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Literatur. Christoph Flaskamp, Seele, die du unergründlich. Kleinodien der deutschen Lyrik. XXVllI und 252 S., ge bunden 5 Mark. Kempten und München, bei Jos. Kösel, 1010. Wer sich unter seinen männlichen Bekannten erkun digt, ob sie zuweilen Lyrisches lesen, wird meist ein kurz's Nein zur Antwort erhalten oder die spitze Bemerkung, daß man dies Backfischen und Mondscheinschwärniern überlasse. Und doch liegen in der Lyrik „die reinsten und feinsten Offenbarungen menschlicher Seele". Kunstgenuß ist nicht ein Genießen „unbestimmter Klänge, zerfließender Gestal ten, verschwommener Schönheit, sondern ein Wille zur Schönheit, zur Ausprägung im Lebe», in Selbstzucht und Selbstformung des Lebens zu menschenmöglicher Vollkom menheit. Kunst ist Schöpferdrang, Arbeit, Tat. Darum birgt echte Kunst nicht nur einen ästhetisch, sondern auch ethisch wirksamen Kern, aus sich heraus durch Belebung des Schöpfergeistes geschaffene Form." Tie besten (Haben deut scher Lyrik aus .!00 Jahren hat Flaskamp in obigem Buche mit feinem Verständnis gesammelt, längst vergessene Perlen wieder ausgegraben und einzelne mit glücklicher Hand von störendem Beiwerke befreit, so daß es einen wirklichen Ge nuß bereitet, die poetischen Werte an sich vorüberziehen zu lassen von Paul Gerhardt, Friedrich v. Spee über Goethe und Schiller zu den Romantikern, unter denen auch der so vielfach verkannte Brentano zu Ehre» kommt, von den vaterländischen Sängern zu den Weltschmerzdichtern, von dem Treigeltiin Droste-Hülshoff, Mörike, Hebbel zu den anderen Dreien: Storni, Meyer und Keller, von den Bil dungsdichtern Geibel, Lingg, Fontane, Weber u. a. bis zu den Neuesten Falke, Liliencron und Greif. — „Tie Samm lung soll daL Reifste an Seelenoffenbarung, das die deutsche Lyrik birgt, vermitteln allen denen, deren Seele verlangt nach solcher Zwiesprache, die nicht Genuß nur sein wird, sondern auch Wirkling aufs Leben." Wenn geklagt wird über Versimpelung unserer gesellschaftlichen Unterhaltung, hier iss ei» Mittel zur Abhilfe! Warum liest man lischt auch im Familienkreise aus dem reichen Schatz unserer Lyrik vor? Das veredelt den Geschmack der Jugend und gewährt Freude und Genuß deni Alter. n. Kunst. Wissenschaft und Vorträge. Kainz als Katholik. Der einstige Wiener Hosschau- spieler. päpstliche Geheimkämmerer Jakob Schreiner in Wien veröffentlicht in der „Reichspost" einen äußerst inter essanten Aussatz über Joseph Kainz, mit dem er eine Zeit- lang gemeinsam am Hosbnrgtheater wirkte. Vor allem tut Schreiner das Märchen ab, daß Joseph Kainz ein Jude gewesen sei: er erzählt von seiner frommen Mutter und dem geistlicheil Onkel Krottenthaler und weiß, daß Joseph Kainz ans gut katholischem Hause stamme und in diesem Geiste erzogen worden sei. Kainz hat darauf auch nicht ver gessen, wenn er auch im allgemeinen die Ausübung der reli giöse» Pflichten vernachlässigt haben mag. Er hat dem Kollegen Schreiner gestanden, wie er in Berlin gern die St. Hedwigskirche besucht und dabei gestärkt und getröstet wor den sei. Dazu habe er das Bekenntnis gefügt: „Dort oben im protestantischeil Norden sieht man erst, was unsere Reli gion für ei» Schatz ist und wie man das Leben wieder lernen muß." Es war auch ein katholischer Geistlicher, der Kainz unterstützte, als er zuin Theater ging. iEin Breslauer hat den ersten Preis im Walzer-Wettbewerb der »Woche" errungen! Kapell meister Siegfried Eisner heißt der Glückliche. 