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Nr. LS5 — V. Jahrgang DonnerStag de« Lü. Juni LVL« Wrichelnt täglich nachm, mit NuSnahme dcr Sonn- und Jesttage. UoSaabe t. > Mit »Die Zeit in Wort und Bild' dierleljährlll^ »,1« In Dresden durch Bolen S,4V In gani Douilchland frei Haus !i SS AnSaabe Ohne tllullrierte Beilage dicrlelj. 1.8« I» Dresden d. Boten S,I« In ganz Deutschland frei Haus »!t» X. - itinzel-Br. I« ^ - ZettungSpreiSl. Kr. S8S8. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die Ngeipallene Petitzeile oder deren Raum mit IS ^.Reklamen mit St» Z die Zeile berechnet, bei t-Uedeiholungeu entsprechenden Rabatt Buchdruikerei, Redaktion u»d weschöftSftclle, Dresden, Pillntqer Strafte 4» — Fernsprecher IS«« JürRückgabe unverlangt. Schrisistücke keine «verbtndlichketl SiedaltionS-Sprechstunde: II —irr Uhr. Ois bsstsn ^s'fs'>8LtlUNA8-6onboN8 s^kunct 13 unck 20 ?fsnnißs, uvsnt.döbi'Iiob sus Nslssv unci ^usNügsn, sebsldsci 8!s dsi: CerÜng L sioclcstrosi, Oreräen. Msssi-IsAsn In »>>sn Ltuciddslssn. isib Die Antwort der päpstlichen Kurie. Dresden, den 15. Juni 1910. Tie „Nordd. Allgem. Zeitg." veröffentlichte gestern abend die Note, die der Kardinalstaatssekretär Merry del Val dem preußiscl-en Gesandten beim Vatikan als Antivort ans die Protestnote in Betreff der Borro mäus-Enzyklika überreicht hat. Ueber den Verlauf und das Ergebnis dieser Aktion teilt die „Nordd. Allgem. Zeitg." das Nachstehende mit. Am 6. d. M. war dem preußischen, Gesandten beim Vatikan telegraphisch die Weisung erteilt worden, dem Kardinalstaatssekretär folgende Note zu übergeben: „In der Nummer 9 der ^.etn ^pcmtoliono 8ocki« ist unter dem Datum des 26. Mai eine Enzyklika Ilckitno urioiio «tat uro sontontino veröffentlicht worden, deren neunter Absatz Urteile über die Reformation und die der Reformation zugetanen Fürsten und Völker ent hält. Diese Urteile sind nicht auf den dogmatischen und kirchenregimentlichen Gegensatz der Konfessionen be schränkt, sondern sie erstrecken sich zugleich auf das mora lische Gebiet. „Es hat nicht ausbleiben können, daß diese Urteile eine tiefgehende Erregung in allen evangelischen Kreisen Preußens hervorgcrufen haben, welche sich in ihren reli giösen, sittlichen und staatlichen Empfindungen, die un trennbar mit der Geschichte der Reformation verbunden sind, schwer verletzt fühlen. „Tie Königlich Preußische Staatsregierung sieht sich daher veranlaßt, gegen diese auch an das preußische Episkopat gerichteten Kundgebungen Verwahrung einzu legen. Zugleich weist sie darauf hin, daß die Verantwor tung für Störungen des konfessionellen Friedens, welche eine Folge des Rundschreibens sind, allein diejenige Stelle trifft, von der es ausgegangen ist. Dies glaubt die preu ßische Negierung, die beim Apostolischen Stuhle im In teresse guter Beziehungen zwischen Staat und Kirche eine diplomatische Vertretung unterhält, durch ihren Ver treter mit um so größerer Berechtigung aussprechen zu können, als sie ihrerseits, treu ihren verfassungsmäßigen Aufgaben, bestrebt ist, mit allem Ernste uird mit allen Mitteln die Wahrung und Festigung des Friedens zwi schen dcr evangelischen und der katholischen Bevölkerung des Staates zu fördern." Ter Gesandte hat diesen Auftrag am 6. d. M. aus- gcführt und dabei der ihm erteilten Instruktion gemäß die bestimmte Erwartung ausgesprochen, daß die päpstliche Kurie Mittel und Wege finden werde, die geeignet seien, die aus der Veröffentlichung der Enzyklika sich ergeben den Schäden nach Möglichkeit zu beseitigen. Insbesondere müßten wir erwarten, daß die Enzyklika in den deutschen Diözesen weder von der Kanzel verkündet noch in den bi schöflichen Verordnungsblättern veröffentlicht würde. Am 11. d. M. ist dem Gesandten amtlich erklärt