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Sir.»»' »«. Jahrg. Aenefprech««, «etziktt,» L1S6« — Be«chLf«,fte>e ISO,» P»ütkh«cki»o»t»: Vr««»e» Sk-». 147»? SiicklMe Dieestag, IS. Februar 1921 *ed«Ktto« «md «eschüst»ft»>l«: Drcedeu. « 16. Hol»r«,s»raße 4Y »»„«»vre«-» Vterteljahrltq stet Hau» «»««atz» » «t» Illaslrterter »eUa,e 1S.7« s». »«»,«»« » »»MI 4» etnkLItetzllch Postb«pkllgeU> Dl« Tüchflsche lSalkSzetl>mg erscheint an allen Wochentagen nachm. — Sprechstimd« der Itedaktton: »» »l» IS U-r bor«. Sl»zeigen, «nnahme bon »rschSft»«nieIge» bi» IS Uhr. von Aamtlienanzelgen bis I» tlhr vorm. — Preis stlr bi« PeUt-Spaltzell« »M»^s. t« RellameteU S.LO X, KamUtenanjelge» ».»» a» — Für lindeutlich gelLriebsn«, sowie durch Fernsprecher anfgegebeiw »azeigen können «tr die BerantworlllchkeU für dt« Richtigkeit deS Textes nicht übernehmen Falsche Wege für London Di« folgenden Ausführungen, di« bau einer hervorragenden politischen Se t« stam- men, verdienen angesichts der ungeheuerlichen und sinnlosen Forderungen unserer Gegner, die sa gerade zu an Barbarei grenzen und uns zu einem Sklaven dasein verurteilen, wie es die Welt noch n>« gesehen, ganz besondere Beachtung. Es werden hier ganz neue Wege auf Grund ganz neuer Anregungen und Ideen veschriiten. die zweifellos eine rege Debatt« auslösen werden. Die Idee von der Uebernahme der von der Entente an Amerika zu zahlenden Kriegsschuld durch Deutschland, die etwas überaus Bestechendes für sich hat. deren Verwirklichung uns aber auf Grund der gemachten Erfahrungen reichlich zweifelhaft erscheint, wird allseitig grossem Interesse begegnen. Die SchrifUeitung. Die deutsche Oeffentlichkeit geht vielfach falsch« Wege für Lottdon. Der Ruf: „Wir wrrden nicht unterschreibenl" führt ln di» Irre. Diese Münze hat im gesamten Ausland« auch fein«» Kurs. Darüber dürfen selbst einzelne mehr o^er weni ger beeinflußte ausländische Pressestiminen nicht hinwegtauschen. Der Protest gegen das „Unterschreiben" ist nämlich des halb wirkungslos, »veil »mch den Bestimmungen des Friedens- Vertrages di« Unterschrift Deutschlands für die Wieder gut machun gS su mm e gar nicht erforderlich Ist. Deutsch land hat hiernach nur das Recht, vor der Festsetzuug dieser Summe gehört zu werden. Die Reparatiouskomn ijston setzt aber ihrerseits einseitig die Gesamtsumme fest. Unsere Zustimmung oder gar Unterschrift ,st nach dem Ver trage nicht geboten. Damit soll freilich nicht gesagt werden, daß di« Entente es nicht als einen ungemein g:otze« po litischen Gewinn ansehen würde, wenn sie unrer irgend eins Schuldsumme unsere Unterschrift erhalten würde. Denn nur hierdurch wird die Schuldsumme realisierbar. Aufge zwungene Sklavenarbeit wird in der Welt mcht honertert. ES wird sich auch niemand finden, der auf solche Arbeit hin einen Vorschuß gibt oder Geld leiht. Wenn Deutschland dagegen jetzt einen Schuldschein unterschreibt, dann hat dieser einen be stimmten Wert. Er kann verpfändet, koinbard'rri, bevor schußt werde«. Aber für die Festsetzung der Gesamtsumme ist unsere Unterschrift nicht erforderlich. Man täusche sich übrigens auch nirgends im Reiche: ES wird in London nie eine Verständigung über eine solch« Gesamtsumme zustande kommen, welche eine deutsch« Re gierung unterzeichnen könnte. Wer dieses Ziel anstrebt, wird eine bittere Enttäuschung erleben, weil der Unterschied zwischen der Forderung der En tente und der deutschen Leistungsfähigkeit so groß ,51. daß er gar nicht überbrückt werden kann. Darum ist alle Mühe und alle Zeit verloren, welche auf die Erreichung dieses Zieles ver schwendet werden würde. Wenn die deutschen Gegenvorschläge diesen Weg gehen sollten und wollten, dann laste man sie lieber z» Hause und übergebe sie nicht der Entente. ES wird nämlich dann Nicht zu einer Verständigung kommen, sondern zu einer ganz unheilbaren Verschärfung der Gegensätze mit allen ihre» Folgen. Auch der von