300» Mark beträgt dieser erste Preis, Aber dem Sieger ist sein schöner Erfolg nicht mühelos in den Schoß gefallen, denn er hatte, wie wir dem soeben ikschieoenen Heft 1 der »Woche" entnehmen nicht weniger als 422t Mitbewerber zu schlagen. Sie haben alle auf Grund eines im Juli d. I. erlassenen Preisausschreibens der „Woche" versucht, zur Wiederbelebung des deutschen TanzwalzerS beizutragen, als dessen bisher unerreichte Meister Lanner und Johann Strauß gelten Das Preisrichteramt — bet der Fülle der eingesandten Kompositionen keine beneidenswerte Arbeit — hatten übernommen: Kapellmeister Dr. Beier aus Kassel, ferner aus Berlin Professor Bramen, erster Armee - Musikinspiztent, Prof. HanS Hermann, Prof. Dr Krebs und K. K. Hvfballmusikdirektor Johann Sirautz. 870 Walzer waren dem Preisrichter-Kollegium von einem Vor prüfungs-Ausschuß vorgelegt worden, und unter diesen siebten die Preisrichter so lange, bis erst 65, dann 18 und schließlich neun W, lzc-r übrigblieben. Von diesen erhielten den zweiten Preis mit 2 ooo Mark Fräulein Fay-Foster in Wien und den dritten Preis von IllXi Mark der Tonkünstler Philip» Gretscher in Gtettin. Weitere sechs Walzer wurden zum Ankauf erwirken und sollen mit den drei preisgekrönten Walzern zusammen, unter dem Titel »Tanzwalzer der Woche", Anfang Februar in Druck erscheinen. k Dresden. Wochensptelplan der König!. Hof- th enter vom 8. bis mit 15. Januar. Opernhaus: Montag: Der Freischütz (0,8 Uhr). D.enStag: Hoffmann« Erzählungen (ss,8). Mitnvrch: Der Musikant (>/^8). Donnerstag: Der fliegend» Holländer (>/z8) Freitag: Der Gefangene der Zarin El- Sonn abend Der Musikant ('/.W Sonntag: Rienzi (7) — Schau spielhaus: Montag: FlachSmann als Erzieher E/,8). Dienstag: Hainlei (ss,7). Mittwoch: Die Kinder ('/-kl). Donnerstag, auf allerhöchsten Be'ehl: Agnes Bernauer (7). Freitag: Hanneles Himmelfahrt <8) Sonnabend: Die Kinder Sonntag: Ascbenbrv-el (>/,3): Robert und Bertram s Dresden, 5. Januar. Infolge der zahlreichen Proben und Vorbereitungen zum »R o s e n k a v a l t e r" müssen die im Januar vorgesehenen L-infoniekonzerte im Königs. Opern Hause ver schoben werden. Das für den t5. Januar angesetzte III. Stnfonie- konzert Serie 11 findet am r. Februar und das für dca 27. Januar angesetzte IV. Sinfoniekonzert Serie rZ. am 17. Februar dieses Jahres statt. : Dresden. Im Residenztheater erzielte das dreiakttge Schauspiel »Taifun" von Melchior Lengyel bei seine: Erstaus führung einen duichs-1 tagenden Erfolg. Auch am Sonntag ging das interessant- Werk vor stark besetztem Hause in Szene und bleibt 5!« au, weiteres auf dem Spielplan. — Das Weihnachtsmärchen „DaS Sonntagskind" wird jedes Mittwoch und Sonnabend nachm, bei ermäßigten Preisen gegeben. Dresden. Die Oberammergauer Passionsspiele 1910. dargestellt in Wort und Bild, werden nächsten DienSlag i.no Donnerstag dem hiesigen Publikum vorgesührt werde». D>e bekannte oberbayerische Gemeinde hat hierfür einem einzigen Unter nehmen die Sonzessiou erteilt und dieses wird auf seiner Tournee durch ganz Deutschland, England und Amerika auch Dresden be rühren. Die Darstellung geschieht in zirka 80 Kotossalgemälden in elektrischen Projektionen. Den Vortrag hält Dir. Ernst Schrumpf a.s München. Kurten bet F. Ries, Seestratze, A-. Brauer, Hauptstraße 2, und an der Abendkasse. j Dresden. Konzerte und Vorträge A. Ries, Königs, tzofmusikmten-Handlung (Inhaber: F. Plötner), Seestratze 21 (Eingang Ringstrahe): N ohmische« Streichquartett (K. Hoffmann, F. Euk, I. Herold, Prost H. Wihan), zweiter (letzter) Kammermusikabeud. Donnerstag den >2. Januar abends >/,8 Uhr. Palmengarien. Karten 4.20. 2,05. 1.00 ^ Kartenverkauf in der Hofmufikalienhandluug von F. RieS lF. Plömer), Kaufhaus, und Ad. Brauer (F. Plötner), Reustadt, von 8-1. 