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Nr. 53. Sonnabend, den 5. März 1904. 3. Jahrgang. Sächsische Lrsch»tnt täglich nachm, mit kluSimhmo der Sinn- und Festlage. v««a»Vrei»>Biert»ljShrl. I Mk.St»Pf. lohneBi-slellaeld). B-t ^ UNavvaNglgeS 1. Unabhängige; Tageblatt für Wahrheit, steckt ».Freiheit. olksMung ' Inserate werden die 6gespaltene Pelitzeilc oder deren Raum mit 4 «i I!» Pi- berechnet, bei Wiederholung bedeutender Radalt. evavrveii, stecvl u. newm. Die Marianischen Kongregationen. m. Wie eine Kreuzesritterschar So ziehn wir in den Streit; In einen heil'gen Streit fürwahr. Der wird uns nimmer leid. (16. Jahrhundert.) Die segensreiche Wirksamkeit der Kongregationen, wie wir sie im letzten Abschnitt geschildert haben, erweckt be greiflicherweise bei jenen Leuten Unruhe, welche mit scheelem Blick jede innere Auffrischung und Verjüngung' de- katholi schen Lebens betrachten. In der weiter um sich greifenden Lauheit sehen sie das einzige Mittel, um Proselhten zu er langen. Die Liberalen hoffen wieder ihrerseits aus dem gleichen Grunde dem Zentrum Abbruch zuzufügen und ihre eigenen Reihen zu verstärken. Da aber die Grundlage eines lebenswarmen Glaubens in der Jugend gelegt wird, so ist das Bestreven dieser Elemente dahin gerichtet, mittels der Staatsgewalt die Tätigkeit ans diesem Gebiete mög lichst zu unterbinden. Daher rühren auch die Falkschen Erlässe und auch das bis jetzt bestandene Verbot von religiösen Vereinen, insbesondereMarianischen Kongregationen an den höheren Lehranstalten. Ganz andere Gründe werden hierfür ins Feld ge- führt; die einen finden die Maßregel gerechtfertigt vom pädagogischen, die anderen vom konfessionellen Standpunkte aus. Ohne ans die verschiedenen Zeitnngsstimmen eiuzu- gehen, welche diesen Gegenstand behandeln, wollen wir zu nächst den pädagogischen Einfluß der Kongregationen ins Auge fassen. Den Lehranstalten ist nicht bloß der Zweck des Unter richtes gesetzt, sondern sie haben den noch viel wichtigeren der Erziehung. Ans diesem Grunde muß jeder störende Einfluß in der Erreichung dieses Zieles mit aller Strenge fern gehalten worden. Würden die Marianischen Kongre gationen die Erziehung hindern, wie z. B. Verbindungen, Kneipen und Burschenschaften, dann müßte ihnen das gleiche Schicksal wie diesen zu teil werden. Die Kongregationen sind aber dem erziehlichem Zwecke nicht hinderlich, sondern förderlich. In der Tat gibt es vom Pädagogischen Standpunkte aus nichts Nützlicheres, als diese Vereinigungen, deren Hauptzweck ist, Sittenreinheit, gutes Betragen, Ge horsam, wahre Religiosität, Fleiß im Studium ans jede Weise zu Pflegen. Die Zeitungen schweigen natürlich über diesen Zweck, sondern erblicken denselben nur in der Ver richtung gewisser Gebete. Aber die Kongreganisten streben eine solide Tugend an. Diese besteht jedoch nicht darin, im stillen Kämmerlein und in der Kongrcgationskapelle zu beten, sondern auch zu studieren und zwar ans höheren Motiven, aus Pflichtgefühl sich der Disziplin der Lehr anstalt zu fügen; das betont der Präses in jeder Ansprache, das empfehlen die Regeln der Sodalität. Orn et lakorn, Tugend und Wissenschaft ist die Parole der Kongreganisten. Weit entfernt, daß der Verein in die Ordnung und Disziplin der Anstalt störend eingreift, erblickt er vielmehr eine wichtige Aufgabe darin, die Sodalen zur treuen Beobachtung der Satzungen anzuhalten, die Lehrer als Stellvertreter Gottes zu ehren und zu lieben und die brüderliche Eintracht unter den Kollegen hochznhalten ohne Rücksicht ans den konfessionellen Standpunkt derselben. Man macht auch den Kongregationen zum Vorwurf, daß sie einen Zwang zu den religiösen Hebungen ansüben. Das ist jedoch vollständig falsch. In ihnen geschieht alles aus freiem Antriebe. Jeder meldet sich freiwillig zur Auf nahme und besucht die wöchentlichen Andachten, empfängt alle Monate, ohne daß ihn eine Schnlvorschrift bindet, die heil. Sakramente. Es ist eine pädagogische Klugheit, manches der freien Strebsamkeit zu überlassen, und