mancher Seite erhobene Nus: „Wir müssen unsere Gesamtverpflichtung kennen, sonst können wir keine ge ordnete Finanz- und Wirtschaftspolitik treibenl", ist total ver kehrt. Llohd George hat ganz zutreffend gesagt, daß wir lieber nicht darnach fragen sollten. Denn die Pariser Vorscbt ge seien schon ganz erhebliche Abstriche an den Forderungen der einzel nen Länder. Deutschland braucht gar nicht so neugierig zu sein, jetzt den Gesamtschadeu zu erfahre», da ihm h «raus kein Nutzen entsteht. Man kann heute weder eine Finanz politik noch eine Wirtschaftspolitik auf 8 0 oder 42 Jahre scsi lege ul Daö ist Unsinn, und wer so etwas erstrebt oder sagt, handelt unsinnig. Was wir wissen müssen, ist nur: Was habe» wir in den nächsten fünf bis sieben J'ahrcn zu bezah len? Alles andere ist überflüssig für beide Teile, denn auch die Entente hat nur ein Interesse daran, zu erfahren, was sie in den nächsten Jahren tatsächlich erhält. All« Finanzserge» in den Ententeländern sind heute nur hierauf gerichtet. Kein bel gischer, kein französischer oder italienischer Finanzminister will wissen, was sein Amtsnachfolger in zehn Jahren oder noch spä- i«.' erhält. Er muh aber wissen, wie er den Etat m diesem oder den nächsten paar Jahren lmlancieren kann- Da über fest steht, daß eine Verständigung über die Gesamtsumme .«ach Lage der Sache unter gar keinen Umständen zu erreichen ist. so wende ma , sich doch der praktischen Arbeit zu: Was kann in den nächsten Jahren tatsächlich gezahlt werden? Die allseitige Not muß hier Brücke» schlagen heEeu. Hier allein ist eine Möglichkeit für eine praktisch« politisch« Betäti gung. Für die Festsetzung der Gesamtsumme fehlt auch die erste Voraussetzung: Die einzelnen Enkentcttaaten brbeu ihre Aufstellungen der Schäden noch nicht einmal beendet, in den einzelnen Ländern toben heftige Kämpfe über die Art der Berechnung der Schäden. Am LO. Februar soll erst die ReporationSkommission die Gesamtaufstellung au» allen Län dern haben. Es steht heute schon fest, daß dieser Termin nicht eingehakten werden kann. Dann müssen doch erst di« Mit glieder dieser Kommission nachprüfen, ob die Grundlagen der Berechnung die gleichen sind, ob nicht einzeln« Staaten viel zu hohe Ansprüche stellten usw. Letzten Endes muß »a» dies« Rechnung doch Deutschland wenigstens sehen lassen, w.r müssen sie nachprüfen können. All dies kann aber vor der Londoner Konferenz gar nicht mehr geschehen, und darum kann dort eine sachgemäße Debatte über die Gesamtsumme gar nicht geführt werden. Alle Zahlen sind willkürlich, alle Forderungen sind Diktat, und alle Gegenvorschläge zur Gesamtsumme wären bei solcher Lage Lufthiebe. Die ganze Londoner Konferenz wird zu e«nem Theater, wenn man diese Frage in deu Vorder grund stellt. Aber nicht nur bei der Entente, auch bet uns sind eine ganze Reihe von Vorfragen noch gar nicht ge klärt. Zunächst wissen wir nicht, ob wir Leistungen »n natura, und in welchem Umfange wir solche ansführen können Sodann steht nicht fest, zu welchem Preise uns diese Lei stungen gutgeschrieben werden. G'bt man u»S nur den niedrigen Inlandspreis, so beraubt man uns doppelt gegen über den Weltmarktpreis. Die Regelung der Preis frage ist geradezu entscheidend für die Ge sa mthöhe unserer Zahlungen. Sodann können wir gar keinen Gesamtgegenvorschlag machen, so lange über das Schicksal von Oberschlesien nicht entschieden ist. Denn unsere Leistungsfähigkeit hängt ganz wesentlich von dem Ver bleiben dieses Landes im Reiche ab. Man geht also falsche Wege und stürzt in den Abgrund, wenn man die öffentliche Aussprache immer auf die Gesamtsumme lenkt! Nun ist in den letzten Tage» ein Ereignis eingetreteu, das der NeparationSfrage ein ganz neues Gesicht gibt. Die Entente hat es wohl schon geraume Zeit gekannt, aber die Neu» traten und wir haben eS bisher noch nicht gewußt. Die Ver einigten Staaten von Amerika wollen nämlich ihre Kriegsdarlehen