3-0 Uhr. j Dresden. Konzert-Mitteilongen der Firma H. Bock, Prager Strotze 8. Joan Manin (Violine) veranstaltet sein diesjähriges Konzert (einziger Abend) Sonnabend den 14. Januar abends Uhr im Palmenparten. Getreide- und Produktenpreise tu Bauqeu am r. Januar 1811. auf dem Markte an der Börse Gegenstand von bis von ! bt» 4 4 "öl 4 Weizen, gelb, alter t 100 kr; P — do. do. neuer / 18 — 18 50 18 — 18 50 Roggen . . . . » 100 - — — — — — — — — do. neuer . . / 14 — 14 25 14 — 14 2L Weizenmehl . . . . 50 . 10 25 18 50 — — — — Roggenmehl . . Weizenkleie . . . 1 50 - 8 75 12 — — — — — . - — — 5 30 — — — — Roggenklete. . . Weizen-Futtergrie» > 50tcg — — 5 5 SO 80 Roggengries . . Gerste, neue . . . . . — — 6 SO — — — . — 15 — 17 — — — — — Hafer, alter. . . — — — — — — — — do. neuer. . . IS — 10 40 15 — 15 50 Erbsen Wicken 100 ks 25 — 27 — : : : : SO — 33 , 3l — 83 — Kartoffeln . . . j 4 80 5 SO Butter - 1 2 30 2 40 Heu 100 - 5 50 k 40 do. neues . . . 100 . 5 50 0 — Strob / Flegel-Dru ch lOO kx j .Drusch loo - 4 3 50 4 3 80 SO Ferkel 324 Stück L Stück . 13 — 27 — Eine Mandel Eter. . . . 1 85 1 50 Landwirtschaftliche Produtteupretse in Zittau am 7. Januar 1611. (Nach amtlicher Feststellung durch den städtischen Ausschutz.) 50 Kilogr. netto von ! 4> bt« 50 Kilogr. netto von ! ! 4 I bt« ^1 4 Weizen, weitz . 8 20 6 70 Weizenmehl. . . 16 701 18- 70 Wetzen, gelb, alt. 8 80! 9 30 Roggenmehl . . >0 20 11 20 Roggen 6 70 7 2 Heu, neu .... 2 501 S 5« Braugerste . . . 7 80 8 40 Schüttstroh. . . l 90 i 2 ia Futtergerste . . 0 0 50 Gebundstroh . . l 30^ 1 50 Hafer, alter . . — — — Kartoffeln, ueue 2 501 3 — do. neuer. . 7 7 50 Butter (t kn) - 2 40 3 London " KerüligMMoti Xieävrlsßvo irr alton 8taöt,tsilvn. ,, — 166 — .Verzeihen Sie," fügte er dann Hinz», „ich wollte sagen: unter dem Namen Dorineau, denn es handelt sich mn Sie und nicht um mich. Dann hätte niemand gemußt, daß sie eine Largeval sei. Wenn ich sie geliebt hätte, wen» mir Gott, gegen den ich mich so oft vergangen, das namenlose Glück be- schiede» hätte, von ihr geliebt zu werden, so wäre es mir als meine erste und vornehmste Pflicht erschienen, das Gegenteil davon zu tun, was Sie tun." Gaston war stehen geblieben und blickte Montnssan aufmerksam an. der z» spreche» fortfuhr: „Ich hätte mir folgendes gesagt: der Himmel, das Schicksal, die Vor sehung, das Verhängnis, oder wie Sie es nennen mögen, verfolgt sie mit un erbittlicher Grausamkeit: ich aber werde größer, stärker und hartnäckiger sein als das Schicksal, die Vorsehung »nd das Verhängnis, und sie um so glück- licl>er machen, je schwerer sie heimgesncht wurde. Sie aber lieben sie nicht. Sie haben etwas n» der Stelle des Herzens, das sicherlich keinen besonderen Wert hat, und daß Genevissve Sie kennen und lieben lernte, war für das edle Wesen ein großes Unglück. Sie haben sicherlich bereits vergessen, daß Gene- viöve Ihrethalben beinahe getötet wurde?" Bei diesen Worte» ließ Gaston den bisher hartnäckig auf Montnssan gerichteten Blick sinken und gab keine Antwort, sondern ging im Stillen mit sich selbst z» Rate. Die auffallende Wärme, mit der Linien dargelegt hatte, wie er die Liebe zu Geneviöve anffassen würde, ließ so manchen Schluß auf den Zustand seines Herzens zu. Jeder fremde Mensch hätte zweifellos erraten, daß der Maler cin Geheimnis in seinem Innern verberge: wie denn erst jemand, der selbst bei der Sache interessiert war! In Wirklichkeit hatte Gasion keinen Moment anfgehört, seine Base treu und innig z» lieben. Bei dem Gedanken, daß mich Montnssan sie lieben und durch seine», Gastons, Rücktritt freien Spielraum