für Höherstrebende hat es einen besonderen Reiz, wenn einiges dem freien Willen anheim gestellt ist; das übt eine wunder bare Anziehung an», sich zu überwinden und nach Idealen zu streben. Einen anderen erziehlichen Vorteil der Kongregationen erblicken wir in der Macht des guten Beispieles und der Kameradschaft. Welch ein Glück für den Jüngling, niemals einen verdorbenen Kameraden kennen gelernt zu haben. Aber auch, welch ein Unglück für den Studenten, mit schlechten Freunden in Berübrung gekommen zu sein. Jeder Erzieher weiß, sobald der Schüler die llnsittlichkeit kennen gelernt hat. ist bei seinem Fleiße im Studium, im Gehorsam und in der Achtung gegen den Lehrer stets eine unerfreuliche Veränderung wahrzunehmen. In der Kongregation schließen sich alle fleißigen und braven Studenten zusammen. Zur Ehre, ein Marienkind zu sein, wird kein fauler, unbot mäßiger oder gar in sittlicher Beziehung verdorbener zngelassen. Man wirft auch den Kongregationen vor, daß sie den Ehrgeiz und die Angeberei Pflegen. Das ist eben sowenig der Fall, wie durch einen Vorzngsschüler die Einigkeit und der Friede gestört werden. So ist die Kon gregation eine Schar gleichgesinnter, für alles Ideale begeisterter Jünglinge, die sich gegenseitig in ihrer Pflicht erfüllung fördern und ans ihre Kollegen den heilsamsten Einfluß ansüben. Als einen pädagogischen Vorteil wollen wir noch andenten, daß das Bedürfnis des jungen Mannes, sich an andere anznschließen, durch die Kongregationen erfüllt wird und er nicht in korporative Vereinigungen geraten wird, welche Uuterrichtsmiuister v Pnttkamer lWO verbot, weil sie sich die „Pflege des Trinkens, der Unredlichkeit, der llnsittlichkeit znm Ziele gesetzt und die pietätlose Frechheit gegen chre Lehrer ans ibre Fahne geschrieben haben". «Erlaß vom 2l>. Juni Doch das Hanptmomcnt der pädagogischen Bedeutung der Kongregationen liegt in der Marienvcrehrnng. Tie Jugend bedarf der Ideale. Als begeisterndes Vorbild tritt den Kongreganisten die reinste und tugendhafteste Jungfrau und Gottesmutter Maria entgegen. Maria ist Mensch, ein Erdengebilde, wie wir, aber dnrchklärt von Gottes unermeßlicher Hoheit und Milde; sie ist die wunder- barste Offenbarung der Gnade des Himmels. Das Mittel- alter in seiner Glanbenstiefe und poetischen Weihe erstrahlt in itzrer Minne, die katholischen Siegesheere späterer Zeiten trugen ihre Fahne, ihr Kult ist das verklärende Element in der Geschichte der Kirche, wie im Leben der Einzelnen. Dieses Ideal steht mm fortwährend vor der Seele des Kongreganisten. Der Himmel allein weiß, wie viel Jüng linge gerade die Marienverehrmig in den Gefahren der Jugend vor Schissbruch gerettet hat. Ans diesen wenigen Ausführungen kann der Leser er sehen, daß die Marianischen Kongregationen vom pädagogi schen Standpunkte ans nicht bloß nicht schädlich, sondern ! höchst nützlich und segensreich sind. Man wird mm die bodenlose Infamie der „Ehenm. Allg. Ztg." zu würdigen wissen, welche in ihrem Leitartikel „Pins X. und Stndt" vom 2. d. M. über die Kongregationen schreibt: So werden also die Gyinnnsinslcn die zukünftigen Beamten : und geistigen Führer de-S Volkes, in der empfänglichsten Periode ihrer Entwickelung dem UltramontanismnS ausgeliefert Die heid nischen Völker des alten Italiens weihten ihre Jünglinge dem Mars, indem diese aus dem Vaterlande in die Fremde getrieben wurden; das war vor suarum, der „heilige Frühling', die geopferte Jugend. Aber wird nicht durch den Erlaß des preußischen Kultus ministers dem „Statthalter Gottes im Vatikan" eine gleiche Spende eweiht, die darzubringen kein Kultusminister Neckt und Auftrag esitzt? Was geschieht denn durch jene Verordnung anderes, als daß der „heilige Frühling" unseres Volkes, die wissenschaftliche Jugend in die Gewalt eines fremden Geistes gegeben wird? Der Minister wird ruhig znschen, daß sie der deutschen Kultur, der Vaterlandsliebe, der Begeisterung für alles, was unser Volk groß und frei gemacht hat, entwunden und in die Zwangsjacke des