nicht mehr länger stun den; sie wollen mindestens Zinsen haben. Die Entente schuldet Amerika 44 Milliarden Goldmackl Die er forderliche Verzinsung dieser Summe drängt nun aller dings ganz plötzlich zu einer Lösung oer Wie- dergutmachungöfrage. Wir sind fest überaus», daß gerade die amerikanische Schuld einen weit ltärker.'n Einfluß auf das Gesaintproblem auvgeübt hat, als man in der Oeffent lichkeit cinnimmt. lieber diese Frage muß man nicht nur mit Washington, sondern auch mit Berlin verhan deln. Wir haben keine nennenswerien Kriegsschulden i,n Auslande, wohl aber fünf bis sechs Milliarden Goidmark als Handelsschulden. Die RegeInng der amerikanischen Kriegs schulden in der Art, daß Deutschlaud diese ganz oder teilweise übernimmt und ein neues Ab kommen mit Washington über Tilgung und Verzinsung trifft, würde der wirkjain ste deutsche Gegen bor sch lag sei», der auch Aus sicht haben dürfte, angenommen zu werden» da er für die ganze Entente sofortige Erleichte rung bringt. Ob allerdings Washington vor dein Präsi- deiürnwechsel am 4. .März solche Riesenoktionen ausführt, kann fraglich erscheinen; aber dann müsste inan eben die Encscheiduu- ge» hinausschieben. Mit anderen Gegenvorschlägen sei man sparsaml Es ist ja leider wahr, daß der Vorschlag der AnSsuhrabgad« in den Kops eines deutschen „Sachverständigen" seine Geburtsslätle hat, wenn auch in etwas anderer Form Wir haben dies'» Gedan- ken von Anfang an ganz entschieden bekmnpft. Will mau weiter hin keinen falschen Weg gehen, so bleibe man br:m Frie- deusbertrage selbst stehen und beweise von diesem Boden aus, was wir leisten können. Man vermeide aber neue Vor schläge, die unter allen Umständen zu unserem Verderbe» aus- schlagen müßten. Nach dem Vertrage müssen wir als .Bezah lung" neben den schon geleisteten 20 Milliarden Goldmark einen Bons mit 40 Milliarden Goldmack ausstellen, von 1ö2t bis 1020 diesen mit L.S Prozent verzinsen (jährlich ein« Milliarde Marks und von 1926 ab mit ö Prozent verzinsen und mit '. Prozent tilgen (also jährlich 2,4 Milliarden Mark von 1926 uö). Dies kann heute neben einer Verständigung über di« a« erikanische Schuld unser einziger Gegenvorschlag sein. Denn die Entente selbst hat im Friedensvertrage bestimmt, daß der zweite Gold- bon» mit 40 Milliarden und 5 Prozent Zinse» von uns erst ge fordert werden kann, wenn die Verzinsung und Tilgung durch Deutschland gesichert ist. Unsere Unterhändler in London müs sen dartun, daß diese Voraussetzung heute absolut rück,. zutrifft. Wann sie eintritt, kann niemand sagen. Es hängt alles auch von der Verständigung über die amerikanisch« Schuld ab Ma-" gehe aber ja nicht weiter in unseren Vorschlä gen zur Gesamtschuld. Die wirtlich auöführlaren Lei stungen der nächsten Jahre müssen von uns in den Mittelpunkt der ganzen Londoner Erörterungen gerückt werden. Alles an dere führt in die Irrel Hierin muß sich das ganze deutsch« Volt finden, dann hat es ganz allein Aussicht, daß wenigsten» etwas erreicht wird. Gesamtborschläge, Gesanitunter'chriftsvee- weigerung und dergleichen sind Irrwegs, die den deu!scheu In teressen nur Schaden bringen. Unsere Anregung stellt sich auf den Beden der Tatsachen und der Wirklichkeit und lehnt alle Luftschlösser ab. Zu den Abrüstunassordemilgen der Pariser Beschlüsse Bon General der Inf. a. D. Lequis Lloyd George hat öffentlich zugegeben, daß die Entwaff nung Deutschlands durchgeführt sei und daß das deu>'che Heer keine Bedrohung für den Frieden »»iehr bedeure. Trotz alledem gehen die Forderungen der Entente immer iveiter. Jetzt find es in erster Linie die Festungen, die ihr noch Gelegenheit hier zu bieten sollen. Kennzeichnend ist dabei das rücksichtslos«, jede: Logik hohrisprechcnde Vorgehen. Der Friedensvertrag ge stattet »ins die Beibehaltung des östlichen und südlichen Festungssbstems in seinem bisherigen Zustande. An Festungen kommen hierbei 14 in Betracht; am 