worden, daß der Papst bereits den deutschen Biscl)öfen den Befehl gegeben habe, eine solche Verkündigung und Veröffent- lichung zu unterlassen. Am 13. d. M. hat die Kurie dem Gesandten folgende vom Kardinalstaalssekretär Unterzeichnete Note behändigt: „Ter Unterzeichnete Kardinalstaatssekretär hat die Ehre, Sr. Erzellenz dem preußischen Herrn Gesandten den Empfang der gefälligen Note vom 8. d. M. ivegen der Erregung, die in der preußischen Bevölkerung nach der Veröffentlichung der Enzyklika „kckitav «aopo" sich gezeigt hat, zu bestätigen. Der Heilige Stuhl glaubt, daß der Ursprung dieser Erregung darauf zurttckzuführen ist, daß der Zweck nicht richtig erkannt worden ist, auf den die Enzyklika gerichtet war, und daß daher einige ihrer Sähe in einem Sinne ausgelegt worden sind, der den Absichten des Heiligen Vaters völlig fremd ist. Es liegt daher dem Unterzeichneten Kardinal daran, zu erklären, daß Seine Heiligkeit mit wahrem Bedauern die Nachrichten von einer solchen Erregung vernommen hat, da — wie schon öffentlich und formell erklärt worden ist — irgend welche Absicht, die N i cht k a t h o l i k e n Deutschlands oder dessen Fürsten zu kränken, seiner Seele ganz und gar fern lag. „Ter Heilige Vater hat übrigens niemals eine Ge- legenheit Vorbeigehen lassen, um seine aufrichtige Achtung und Sympathie für die deutsche Nation und ihre Fürsten zu bekunden, und hat noch bei einer kürzlichcn Gelegenheit die Freude gehabt, diese seine Ge fühle zu wiederholen. I>« «r* » »IV ° Neknorrmlesllv «I. ILvrrlil'linrI'onnis- Hüoi»r»1.0 orriollliek« Voraus MM- kr,te tun 3pr«c»,en.^V»»»en,ct,«1ten. Muillc. Mnlea nun. 4 !>1at1onallekrer4nnen i. 1L. t'nin^vsnll. u kkunl. dlläurik- VorrU^I. Xönpor'ptlnko; likdor. Perlenkelm aul VerTEsköke: poliler-tlsus, Lossednude. nnlio um VVuldv. ^nslckls- pro«pelete d. Vorstekerln. — VorüLolivrir». ^rünlvin pokler. „Der Unterzeichnete Kardinal benutzt diese Gelegen heit, um Sr. Exzellenz den Ausdruck seiner ausgezeich neten Hochachtung zu erneuern." Damit hat -die diplomatische Aktion jenen Verlauf ge nommen, den wir voraussahen: eine offizielle Erklärung, daß die Enzyklika falsch gedeutet wurde, so daß jede Ab sicht des Papstes, die „Nichtkatholiken Deutschlands oder dessen Fürsten zu kränken", fern gelegen hat. Nun haben es doch die Herren des Evangelischen Bundes aus autori tativem Munde, daß ihre Erregung gegenstandslos war. Vielleicht beruhigen sie sich jetzt, wenn sie es nicht doch vor- zichen, Zweifel in die Aufrichtigkeit der päpstlichen Ver sicherung zu setzen. Grund dazu haben sie keinen. Aber zu was uennen sie sich Protestanten, wenn sie nicht protestie ren? Treu und Glauben unter den Mitmenscl-en schwin den immer mehr, wenn jedes Wort angezwcifelt wird, nur »veil cs der Gegner sagt. Die gleiche Antwort wie Preußen wird auch den ande ren Stellen zuteil werden, die es als ihre Pflicht erachteten, den heiligen Vater von der Erregung Kenntnis zu geben, die in ihren Staaten unter den Protestanten herrscht; sie hat zwischen den Zeilen den Inhalt: 1. Man lese zuerst die Enzyklika, bevor man darüber spricht und urteile nicht aus zehn Zeilen, die aus dem Zusammen hänge gerissen und durch eine tendenziöse Uebersetzung ver schärft sind. Tie größten Schreier haben das Rundschreiben im Urtexte oder in einer genauen Uebersetzung nicht gelesen, sonst würde ihr Gewissen es ihnen verbieten, ohne Grund eine solche gefährliche Bewegung unter den Massen zu verursachen. 2. Es steht von „Reformation" und „Re formatoren" kein Wort in der Enzyklika. 