spanischen Geistes hineingedrängt wird: er wird cs geschehen lassen, daß ihr das, waS unsere Denker gedacht, unsere Dichter gesungen, unsere Helden geleistet haben, verekelt und dafür die völlig un gesunde Anschauung und das das geistesmörderische Treiben des Ignatius von Loyola als das Höchste und Beste augepriescn wird. Wenn bas Blatt in der Glaubenslosigkeit nnd im Verfall der Sitten die Größe nnd Einheit des deutschen Volkes sieht, dann sind freilich die Marianischen Kongrega tionen vom Nebel, denn sie erziehen den katholischen „Früh ling unsers deutschen Volkes" zu streitbaren, charaktervollen Männern für Gottesfurcht nnd gute Sitte. FV. Lchippel vor dem ArattioilSvorstande. Nun hat der Vorstand der sozialdemokratischen Neichs- tagsfraktion sein Urteil über den Genossen Schippel, der es gewagt hat, in den Fragen der Agrarzölle sein eigenes Urteil zu haben, gefällt, und es ist so charakteristisch, daß wir es im Wortlaut mitteilen müssen; dieser ist: „Nach Entgegennahme des vom Fraklionsvorstand erstatteten Berichts in der Angelegenheit Schippcl-Kaiitsky und unter Berücksichtigung der in derselben Angelegenheit stattgehabten Erörterungen in der Parteipresse erklärt die Fraktion: 1. Die Art und Weise, wie Schippe! sowohl in lite rarischen Arbeiten als in Vorträgen die Agrarzölle behandelt, steht in Widersprnch mit der von der Partei beschlossenen Taktik nnd ist geeignet, Unklarheit nnd Zersplitterung in dem Kampfe gegen die Lebensmittelzölle zu erzeugen. 2. Trotzdem Schippel behauptet, bei seinen Aeußeruugen mit über die Ansichten der Gegner referiert zu haben, führten seine Ausführungen zn der Annahme, daß er seine eigenen Ansichten über die Agrarzölle zum Ausdruck gebracht hat. 2. Der Umstand, daß Schippel sich bei parlamentarischen Beschlüssen dem Votum der Fraktion augeschlossen hat, ändert nichts an der Tatsache, daß seine in Wort und Schrift geäußerte Meinung über die Agrarzölle den Gegnern Gelegenheit gegeben hat, die Stellung der Partei in diesen Fragen zu bekämpfen. 1. Das unklare, zu Mißdeutungen führende Verhalten Schippels in Zollsragen ist mit einer wirksamen Vertretung vor der von der Partei wiederholt sestgelegten Stellung zu diesen Fragen unvereinbar und führt zu einem für die Partei und die Fraktion unerträglichem Zustand. -">. Es ist erforderlich, daß Schippel ungesäumt Ver anlassung nimmt, auf eine klare, unanfechtbare Weise der Oeffentlichkeit gegenüber festzustelleu, welche grundsätzliche Stellung er den Agrarzöllen gegenüber einnimmt. Die Fraktion fordert in Rücksicht auf die Notwendigkeit einheitlicher nnd übereinstimmender Propagierung der Partei beschlüsse Schippel aus, Zollfragen fortan mir in einer, jede Mißdeutung ansschließeudeu Weise zn behandeln." Die gesamte Fraktion hat sich diesem Urteil äuge Vergleichende Religionswissenschaft nnd Christentum. Mit der Kenntnis fremder Völker, welche im Laufe der Zeit infolge der verschiedensten Entdeckungsfahrten in den Gesichtskreis der europäischen Völker traten, erwuchs auch der Religionswissenschaft eine neue Aufgabe. Mit den bisher unbekannten Völkern lernte Europa auch deren Religionen kennen. Sobald einmal das ver schiedenartigste Material beigebracht war. mußte der Ge danke rege werden, diese verschiedenen Religionen auf die ihnen zn Grunde liegenden Ideen zu untersuchen, sie gegen seitig mit einander zn vergleichen, mit Hilfe der Sprach wissenschaft die eigentliche Bedeutung der Götteruamcn herauszuschäleu, um auf diese Weise der Grundfrage von der Entstehung des GotteSbcgriffs nahe zu kommen. Seltsamerweise haben weite Kreise von der Meinung sich gefangen nehmen lassen, als ob diese vergleichende Religionswissenschaft für das Ehristeutum ein recht gefähr licher Gegner sei! Und doch ist diese Meinung so falsch, wie nur immer etwas falsch sein kann, so falsch, als das gerade Gegenteil wahr ist. Woher sollte denn überhaupt dem Ehristentnm eine Gefahr drohen? Läßt sich nicht von vornherein sagen: wenn das Christentum die wahre Religion