dr. Thyssen lebhaft noch dem Ufer winkte. »Hollo, Siegfried, ich komme!" rief er. Drüben mn Hase» stand ein junger, schlanker blühender Mann, eine vornehm« Erscheinung. E-r erwiderte Thyssens Grüße und blickte dabei mit so strahlendem Blick nach Jmma herüber, daß diese jäh errötete. Doch niemand bemerkte ihre holde Verwirrung. Denn Thvssen wandte sich an Thiebolt und sagte rasch: »Nun muß ich Sie bitten, mich von der ferneren Mitsahrt zu dispensieren. Ich habe nämlich eben zu meiner Freude meinen Freund Siegfried entdeckt, der erst gestern hier her zurückgekchrt sein muß. Da ist es Pflicht, ihn zu begrüßen." »Ihr Freund Siegfticd?" fragte Thiebolt. »Wer ist denn da»? »Na — doch Baron Nheineck, mein Herzensfreund —" »Ach. sol Dann freilich! . . . Werden wir aber auch gut «usgenommen werden in Nonnenwert?" »Keine Bonge nicht — glänzend! Und nun Glück auf. Ei« kleine, iörichte, wilde, liebe Jungfrau! Ich wünsche alles Gute — und baldiges Wiedersehenk" Er reichte beiden die Hand, sah Jmma lächelnd an »nd winkte noch einmal mit dem Hut. »Gruß uud Heil! . . . Jetzt heißt es aber ganze Deine macken, sonst nimmt mich die alte Gondel wahrhaftig mit." Kaum war Thyssen am Land, so setzte der Dampfer sich wieder kn Bewegung, und Jmma stand an der Bordbrüstnng und schaute mit heißen Angen hinüber an» Ufer, wo die beiden Herren respektvoll grüßten. Sie winkte mit der Hand. »Ja, j» — auf Wiedersehen! . . ." AIS eine Rauchwolke die Aussicht versperrte, wandte sie sich zu ihrem Vater. »Ach, Bonn . . . Bonn! Dies Juwel am »Hein!" »Na. na — und Köln, was?" »Schon. Aber weißt du — Bonn . . . and die Do—" Er schrocken hielt sie inne. „Me?" fragte ihr Vater. Aber sie gab keine Antwort, son dern schaute traumverloren zurück nach den entschwindenden Türmen der Stadt. Da lehnte sie sich neben ihren Vater an die Brüstung uns starrte in die Wellen. »Glücklich ist, wer vergißt, was nicht mehr zu ändern ist!" dachte fie und schmiegte sich zärtlich an die Seite ihres Vaters. So fuhren sie stromaufwärts gen Nonnenwerth, wo sich hinter der wilden Taube die Pforte schloß. » Am Abend fuhr Thiebolt wieder rheinabwärts. Der Ab- schied von Jmma war ihm doch schwerer geworden, als er g'- alaubt hatte, und er fühlte sich recht einsam. Beim Anblick des Burghauses aber, daS. von der Abendsonne vergoldet, zwischen den Rcbhügeln lag, wurde er wieder heiter und dachte: »Ich Hab ja noch ein Mädel zu Hause, daö mir fast so lieb ist wie uiein eigenes Kind." Die jubelnde Freude jedoch, die er von Helki erhofft hatte, brachte sie ihm nicht entgegen; sie war im Gegenteil sehr ernst und schweigsam. Ein geheimer Kummer schien sie zu bedrücken. »Das ist dir?" fragte er befremdet. „Du bist in letzter Zeit so seltsam — hast du kein Pertrauen zu mir?" Sie errötete und wich seinem forschenden Blick aus. »Frage nicht, lieber Onkel," sagte sie. »Ein jeder hat seine Sorgen, ein jeder trägt eine Last — ich klage mich nicht —" »Du dauerst mich, Hella. Ist es das Herz, daS leidet? Nun. da kann ich dir freilich nicht beistehen, aber eines kann ich: dir eine Heimat an meinem Herzen geben. Jmma ist nun für lange Zeit fort und ich bin ein einsamer Mann. Nimm du ihren Platz ein und sei mein Sonncnkindl Dir verdanke ich ja so viel, und ich habe dich lieb wie mein eigen Kind. Sei meine Tochter!" Sie