3. Aus dem Zweck des Rundschreibens ergibt sich, daß dem Papste jede belei digende Absicht fern lag, diese vielmehr erst mit Gewalt hineinpraktiziert worden ist. — Es ist nicht angenehm, daß den Negierungen solche bittere Pillen in Schokoladenpulver eiugewickelt zuteil werden. Diesmal kann das Auswärtige Amt in Berlin nichts dafür; es handelte im Aufträge des preußischen Abgeordnetenhauses. Bischof Dr. Schaefer über die Borromäus-Enzyklika gelegentlich der Firmung in Freiberg. Bei der Gemeindefeier, welche am Sonntagabend ans Anlaß der am selben Tage erfolgten Spendung der Firmung im größten Saale Freibergs stattfand, hielt der hochwürdigste Bischof Dr. Schaefer eine Rede, über die Borromäus-Enzyklika. Auf Wunsch mehrerer Freiberger Gemeindemitgliedcr hat uns der hochwürdigste Herr die Skizze der Rede zur Veröffentlichung übergeben. Den Bericht über die übrigen Festlichkeiten bringen wir morgen an anderer Stelle. Die Rede schloß sich an die Aufforde rung des Herrn Ortspfarrers an die Gemeinde an. treuen Gehorsam besonders jetzt gegen die Kirche zu halten, wo sie so stürmisch und ungerechterwcise angegriffen werde. Im Anschluß an die Ansprachen, in welchen insbeson dere die Treue gegen die Kirche zum Ausdrucke gebracht worden war, ging der Bischof auf die Frage ein, die gegen wärtig den Mittelpunkt der geistigen Bewegung bildet, aus die Frage: „Wer i st Ehristn s?" Allem Widerspruche gegenüber gelte es, treu der Wahrheit von Christi Person und Heilswerke anzuhange». Dazu solle insbesondere die Feier des Vormittags in der Kirche, die Spendung -es heiligen Sakramentes der Firmung, aber auch diese Ge meindeversammlung dienen. In eifriger Fürsprache für den wahren und vollen Christenglauben habe im Jahre 1967 der heilige Vater die Enzyklika „I^uKooiuki s-ro^in" gegen den Modernismus erlassen, der eine sichere religiöse Erkenntnis bestreite, unfern Glauben an den Mensch ge wordenen Gottessohn und die Vollkommenheit seiner Lehre gefährden, ja zerstören wolle. Dieses päpstliche Rund schreiben sei damals vielfach angegriffen und mannigfach nicht verstanden oder mißverstanden worden. Der Papst aber habe seinem Wahlsprnch gemäß: nmnin iiwtiuiriii« in Olii'inttt, „alles erneuern in Christus" gchan- delt. Tie Welt, die sich von Christus trennt, Ihm wieder zu vereinigen, auf daß Seine Gnade in ihr wirksam sei. sei sein Ziel. Auf dieses „i'nntiiiliiiro" sei auch die soge nannte Borromäus-Enzyklika gerichtet, wie solches wiederholt in. derselben zum Ausdrucke komme. Auch in der Fre ibergor Gemeinde sei cs all bekannt, welcl)e außerordentliche Aufregung um dieser Enzy klika »villen entstanden bezw. hervorgerufen worden sei. Um der Gemeinde »Villen »volle der Redner hier seine Auffassung von dcr Enzyklika aussprechen, die er sich auf Grund des Wortlautes im Originaltexte, der ihm erst vor wenigen Tagen zugegangen sei, habe bil den müssen. Dieselbe wende sich an die verschiedenen leiten den Stellen in der Kirche und halte ihnen in dem heiligen Kart Borromäus, diesem hervorragenden Erz bischöfe von Mailand, das Vorbild eines „Erneuerers in Christus" vor, der in einer wunderbar segensreichen Weise insbesondere gerade i n s e i n e in Sprengel gewirkt hat. Um aber das zu erkennen, sei es notwendig gewesen, einen Blick auf die kirchlichen Zustände zur Zeit dieses Heiligen, der 1538 geboren, und insbe sondere da, wo er seine segensreiche Wirk samkeit entfaltete, zu werfen. Ter Redner zeichnete nun ein Bild der religiös-sittlichen Zustände bei Volk. Klerus und verweltlichten Orden; speziell ward auf den Widerstand der Chorherren von Maria della Scala und der bald danach aufgehobene» Humiliaten, in deren Mitte der Plan eines Attentates auf ihre» Bischof, des hl. Karl Borro- niäus, reifte — der auS unmittelbarer Nähe abgegebene Schuß verursachte nur eine bleibende Quetschung im Rücken - Hingelviesen, auf Irrlehren, welche die Dreifaltigkeit und Gottheit Christi leugneten (Unitarier und