ist, die in ganz einzig artiger Weise jedem religiösen Bedürfnis nnd jedem religiösen Zug der Menschheit gerecht wird, dann muß eben recht diese seine Einzigartigkeit, seine Erhabenheit im höchsten Lichte erstrahlen bei einer Vergleichung mit den andern auherchristlichen Religionen? Dabei ist es garnicht notwendig, das Heidentum in all' seinen Erscheinungen mit den trüben Brillengläsern mißgünstigster Voreingenommenheit zu betrachten. Das ist durchaus nicht der Standpunkt des christlichen Forschers. Haben doch schon von Anfang an die ältesten Väter von dem Wirken des Geistes Gottes in der Heideuwelt ge sprochen mit dem Hinweis auf das Schnftwort, daß der Geist Gottes weht, wo er null. Auch auf diese heidnische Religionen kann mau die Verse auweudeu. mit denen Rüclert seine Hamasa-Uebersetzimg eiuleitete und von der arabischen Sprache und Poesie saug: „Die Poesie in allen ihren Zungen ist dein Geweihten eine Sprnckie nur, die Sprache, die im Paradies erklungen, eh' sie verwildert ans der wilde» Flur, doch Ivo sie nun auch sei hervorgedrnngcn, von ihrem Ursprung trägt sie noch die Spur, und ob sie dumpf im Wüslenglutwind stöhne, es sind auch hier des Paradieses Töne . . ." Mit der größten Weitherzigkeit vielmehr kann das Ehristeutum all' das Gute und Wahre anerkennen, das zer streut in den verschiedenen nußcrchristlichcu Religionen zu tage tritt. Ist es doch wahrlich nicht die Aufgabe des Christentums, die menschliche Natur zu unterdrücken, sondern zu veredeln. Wenn daher das Heidentum natürlich Gutes hervorgebracht hat, in seinen religiösen Mythen und Sagen zum Beispiel dem ErlösnngsbcdürfuiS und der Erlösungs- sehnsucht der Menschheit Ausdruck verliehen hat. so wird das Ehristeutum das nicht zerstören, sondern demselben in einer höheren Vollendung gerecht werden, und was dort unklar und verschwommen erscheint, in seiner Richtigkeit und Wahrheit zur Darstellung bringen. Das Ehristentnm bedeutet die höchste Lösung des reli giösen Problems, das von Uranfang an die Menschheit be schäftigt und in ihren tiefsten Tiefen aufgeregt hat. Ist in den einzelnen Religionen bald dieser bald jener Gedanke besonders betont, ja vielleicht so übertrieben nnd verzerrt, daß man Mühe hat, ihn unter dem Wust des Aberglaubens hervorzuziehen. so wird diejenige Religion, welche die wahre ist. all' diese verschiedenen religiösen Gedanken in harmo nischer Ausgestaltung vereinigen. Möchten das doch vorab diejenigen unter den Gegnern des Christentums beherzigen, welche überall, wo solche gegen seitige Berührung der religiösen Grundgedanken in die Er scheinung tritt, gleich von „Entlehnungen" reden, welche das Ehristentnm bei dem Heidentum geiuacht habe, und das Ehristeutum daher als „Ableger" bald dieser, bald jener Religio» ansgeben wollen. Auch heute noch gilt, was vor zwanzig Jahren Zvckler geschrieben: „Mit der heiligen Schrill des Alten und Neuen Testamentes läßt kein Religionskoder der Welt sich ver gleichen; vor dem ewig strahlenden Glanz seiner Wahrheit und Weisheit müssen auch die hellsten Sterne des Nacht himmels der Heidenwelt erbleichen. Man fahre nur fort mit der Sammlung und kritischen Herausgabe der .heilgeu Bücher' der Menschheit nach Map Müllers Vor schlag; man lasse den Vedas, dem Avesta, dem Koran auch die Hanpturkuuden des Buddhismus, des Kon fuzianismus und Taoismus folgen; man füge außerdem das Toteubuch der alten Aegypter. Hesiods Theogonie, die Edda und was sich sonst von berühmten ReligiouS- gnelleu älterer oder neuerer Völker auftreibeu läßt, hin zu. Tie heilige Schrift wird nichts verlieren; sie kann nur gewinnen durch solche Zusammenstellung. Auch das blödeste Auge wird die echte Sonne aus allen den Nebensonnen sofort erkennen. Diese Apologie des Buchs der Bücher mit den Mitteln der neuesten anfs höchste geförderten Sprach- und NeligiouSforschuug wird zugleich eine Apologie der christlich - theologischen Wissenschaft werden, kräftiger als jede andere." «Zöckler, Handbuch der theologischen Wissenschaften 1222, S. G>