warf sich weinend an di« Brust. »Ich Hab dich ja so lieb, Onkel, und will dir Jmma zu ersetzen suchen, so gut Ich es vermag. Aber wenn sic dann über» Jahr wtederkommt. dann ist meines BleibenS nicht länger . . . Dann werde ich ihr den Platz räumen." »Den Platz räumen? . . . Wieso denn — und warum?" »Nun dann . . . dann wird ja auch wohl der Freier kom men und Einzug Hallen im RosenhauS —" »Ach. so meinst du es? . . . Kind, daß bat noch gute Wege, und von einem Freier weiß ich nichts. Aber was auch kommen mag: d» bleibst im Rosenhaus! Du hast es zu neuem Leben erweck!, bast Freude. Glück »nd Frieden hcreingebracht — nein. nein, ich lasse dich nicht ziehen. Du gehörst zum Rosen- hauS wie die Rose zum Rosenstrauch. Ohne dich wäre es eben kein RosenhauS mehr — und dabei bleibt es." Sie lächelte und reichte ihm mit stummem, heißen: Dank die Hand. »Ja, Onkel, ich bleibel" . . . Es wurde ein stilles aber frohes Leben im alten Burghauö. Hellas weiche, glückbringende Hände leiteten in Ruhe und voll Umsicht und Treue den Haushalt, und ihr vornehmes Wesen wirkte wie ein mächtiger Zauber auf die Menschen und auf die Herzen. Sie kamen alle zu ihr, die in Not waren, oder der Hilfe und des Rate» bedurften — die Traurigen und die Fröhlichen, die Bewohner de» Rosenhanses uud die vom Dorf, und allen war sie Freundin, Beraterin, Trösterin. In ihren schlanken, Weißen Händen liefen Hunderte feine, goldene Fäden zusauuncn und schlangen sich liebevoll nm die Herzen. Rur «ner kam nicht, den sie in heimlicher Sehnsucht am meisten herbeiwünschte — Dr. Thyssen. Sr ließ sich säst nie mehr im Roscnhaus sehen und zog sich in so aussälliger Weise von ihr zurück, daß «S ihr förmlich wehe tat. Wenn sie ihm je einmal durch Zufall im Dorf begegnete, war er von einer eisigen Höflichkeit und trennte sich schnell wieder, indem er dringende Arbeit vorschützte. Aber mit ihrem feinen Fraueninstinkt fühlte fie, daß t,e« nicht der wahre Grund, nicht die volle Wahrheit war, warum er fie so absichtlich mied. Dann suchte sie nack Gründen und bei ruhigem Nachdenken kam fie zu der Ueberze». gung, daß eS nur Jmma sein konnte, die zwischen ihnen stand. S» stand bei ihr fest, daß Thyssen Jmma liebte und entschlossen war, sie zu seiner Gattin zu machen sobald sie in Nonnenwerly die nötig« äußere Politur erhalten hatte, lind als rechtlich den kender Mann wollte er auch den leisesten Schein von Unchrcn- haftigkeit vermeiden, der entstanden wäre, wenn er in der ins- herigen herzlichen Weise mit Hella verkehrt hatte. Darum — so dachte sie — mied er das RosenhauS. Er wollte nicht mit einer anderen jungen Dame ins Gerede kommen, während seine zukünftige Braut von Hause abwesend war. Die häufigen Rheinfahrten nach Bonn und Nonnenwerth, von denen fie durch ihren Onkel erfuhr, schienen ihr diese Ver mutung zu bestätigen. In diesen Gedanken lebte sich Hella mehr und mehr hinein. Der Traum ihrer Seele »nd das Sehnen ihres Herzens blieben unerfüllt. Sein Herz gehörte ja einer anderen. DaS war bitter, aber nicht zu andern. Die verschloß ihren Schmerz in tiefer Brust und suchte ihre Liebe au» dem Herzen zu reißen. Doch dos gelang ihr nicht: das süße Sehneu wurde nur um so mächtiger, der Traum von Glück und Liebe erfüllte fie wie eine wundersame Fata morgana. . . . (Fortsetzung folgt.)