Socinianer), gegen die kirchliche Disziplin sich auflehnten (der ehemalige Franziskaner-Generalvikar Ochino u. a.) und Schutz insbe- - - sondere in England fanden, das Heinrich VIII. und Königin Elisabeth von der Kirche getrennt hatten. In der Süd- schweiz, die zu des hl. Karl Sprengel gehörte, hatten Zwinglis Lehren Eingang gesucht. Diese Verhält- > nisse, die der hl. Karl Borromäus vorfand, V geben bereits einen geschichtli ch en Unter grund für die dunkle Schilderung in der Enzyklika, welche gegenwärtig ganz besonders in unserem engeren Vaterlande auf die „Reformatoren" in Teutschlaud bezogen und so als Anlaß für die Protestkund gebungen genommen ward. „Wenn ich es" — so die weitere Ausführung — „auch nicht für ausgeschlossen er- achte, daß im Hinblick auf die Tätigkeit des hl. Karl Borro- niäns auf dem Konzil zu Trient — die Enzyklika den Blick ans die gesamte Kirchentrennung lenken will, so bin ich jedoch der durch den ganzen Zweck der Enzy klika und die Wahl der Ausdrucks weise be gründeten U e b e r z e u g u n g, daß der Heilige Vater nicht speziell die „Reformatoren" in Deutschland i in Auge gehabt, und daß er seine allgemein gehaltenen Worte nicht ans bestimmte geschichtliche Personen be- z o g e n w i s s e n w i l l, a n f d i e, w e i l a n g e g e b e n e Merkmale nicht vorhanden sind, sie auch n i ch t zu beziehen si n d." Der Prüfung einer gere ch ten G e s ch i ch 1 s f o r s ch u n g über be- st i in ui t e e i n z e l n e P e r s o n e n soll kein Urteil diktiert werden. Einen besondere» Nachdruck legte der Bischof auch darauf, daß das Rundschreiben es ver mied, die charakteristischen Ausdrücke „io- s >> i' m n >- o ", „ i- o k»»i- in ii t <» r o n " zu nehmen, und daß es das Wort iuntn u r uro, i » at n nrn- 1 <» ro 8 , i ii n t n ii in t i,» ", w elches uns auf das inerere religiöse Leben in der Kirche und auf die Tätigkeit des hl. Karl Borromäus hi u weist und das seine nähere Bestimmung durch „in Clirim,»" findet, wählte. Dieses innere Lebe», das zu erneuern die Kirche durch die Gnade Christi insi ch die .Kraft besitzt, soll — so die Schlußfolgerung als Beweggrund dienen, jederzeit der Kirche treu zu bleiben. Im Anschluß daran ward vom Gesaugschor das Lied vorgetrageu: „Sei getreu bis in de» Tod" von Engel. Politische Rundschau. Dresden, den 15. Juni 1910. — Das preußische Herrcuhaus hatte am Dienstag wieder eine Sitzung. Diese gab dem Grafen Ziethen- Schwerin Anlaß gegen die Enzyklika zu protestieren, ihm entgegnete kurz und Präzise Frhr. v. Landberg. Dann wurde eine Anzahl von kleineren Vorlagen und Gesetz entwürfen erledigt. — Im preußischen Abgeordnrtenhause standen am Dienstag Petitionen aus der Tagesordnung. Allgemeines Interesse hatte eine solche über Aendcrung der Gesinde ordnung. Alle Redner aus dem Hause waren darin einig, daß die Gestndeordnung veraltet ist und einer Reform dringend bedarf. Die Petition wurde als Material über wiesen. — Die Mischehe im Prrnsiischen Königshaiisc — Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen hat sich bekanntlich mit der katholiscl)en Prinzessin Agathe von Natibor vermählt — gibt der katholikenfeindlichen Presse Anlaß zu den un sinnigsten Schreibereien. Der „Osservatore Romano" hatte jüngst in einer Note hingcwiesen auf einen besonderen Be weis des Wohlwollens, den der Heilige Vater erst in jüng ster Feit den deutschen Fürsten gegeben habe. Das wird nun in der »katholischen Presse dahin auSgelcgt, daß vom Papste eine große Dispens für die Ehe der katholischen Prinzessin von Natibor und Corvey mit dem Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen erteilt worden sei. Die Ehe dcr Prinzessin »väre infolge dieser Dispens öffentlich nach protcstantisclMl Ritus eiugcscgnct worden, während