10. Januar 1920, dem maß gebenden Tage, betrug der Bestand dieser Festungen an schwe ren Geschützen rund 2000 Srück. Im Mai bestimmte die Kontroll kommission, daß unter „befestigten Werken" nur permanente» d. h. mit Wall und Graben umgebene, mit Stein und Esten im Frieden gebaute Werke und unter „Festungen" nur solche be festigten Orte zu verstehen wären, die „mit Geschützbettungen" versehen seien. Diese Auslegung und die daran g> knüpften Forderungen gehen über die Entwicklung des moderne» Festungswesens der letzten 30 Jahre glatt hinweg. Der Schwer punkt einer neuzeitlichen FestungSverteidigung, im besonderen der Aufmarsch der Artillerie liegt im freien Gelänge, entsteht erst nach Kriegserklärung mit Hilfe deS Matenals d«r Festung und wechselt im Kampfe entsprechend dem freien Spiei der Kräfte. Permanente Befestigungen allen Stils und Geschütz bettungen sind überlebt; ihre Lage ist dein Gegner vom Frie den her bekannt, sie fallen daher schon zu Beginn des Kampfes der gegnerischen Artillerie znm Opfer. Aber ebenso wie unser Reichshcer in Zusammensetzung und Ausrüstung auf Befehl der Entente vorsünd'slnilich craauisiert ist. so bat diese delceiierts Auffassung der En.ente über Festungc-weseu ergebe»', daß von den zuständigen 14 Festungen nur 3, und zwar Königsberg, Swinemünds und Villau, „neuzeitlich" waren, und daß bon den 2000 schweren Geschützen nur 22 in Königsberg und noch ein paar Dutzend in den befestigien Seeplätzen Piilau und Swine- münde zn belassen seien. Dock damit noch nicyl genug! Im gleichen Sinne werden nun 'auch die weiwren Kampfmittel nachgeprüst undlomit sollen die Festungen auch der Mallbinen- gewehre, der Nahkampfmittel und vor allem des für die Lei tung eines modernen Kampfes so nötigen NachrichleugerätS beraubt werden. In allem sind wir eben von deu „Sachlerstän- digen"-AuSlegunge» der .-»onreollkonimissiou abhängig. So auch bezügliche« des überzähligen KciegSgerärS. der Reservebestände des Ersatz- und Nebunasferärss usw. Sollen aber ruckst Mil lionenwerte berloren achen, so ist es unbedingt i" unserem Interesse, größere Bestände an Erwtznücken kür den Abgang der nächste» Jabre zurück.pubekalten. Dickes Matern»! könnt« ;a im besetzten Gebiete unter Aufsicht der Fnience aukbevmhrt »»erde«. Das- bei der Truvi.»e nötige Nebungsgerä! kann so lieraerichtet werden, daß scharfe Munition ans ibni nicht za verickueßen ist. So finden sich schon Möglichkeiten, die Entente vor Mißbrauch zu schützen, inen» sie sich gntee Einücht nicht ver'chueßen will. Aber gewöhnlich erfolgt das Gegenteil unserer Borsth'äge. So werden nnS unier Abweichung vom Friedensnerlrag nur einige i- ine Fabriken zur Herstellung von KciegSgerär und Muni tion erlaubt, und zwar aerade dieienigen. die von unS nicht vor- geschlagen sind soaar als nngeeiauei bewüchnel wurden. Die geforderte Zeniralisieruug d-r MnniiiouSerzeuaung lurgt die große Gefahr, daß irgend eine größere Ewlasio» dw gestirnt« Munitionsversorgung lahinlegt. Die übrigens -noch offenen Frage» in Organisation des Reicbsbeer.-r und in der Gesetz gebung sind mehr geringfügiger Art und durch Kür-siel!'.! ngcn abstellbar. Stuttgart und London D'e Bans-r Beschlüsse der Ent°»te. die in Ihren über jedes Mast von Mcuiicheiimögli-bkeit weit hinaus gebenden Fordern» wn natucnotwendig zu einer Erdrosselung unseres ganzen nur inllbsam ruch-echt erlwl>e!ien Wirtschai!8le''enS wie uwerer L-beneqnelle» ül'erbauvt führen müssen, finden da« deutsche Volk in einmü'ig starker Ab wen- einer derarlia vom blossen VenitchtunoSullllcii getragenen Maßlosigkeit gegenüber, die luckerem Volk slir Genrralioneu hinan" Eklavenketten um die Glieder schmiede'«. In diesem Augenblick ward es dem ganzen deutschen Volke klar, dass es um seine nackte Existenz geht. In voller Geschlossenbett stehen darum Volk, Volksvertretung und Regierung in diesem Punkt« zusammen. Nunmehr hat auf dt« Reden der »hemal«