finden könnte, daß Genevi'-ve ans gekränktem Stolze oder ans Dankbarkeit einwilligen würde, den Maler zn heirate», — bei diesem Gedanken wurde Gaston von einem wilde» Zorn ersaßt, den er sich aber nicht aninerken ließ. „Wenn dem so wäre!" dachte er sich im Stillen. Der arme Junge liebte tatsächlich von ganzem Herzen; auch war er erst vor so kurzer Zeit offizieller Bräutigam geworden, daß sein Freudentaumel noch nicht ganz geschwunden sein konnte. Anderseits aber stellten sich ihm die Erwägungen verschiedener Art, unter deren Bann er stand, nach wie vor mächtig und drohend entgegen. „Haben Sie den „Eid" gelesen?" fragte Montnssan plötzlich, ver seine Gedanke» hartnäckigerweise immer wieder zu Gencvidvc zurückführen zu wollen schien. „Nodrigez hatte den Grafe» nicht ermordet," antwortete Gaston. „Leben Sie wohll" sprach Montnssan kurz und wendete ihm den Rücken. „Wohin gehen Sie?" „Das hat Sie nicht zn kümmern. Von heute an kennen wir uns nicht mehr." Gaston machte einige Schritte und blieb dann vor Lucien sieben, indem er sagte: — 167 — „Hören Sie, ich leide ungeheuer." „Dann verstehen Sie es vorzüglich, Ihren Schmerz zu verbergen." „Sie haben in einer Weise mit mir gesprochen, daß ich davon ganz er schüttert bin." „Und trotzdem eilen Sie noch nicht zu Ihrer Base?" „Nein!" „So hole der Kuckuck Sie und michl" rief der Maler in höchstem Zorne aus. „Warten Sie, nur noch ein Wort: Sie lieben Geneviöve ebenfalls." „Ich!" rief Montussan aus, der cs niemals für möglich gehalten hätte, daß Gaston eine solche Frage an ihn stellen könnte. „Ich!" „Ja, Siel Und was wäre dabei so sehr zu verwundern?" Montussan, der sich inzwischen bereits gefaßt hatte, brach in so lautes Lachen aus, daß er über das Ziel hinausschob, und Gaston fest überzeugt war, die Wahrheit erraten zu haben. Was alle Argumente und Vorstellungen Luciens nicht vermocht hatten, brachte die Eifersucht in einem Momente zustande. Gaston vergaß alles: daß sein Vater gestorben und auf welche Weise er gestorben sei, die Welt und die auf sie zu nehmenden Rücksichten, die Ent schlüsse, die er gefaßt; er hielt nur eines vor Augen: Genevidve könnte einem anderen angehören, und dieser Gedanke ließ ihm am ganzen Leibe erschauern. Ein sehr egoistisches, aber leider ebenso natürliches Empfinden ließ ihn den Wunsch hegen, Genevitzve möge auch keinem anderen angehören, wenn sie ihm nicht angehörte, und als er sah, daß er sich in dieser Voraussetzung offenbar täuschen werde, waren seine weisen Entschlüsse mit einem Male über den Haufen geworfen. Ohne ein Wort zu sprechen, lüftete er den Hut und verließ eiligen Schrittes den Maler. Zehn Minuten später klingelte er bei Frau Largeval. „Sie sind es, GastonI" rief Geneviöve bei seinem Anblicke auS. ,Zchj habe mich also getäuscht!" Und mit auSgestreckten Händen und verklärtem Gesichte eilte sie ihm entgegen. Lanrenca dagegen blickte mit einiger Unruhe auf ihren Neffen, da sie fürchtete, daß er nur gekommen sei, uni endgültig zu brechen. „Hören Sie mich an, Genevidve," sprach er, „und verzeihen Sie mir, wenn Sie können." „Ich soll Ihnen verzeihen!" wiederholte daS junge Mädchen erbleichend. „Ja, meine heißgeliebte Genevidve, meine süße Braut, ich hatte eine schlechte Regung und bin gekommen, um auf den Knien liegend deine Ver zeihung zu erflehen." „Ich bitte Sie, Gaston, sagen Sie mir alles." „Weißt du denn nicht, wovon ich sprechen willL Deine ersten Worte: „Ich habe mich also getäuscht!" beweisen mir ja ziir Genüge, daß ich dir Schmerz bereitet habe." „Nun bist du aber wieder hier, du verachtest mich nicht, hast nicht auf gehört, mich zu lieben."